XI ZR 162/21
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES XI ZR 162/21 URTEIL in dem Rechtsstreit Verkündet am: 28. Januar 2025 Mazurkiewicz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ECLI:DE:BGH:2025:280125UXIZR162.21.0 Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2025 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Matthias, Dr. Schild von Spannenberg und Dr. Sturm sowie die Richterin Ettl für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 23. Februar 2021 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen Tatbestand: 1 Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers. 2 Der Kläger erwarb im Jahr 2013 einen Pkw der Marke Skoda zum Kaufpreis von 26.000 €. Zur Finanzierung des über die geleistete Anzahlung von 6.000 € hinausgehenden Kaufpreises sowie des Beitrags für eine Restschuldversicherung Kreditschutzbrief (KSB) von 894,39 € schlossen die Parteien mit Datum vom 19. Juni 2013 einen Darlehensvertrag über 20.894,39 € zu einem gebundenen Sollzinssatz von 1,88% p.a. Zins- und Tilgungsleistungen sollten in 48 monatlichen Raten zu je 253,47 € und einer am 26. Juni 2017 fälligen Schlussrate in Höhe von 9.901,90 € erbracht werden.
Der Kläger führte das Darlehen im Juni 2017 vollständig vertragsgemäß zurück. Die Darlehensgeberin verzichtete auf ihr Sicherungseigentum und übertrug das Eigentum an dem finanzierten Fahrzeug auf den Kläger.
Mit Schreiben vom 3. Mai 2018 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. Die Beklagte akzeptierte den Widerruf nicht.
Mit seiner Klage hat der Kläger zuletzt (1.) die Zahlung von 27.814,09 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen [hilfsweise: nach] Herausgabe des finanzierten Fahrzeugs und (2.) die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet, begehrt.
Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Der Senat hat die Revision des Klägers zugelassen, soweit im Hinblick auf den Zahlungsantrag zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist, und die weitergehende Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zurückgewiesen. Im Umfang der Zulassung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe: 7 Die Revision ist unbegründet.
I. 8 Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte Zahlung gemäß § 495 Abs. 1, § 355 Abs. 1 und 2, § 357 Abs. 1 Satz 1, § 358, §§ 346 ff. BGB in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung gegen die Beklagte. Ein etwaiges Widerrufsrecht des Klägers sei verwirkt. Nach den Umständen des Einzelfalls sei das Zeitmoment als erfüllt anzusehen; zwischen dem Darlehensantrag am 19. Juni 2013 und der Widerrufserklärung des Klägers im Mai 2018 liege ein Zeitraum von fast fünf Jahren. Auch das Umstandsmoment sei erfüllt. Der Vertrag sei nach Zahlung der erhöhten Schlussrate durch den Kläger einvernehmlich beendet worden. Die Beklagte habe im Anschluss ihr Sicherungseigentum an dem streitgegenständlichen Kraftfahrzeug auf den Kläger übertragen und dadurch zu erkennen gegeben, dass sie auf die Nichtgeltendmachung des Widerrufsrechts durch den Kläger vertraue.
II.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand, so dass die Revision des Klägers zurückzuweisen ist.
Der Kläger hat den streitgegenständlichen, gemäß § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag nicht wirksam widerrufen. Dem Kläger stand zwar bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 BGB in der vom 11. Juni 2010 bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) ein Widerrufsrecht zu. Am 3. Mai 2018 konnte er seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung aber nicht mehr widerrufen, weil der Darlehensvertrag zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig erfüllt war.
Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Kläger im Juni 2017 das Darlehen vertragsgemäß vollständig zurückgeführt und die Beklagte hatte das finanzierte Fahrzeug unter Verzicht auf ihr Sicherungseigentum an den Kläger übereignet. Nach der vollständigen Erfüllung des Darlehensvertrags steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 BGB aF nicht mehr zu.
1. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 21. Dezember 2023 (C-38/21, C-47/21 und C-232/21, juris Rn. 274 ff. - BMW Bank u.a.) entschieden und im Einzelnen begründet, dass sich ein Verbraucher mangels einschlägiger spezieller Bestimmungen nicht mehr auf das Widerrufsrecht nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66, berichtigt in ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40 und ABl. 2011, L 234, S. 46; im Folgenden: Verbraucherkreditrichtlinie) berufen kann, sobald der Kreditvertrag von den Parteien vollständig erfüllt wurde und die gegenseitigen Verpflichtungen aus diesem Vertrag somit beendet sind. Danach führt die vollständige Erfüllung des Kreditvertrags zum Erlöschen des Widerrufsrechts nach Art. 14 Abs. 1 der Verbraucherkreditrichtlinie (EuGH aaO Rn. 292).
2. Anders als die Revision meint, steht der Wille des Gesetzgebers einer richtlinienkonformen Auslegung der nationalen Regelung in § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 BGB aF nicht entgegen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. Januar 2024 - XI ZR 310/22, BKR 2024, 299, vom 26. März 2024 - XI ZR 288/21, BKR 2024, 445 und vom 24. September 2024 - XI ZR 423/21, juris; OLG München, WM 2024, 1211, 1212 ff.; zweifelnd Schwintowski in Herberger/Martinek/ Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 495 BGB (Stand: 12.12.2024) Rn. 67.1 f.; Maier, VuR 2024, 184, 185 ff.; aA BeckOGK/Knops,
Stand: 15.08.2024, BGB § 495 Rn. 208 ff.). Der Gesetzgeber hat keine ausdrückliche Entscheidung für ein von der Auslegung des Art. 14 Abs. 1 der Verbraucherkreditrichtlinie unabhängiges "ewiges" Widerrufsrecht beim Verbraucherdarlehensvertrag getroffen.
Mit § 495 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2355) wollte der Gesetzgeber Art. 14 der Verbraucherkreditrichtlinie umsetzen (vgl. BT-Drucks. 16/11643, S. 83 linke Spalte). In § 495 Abs. 1 BGB, der den Vorgaben aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Verbraucherkreditrichtlinie entspreche, sah er insoweit keinen Änderungsbedarf. Mit der Neufassung von § 495 Abs. 2 BGB wollte der Gesetzgeber abschließend die Abweichungen von den in § 495 Abs. 1 BGB in Bezug genommenen allgemeinen Vorschriften über das Widerrufsrecht regeln, die er zur Umsetzung von Art. 14 der Verbraucherkreditrichtlinie als vollharmonisierte Vorschrift für erforderlich hielt (vgl. BT-Drucks. 16/11643 aaO). Über die Vorgaben von Art. 14 der Verbraucherkreditrichtlinie hinausgehen wollte der Gesetzgeber nicht.
Gegen einen Willen des Gesetzgebers, beim Verbraucherdarlehensvertrag ein von der Auslegung des Art. 14 Abs. 1 der Verbraucherkreditrichtlinie unabhängiges "ewiges" Widerrufsrecht zu gewähren, spricht ferner, dass er dem Darlehensgeber mit dem Gesetz zur Einführung einer Musterwiderrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge, zur Änderung der Vorschriften über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen und zur Änderung des Darlehensvermittlungsrechts vom 24. Juli 2010 (BGBl. I S. 977) ermöglicht hat, den Beginn der (dann auf einen Monat verlängerten) Widerrufsfrist durch die Nachholung von Pflichtangaben auszulösen. Zur Begründung hat der Gesetzgeber angeführt, dass das Ergebnis des Umsetzungsgesetzes, wonach die versehentlich nicht erfolgte Aufnahme auch weniger bedeutender Pflichtangaben dazu führe, dass die Widerrufsfrist nicht mehr beginnen könne und "der Vertrag grundsätzlich während seiner gesamten Laufzeit widerruflich ist", sehr hart erscheine (vgl. BT-Drucks. 17/1394, S. 15 linke Spalte). Dies sei als von der Richtlinie vorgegeben angesehen worden. Zwischenzeitlich habe sich aber gezeigt, dass auch die Europäische Kommission davon ausgehe, dass ein Nachholen von Pflichtangaben zulässig sei (BT-Drucks. 17/1394 aaO). Danach hat der Gesetzgeber in dem Ende der Vertragslaufzeit schon selbst eine Grenze für die Ausübung des Widerrufsrechts beim Verbraucherdarlehensvertrag gesehen und die Widerruflichkeit eines solchen Vertrags durch die Möglichkeit, den Fristlauf mit der Nachholung von Pflichtangaben auszulösen, in Einklang mit Art. 14 der Verbraucherkreditrichtlinie weiter einschränken wollen.
Ellenberger Sturm Matthias Ettl Schild von Spannenberg Vorinstanzen: LG Braunschweig, Entscheidung vom 05.03.2020 - 5 O 1151/19 (441) OLG Braunschweig, Entscheidung vom 23.02.2021 - 11 U 124/20 -