IV ZB 23/23
BUNDESGERICHTSHOF IV ZB 23/23 Nachschlagewerk: ja BGHZ:
nein BGHR:
ja JNeu:
nein BESCHLUSS vom 24. April 2024 in der Nachlasssache BGB § 1942 Abs. 2 Das Ausschlagungsverbot des § 1942 Abs. 2 BGB für den Fiskus als gesetzlichen Erben (§ 1936 BGB) erstreckt sich nicht auf das Recht zur Ausschlagung einer im Nachlass befindlichen Erbschaft eines Vorverstorbenen.
BGH, Beschluss vom 24. April 2024 - IV ZB 23/23 - OLG Dresden AG Leipzig ECLI:DE:BGH:2024:240424BIVZB23.23.0 Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Karczewski, die Richterinnen Harsdorf-Gebhardt, Dr. Bußmann, die Richter Dr. Bommel und Rust am 24. April 2024 beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Juli 2023 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 45.185,70 € festgesetzt.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten um die Erbfolge nach dem am 15. Januar 2021 verstorbenen Erblasser. Dieser errichtete am 13. November 2020 ein notarielles Testament, in dem er unter anderem Folgendes verfügte:
"Zum Alleinerben meines gesamten Nachlassvermögens bestimme ich meinen Sohn,
Herr Bert K. […]
,
Sollte mein Sohn vor dem Erbfall versterben, so ist ersatzweise mein Enkelsohn,
Herr John-Philipp M. […]
zum Erben berufen."
,
2 Sein Sohn Bert K.
verstarb ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung am 21. Januar 2021. Der Beteiligte zu 2, bei dem es sich um den Sohn des Bert K.
handelt, schlug die Erbschaft nach seinem Vater durch notariell beglaubigte, beim Nachlassgericht am 3. März 2021 eingegangene Erklärung aus. In der Folgezeit schlugen weitere, als gesetzliche Erben des Bert K.
in Betracht kommende Verwandte die Erbschaft für sich und - soweit vorhanden - ihre minderjährigen Kinder aus.
Mit Beschluss vom 25. März 2021, der dem Staatsbetrieb S.
I. - und B. zusammen mit der Nachlassakte am 13. April 2021 zugegangen ist, stellte das Nachlassgericht hinsichtlich des Nachlasses des Bert K.
fest, dass ein anderer Erbe als der Freistaat S.
(im Folgenden: Freistaat) nicht vorhanden ist. Am 25. Mai schlug der Freistaat gegenüber dem Amtsgericht Chemnitz die Erbschaft nach dem Erblasser aus.
Am 2. Dezember 2021 erteilte das Nachlassgericht dem Beteiligten zu 2 auf dessen Antrag einen Erbschein, der ihn als Alleinerben des Erblassers auswies.
Mit Beschluss vom 17. Dezember 2021 wurde über den Nachlass von Bert K.
das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet und der Beteiligte zu 1 zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser beantragte, den erteilten Erbschein für kraftlos zu erklären, ihn vorläufig einzuziehen und einen Erbschein zu erteilen, der Bert K.
als Erben des Erblassers ausweist.
Das Amtsgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich seine vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der der Beteiligte zu 1 seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt.
II. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dem Beteiligten zu 1 sei kein Erbschein zu erteilen, weil der Freistaat das Erbe des Erblassers wirksam ausgeschlagen habe. Der Nachlass des Erblassers sei mit dem Nachlass des Bert K.
auf den Beteiligten zu 2 als Erben des Bert K. übergegangen. Nach dessen Ausschlagung sei der Freistaat Erbe geworden. Der Freistaat habe das Erbe nach dem Erblasser unter Einhaltung der Frist des § 1944 Abs. 1 BGB wirksam ausgeschlagen, da die sechswöchige Frist bis zum 25. Mai 2021 gelaufen sei. Ihm habe in Bezug auf den Nachlass des Erblassers abweichend von § 1942 Abs. 2 BGB auch ein Ausschlagungsrecht zugestanden, da er in die Rechtsstellung des Bert K.
als testamentarischer Erbe des Erblassers eingetreten sei. Dahinstehen könne, ob das Ausschlagungsrecht anders zu beurteilen wäre, wenn die Ausschlagung eines aufgrund Testaments erlangten Erbrechts wiederum dazu führen würde, dass der Freistaat gesetzlicher Erbe würde, denn dies sei vorliegend nicht der Fall. Es komme vielmehr die im Testament vom 13. November 2020 angeordnete Ersatzerbfolge zum Tragen. Zwar sei Bert K.
nicht vor dem Erblasser verstorben. Die Auslegung des Testaments ergebe jedoch, dass der Beteiligte zu 2 auch Ersatzerbe werden sollte, wenn Bert K.
aus anderen Gründen nicht Erbe werde. Das Ersatzerbrecht des Beteiligten zu 2 werde nicht von dessen Ausschlagungserklärung im Verfahren betreffend den Nachlass des Bert K.
tangiert.
III. Dies hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
Soweit das Beschwerdegericht ausgeführt hat, die Rechtsbeschwerde werde für die Fragen zugelassen, ob der Freistaat ein testamentarisches Erbe ausschlagen kann, welches Bestandteil eines Nachlasses ist, dessen Zwangserbe der Freistaat ist, und ob sich die Ausschlagung eines Zweitnachlasses, dessen Bestandteil ein weiterer Erstnachlass ist, auch auf eine Ersatzerbschaft erstreckt, die der Erblasser des Erstnachlasses angeordnet hat, liegt darin keine - unzulässige - Beschränkung der Zulassung auf einen nicht abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs (zu den Voraussetzungen einer Beschränkung vgl. Senatsbeschluss vom 9. September 2020 - IV ZB 9/20, WM 2021, 2454 Rn. 10 m.w.N.), sondern lediglich eine Begründung für die Zulassungsentscheidung (vgl. Senatsbeschluss vom 15. November 2023 - IV ZB 6/23, WM 2024, 209 Rn. 22; Senatsurteil vom 31. März 2021 - IV ZR 221/19, BGHZ 229, 266 Rn. 19).
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.
Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass der Antrag des Beteiligten zu 1 auf Erteilung eines Erbscheins, der Bert K.
als Erben des Erblassers ausweist, unbegründet ist, da der Freistaat als Erbeserbe des Erblassers die Erbschaft nach diesem wirksam ausgeschlagen hat und der Beteiligte zu 2 in der Folge aufgrund des ihm durch den Erblasser testamentarisch zugewendeten Ersatzerbrechts dessen Erbe geworden ist. Mangels Unrichtigkeit erfolgte zu Recht auch keine Anweisung an das Nachlassgericht, den dem Beteiligten zu 2 erteilten Erbschein einzuziehen oder für kraftlos zu erklären.
a) Für die Erbfolge maßgeblich ist das notarielle Testament des Erblassers vom 13. November 2020, aufgrund dessen der Erblasser zunächst von Bert K.
beerbt wurde.
14 Da eine Ausschlagung der Erbschaft durch Bert K.
noch zu dessen Lebzeiten nicht erfolgt ist, ging mit seinem Tod das Erblasservermögen als Bestandteil der Erbschaft nach Bert K.
auf den Beteiligten zu 2 über, der in Ermangelung einer letztwilligen Verfügung des Bert K.
diesen im Wege gesetzlicher Erbfolge gemäß
§ 1924 Abs. 1 BGB beerbte.
Die sodann nach Maßgabe der § 1944 Abs. 1, 2, § 1945 Abs. 1 BGB form- und fristgerecht erklärte Ausschlagung der Erbschaft nach Bert K. durch den Beteiligten zu 2 hatte zur Folge, dass der Anfall dieser Erbschaft an den Beteiligten zu 2 gemäß § 1953 Abs. 1 BGB als nicht erfolgt galt. Der hierauf erlassene Feststellungsbeschluss mit dem Inhalt,
dass ein anderer Erbe als der Freistaat nicht vorhanden ist, begründete gemäß § 1964 Abs. 2 BGB die Vermutung, dass der Freistaat gesetzlicher Erbe des Bert K.
ist.
b) Zu Recht hat das Beschwerdegericht angenommen, dass der Freistaat die Erbschaft nach dem Erblasser wirksam ausgeschlagen hat.
aa) Dem Freistaat stand ein Ausschlagungsrecht zu.
Mit Wirksamwerden des Feststellungsbeschlusses konnte der Freistaat gemäß § 1966 BGB seine Rechte als gesetzlicher Erbe des Bert K. geltend machen. Zu den im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922 Abs. 1 BGB auf den Fiskus übergegangenen Rechtspositionen des Bert K.
gehört auch das Recht, die Erbschaft nach dem Erblasser auszuschlagen, denn dieses ist gemäß § 1952 Abs. 1 BGB vererblich.
(1) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht einem Ausschlagungsrecht des Fiskus nicht entgegen, dass es sich bei dem Recht des Erben, die Erbschaft auszuschlagen, um ein höchstpersönliches Recht handelt. Hieraus folgt lediglich, dass das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft allein dem Erben bzw. seinen Rechtsnachfolgern, den Erbeserben, persönlich zusteht (Senatsbeschlüsse vom 2. November 2022 - IV ZR 39/22, ZEV 2023, 220 Rn. 14; vom 16. März 2022 - IV ZB 27/21, ZEV 2022, 341 Rn. 11). Da der Freistaat Erbeserbe ist, widerspricht eine Ausschlagung durch ihn nicht dem höchstpersönlichen Charakter dieses Rechts. Hieran ändert auch der Umstand, dass die Erbenstellung des Freistaats gemäß § 1964 Abs. 2 BGB lediglich vermutet wird, nichts. Aus der gesetzlichen Vermutung folgt, dass durch den Feststellungsbeschluss weder das Erbrecht des Staates begründet noch Erbrechte bislang unermittelt gebliebener vorrangiger Erben ausgeschlossen werden (Senatsbeschluss vom 23. November 2011 - IV ZB 15/11, ZEV 2012, 150 Rn. 8 m.w.N.). Er verschafft dem Fiskus jedoch eine Legitimation für den Rechtsverkehr, sodass er ungehindert seine Rechte als gesetzlicher Erbe durchsetzen kann (Heinemann in BeckOGK-BGB, § 1966 Rn. 24 [Stand: 1. Februar 2024]). Hiervon macht das Gesetz im Hinblick auf dem Erbeserben persönlich zustehende Rechte keine Ausnahme. Dies wäre mit der Zweckrichtung des § 1936 BGB, eine ordnungsgemäße Nachlassabwicklung zu sichern (vgl. Senatsurteil vom 14. Oktober 2015 - IV ZR 438/14, ZEV 2015, 698 Rn. 9; Senatsbeschluss vom 23. November 2011 aaO Rn. 7), auch nicht vereinbar. Im Übrigen hätte es der Ausnahmeregelung des § 1942 Abs. 2 BGB, wonach der Fiskus die ihm als gesetzlichem Erben angefallene Erbschaft nicht ausschlagen kann, nicht bedurft, wenn sich die fehlende Ausschlagungsberechtigung bereits aus dem Grundsatz der Höchstpersönlichkeit ergäbe.
(2) Die Regelung des § 1942 Abs. 2 BGB steht - wie das Beschwerdegericht richtig erkannt hat - der Ausschlagung durch den Fiskus hier nicht entgegen.
(a) Dies hat seinen Grund darin, dass sich das Ausschlagungsverbot des § 1942 Abs. 2 BGB ausweislich seines Wortlauts "die ihm als gesetzlichem Erben angefallene Erbschaft" nur auf die Erbschaft, die Gegenstand des Feststellungsbeschlusses ist, bezieht. Die hierdurch in Bezug genommene Erbschaft ist die auf der Vorschrift des § 1936 BGB beruhende. Nicht von dem Ausschlagungsverbot betroffen ist demgegenüber ein ererbtes Ausschlagungsrecht.
(b) Gegen die Auffassung der Rechtsbeschwerde, das Ausschlagungsverbot erstrecke sich auch auf die Ausschlagung einer im Nachlass befindlichen Erbschaft nach einem Vorverstorbenen, spricht überdies der Sinn und Zweck des § 1942 Abs. 2 BGB, der in der Vermeidung herrenloser Nachlässe besteht (vgl. Senatsurteil vom 14. Oktober 2015 - IV ZR 438/14, ZEV 2015, 698 Rn. 9). Im Gegensatz zu der Erbschaft, die Gegenstand des Feststellungsbeschlusses nach § 1964 Abs. 1 BGB ist, steht hinsichtlich der sich in diesem Nachlass befindlichen Erbschaft nach dem Erblasser gerade nicht fest, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist. Vielmehr gilt es nach dem ausschlagungsbedingten Wegfall des zunächst von Gesetzes wegen oder - wie hier - aufgrund letztwilliger Verfügung Berufenen erst zu ermitteln, ob weitere Erben vorhanden sind.
Der Sinn und Zweck des Ausschlagungsverbots greift vorliegend auch nicht deshalb, weil die Gefahr eines herrenlosen Erstnachlasses bestünde, wenn der Fiskus diesen als Zwangserbe des Zweitnachlasses ausschlägt und danach keine anderen Erben nach dem Erblasser ermittelt werden könnten. Allein diese jeder Erbschaft innewohnende abstrakte Gefahr kann den Ausschluss des Ausschlagungsrechts nicht rechtfertigen. Da das Erbrecht des Fiskus auch hinsichtlich des Nachlasses des Erstverstorbenen gemäß §§ 1936, 1964 BGB festzustellen ist, wenn sich nach Durchführung der gebotenen Ermittlungen herausstellt, dass ein anderer Erbe nicht vorhanden ist, besteht hierfür kein Bedürfnis.
(3) Auch die Art und Weise des Vermögensübergangs auf den Freistaat hat keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Ausschlagungserklärung. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde findet der Vermögensübergang auch für den Fall, dass der Fiskus erbt, gemäß § 1922 Abs. 1 BGB im Zeitpunkt des Erbfalls kraft Gesetzes statt. Von diesem Grundsatz des Vonselbsterwerbs (vgl. Senatsbeschluss vom 22. März 2023 - IV ZB 12/22, BGHZ 236, 358 Rn. 20) hat der Gesetzgeber beim gesetzlichen Erbrecht des Staates keine Ausnahme gemacht (vgl. Senatsurteil vom 14. Oktober 2015 - IV ZR 438/14, ZEV 2015, 698 Rn. 9 m.w.N.). Andernfalls entstünde ein herrenloser Nachlass, der durch die Fiskalerbschaft gerade vermieden werden soll (vgl. Senatsurteil vom 14. Oktober 2015 aaO). Das Erbrecht des Fiskus muss allein deswegen in einem förmlichen Verfahren nach Maßgabe der §§ 1964 f. BGB festgestellt werden, weil ein voreiliger Zugriff des Fiskus auf den Nachlass und eine vorschnelle Inanspruchnahme des Fiskus durch Nachlassgläubiger vermieden werden sollen (Gleumes in Praxiskommentar Erbrecht, 4. Aufl. § 1966 Rn. 1; Heinemann in BeckOGK-BGB, § 1964 Rn. 2 [Stand: 1. Februar 2024]; Leipold in MünchKomm-BGB, 9. Aufl. § 1964 Rn. 1; J. Schmidt in Erman, BGB
17. Aufl. § 1966 Rn. 1; Ludyga, ZEV 2023, 409, 415). Das Erfordernis eines Feststellungsbeschlusses hat jedoch keine Auswirkungen auf die Art und Weise sowie den Zeitpunkt des Vermögensübergangs.
(4) Für die Frage des Bestehens eines Ausschlagungsrechts kann die zugrunde liegende Interessenlage dahinstehen. Da die §§ 1942 ff. BGB keinen Ausschlagungsgrund fordern, ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde irrelevant, dass der Gesetzgeber die Folgen der Erbschaft des Fiskus dadurch abgemildert hat, dass der Fiskus materiellrechtlich und prozessual gegenüber den sonstigen Erben privilegiert wird (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2018 - V ZR 309/17, ZEV 2019, 411 Rn. 11).
(5) Auch aus § 1952 Abs. 2 BGB lässt sich ein Ausschlagungsverbot nicht herleiten. Zwar geht diese Regelung, wonach die Frist für die Ausschlagung der dem Erben angefallenen Erbschaft durch den Erbeserben nicht vor Ablauf der Ausschlagungsfrist für die dem Erbeserben angefallene Erbschaft endet, beim Freistaat als gesetzlichem Erbeserben ins Leere, da aufgrund des in § 1942 Abs. 2 BGB normierten Ausschlagungsverbots keine Frist für die Ausschlagung des Nachlasses des Bert K.
lief. Dass der Gesetzgeber durch diese Regelungen ein Ausschlagungsrecht des Fiskus als Erbeserben ausschließen wollte, ist jedoch nicht ersichtlich und ergibt sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien (vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Band V S. 201 f., 399 ff., 851
[jeweils zu § 1974 BGB-E] und S. 267 f. [zu § 2031 BGB-E]).
bb) Im Ergebnis zu Recht ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die Ausschlagung fristgerecht erfolgte.
Die Ausschlagungsfrist beträgt gemäß § 1944 Abs. 1 BGB sechs Wochen. Ist der Erbe - wie hier Bert K.
- durch Verfügung von Todes wegen berufen, beginnt die Frist gemäß § 1944 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht vor Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht. Den Feststellungen des Beschwerdegerichts ist nicht zu entnehmen, dass diese Bekanntgabe bereits zu Lebzeiten des Bert K. erfolgt ist. Es ist daher davon auszugehen, dass frühestmöglicher Fristbeginn der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Testaments an den Fiskus ist. Ob und gegebenenfalls wann dies erfolgt ist, ergibt sich aus den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht. Diesen ist lediglich zu entnehmen, dass der Feststellungsbeschluss und die Nachlassakte dem Staatsbetrieb S.
I.
- und B.
am 13. April 2021 zugegangen sind. Auch unter der Annahme, dass bereits zu diesem Zeitpunkt auch eine Bekanntgabe des Testaments stattgefunden hat, erfolgte die Ausschlagung am 25. Mai 2021 binnen der sechswöchigen Frist des
§ 1944 Abs. 1 BGB und damit fristgerecht.
cc) Die Ausschlagungserklärung wahrt auch die gesetzliche Form des § 1945 Abs. 1 BGB. Sie erfolgte nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts gegenüber und zur Niederschrift des Nachlassgerichts Chemnitz. Ob es sich hierbei um das örtlich zuständige Gericht im Sinne des § 344 Abs. 7 Satz 1 FamFG handelt, kann dahinstehen, da auch die gegenüber einem örtlich unzuständigen Gericht erfolgte Ausschlagung in entsprechender Anwendung des § 2 Abs. 3 FamFG wirksam ist, falls das Gericht die Erklärung - wie hier - nicht zurückweist, sondern entgegennimmt, sich also als Nachlassgericht betätigt (vgl. BayObLG, FamRZ 1998, 924 [juris Rn. 16] zu § 7 FGG a.F.; Leipold in MünchKomm-BGB, 9. Aufl.
§ 1945 Rn. 16; Otte in Staudinger, BGB (2017) § 1945 Rn. 17). Auf die Weiterleitung der Erklärung an das zuständige Gericht kommt es dann für die Fristwahrung nicht an (Leipold aaO; Otte aaO).
c) Der Beteiligte zu 2 hat den Erblasser aufgrund des ihm testamentarisch zugewendeten Ersatzerbrechts (§ 2096 BGB) beerbt.
aa) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden und wird auch von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen, dass das Beschwerdegericht im Wege der Auslegung der testamentarischen Verfügung des Erblassers von einer Ersatzerbenstellung des Beteiligten zu 2 auch für den Fall, dass der als Erbe eingesetzte Bert K.
aufgrund einer Ausschlagung wegfällt,
ausgegangen ist. Mit Erklärung der Ausschlagung durch den Fiskus ist der Ersatzerbfall eingetreten und der Beteiligte zu 2 Erbe des Erblassers geworden.
bb) Die Ausschlagungserklärung des Beteiligten zu 2 erstreckte sich nicht auf die Erbschaft nach dem Erblasser. Zwar kann der Ersatzerbe die Erbschaft bereits im Zeitraum zwischen Erbfall und Eintritt des Ersatzerbfalls annehmen oder ausschlagen (RGZ 80, 377, 382; Gierl in BeckOGK- BGB, § 2096 Rn. 31 [Stand: 1. März 2024]; Rudy in MünchKomm-BGB,
9. Aufl. § 2096 Rn. 10; Weidlich in Grüneberg, BGB 83. Aufl. § 2096 Rn. 4; Otte in Staudinger, BGB (2019) § 2096 Rn. 13). Dies war jedoch hier - wie die rechtsfehlerfreie und von der Rechtsbeschwerde auch nicht beanstandete Auslegung des Beschwerdegerichts ergab - nicht der Fall,
da sich die Ausschlagungerklärung des Beteiligten zu 2 nur auf die Erbschaft nach Bert K.
, die dem Beteiligten zu 2 in seiner Stellung als gesetzlicher Erbe angefallen ist, bezog, nicht jedoch auf die Erbschaft nach dem Erblasser.
cc) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, mit der Ausschlagung der Erbschaft nach Bert K.
habe der Beteiligte zu 2 auch seine Rechte in Bezug auf die Erbschaft nach dem Erblasser verloren, da der Erbeserbe entweder nur den Erstnachlass ausschlagen und den Zweitnachlass annehmen oder beide Nachlässe annehmen oder ausschlagen, nicht aber den Erstnachlass annehmen und den Zweitnachlass ausschlagen könne.
Diese Grundsätze gelten nur für den Fall, dass dem Ausschlagenden das Recht, den Nachlass des Erstverstorbenen auszuschlagen, lediglich in seiner Eigenschaft als Erbeserbe zusteht (so in der von der Rechtsbeschwerde zitierten Entscheidung des OLG München ZEV 2020, 351 Rn. 3 f.). Mit der Ausschlagung der Erbschaft nach dem Erben durch den Erbeserben gilt der Anfall der Erbschaft an den Ausschlagenden gemäß § 1953 Abs. 1 BGB als nicht erfolgt. Er ist materiell-rechtlich von Anfang an als Nichterbe anzusehen (Senatsurteil vom 30. November 2022 - IV ZR 60/22, ZEV 2023, 103 Rn. 22). Da ihm nach Ausschlagung keine Rechte am Nachlass des Erben, der auch den Nachlass des Erblassers umfasst, zustehen, ginge eine gleichwohl erklärte Annahme ins Leere.
Anders ist dies zu beurteilen, wenn der Erbeserbe - wie hier - vom Erblasser im Wege einer letztwilligen Verfügung als Ersatzerbe eingesetzt worden ist und diesem aufgrund Eintritts des Ersatzerbfalls in der Folgezeit die Erbschaft nach dem Erblasser unmittelbar anfällt. Da es sich hierbei um eine von seiner Stellung als Erbeserbe unabhängige Erbberechtigung handelt, hinderte die vorausgegangene Ausschlagung der Erbschaft nach Bert K.
nicht den Anfall der Erbschaft nach dem Erblasser an den Beteiligten zu 2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde stellt dies keine Umgehung des Grundsatzes dar, dass der Erbeserbe nicht den Nachlass des Erstverstorbenen annehmen und den Nachlass des Erben ausschlagen kann, sondern ist Konsequenz der testamentarischen Einsetzung des Beteiligten zu 2 als Ersatzerbe.
Prof. Dr. Karczewski Harsdorf-Gebhardt Dr. Bußmann Dr. Bommel Rust Vorinstanzen: AG Leipzig, Entscheidung vom 15.03.2023 - Ri 510 VI 2798/21 (2) OLG Dresden, Entscheidung vom 19.07.2023 - 17 W 249/23 -