5 StR 412/25
BUNDESGERICHTSHOF StR 412/25 BESCHLUSS vom 9. Oktober 2025 in der Strafsache gegen wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2025:091025B5STR412.25.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Oktober 2025 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 9. April 2025 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat Erfolg. I.
Nach den getroffenen Feststellungen wollte der gesondert Verfolgte G. vom Nebenkläger, mit dem er vormals geschäftlich und freundschaftlich verbunden war, einen mindestens fünfstelligen Geldbetrag in Form von Kryptowährung erlangen. Er plante, den Nebenkläger in dessen Wohnung zu überfallen, den Computer (Laptop) wegzunehmen und die Preisgabe der Zugangsdaten für das E-Wallet zu erzwingen. Da er dem Nebenkläger nicht persönlich gegenübertreten wollte, gewann er für die unmittelbare Tatausführung den gesondert Verfolgten B.
, der seinerseits den Angeklagten für ein „gutes Spritgeld“
zunächst als Fahrer rekrutierte. Am 28. Januar 2024 trafen sich die Täter in der Nähe der Wohnung des Nebenklägers; B.
war dem Tatplan gemäß mit einer Machete bewaffnet. Er sollte den Nebenkläger nötigenfalls mit Gewalt unter Einsatz der Machete dazu veranlassen, seinen Laptop zu übergeben und das Passwort zu offenbaren. Die Aufgabe des Angeklagten bestand darin, die Freundin des Nebenklägers unter Kontrolle zu bringen. Der Angriff sollte besonders schnell und möglichst lautlos bewerkstelligt werden, um ein Eingreifen von Dritten, namentlich Wohnungsnachbarn, zu vermeiden.
Die Täter gelangten durch die Tiefgarageneinfahrt ins Wohnhaus.
B. und der Angeklagte erwarteten im Treppenhaus die Ankunft des Nebenklägers und seiner Freundin. G.
hatte sich ein Stockwerk über ihnen positioniert und verbarg sich. Als der Nebenkläger die Wohnung betrat, stieß B. die Tür kräftig auf, so dass jener in den Flur stürzte. Er wurde sofort von B. mit Faustschlägen gegen Kopf und Oberkörper attackiert. Aufgrund der Gegenwehr des zudem durchgehend um Hilfe rufenden Nebenklägers entwickelte sich ein Kampf, in dessen Verlauf B.
die Machete zog. Er hielt sie dem Nebenkläger an den Hals und forderte die Herausgabe des Laptops und die Bekanntgabe des Passwortes. In Todesangst griff der Nebenkläger nach der die Machete führenden Hand des B.
, der sich mit einem „Bodycheck“ befreite.
Hierdurch fiel der Nebenkläger in einen Glastisch und erlitt durch die Klinge der Machete tiefe Schnittverletzungen an den Händen, die sofort stark bluteten. Er schrie, dass ihm ein Finger abgeschnitten worden sei. Der Angeklagte hatte während des gesamten Geschehens die Freundin des Nebenklägers an einer Wand im Flur fixiert und sie aufgefordert, still zu sein, da er ihr nicht wehtun wolle.
B. wurde unterdessen bewusst, dass sich die Tat anders als erwartet entwickelt hatte. Der Nebenkläger hatte sich heftig gewehrt, schrie laut um Hilfe und war weder ausgeschaltet worden, noch hatte er aufgegeben oder kooperiert. Der Kampf dauerte schon erhebliche Zeit und verursachte viel Lärm.
Eine – aus Sicht des B.
„ohne Weiteres“ noch mögliche – eigenständige Suche nach Laptop und Passwort würde weitere Zeit kosten, in der der Nebenkläger nicht unter Kontrolle wäre. Dritte könnten die Hilfeschreie wahrgenommen haben und in Kürze eintreffen, was die Flucht erschweren würde. Dies erkennend wollte B.
„nur noch weg“. Der Angeklagte nahm durch einen Blickkontakt mit ihm wahr, dass die Tat „nicht weiter fortgeführt werden würde“. Daraufhin verließ er fluchtartig als erster die Wohnung. Der gesondert Verfolgte G.
hatte sich auf unbekannte Weise aus dem Gebäude entfernt. Die Täter trafen sich kurz darauf vor dem Gebäude, wo G.
die Machete und andere Tatmittel übernahm, welche er später entsorgte.
Das Landgericht hat das Geschehen als versuchte besonders schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 250 Abs. 2 Nr. 1, §§ 255, 249, 22, § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2, § 25 Abs. 2 StGB)
gewertet. Der Angeklagte sei, ebenso wie der gesondert Verfolgte B.
,
nicht strafbefreiend vom Versuch der besonders schweren räuberischen Erpressung zurückgetreten.
II.
Die Revision des Angeklagten ist begründet. Die Erwägungen des Landgerichts, mit denen es einen strafbefreienden Rücktritt vom (unbeendeten) Versuch der besonders schweren räuberischen Erpressung abgelehnt hat, sind rechtsfehlerhaft, weil es bei der Anwendung des § 24 Abs. 2 StGB von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist.
1. Das Landgericht hat angenommen, dass ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch des Erpressungsdelikts für den Angeklagten nicht in Betracht komme, weil er „nicht dazu beitrug, die Tat nicht zu vollenden“, sondern schlicht im Rahmen seines vorgesehenen Tatbeitrages handelte, und die weitere Tatausführung erst abbrach als er die Aufgabe der Tat durch den gesondert Verfolgten B. wahrgenommen hatte. Es wäre ihm aber jederzeit möglich gewesen, die Geschädigte früher loszulassen. Weil er sehr nah neben der Wohnungstür platziert war, hätte er schnell den Tatort verlassen und somit dazu beitragen können, dass die Tat nicht vollendet werde.
2. Diese Ausführungen offenbaren einen falschen rechtlichen Maßstab. Denn das Landgericht hat übersehen, dass von § 24 Abs. 2 StGB auch Fälle erfasst werden, in denen bei einem unbeendeten Versuch die Tatbeteiligten einvernehmlich nicht weiterhandeln, obwohl sie den Taterfolg noch herbeiführen könnten. Das die Tatvollendung verhindernde Verhalten muss nicht zwingend in einem auf die Erfolgsabwendung gerichteten aktiven Tun liegen. Unter den genannten Voraussetzungen ist das bloße Nichtweiterhandeln für die Erfolgsverhinderung im Sinne von § 24 Abs. 2 Satz 2 StGB ausreichend (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2022 – 4 StR 223/21; Beschlüsse vom 18. Oktober 2023 – 6 StR 464/23, NStZ 2024, 348 f.; vom 29. August 2017 – 4 StR 116/17; vom 22. April 2015 – 2 StR 383/14; vom 27. Februar 2014 – 1 StR 367/13, BGHR StGB § 24 Abs. 2 Verhinderung 8).
Die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts durch einvernehmliches Nichtweiterhandeln hat das Landgericht ausgehend von seinem falschen Maß- stab nicht in den Blick genommen. Vielmehr hat es allein darauf abgestellt, dass der Angeklagte schon vor dem Entschluss des B.
von der weiteren Ausführung der Tat hätte Abstand nehmen können. Da sich aber Anhaltspunkte für einen einverständlichen Abbruch der Tat aus den Urteilsgründen ergeben, hätte es sich mit dieser Rücktrittsmöglichkeit auseinandersetzen müssen. Solche lassen sich insbesondere der Einlassung des Angeklagten entnehmen. Danach habe er sich mit B.
durch Kopfnicken verständigt, die Tat abzubrechen. Zu den Umständen der Tataufgabe durch den weiteren Tatbeteiligten, den gesondert Verfolgten G.
, hat es keine Feststellungen getroffen. Damit kann der Senat die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts nicht überprüfen.
3. Der Rechtsfehler führt auch zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen der für sich genommen rechtsfehlerfreien tateinheitlichen Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung. Der Senat hebt die Feststellungen insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht in sich widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.
Cirener RiBGH Gericke ist erkrankt und kann nicht unterschreiben.
Cirener Köhler Resch Werner Vorinstanz: Landgericht Leipzig, 09.04.2025 - 6 KLs 851 Js 68466/24