AnwZ (Brfg) 1/21
BUNDESGERICHTSHOF AnwZ (Brfg) 1/21 BESCHLUSS vom 12. März 2021 in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ECLI:DE:BGH:2021:120321BANWZ.BRFG.1.21.0 Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Grupp, die Richterinnen Dr. Liebert und Ettl sowie den Rechtsanwalt Dr. Kau und die Rechtsanwältin Merk am 12. März 2021 beschlossen:
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das der Klägerin am 18. November 2020 an Verkündungs statt zugestellte Urteil des 1. Senats des Thüringer Anwaltsgerichtshofs wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe: I.
Die Klägerin ist seit 2002 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 16. August 2019 widerrief die Beklagte die Zulassung der Klägerin wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Der von der Klägerin hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Bescheid vom 18. Dezember 2019 zurückgewiesen. Der Anwaltsgerichtshof hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Die Klägerin beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Der Antrag ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur Senat, Beschluss vom 4. März 2019 - AnwZ (Brfg) 47/18, juris Rn. 3). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 7. März 2019 - AnwZ (Brfg) 66/18, juris Rn. 5).
Entsprechende Zweifel vermag die Klägerin nicht darzulegen. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats.
a) Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom
4. März 2019 - AnwZ (Brfg) 47/18, juris Rn. 4 und vom 7. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 55/18, juris Rn. 5; jeweils mwN).
b) Im hier maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids befand sich die Klägerin in Vermögensverfall. Zu diesem Zeitpunkt war das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wird der Vermögensverfall der Klägerin deshalb widerlegbar vermutet. Die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls ist im Falle eines Insolvenzverfahrens nach ständiger Senatsrechtsprechung erst dann widerlegt, wenn ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§ 248 InsO) oder angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 InsO) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit wird (vgl. nur Senatsbeschluss vom 27. August 2019 - AnwZ (Brfg) 35/19, juris Rn. 19 mwN).
Zutreffend ist der Anwaltsgerichtshof vor diesem Hintergrund davon ausgegangen, dass die Klägerin die Vermutung des Vermögensverfalls nicht widerlegt hat. Denn sie hat weder in erster Instanz noch im Zulassungsantrag dargelegt, dass die oben genannten, für die Widerlegung der Vermutung erforderlichen Voraussetzungen im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids vorlagen.
c) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft (vgl. nur Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 65/18,
juris Rn. 7). Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (st. Rspr., vgl. Senatsbeschluss vom 10. November 2020 - AnwZ (Brfg) 29/20, juris Rn. 12).
Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids ausnahmsweise nicht bestand, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere reicht - worauf der Anwaltsgerichtshof zutreffend hingewiesen hat - der unsubstantiierte und unbelegte Vortrag der Klägerin, dass sie nur noch als angestellte Anwältin tätig sei und keinen Zugriff auf das Kanzleikonto habe, hierfür nicht aus. Nicht entscheidend ist insoweit auch, ob der Vermögensverfall nur durch eine einzige Verbindlichkeit begründet gewesen ist und diese nicht aus einem Mandatsverhältnis stammt, sondern gegenüber dem Versorgungswerk besteht (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Oktober 1998 - AnwZ (B) 18/98, NJW-RR 1999, 712 unter II). Auch der Vortrag der Klägerin, dass sie regelmäßig Raten auf die Verbindlichkeiten gegenüber dem Versorgungswerk gezahlt, der Gerichtsvollzieher diese Zahlungen aber nicht weitergeleitet habe, ändert an dem Vorliegen einer Vermögensgefährdung nichts. Ohnehin ist dieser Vortrag der Klägerin sowohl unsubstantiiert als auch unbelegt. Nicht erheblich ist darüber hinaus das Vorbringen der Klägerin dazu, aus welchem Grund sie nicht selbst einen Insolvenzantrag gestellt hat. Die Tatsache, dass sie keinen Eigenantrag zur Insolvenzeröffnung gestellt hat, ist für die Bejahung einer Vermögensgefährdung hier nicht entscheidend (zur möglichen Berücksichtigung eines Eigenantrags vgl. Senatsbeschluss vom 9. November 2018 - AnwZ (Brfg) 61/18, juris Rn. 7 f.). Denn hier fehlen ohnehin Anhaltspunkte dafür, dass diese Gefährdung ausnahmsweise verneint werden könnte.
2. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat die Klägerin nicht dargelegt. Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. nur Senat, Beschluss vom 5. April 2019 - AnwZ (Brfg) 2/19, juris Rn. 13 mwN). Diese Voraussetzungen sind vom Beschwerdeführer darzulegen. Insbesondere muss begründet werden, warum ein korrigierendes Eingreifen des Bundesgerichtshofs erforderlich ist (vgl. nur Senat, Beschluss vom 5. April 2019, aaO). Diesen Anforderungen genügt die reine Behauptung der Klägerin, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Grupp Liebert Kau Merk Ettl Vorinstanz: AGH Jena, Entscheidung vom 18.11.2020 - AGH 1/20 -