XII ZR 62/22
BUNDESGERICHTSHOF XII ZR 62/22 BESCHLUSS vom 28. August 2024 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:
nein BGHR:
ja JNEU:
nein ZPO § 415 a) Sind öffentliche Urkunden im Sinne von § 415 Abs. 1 ZPO echt und mangelfrei, erbringen sie den vollen Beweis dafür, dass die Erklärung des Urkundsbeteiligten mit dem niedergelegten Inhalt so, wie beurkundet und nicht anders, abgegeben wurde.
b) Die inhaltliche Richtigkeit der Erklärung ist nicht von der Beweiskraft erfasst; ob durch die Erklärung über eine Tatsache diese Tatsache selbst bewiesen wird, hat das Gericht im Wege der freien Beweiswürdigung zu entscheiden.
BGH, Beschluss vom 28. August 2024 - XII ZR 62/22 - OLG Celle LG Stade ECLI:DE:BGH:2024:280824BXIIZR62.22.0 Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. August 2024 durch die Richter Dr. Günter, Prof. Dr. Klinkhammer und Dr. Botur und die Richterinnen Dr. Krüger und Dr. Recknagel beschlossen:
Der Kläger wird, nachdem er die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 25. Mai 2022 zurückgenommen hat, dieses Rechtsmittels für verlustig erklärt.
Auf die gegen den Beklagten zu 2 gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird die Revision gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 25. Mai 2022 zugelassen, soweit die Berufung des Klägers gegen die in dem Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 18. April 2019 ausgesprochene Abweisung seiner Klage auf Verurteilung des Beklagten zu 2 zur Zahlung von 57.901,09 € nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit abgewiesen worden ist.
Auf die Revision des Klägers wird das vorgenannte Urteil des Oberlandesgerichts im Umfang der zugelassenen Revision aufgehoben. Die im Urteil des Oberlandesgerichts getroffene Kostenentscheidung bleibt bestehen, soweit dem Kläger darin die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 auferlegt wurden; im Übrigen wird das Urteil auch im Kostenpunkt aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Dies gilt nicht für die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde, die dem Kläger auferlegt werden.
Der Streitwert für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde wird festgesetzt auf 76.389,01 €, davon entfallen 18.487,92 € auf den am 27. September 2022 zurückgenommenen Teil der Beschwerde.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird festgesetzt auf 57.901,09 €.
Gründe:
I.
Der Kläger ist der Rechtsnachfolger der verstorbenen vormaligen Klägerin (im Folgenden auch: Erblasserin). Die Beklagte zu 1 ist Tochter der Erblasserin, der Beklagte zu 2 ist Sohn der Beklagten zu 1 und Enkelsohn der Erblasserin. Der Kläger nimmt - soweit für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren noch von Interesse - den Beklagten zu 2 auf Schadensersatz wegen einer Pflichtverletzung als Betreuer der Erblasserin bei der Veräußerung einer Immobilie in Anspruch.
Der Beklagte zu 2 war im Zeitraum von September 2015 bis Februar 2016 als vorläufiger Betreuer und im Zeitraum von März 2016 bis März 2017 als (endgültiger) Betreuer für die 1935 geborene Erblasserin bestellt, zuletzt unter anderem mit dem Aufgabenbereich „Vermögenssorge einschließlich des Verkaufs des Eigentums an der Wohnung in …H.“.
Am 30. Dezember 2015 schloss der Beklagte zu 2 als Betreuer im Namen der Erblasserin einen notariell beurkundeten Kaufvertrag, mit dem die Wohnung der Erblasserin für 120.000 € an eine Person aus dem Bekanntenkreis der Beklagten zu 1 veräußert und die Erblasserin als Verkäuferin zur Übernahme sämtlicher mit dem Vertrag und seiner Durchführung verbundenen Kosten sowie zur Tragung der Grunderwerbssteuer verpflichtet wurde. Der Bildung des Kaufpreises lag dabei eine zweiseitige und als „gutachterliche Stellungnahme“ bezeichnete Wertermittlung durch einen Immobilienmakler zugrunde. Der den Vertrag beurkundende Notar legte den Kaufvertrag dem Betreuungsgericht zur gerichtlichen Genehmigung vor. Das Betreuungsgericht teilte dem Beklagten zu 2 durch Verfügung vom 31. März 2016 mit, dass gegen die Veräußerung der Wohnung angesichts des im Betreuungsverfahren mehrfach geäußerten Wunsches der Erblasserin im Grundsatz keine Bedenken bestünden, die Angemessenheit des Kaufpreises aber durch Gutachten eines vereidigten Sachverständigen zu belegen sei, da die Wertermittlung durch den Hausmakler kein Verkehrswertgutachten darstelle.
Mit notarieller Urkunde vom 5. April 2016 erklärte die unstreitig geschäftsfähige Erblasserin die Genehmigung des Kaufvertrages. Die Niederschrift der Beurkundungsverhandlung hat auszugsweise den folgenden Inhalt:
„Die Beteiligte erklärte: (…)
Den wesentlichen Inhalt des Kaufvertrages hat mir der heute amtierende Notar erklärt. Er hat mich insbesondere darauf hingewiesen, dass das Objekt gemäß § 2 des vorgenannten Vertrages zu einem Kaufpreis von 120.000 € (…) verkauft wird.
Mir ist ebenfalls bekannt, dass dieser Betrag einer gutachterlichen Stellungnahme des Hausmaklers H. (…) vom 21.12.2015 entspricht. Auch der Inhalt dieser gutachterlichen Stellungnahme wurde mit dem heute amtierenden Notar besprochen.
Ich erkläre hiermit ausdrücklich die Genehmigung aller Erklärungen, die mein Enkelsohn als gerichtlich bestellter Betreuer für mich im Kaufvertrag vom 30.12.2015 (…) abgegeben hat, wobei sich diese Genehmigung insbesondere auf den vereinbarten Kaufpreis von 120.000,00 € bezieht. Ein Verkauf der Immobilie zu diesem Preis entspricht meinem hiermit ausdrücklich bestätigten Willen.“
In dem vorliegenden Verfahren hat die seit März 2017 durch einen Berufs5 betreuer vertretene vormalige Klägerin den Beklagten zu 2 auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 57.901,09 € wegen behaupteter Pflichtverletzungen bei der Veräußerung ihrer Wohnung in Anspruch genommen und daneben Herausgabeansprüche gegen die beiden Beklagten im Zusammenhang mit belastenden Verfügungen des Beklagten zu 2 über das Girokonto der Erblasserin geltend gemacht. Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Hiergegen hat sich die vormalige Klägerin mit der Berufung gewendet. Sie ist im Verlauf des Berufungsverfahrens verstorben und von dem Kläger - einen von einer anderen Tochter der Erblasserin abstammenden Enkelsohn - allein beerbt worden. Nach Aufnahme des Verfahrens durch den Kläger hat das Oberlandesgericht die Berufung zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner zunächst uneingeschränkt eingelegten Beschwerde, die er nach Teilrücknahme noch in Höhe von 57.901,09 € nebst Zinsen gegen den Beklagten zu 2 weiterverfolgt.
II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist im Umfang der Anfechtung des Berufungsurteils begründet. Die zugelassene Revision führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Hinblick auf mögliche Pflichtverletzungen des Beklagten zu 2 bei der Veräußerung der Immobilie das Folgende ausgeführt: Ob eine solche Pflichtverletzung des Beklagten zu 2 gegeben sein könne, richte sich zunächst nach der streitigen Frage, ob die Erblasserin die Wohnung zum Kaufpreis von 120.000 € in Kenntnis eines gegebenenfalls höheren Marktwertes unter Übernahme der Kosten, Gebühren und Steuern habe verkaufen wollen und sodann danach, ob der erzielte Kaufpreis unangemessen niedrig gewesen sei. Insoweit könne sich ein Betreuer zwar nur dann auf einen dem objektiven Wohl des Betreuten zuwiderlaufenden Wunsch des Betreuten berufen, wenn dieser Wunsch auf ausreichender tatsächlicher Grundlage gefasst worden sei. Hinsichtlich des Umfangs der gebotenen Aufklärung entfalte die notarielle Urkunde über die Genehmigung des Wohnungsverkaufs durch die Erblasserin aber die volle Beweiswirkung hinsichtlich des beurkundeten Vorgangs, wobei der Beweis der unrichtigen Beurkundung zulässig sei (§ 415 ZPO). Der Kläger habe ebenso wenig wie die Erblasserin als vormalige Klägerin dargelegt und Beweis dafür angeboten, dass der Vorgang unrichtig beurkundet worden sei. Die Vernehmung des Notars sei dabei erstinstanzlich nur von den Beklagten beantragt worden. Daher habe der Kläger nicht bewiesen, dass der Verkauf der Eigentumswohnung gegen den Willen der Erblasserin erfolgt sei, so dass er diesbezüglich keine Ansprüche gegen den Beklagten zu 2 herleiten könne.
2. Diese Ausführungen lassen erkennen, dass dem Berufungsgericht eine entscheidungserhebliche Verletzung des klägerischen Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unterlaufen ist.
a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Dabei soll das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. Daraus folgt zwar nicht, dass das Gericht verpflichtet wäre, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu bescheiden. Die wesentlichen, der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen müssen in den Gründen aber behandelt werden. Geht ein Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Februar 2020 - XII ZB 252/19 - FamRZ 2020, 784 Rn. 16 mwN).
b) Mit Recht bestandet die Nichtzulassungsbeschwerde, dass das Berufungsgericht das zentrale Vorbringen der Klagepartei zur Aufklärung der Erblasserin in der notariellen Beurkundungsverhandlung unberücksichtigt gelassen hat.
aa) Dabei begegnet bereits die Anwendung des § 415 ZPO durch das Berufungsgericht durchgreifenden Bedenken. Die notarielle Urkunde vom 5. April 2016 über die Genehmigung des Kaufvertrages ist zwar eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 415 Abs. 1 ZPO. Sind solche Urkunden echt und mangelfrei, erbringen sie den vollen Beweis dafür, dass die Erklärung des Urkundsbeteiligten mit dem niedergelegten Inhalt so, wie beurkundet und nicht anders, abgegeben wurde (vgl. BGH Urteil vom 10. Juni 2016 - V ZR 295/14 - WM 2018, 475 Rn. 6 mwN). Bewiesen wird die Richtigkeit der Beurkundung, also die Abgabe der Erklärung nach Inhalt und Begleitumständen, auf den Ort und die Zeit der Abgabe der Erklärung sowie auf die Anwesenheit der Urkundsperson (vgl. Wieczorek/ Schütze/Ahrens ZPO 5. Aufl. § 415 Rn. 28). Die inhaltliche Richtigkeit der Erklärung ist hingegen nicht von der Beweiskraft erfasst (vgl. BGH Urteil vom 16. April 2015 - IX ZR 68/14 - FamRZ 2015, 1389 Rn. 13). Ob durch die Erklärung über eine Tatsache diese Tatsache selbst bewiesen wird, hat das Gericht im Wege der freien Beweiswürdigung zu entscheiden (vgl. Stein/Jonas/Berger ZPO 23. Aufl. § 415 Rn. 26).
Die Rechtsfolge des § 415 Abs. 1 ZPO erstreckt sich im vorliegenden Fall damit (nur) auf die richtige Beurkundung der von der Erblasserin abgegebenen Erklärung, der Notar habe ihr den „wesentlichen Inhalt“ des Kaufvertrags erklärt, sie insbesondere auf den Kaufpreis von 120.000 € hingewiesen und mit ihr den Inhalt der „gutachterlichen Stellungnahme“ besprochen. Verfahrensfehlerhaft ist demgegenüber die Annahme des Berufungsgerichts, es sei bereits aufgrund der Urkunde - unter Ausschluss einer davon abweichenden richterlichen Beweiswürdigung - die Tatsache bewiesen, dass die Erklärung der Erblasserin inhaltlich zutrifft und der Notar mit ihr den Kaufvertrag und die Wertermittlung durch den Immobilienmakler tatsächlich erörtert hat, weil der Kläger den ihm obliegenden Nachweis einer unrichtigen Beurkundung nach § 415 Abs. 2 ZPO nicht habe führen können.
bb) Ob dieser Verfahrensfehler, mit dem sich das Berufungsgericht schon im beweisrechtlichen Ausgangspunkt den Zugang zum Klägervortrag hinsichtlich des Inhalts der Beurkundungsverhandlung und den in diesem Zusammenhang angebotenen Beweisen verstellt hat, bereits zu einem Verstoß gegen das Verfahrensgrundrecht des Klägers auf rechtliches Gehör führt, braucht indessen nicht entschieden zu werden. Denn es ist auch dann von einem Gehörsverstoß des Berufungsgerichts auszugehen, wenn man - wie das Berufungsgericht wohl meint - annehmen wollte, dass die Aufklärung der Erblasserin durch den Notar über den „wesentlichen Inhalt“ des Kaufvertrags und die Besprechung der „gutachterlichen Stellungnahme“ mit der Erblasserin aufgrund der Urkunde bereits bewiesen seien. Auch von seinem Rechtsstandpunkt aus hätte sich das Berufungsgericht jedenfalls die Frage vorlegen müssen, was der „wesentliche Inhalt“ des Kaufvertrages gewesen ist, auf den die Erblasserin durch den Notar hingewiesen worden war und welchen Inhalt die Besprechung der „gutachterlichen Stellungnahme“ des Hausmaklers zwischen dem Notar und der Erblasserin hatte.
(1) Wie die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht geltend macht, lässt sich der in diesem Zusammenhang gehaltene und teilweise wiederholte Parteivortrag der Klägerseite im instanzengerichtlichen Verfahren wie folgt zusammenfassen: Der Erblasserin seien von dem Notar weder der Kaufvertrag noch die „gutachterliche Stellungnahme“ des Hausmaklers vollständig vorgelesen worden. Die notarielle Urkunde sei in Bezug auf den Umfang der Aufklärung der Erblasserin „inhaltslos“ und „im Streitfall nichts wert“. Der Notar habe die Erblasserin nicht darauf hingewiesen, dass ihr nach dem Wortlaut des Kaufvertrages „ganz gegen jede Regel“ die üblicherweise vom Käufer zu übernehmenden Vertragskosten und Steuern überbürdet worden seien. Man habe die Erblasserin auch nicht darüber aufgeklärt, dass es sich bei der „gutachterlichen Stellungnahme“ lediglich um die einfache Schätzung eines Grundstücksmaklers, nicht aber um das Wertgutachten eines Sachverständigen gehandelt habe. Auch habe die Erblasserin nicht gewusst, dass bei der Schätzung der im Kaufvertrag mitveräußerte Stellplatz nicht berücksichtigt worden sei. Der von dem Makler angesetzte Schätzbetrag habe im Übrigen auch deshalb zu niedrig gelegen, weil er auf der Annahme eines eilbedürftigen Verkaufs beruhe, für den es keine Veranlassung gegeben habe.
(2) Das Berufungsgericht hat den dargestellten Klägervortrag zwar teilweise im Tatbestand referiert. Es hat sich aber mit diesem Vorbringen bei der Beurteilung der - auch aus seiner Sicht - maßgeblichen Frage nach der (ausreichenden) Aufklärung der Erblasserin in der Beurkundungsverhandlung vom 5. April 2016 inhaltlich nicht auseinandergesetzt. Dies lässt den Rückschluss darauf zu, dass das Berufungsgericht den Klägervortrag nur seinem Wortlaut nach, nicht aber - wie nach Art. 103 Abs. 1 GG geboten - vollständig und in seinem Kerngehalt zur Kenntnis genommen hat.
(a) Das Berufungsgericht hat insbesondere nicht erörtert, ob die zu Lasten des Verkäufers getroffene Regelung zur Kostentragung zu dem „wesentlichen Inhalt“ des Kaufvertrages gehörte, über den der Notar die Erblasserin aufgeklärt hatte. Der grundsätzlich zutreffende Hinweis der Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung darauf, dass es bei der Beurkundung der in notarieller Form zu erteilenden Genehmigung einer von einem vollmachtlosen Vertreter abgeschlossenen Grundstückskaufvertrages nicht der Verlesung des in Bezug genommenen Vertrages bedarf (vgl. BGH Urteil vom 23. Juni 1988 - III ZR 84/87 - NJW 1989, 164, 165), trägt zur Beantwortung dieser Frage nichts bei, weil es nicht um Verstöße gegen Beurkundungsverfahrensrecht (§§ 13, 13 a BeurkG), sondern darum geht, ob die dem Beklagten zu 2 als Betreuer gegenüber der Erblasserin obliegenden Aufklärungspflichten mit der Aufklärung durch den Notar erfüllt worden sind. Ob - wie die Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung wohl meint - aus dem Umstand, dass die Überbürdung der Beurkundungs- und Grundbuchkosten sowie der Grunderwerbssteuern auf die Erblasserin als Verkäuferin von der gesetzlichen Regel des § 448 Abs. 2 BGB abweiche (vgl. dazu BGH Urteil vom 11. Juni 2010 - V ZR 85/09 - NJW 2010, 2873 Rn. 21), darauf geschlossen werden könne, dass die Kostentragungsregelung zu dem in der Beurkundungsverhandlung erörterten „wesentlichen Inhalt“ des Kaufvertrages gehört habe, ist Gegenstand der freien Beweiswürdigung durch das Gericht im Rahmen einer Sachverhaltsaufklärung, der sich das Berufungsgericht aber gerade verschlossen hat. Im Übrigen lässt der Inhalt der Urkunde schon nach seinem Wortlaut nicht erkennen, dass die Erblasserin wenigstens überschlägig über den Umfang der wirtschaftlichen Folgen einer von der gesetzlichen Regel abweichenden Übernahme von Vertragskosten und Grunderwerbssteuern - die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu einer Reduzierung des der Erblasserin zufließenden Nettoverkaufserlöses von 120.000 € auf 112.098,91 € geführt hat - in Kenntnis gesetzt worden ist.
(b) Das Berufungsgericht ist auch nicht auf das klägerische Vorbringen eingegangen, wonach der Erblasserin nicht bekannt gewesen sei, dass es sich bei der „gutachterlichen Stellungnahme“ des Hausmaklers nicht um ein Verkehrswertgutachten gehandelt habe, sondern um eine Werteinschätzung, die zudem auf die Ermittlung eines kurzfristig erzielbaren Erlöses gerichtet gewesen sei. Auch hat das Berufungsgericht nicht erörtert, ob die der Kaufpreisbildung zugrundeliegende Wertermittlung durch den Hausmakler den zur Wohnung gehörenden und mitveräußerten Stellplatz unberücksichtigt gelassen habe und die Erblasserin darüber aufgeklärt worden sein könnte. Auch wenn die „gutachterliche Stellungnahme“ bei der Beschreibung der Wohnung durchaus einen mit dem Sondereigentum verbundenen „Aussen-Stellplatz“ erwähnt, ist mangels entgegenstehender tatrichterlicher Feststellungen für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren davon auszugehen, dass das Vorhandensein eines Stellplatzes als werterhöhender Faktor bei der Wertermittlung durch den Hausmakler nicht berücksichtigt worden ist. Dass die genannten Umstände in der Beurkundungsverhandlung zur Sprache gekommen worden sind, lässt sich allein auf der Grundlage der notariellen Urkunde aus der pauschalen Formulierung, die „gutachterliche Stellungnahme“ sei von dem Notar mit der Erblasserin "besprochen" worden, nicht ohne weiteres entnehmen.
c) Der Gehörsverstoß ist auch entscheidungserheblich.
aa) Nach den - hier noch anwendbaren - §§ 1833 Abs. 1 Satz 1, 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB aF iVm ist der Betreuer dem Betreuten für den aus einer Pflichtverletzung entstehenden Schaden verantwortlich, wenn ihm ein Verschulden zu Last fällt. Die Pflichten des Betreuers werden in § 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB aF konkretisiert, wonach der Betreuer innerhalb des ihm übertragenen Aufgabenkreises die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen hat, wie es dessen Wohl entspricht. Veräußert der Betreuer eine Immobilie des Betreuten, ist er schon wegen der typischerweise besonders hohen wirtschaftlichen Bedeutung dieses Geschäfts zu einer sorgfältigen Ermittlung des Werts dieser Immobilie verpflichtet, um diese im objektiven Interesse des Betreuten bestmöglich verwerten zu können (vgl. Senatsurteil BGHZ 182, 116 = NJW 2009, 2814 Rn. 32 f.). Das wird in der Regel die Beauftragung eines Verkehrswertgutachtens gebieten, wenn nicht der Betreuer ausnahmsweise selbst über die erforderliche Sachkunde verfügt oder im Einzelfall - was im vorliegenden Fall vom Berufungsgericht nicht festgestellt wurde - beispielsweise wegen einer besonderen Eilbedürftigkeit des Verkaufs im Einzelfall die Einholung der Markteinschätzung eines Immobilienmaklers über den kurzfristig zu erlösenden Kaufpreis sachgerecht erscheint. Unabhängig davon ist der Betreuer vor dem Verkauf des Grundstücks zu einer kritischen Würdigung der Wertermittlung verpflichtet (vgl. auch BGH Urteil vom 5. Mai 1983 - III ZR 57/82 - FamRZ 1983, 1220 zur Haftung des Amtsvormunds).
bb) Das Wohl des Betreuten kann indessen nicht allein nach objektiven Kriterien bestimmt werden. Vielmehr gehört zum Wohl des Betreuten auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten (§ 1901 Abs. 2 Satz 2 BGB aF). Deshalb ist die individuelle Lebenssituation des Betreuten und dessen subjektive Sicht seiner Interessen in die Beurteilung einzubeziehen, was dem Wohl des Betreuten entspricht. Der Wunsch des Betreuten ist im Grundsatz auch dann beachtlich, wenn dieser seinen objektiven Interessen zuwiderläuft, sofern die Erfüllung des Wunsches nicht höherrangige Rechtsgüter des Betreuten gefährden oder seine gesamte Lebens- und Versorgungssituation erheblich verschlechtern würde. Allerdings gilt der Vorrang des Willens des Betreuten nur für solche Wünsche, die Ausfluss des Selbstbestimmungsrechts des Betreuten sind und sich nicht nur als bloße Zweckmäßigkeitserwägungen darstellen. Beachtlich sind auch nur solche Wünsche, die nicht Ausdruck der Erkrankung des Betreuten sind und auf der Grundlage ausreichender Tatsachenkenntnis gefasst wurden (vgl. Senatsurteil BGHZ 182, 116 = NJW 2009, 2814 Rn. 20 f., 24). Der Betreuer kann sich deshalb nur dann auf einen objektiv interessenwidrigen Wunsch des Betreuten berufen, wenn er ihn - in Anlehnung an die für die Anwaltshaftung entwickelten Grundsätzen - über die mit der Wunscherfüllung verbundenen Risiken aufgeklärt und ihm andere weniger nachteilige Wege zur Erreichung des verfolgten Ziels aufgezeigt hat, wobei sich der Grad der erforderlichen Aufklärung des Betreuten zum einen nach der Wichtigkeit des Geschäfts und zum anderen danach richtet, was in den Lebenskreisen, denen der Betreuer angehört, billigerweise erwartet werden kann (vgl. Senatsurteil BGHZ 182, 116 = NJW 2009, 2814 Rn. 24).
cc) Nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen und auch von der Nichtzulassungsbeschwerde nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsge- richts hat die Veräußerung der Wohnung nicht zu einer Verschlechterung der Lebens- und Versorgungssituation der Erblasserin geführt, so dass es unter den hier obwaltenden Umständen allein zweifelhaft sein könnte, ob die Erblasserin den mit der Genehmigungserklärung dokumentierten Willen, die Wohnung gerade zu den im Kaufvertrag festgelegten Bedingungen zu veräußern, auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage gebildet hat. Auch dann, wenn - wie hier im Regressverfahren gegen den Betreuer streitig ist, ob die erforderliche Aufklärung des Betreuten stattgefunden hat, gilt der allgemeine Grundsatz, dass diejenige Partei, die eine Aufklärungspflichtverletzung behauptet, dafür die Beweislast trägt. Die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei die behaupteten Aufklärungsdefizite substantiiert bestreiten und darlegen muss, wie im Einzelnen aufgeklärt worden sein soll. Dem Anspruchsteller obliegt dann der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft (vgl. zur Anwaltshaftung: BGH Urteile vom 7. März 2019 - IX ZR 221/18 - NJW 2019, 1870 Rn. 28 und vom 11. Oktober 2007 - IX ZR 105/06 - FamRZ 2008, 144 Rn. 12 mwN).
Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Erblasserin zur Kaufpreisbildung und zu den vertraglichen Bestimmungen des Kaufvertrages durch den Beklagten zu 2 selbst ausreichend informiert worden ist, so dass es - auch aus Sicht des Berufungsgerichts - allein darauf ankam, welchen Inhalt die Aufklärung durch den Notar in der Beurkundungsverhandlung hatte oder nicht hatte. Zwar hat sich die Klagepartei nicht auf das Zeugnis des die Genehmigungserklärung beurkundenden Notars berufen. Sie hat aber, wie die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht geltend macht, jedenfalls mit Schriftsatz vom 27. Januar 2022 und in der Berufungsbegründung vom 27. Juli 2019 noch hinreichend deutlich die Vernehmung des Rechtsanwalts B. zu den Schilderungen angeboten, welche die Erblasserin ihm gegenüber als ihrem vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten bezüglich der in der Beurkundungsverhandlung vermittelten Kenntnisse über den Inhalt des Kaufvertrages gemacht haben soll. Es ist nicht vollständig ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre, wenn es diesen - nicht offensichtlich ungeeigneten (vgl. auch Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2018 - XII ZR 99/17 - NZM 2019, 255 Rn. 14 f.) - Beweis erhoben hätte.
Günter Klinkhammer Ri'in BGH Dr. Krüger ist wegen Urlaubs an der Unterschrift verhindert.
Günter Recknagel Botur Vorinstanzen: LG Stade, Entscheidung vom 18.04.2019 - 6 O 18/19 OLG Celle, Entscheidung vom 25.05.2022 - 16 U 84/19 -