AnwZ (Brfg) 29/24
BUNDESGERICHTSHOF AnwZ (Brfg) 29/24 BESCHLUSS vom
21. März 2025 in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft hier: Anhörungsrüge ECLI:DE:BGH:2025:210325BANWZ.BRFG.29.24.0 Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richterin Grüneberg und die Richterin Ettl sowie die Rechtsanwältin Merk und den Rechtsanwalt Prof. Dr. Schmittmann am 21. März 2025 beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Klägerin vom 14. Februar 2025 gegen den Beschluss des Senats vom 13. Dezember 2024 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe: I.
Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf ihrer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) durch Bescheid der Beklagten vom 2. März 2023. Ihre dagegen erhobene Klage hat der Anwaltsgerichtshof mit Urteil vom 24. Mai 2024 abgewiesen. Der Senat hat den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs mit Beschluss vom 13. Dezember 2024 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Anhörungsrüge.
II.
Die nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 152a VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge der Klägerin ist unbegründet. Der Senat hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
1. Der Senat hat das Vorbringen der Klägerin zur Begründung ihres Zulassungsantrags vollständig berücksichtigt und geprüft, aber aus den im Beschluss vom 13. Dezember 2024 dargelegten Gründen für nicht durchgreifend erachtet. Dass er damit der rechtlichen Würdigung der Klägerin nicht gefolgt ist, begründet keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Das Verfahrensgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es schützt jedoch nicht davor, dass das Vorbringen einer Partei aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt bleibt oder dass das Gericht die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt (st. Rspr.; BVerfG, NVwZ 2016, 1475 Rn. 14 mwN; Senat, Beschlüsse vom 19. Oktober 2018 - AnwZ (Brfg) 5/18, juris Rn. 2; vom 16. Juni 2021 - AnwZ (Brfg) 2/20, juris Rn. 5 und vom 2. Februar 2024 - AnwZ (Brfg) 27/23, juris Rn. 3).
2. Eine Gehörsverletzung ergibt sich auch nicht aus der Kritik der Klägerin zu den von ihr im Einzelnen angesprochenen Erwägungen des Senats.
a) Die Rüge der Klägerin, die Ausführungen unter Randnummer 8 des angegriffenen Beschlusses seien unvollständig, weil der Senat übersehen und sich daher nicht damit befasst habe, dass die durch Eintragungen im Schuldnerverzeichnis begründete gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls auch dann nicht eingreife, wenn die liquiden Mittel des Rechtsanwalts - wie von ihr dargelegt und belegt - selbst bei unterstelltem Bestehen aller behaupteten Forderungen deren Höhe per Saldo überstiegen, trifft bereits im rechtlichen Ansatz nicht zu.
Die gesetzliche Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO greift nach ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich unabhängig von der Höhe der Forderung, die der jeweiligen (nicht nachweislich bereits löschungsreifen) Eintragung im Schuldnerverzeichnis zugrunde liegt. Denn der Umstand, dass der Rechtsanwalt es sogar wegen vergleichsweise geringfügiger Forderungen zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und Eintragungen im Schuldnerverzeichnis hat kommen lassen, spricht gerade für und nicht gegen das Vorliegen eines Vermögensverfalls (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Februar 2024 - AnwZ (Brfg) 41/23, juris Rn. 16 mwN). Ob der Rechtsanwalt über ausreichende liquide Mittel verfügte, um die Forderung zu begleichen, spielt daher in diesem Zusammenhang keine Rolle, sondern ist erst im Rahmen der Prüfung der Widerlegung der gesetzlichen Vermutung zu berücksichtigen.
Auch für diese Widerlegung der gesetzlichen Vermutung reicht jedoch allein der Verweis des Rechtsanwalts auf (seiner Behauptung nach) zum Widerrufszeitpunkt vorhandenes liquides Vermögen, das den Saldo sämtlicher seinen Eintragungen zugrundeliegender und etwaiger weiterer, im Widerrufsverfahren bekannt gewordener Forderungen gegen ihn überstiegen habe, grundsätzlich nicht aus. Vielmehr muss der Rechtsanwalt nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids bezogenes vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und seiner Verbindlichkeiten vorlegen und konkret darlegen sowie belegen, dass seine Vermögensund Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet waren (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 20. Dezember 2022 - AnwZ (Brfg) 22/22, ZInsO 2023, 612 Rn. 13 und vom 2. Februar 2024 - AnwZ (Brfg) 41/23, juris Rn. 12 mwN). Allein der Nachweis von zum Widerrufszeitpunkt vorhandenem liquiden Vermögen ermöglicht noch nicht die erforderliche Gesamtbeurteilung der finanziellen Verhältnisse des Rechtsanwalts dahingehend, ob er zum Widerrufszeitpunkt (eigentlich) in der Lage war, seinen sämtlichen Verpflichtungen mittels des ihm zur Verfügung stehenden Einkommens und/oder Vermögens nachhaltig, dauerhaft und geregelt nachzukommen.
Ein diesen Anforderungen entsprechendes vollständiges und detailliertes Verzeichnis ihrer Verbindlichkeiten sowie ihrer Vermögens-, Einkommens- und Ausgabensituation zum Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung hat die Klägerin weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren oder mit ihrem Zulassungsantrag vorgelegt.
b) Ohne Erfolg wendet die Klägerin sich weiter dagegen, dass der Senat ihr Vorbringen zu der von ihr behaupteten Löschungsreife von sechs ihrer Eintragungen im Schuldnerverzeichnis im Widerrufszeitpunkt für nicht ausreichend erachtet hat. Der Senat hat damit weder den Vortrag der Klägerin zu den den Eintragungen zugrundeliegenden Forderungen und ihre dazu eingereichten Belege übergangen oder missverstanden noch die Darlegungs- und Beweisanforderungen an die Klägerin überspannt.
aa) Mit ihrem Einwand, sie habe entgegen der Darstellung in Randnummer 10 des Senatsbeschlusses zu jeder von der Beklagten behaupteten Forderung "die Beweismittel" benannt, wie etwa in ihrem Schriftsatz vom 31. Januar 2025 (richtig wohl: 2023), und diese Unterlagen müssten sich in den Akten befinden, weswegen sie sie nicht nochmals habe vorlegen müssen, zeigt die Klägerin schon nicht - wie erforderlich - konkret auf, welche "Beweismittel", insbesondere welche Belege der Senat übergangen haben soll.
bb) Darüber hinaus trifft der Einwand der Klägerin, sie habe Belege für die von ihr behauptete Erledigung sämtlicher Forderungen vorgelegt, hinsichtlich der sechs Forderungen, auf denen die die gesetzliche Vermutung begründenden Eintragungen im Schuldnerverzeichnis beruhen (Nr. 78, Nr. 59/99, Nr. 107,
Nr. 111, Nr. 113, Nr. 116), nicht zu. Dem Schriftsatz vom 31. Januar 2023 war zu diesen Forderungen kein Beleg beigefügt. Zu der von ihr behaupteten Erledigung der Forderungen Nr. 107, Nr. 111 und Nr. 113 hat die Klägerin weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren einen Beleg vorgelegt. Der von ihr mit Schriftsatz vom 25. August 2023 (Anlage 1) zu Forderung Nr. 78 vorgelegte Kontoauszug wies zwar eine Zahlung an den Gerichtsvollzieher für eine Forderung der WEG L.
straße aus, allerdings zu einem anderen Vollstreckungsaktenzeichen (DR II 423/22 statt DR II 619/22). Der mit demselben Schriftsatz (Anlage 4) zu Forderung Nr. 116 eingereichte Kontoauszug wies keine Zahlung an die Gläubigerin N.
GmbH aus, sondern an die Gerichtszahlstelle (zu Az. 5 K 61/21 AG Gelsenkirchen) "zur Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 75 ZVG", ohne dass der dazu von der Klägerin behauptete Zusammenhang mit der (ihrer Behauptung nach ohnehin nicht existierenden)
Forderung der N.
GmbH belegt wurde. Betreffend die Forderungen Nr. 59/99 des Finanzamts hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 16. Februar 2024 zwar einen Kontoauszug über die Einziehung eines Betrages von 20.759,10 €
durch das Finanzamt im Wege der Pfändung vorgelegt, die aber nicht sämtliche der Eintragung zugrundeliegenden Steuerforderungen abdeckt und zudem von der Klägerin nach ihrem eigenen Vorbringen noch Gegenstand eines Rechtsstreits mit dem Finanzamt ist.
cc) Eine Gehörsverletzung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Senat die Beweisantritte der Klägerin im anwaltsgerichtlichen Verfahren durch Benennung von Zeugen für die von ihr behauptete Begleichung bzw. Erledigung der ihren Eintragungen zugrundeliegenden Forderungen (Schriftsätze vom
25. August 2023 und vom 16. Februar 2024) mangels hinreichender Konkretisierung und Substantiierung als unerheblich angesehen hat.
Der Senat hat in Randnummern 12 bis 14 des angefochtenen Beschlusses die grundsätzlichen Anforderungen an einen erheblichen Zeugenbeweisantritt dargelegt und die Angaben der Klägerin - Name und Anschrift des Zeugen sowie des pauschalen Beweisthemas "Erledigung durch Zahlung vor dem 2. März 2023" bzw. Vornahme einer nicht konkretisierten, geschweige denn belegten und zudem offenbar von der Gläubigerin bestrittenen Aufrechnung - danach für nicht ausreichend erachtet. Damit hat er die Darlegungsanforderungen an die Klägerin nicht überspannt, da einem Schuldner - bei zumindest einigermaßen geordneten Vermögensverhältnissen - nähere Angaben zu einer von ihm behaupteten Begleichung der jeweiligen Forderung möglich und zumutbar sind.
dd) Ebenso wenig durchgreifend ist der Einwand der Klägerin, entgegen Randnummer 13 (richtig wohl: 15) des Beschlusses hätten sich dem Anwaltsgerichtshof weitere Aufklärungsmaßnahmen insbesondere zu den von ihr bestrittenen Steuerforderungen des Finanzamts (Forderung Nr. 59/99) aufdrängen müssen; insoweit messe der Senat mit einem unterschiedlichen Maßstab, weil er den pauschalen Vortrag der Beklagten zu diesen (angeblichen) Steuerverbindlichkeiten und deren Berechtigung ausreichen lasse, von ihr aber konkreteren Vortrag erwarte.
Die Klägerin verkennt auch hier, dass Titeln und Vollstreckungsmaßnahmen nach ständiger Rechtsprechung des Senats im Widerrufsverfahren nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO eine Tatbestands- und Titelwirkung zukommt, aufgrund derer sie nicht auf ihre inhaltliche und verfahrensrechtliche Richtigkeit überprüft werden und behauptete Fehler in den jeweils dafür vorgesehenen Verfahren geltend zu machen sind (vgl. nur Senat, Beschluss vom 25. Juli 2023
- AnwZ (Brfg) 8/23, juris Rn. 10 mwN). Der Anwaltsgerichtshof hat daher zu Recht von einer näheren Überprüfung der Berechtigung der vom Finanzamt veranlassten Eintragung der Klägerin abgesehen, zumal die Klägerin - wie im Beschluss des Senats ausgeführt - auch für ihre Behauptungen, das Finanzamt habe auf ihre persönliche Vorsprache selbst eingeräumt, die Abgabe der eidesstattliche Versicherung nach § 284 AO "ins Blaue hinein" zu verlangen, und die Steuerforderungen beruhten allein darauf, dass von ihr geleistete Zahlungen und ihr zustehende Erstattungen nicht ordnungsgemäß verbucht worden seien, keinen Beleg vorgelegt hat.
c) Betreffend das weitere Vorbringen der Klägerin dazu, dass sie mit ihrem Vortrag zu ihrem ihr im Widerrufszeitpunkt frei zur Verfügung stehenden Vermögen die gesetzliche Vermutung ihres Vermögensverfalls - entgegen der Auffassung des Senats - widerlegt habe, wird auf die obigen Ausführungen und den Beschluss des Senats vom 13. Dezember 2024 (Randnummern 16 bis 23) verwiesen. Soweit die Klägerin mit der Anhörungsrüge dazu nunmehr ergänzend vorträgt, sie habe bei den von ihr behaupteten laufenden Einkünften durch monatliche Mieteinnahmen von insgesamt 6.000 € aus ihren Eigentumswohnungen die Grundsteuern (monatlich ca. 100 € pro Wohnung) und die Hausgelder bereits abgerechnet, fehlt es weiterhin an jeglichen Belegen.
d) Eine Vernehmung von als Zeugen benannten Bankangestellten für die freie Verfügbarkeit der in den vorgelegten Bankbelegen ausgewiesenen Guthaben war aus den oben dargelegten Gründen mangels Erheblichkeit nicht geboten.
Guhling Merk Grüneberg Schmittmann Ettl Vorinstanz: AGH Hamm, Entscheidung vom 24.05.2024 - 1 AGH 16/23 -