Paragraphen in 12 W (pat) 23/14
Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
3 | 21 | PatG |
2 | 4 | PatG |
Sortiert nach dem Alphabet
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
2 | 4 | PatG |
3 | 21 | PatG |
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 23/14 Verkündet am 29. September 2015
…
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 10 2006 007 919 …
BPatG 154 05.11
…
hat der 12. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. September 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Univ. Ganzenmüller, der Richterin Bayer sowie der Richter Dipl.-Ing. Univ. Schlenk und Dipl.-Ing. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Ausfelder beschlossen:
Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Juli 2010 aufgehoben. Das Patent 10 2006 007 919 wird in vollem Umfang widerrufen.
Gründe I.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Patentabteilung 15 in der Sitzung vom 7. Juli 2010 das Patent mit der Bezeichnung
„Verfahren zum Betreiben einer Windenergieanlage“
beschränkt aufrechterhalten.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Einsprechenden vom 10. September 2010. Sie vertritt die Auffassung, dass das Patent die Erfindung im Hinblick auf einzelne Merkmale nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG) sowie der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG). Die Patentinhaberin tritt dem Vorbringen der Einsprechenden in allen Punkten entgegen und verteidigt das Patent in der von der Patentabteilung beschränkt aufrechterhaltenen Fassung, hilfsweise im Umfang geänderter Fassungen der Patentansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 4, alle überreicht in der mündlichen Verhandlung am 29. September 2015. Der geltende Anspruch 1 nach Hauptantrag, der schon dem angefochtenen Beschluss der Patentabteilung zugrunde lag, lautet:
An diesen Hauptanspruch schließen sich die Unteransprüche 2 bis 8 an.
-4Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet:
Daran schließen sich die Unteransprüche 2 bis 7 an.
-5Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet:
Daran schließen sich die Unteransprüche 2 bis 8 an.
-6Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 lautet:
Hieran schließen sich die Unteransprüche 2 bis 5 an.
-7Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 lautet:
Hieran schließen sich die Unteransprüche 2 bis 7 an.
Zur Frage der Patentfähigkeit wurden in der mündlichen Verhandlung unter anderem die beiden folgenden Dokumente erörtert:
D3: E10:
HEIER, Siegfried: Windkraftanlagen – Systemauslegung, Netzintegration und Regelung. 4. Auflage. Wiesbaden: Teubner Verlag, 2005. S. 322328, 359-370. – ISBN 3-519-36171-X GB 2 023 237 A Die Einsprechende und Beschwerdeführerin stellte den Antrag,
den Beschluss der Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Juli 2010 aufzuheben und das Patent 10 2006 007 919 in vollem Umfang zu widerrufen und den Hilfsantrag 2 als unzulässig zurückzuweisen.
Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin stellte den Antrag,
die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen,
hilfsweise das Patent 10 2006 007 919 mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 29. September 2015,
Beschreibung und Zeichnungen (Fig. 1 und Fig. 2) gemäß Patentschrift,
weiter hilfsweise das Patent 10 2006 007 919 mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 29. September 2015,
Beschreibung Seiten 2/7, 4/7 und 5/7 gemäß Patentschrift, Seite 3/7 gemäß Hilfsantrag 1 vom 5. Juli 2010 und Zeichnungen (Fig. 1 und Fig. 2) gemäß Patentschrift,
weiter hilfsweise das Patent 10 2006 007 919 mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 29. September 2015,
Beschreibung Seiten 2/7, 4/7 und 5/7 gemäß Patentschrift, Seite 3/7 gemäß Hilfsantrag 2 vom 5. Juli 2010 und Zeichnungen (Fig. 1 und Fig. 2) gemäß Patentschrift,
weiter hilfsweise mit folgenden Unterlagen,
Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 29. September 2015,
Beschreibung Seiten 2/7, 4/7 und 5/7 gemäß Patentschrift, Seite 3/7 gemäß Hilfsantrag 3 vom 5. Juli 2010 und Zeichnungen (Fig. 1 und Fig. 2) gemäß Patentschrift.
Wegen der Fassung der in den einzelnen Anträgen unmittelbar und mittelbar auf Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. 1. Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Der frist- und formgerecht eingelegte Einspruch war zulässig.
2. Entgegen der von der Beschwerdeführerin hinsichtlich § 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG vertretenen Auffassung offenbart das Patent die Erfindung zwar so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann, wie nachstehende Ausführungen zur Patentfähigkeit zeigen. Jedoch beruhen sämtliche Gegenstände nach den Patentansprüchen 1 nach dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 4 nicht auf erfinderischer Tätigkeit gemäß § 4 PatG. Insofern kann es auch dahinstehen, ob es sich beim Hilfsantrag 2 tatsächlich um eine unzulässige reformatio in peius handelt, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, oder ob der Hilfsantrag 2 als Anschlussbeschwerde auszulegen ist.
3. Der Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag (H) und den Hilfsanträgen 1 bis 4 lässt sich wie folgt gliedern (die jeweiligen Anträge sind dabei durch entsprechend hochgestellte Zeichen markiert):
M0H,1,2,3,4 M1H,1,2,3,4 Verfahren zum Betreiben einer auf ein Netz aufschaltbaren,
M1aH,1,2,3,4 M1bH,1,2,3,4 M1cH,1,2,3,4 M1dH,1,2,3,4 M2H,1,2,3,4 drehzahlvariablen Windenergieanlage mit einem Rotor mit variabler Drehzahl, einem Momentregler, einem Blattanstellwinkelregler und einem Hauptumrichter, wobei das Aufschalten der Windenergieanlage durch Schalten des M3H,1,2,3,4 Hauptumrichters auf das Netz erfolgt und vor dem Aufschalten der Windenergieanlage die Drehzahl des M4H,1,3,4 M5H,1,3,4 M6H,1,3,4 M71 M42/M73 M74 Rotors durch Variieren des Blattanstellwinkels auf eine für das Aufschalten auf das Netz geeignete Synchronisierdrehzahl [nsync]3 des Generators [nsync]2 geregelt wird, dadurch gekennzeichnet, dass ein minimaler Blattanstellwinkel start [abhängig von der Windgeschwindigkeit]4 vorgegeben wird, der größer ist als ein für den Teillastbereich optimierter Blattanstellwinkel, beim Anfahren der Windenergieanlage der Blattanstellwinkel ausgehend von einem maximalen Blattanstellwinkel max [bis zu dem minimalen Blattanstellwinkel start]3 kontinuierlich verringert wird und der minimale Blattanstellwinkel start vor dem Aufschalten nicht unterschritten wird[.]H/[, wobei]1,3,4 die Drehzahlregelung auf eine für das Aufschalten auf das Netz geeignete Synchronisierdrehzahl des Generators nsync erfolgt. die Drehzahlregelung auf die Synchronisierdrehzahl nsync beginnt, nachdem die Synchronisierdrehzahl nsync überschritten wurde. der minimale Blattanstellwinkel start auf einen Wert starthighwind gesetzt wird, wenn ein Mittelwert der Windgeschwindigkeit eine vorgegebene Windgeschwindigkeit vwindgrenz überschreitet, und anderenfalls auf einen Wert startlowwind, der geringer ist als der Wert starthighwind.
4. Als im vorliegenden Fall zuständiger Fachmann wird in Übereinstimmung mit den Beteiligten ein Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik oder Maschinenbau mit einschlägiger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Steuerung und Regelung von Windkraftanlagen angesehen.
5. Die anspruchsgemäßen Verfahren nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 4 beruhen nicht auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne des § 4 PatG.
Es ist zu berücksichtigen, dass der Gegenstand nach dem Patentanspruch 1 in sämtlichen beantragten Fassungen (Hauptantrag, Hilfsanträge 1 bis 4) das Anfahren ganz allgemein umfasst. Damit steht seiner Patentfähigkeit aber auch Stand der Technik entgegen, bei dem die beanspruchten Merkmale erst ab einer bestimmten Windgeschwindigkeit erfüllt sind, wie z. B. beim Anfahren im Volllastbereich, da auch dieses Anfahren vom Patent umfasst wird.
Aus der Entgegenhaltung D3, die als Auszug aus einem Lehrbuch dem Wissen des Fachmanns zuzurechnen ist, ist ein Verfahren zum Betreiben einer auf ein Netz aufschaltbaren, drehzahlvariablen Windenergieanlage bekannt, die über die Merkmale M0 bis M3 des Oberbegriffs nach Anspruch 1 sämtlicher Anträge verfügt. (s. D3, S. 360, Abs. 3: „Bild 5.42 zeigt die Struktur der Betriebsführung einer drehzahlvariabel betriebenen Windkraftanlage mit Umrichterspeisung (s. Bild 5.19)“). So wird dort ab S. 323, Bild 5.19, eine Anlage gezeigt und beschrieben, die - auf ein Netz aufschaltbar ist und drehzahlvariabel (M0H,1,2,3,4, M1H,1,2,3,4) ist sowie - einen Rotor mit variabler Drehzahl (M1aH,1,2,3,4) und - einen Momentregler (M1bH,1,2,3,4) aufweist. Denn auch bei der in D3 beschriebenen Anlage erfolgt sowohl im Teillastbetrieb wie auch im Vollastbetrieb die Drehzahlregelung über die Vorgabe eines Drehmoments und damit über einen Momentregler (D3, S. 366, Abs. 2, Z. 3-6: „Durch die Betriebsführung wird die Abgabeleistung in Abhängigkeit der Drehzahl vorgegeben [...]. Im Teillastbetrieb erfolgt die Regelung der Drehzahl bzw. der Abgabeleistung über den Umrichter des Generatorsystems.“; S. 368, Abs. 2, Z. 4-6: „Der Umrichter kann im Vollastbetrieb sowohl die Abgabeleistung als auch das Generatormoment konstant halten oder in Abhängigkeit einer noch vorzugebenden Funktion ändern.“). Die in der D3 beschriebene Anlage weist auch auf:
- einen Blattanstellwinkelregler (M1cH,1,2,3,4) (D3, S. 368, Abs. 2, Z. 4: „Die Regelung der Drehzahl und Abgabeleistung erfolgt durch die Blattverstellung.“)
- einen Hauptumrichter (Merkmal M1dH,1,2,3,4) (D3, S. 368, Z. 4 f. „Der Umrichter kann im Volllastbetrieb ...“), wobei
- das Aufschalten der Windenergieanlage erfolgt durch Schalten des Hauptumrichters auf das Netz (Merkmal M2H,1,2,3,4) (D3, S. 366, Abs. 1, Z. 5 f.: „Beim Erreichen der erforderlichen Solldrehzahl wird das Generator- bzw. Umrichtersystem mit dem Versorgungsnetz gekoppelt“).
Und auch das Merkmal M3H,1,2,3,4, wonach vor dem Aufschalten die Drehzahl des Rotors durch Variieren des Blattanstellwinkels geregelt wird,
geht aus der D3 hervor (D3, S. 366, Abs. 1, Z. 2 f.: „Danach wird mit Hilfe der Blattverstellung eine durch die Betriebsführung vorgegebene Rotordrehzahl eingestellt. [...] Beim Erreichen der erforderlichen Solldrehzahl wird das Generatorbzw. Umrichtersystem mit dem Versorgungsnetz gekoppelt“) und zwar, wie in den Hilfsanträgen 2 und 3 zusätzlich beansprucht, auf eine für das Aufschalten auf das Netz geeignete Synchronisierdrehzahl des Generators nsync. Die hier in der D3 aufgeführte „vorgegebene Rotordrehzahl“ und auch die „Solldrehzahl“ ist dabei diejenige Drehzahl, bei der das Umrichtersystem auf das Netz geschaltet wird. Somit entspricht die in der D3 aufgeführte „vorgegebene Rotordrehzahl“ bzw. „Solldrehzahl“ der anspruchsgemäßen „Synchronisierdrehzahl“.
Bei der in D3 geschilderten drehzahlvariablen Anlage kann vor dem Aufschalten des Generators kein Gegenmoment erzeugt werden. Der Rotor der Windenergieanlage kann somit bis zum Aufschalten frei drehen.
Dies gilt aber auch für nach dem Aufschalten drehzahlfest mit dem Netz verbundene Windkraftanlagen mit Blattverstellung. Daher wird der Fachmann eine entsprechend vorteilhafte Ausgestaltung, nämlich für das Anfahren bis zum Aufschalten auf das Netz, wie sie in der E10 für eine Windkraftanlage mit drehzahlfest direkt mit dem Netz verbundenen Generator vorgeschlagen ist, auch für eine drehzahlvariable Anlage wie nach D3 berücksichtigen.
So entnimmt der Fachmann aus der E10 ein für das Anfahren optimiertes Verfahren für eine (nach dem Aufschalten) drehzahlfest mit dem Netz verbundene Windkraftanlage mit Blattverstellung. Die dortige für das Anfahren vorgesehene Blattwinkeleinstellregelung soll vorteilhaft eine schnellere Beschleunigung („more rapid acceleration“) und eine verringerte Belastung („reduced stress“) bei sämtlichen Windgeschwindigkeiten („at all wind velocities“) ergeben (E10, S. 5, Z. 96-104, insb. Z. 101 f.). Dies wird erreicht, indem der Rotorblatteinstellwinkel in Abhängigkeit von der mittleren Windgeschwindigkeit und von der Rotorgeschwindigkeit eingestellt wird (s. E10, S. 5, Z. 102-104: „may be achieved by scheduling blade pitch angle as a function of average wind velocity, VWA, and rotor speed, NR“).
Es liegt daher für den Fachmann nahe, das in der E10 als vorteilhaft beschriebene Anfahrmanagement, das eine schnellere Beschleunigung bei verringerter Belastung mit sich bringt, auch auf eine drehzahlvariabel betriebene Windkraftanlage mit Umrichterspeisung wie nach D3 (s. o.) zu übertragen. Denn, wie schon oben beschrieben, greifen die anlagentypische Drehzahlvariabilität und damit einhergehend die Umrichterspeisung erst, sobald der Generator und der Umrichter und damit die Anlage auf das Netz aufgeschaltet ist. Umgekehrt bedeutet dies, dass das Anfahren bei einer blattwinkelverstellbaren Anlage - zumindest ab einer bestimmten Windgeschwindigkeit - unabhängig davon ist, ob die Anlage nach dem Synchronisieren drehzahlvariabel oder drehzahlstarr betrieben wird.
Vor dieser Aufschaltung erfolgt auch bei der in D3 beschriebenen Anlage - genauso wie auch in der E10 mit dortigem direkt mit dem Netz zu koppelnden Synchrongenerator - die Regelung auf eine vorgegebene Drehzahl (M3H,1,2,3,4) (vgl. D3, S. 366, Abs. 1, Z. 3 „vorgegebene Rotordrehzahl [wird] eingestellt“ und Z. 5 „[b]eim Erreichen der erforderlichen Solldrehzahl“).
Aus der E10 geht für das dortige vorteilhafte Anfahren weiter hervor, dass ein minimaler Blattanstellwinkel, [abhängig von der Windgeschwindigkeit]4 vorgegeben wird, der größer ist als ein für den Teillastbereich optimierter Blattanstellwinkel (M4H,1,3,4)).
Gleichzeitig wird beim Anfahren der Windenergieanlage der Blattanstellwinkel ausgehend von einem maximalen Blattanstellwinkel [bis zu dem minimalen Blattanstellwinkel]3 kontinuierlich verringert (M5H,1,3,4)).
Denn beim Anfahren der Windturbine wird der Rotorblattwinkel ausschließlich über eine Beschleunigungsregelvorgabe („acceleration control schedule 86“) vorgegeben (E10, S. 6, Z. 3-5). In dieser Vorgabe ist der für die in der E10 aufgezeigte optimale Beschleunigung jeweils günstigste und gleichzeitig für das Anfahren bis zum Aufschalten minimale Blattwinkel(grenzwert) implementiert (E10, S. 5, Z. 108 f.: „Minimum starting blade angle“, Z. 126 „minimum blade angle“). Der jeweilige Wert ergibt sich dabei gemäß dem in E10, Fig. 4 (s. u.) dargestellten Diagramm (E10, S. 5, Z. 104-117):
Fig. 4 aus E10 (GB 2 023 237 A) Dieses Diagramm gibt jeweils in Abhängigkeit von der mittleren Windgeschwindigkeit und von der Rotorgeschwindigkeit den unteren Blatteinstellwinkelgrenzwert vor (E10, S. 5, Z. 108-110: „Minimum starting blade angle is thus defined as a function of average wind velocity, VWA, and rotor speed, NR“). Dabei wird gemäß E10, Fig. 4 (s. o.), ausgehend von der Fahnenstellung - als dem maximalen Blattanstellwinkel - in Abhängigkeit von der mittleren Windgeschwindigkeit und der Rotordrehzahl ein minimaler Winkel vorgegeben (E10, S. 5, Z. 66-81). Dieser ist beim Anfahren 70° oder größer (s. E10, S. 5, Z. 119-125) und wird mit zunehmender Drehzahl des Rotors verringert. Diese Verringerung erfolgt nach E10, Fig. 4 während des Anfahrens bei Windgeschwindigkeiten - unterhalb der Nennwindgeschwindigkeit kontinuierlich bis 0° (nach E10, S. 4,
Z. 72-80 im Bereich von 12,8 km/h, entsprechend umgerechnet 7,95 mph, bis unterhalb 28,9 km/h bzw. 18,0 mph), - oberhalb Nennwindgeschwindigkeit ersichtlich auf einen Winkel größer als 0° (also bei mittleren Windgeschwindigkeiten oberhalb 28,9 km/h bzw. 18,0 mph).
Somit wird bei einer vorteilhaften Übertragung des Anfahrvorgangs (bis zum Aufschalten auf das Netz), wie in E10 vorgeschlagen, auf eine Anlage wie nach D3 der Blattanstellwinkel beim Anfahren ab einer bestimmten mittleren Windgeschwindigkeit knapp oberhalb der Nennwindgeschwindigkeit kontinuierlich von einem maximalen Blattanstellwinkel (E10: größer als 70°) bis zu einem vorgegebenen minimalen Winkel verringert (E10: siehe in Fig. 4, dortige Kennlinie „NR = 40 RPM“ im Bereich VWA ≥ 18,0 mph) (M5H,1,3,4). Dieser Blattanstellwinkel erfüllt ab diesem Windbereich auch die anspruchsgemäße Bedingung, dass er windgeschwindigkeitsabhängig vorgegeben wird (M44) und wie nach Merkmal M4H,1,3,4 größer ist als ein für den Teillastbereich optimierter Blattanstellwinkel. Denn der für den Teillastbereich optimierte Blattanstellwinkel liegt bei einem Wert von 0° oder wenig darüber, siehe hierzu auch in D3, S. 365, Bild 5.44, dortigen vorletzten Block des dargestellten Ablaufdiagramms. Dort wird der „Sollwert für Teillastbetrieb“ mit einem Blattwinkel von βopt=88° angegeben (s. a. D3, S. 366, Abs. 2, Z. 2 f.: „Der Blattanstellwinkel wird [im Teillastbetrieb] auf einen optimalen Wert eingestellt [...], so dass eine maximale Leistungsabgabe ermöglicht wird“). Da die Fahnenstellung in der D3 mit einem Winkel von 0° definiert ist (D3, S. 362, Bild 5.43 in dortigem ebenfalls vorletzten Block), entspricht der dort angegebene Winkel von 88° für den optimalen Winkel im Teillastbereich umgekehrt den im Streitpatent angegebenen Winkel von 2° wegen dortiger Fahnenstellung bei 90°. Damit ergibt sich mit der Anfahrregelung nach E10 mit dortiger Vorgabe eines während des Anfahrens vor dem Aufschalten nie unterschrittenen, von der Windgeschwindigkeit abhängigen Blattanstellwinkels und entsprechender naheliegender Übertragung auf die Anfahrregelung einer Windkraftanlage wie nach D3 auch ein Gegenstand mit dem Merkmal M4H,1,3,4 (s.o.).
Die Regelung des Blattanstellwinkels erfolgt dabei nach E10 anhand einer Maximal-Auswahl-Regelung („most select circuit“, s. a. E10, S. 5, Z. 3-15), in welche u. a. die Winkelgrößenvorgaben βS bzw. βN aus der „acceleration control schedule 86“ bzw. „rotor speed control schedule 88“ eingehen. Die MaximalAuswahl-Regelung gibt davon den jeweils größten Winkel für das Rotorblattstellglied („pitch angle actuator 44“) vor (s. a. E10, Fig. 3). Bis zum erstmaligen Erreichen der Solldrehzahl NR, welche der Aufschaltdrehzahl entspricht, übergibt dabei die „acceleration control schedule 86“ den größten Winkel, der gemäß der Figur 4 vorgegeben ist, an ein „most select circuit 98“, also eine Maximal-Auswahl-Regelung für die Vorgabe des Sollwinkels an die Regelung des Blattanstellwinkels. Dagegen gibt die „rotor speed control schedule 88“ bis dahin - aufgrund der noch nicht erreichten Solldrehzahl - einen geringeren Winkel vor, der eine höhere Beschleunigung bewirken soll (s. a. E10, S. , Z. 3-5, 14-58, insb. Z. 18-30). Erst beim Überschreiten der Solldrehzahl, die der Synchronisierdrehzahl entspricht, wählt die Maximal-Auswahl-Regelung (E10: „most select circuit 98“) dann den von der „rotor speed control schedule 88“ und damit der Drehzahlregelung vorgegebenen Winkel, der größer ist als der von der „acceleration control schedule 86“ vorgegebene kleinste einzustellende Winkel (s. E10, S. 6, Z. 30-36) (M42/M73). Durch die Maximal-Auswahl-Regelung (E10: „most select circuit 98“) wird während des Anfahrens und vor dem Aufschalten stets kein kleinerer als der von der „acceleration control schedule 86“ als Minimum (s. E10, S. 5, Z. 108) vorgegebene Blattanstellwinkel unterschritten. Somit wird der der minimale Blattanstellwinkel vor dem Aufschalten nicht unterschritten (M6H,1,3,4).
Da sowohl nach D3 wie auch nach E10 vor dem Aufschalten die Drehzahlregelung auf eine für das Aufschalten auf das Netz geeignete Synchronisierdrehzahl des Generators erfolgt (D3, S. 366, Abs. 1, Z. 2 f., 5 f.; E10, S. 6, Z. 20: „desired rotor speed NR REF“), ist auch das Merkmal M71 erfüllt.
Das Verfahren nach der E10 offenbart darüber hinaus auch das Merkmal M74, wonach der minimale Blattanstellwinkel auf einen (bestimmten) Wert gesetzt wird, wenn ein Mittelwert der Windgeschwindigkeit eine vorgegebene Windgeschwindigkeit überschreitet, und anderenfalls auf einen (anderen) Wert (bei M74: starthighwind), der geringer ist als der (oben angegebene „bestimmte“) Wert. Denn, entsprechend dem Kennfeld nach E10, Fig. 4 wird bereits oberhalb der Nennwindgeschwindigkeit bei einer Rotordrehzahl von 40 rpm (die einer Generatordrehzahl von 1800 rpm und damit - bei zwei Polpaaren - der dortigen Synchronisierdrehzahl von 60 Hz entspricht; s. E10, S. 3, Z. 10-15 ) beim Anfahren ein minimaler Blattanstellwinkel eingestellt, der bei Zunahme der mittleren Windgeschwindigkeit jeweils auf einen größeren Wert gesetzt wird. Umgekehrt wird er bei geringerer mittlerer Windgeschwindigkeit jeweils auf einen kleineren Wert gesetzt. Diese Funktionalität - alternativ als mathematische Formel oder inkrementell als hinterlegte Tabelle -, übertragen auf ein Verfahren nach der D3, erfüllt damit auch das Merkmal M74.
Damit sind für einen Fachmann mit einer Qualifikation wie oben angegeben durch eine Zusammenschau der bekannten Verfahren die Merkmale von Anspruch 1 nach Hauptantrag bzw. den Hilfsanträgen 1 bis 4 ohne erfinderisches Zutun herleitbar und mithin nicht patentfähig.
Hiermit fallen zwingend auch die jeweils rückbezogenen Patentansprüche, da sie zusammen mit dem Patentanspruch 1 Gegenstand desselben Antrags auf Aufrechterhaltung des Patents sind und deshalb ohne eigene Prüfung das Rechtsschicksal des nicht patentfähigen Anspruchs 1 teilen (BGH GRUR 2007, 862 – Informationsübermittlungsverfahren II).
Bei dieser Sachlage war das Patent zu widerrufen.
III. Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegeben, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu unterzeichnen und beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzureichen. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Ganzenmüller Bayer Schlenk Ausfelderr Me
Urheber dieses Dokuments ist das Bundespatentgericht. Nach § 5 UrhG geniessen Entscheidungen und Gesetze keinen urheberrechtlichen Schutz. Auflagen des Gerichts können aber die kommerzielle Verwertung einschränken. In Anlehnung an Creative Commons Lizenzen ist die Nutzung mit einer CC BY-NC-SA 3.0 DE Lizenz vergleichbar. Bitte beachten Sie, dass diese Entscheidung urheberrechtlich geschützte Abbildungen enthalten kann. Vor einer Nutzung - über die reine Wiedergabe der Entscheidung hinaus - sind in solchen Fällen entsprechende Nutzungsrechte bei den jeweiligen Rechteinhabern einzuholen.
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
3 | 21 | PatG |
2 | 4 | PatG |
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
2 | 4 | PatG |
3 | 21 | PatG |
Der nachfolgende Link führt Sie zum originalen Dokument. Aufgrund der technischen Natur des Internets ist es möglich, dass der Link zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr gültig ist. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir nicht alle Links einer ständigen Prüfung unterziehen können.
Öffnen