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2 StR 263/14

BUNDESGERICHTSHOF StR 263/14 BESCHLUSS vom 8. Januar 2015 in der Strafsache gegen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung u. a.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 8. Januar 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 18. Februar 2014 aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zu den objektiven Tatgeschehen aufrechterhalten.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung, wegen Nachstellung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und Sachbeschädigung sowie wegen Nachstellung in Tateinheit mit 13 rechtlich zusammentreffenden Fällen der Beleidigung und mit 18 zusammentreffenden Fällen der versuchten Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Zugleich hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat im Wesentlichen Erfolg.

1. Nach den Feststellungen litt der Angeklagte zum Zeitpunkt der Taten unter einer krankhaften wahnhaften Störung in Form einer paranoiden Psychose. Das Landgericht ist insoweit davon ausgegangen, dass er aufgrund einer fehlerhaften Selbsteinschätzung die Reaktionen seiner Mitmenschen nicht nachvollziehen könne und ihre Verhaltensweisen als unangemessen empfinde. Insbesondere könne er keine Ablehnung und Zurückweisung akzeptieren, weshalb er versuche, durch sein eigenes Verhalten zu provozieren, um seine Gegenüber zu weiteren Reaktionen zu veranlassen. Die Strafkammer ist - sachverständig beraten - der Ansicht, dass es sich bei dieser Erkrankung, bei der immer wieder Grenzen überschritten und gerichtliche Anordnungen missachtet würden, um eine schwere seelische Störung handele, die zu den Tatzeitpunkten zu einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten im Sinne von § 21 StGB führe (UA S. 17, 23 f.). Darauf gestützt hat das Landgericht die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.

2. Die Maßregelanordnung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil die Feststellungen des Landgerichts zur psychischen Erkrankung des Angeklagten und deren Auswirkungen auf die Anlasstaten einer tragfähigen Tatsachengrundlage entbehren.

a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Der Defektzustand muss, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 16. Januar 2013 - 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141). Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2014 - 4 StR 183/14).

b) Diesem Maßstab wird die landgerichtliche Entscheidung nicht gerecht.

Soweit die Strafkammer im Anschluss an den Sachverständigen davon ausgeht, dass der Angeklagte an einer paranoiden Psychose leidet, werden die diese Bewertung tragenden Anknüpfungs- und Befundtatsachen nicht in ausreichendem Umfang wiedergegeben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. September 2010 - 5 StR 229/10, StraFO 2011, 55; vom 30. Juli 2013 - 4 StR 275/13, NStZ 2014, 36, 37). Das Landgericht beschränkt sich im Wesentlichen darauf, die gutachterliche Einschätzung in ihrem Ergebnis darzulegen, ohne zu erörtern, worauf dieses im Einzelnen beruht. Dies versteht sich auch bei dem bisher lediglich wegen Erschleichens von Leistungen und einer Bedrohung im Jahre 2012 auffällig gewordenen Angeklagten nicht von selbst. Dies gilt um so mehr, als der Angeklagte bisher von "schwerwiegenden Krankheiten und Unfällen verschont geblieben" ist (UA S. 4), es also offensichtlich keine "Krankheitsvorgeschichte" gibt, die die jetzt vorgenommene Einschätzung bestätigen könnte. Der Umstand allein, dass das beschriebene Krankheitsbild die abgeurteilten Straftaten grundsätzlich zu erklären vermag, ist für sich noch keine tragfähige Grundlage für den gutachterlichen Befund, weil der Senat ohne nähere Erläuterung nicht ausschließen kann, dass dieser allein auf einem Rückschluss aus den abgeurteilten Straftaten beruht, ohne dass erwogen worden ist, ob es auch andere denkbare Auslöser für die Straftaten gegeben hat. Im Übrigen erlaubt dieser Umstand dem Senat noch nicht die Beurteilung, ob der angenommene psychische Defekt, der entweder plötzlich hervorgetreten sein oder länger bestehen muss, ohne sich auf das Verhalten des Angeklagten ausgewirkt zu haben, als eine schwere seelische Störung einzuordnen und von längerer Dauer ist.

Darüber hinaus erweist sich das der landgerichtlichen Entscheidung zugrunde liegende Gutachten aus einem weiteren Grund nicht als nachvollziehbar. Der Sachverständige hatte in seinem schriftlichen Gutachten ursprünglich die Ansicht vertreten, die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten sei eingeschränkt gewesen, hat daran aber in seinem mündlichen Gutachten nicht mehr festgehalten. Der Senat kann - ohne dass ihm im Einzelnen dargelegt wird, aufgrund welcher Umstände der Sachverständige zu seiner damaligen Einschätzung gelangt ist, und warum er daran nicht weiter festhält - nicht nachvollziehen, ob das Landgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die paranoiden Vorstellungen des Angeklagten seine Einsichtsfähigkeit unberührt gelassen, aber gleichwohl zu einer erheblichen Einschränkung seiner Steuerungsfähigkeit geführt haben.

Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung, wobei nahe liegend ein neuer Sachverständiger mit der Begutachtung beauftragt werden sollte. Dabei wird auch sorgfältiger als bisher zu prüfen sein, ob von dem Angeklagten infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Juli 2013 - 2 BvR 298/12, R & P 2014, 31).

3. Der Senat hebt auch den Schuld- und Strafausspruch auf; er kann - ohne genaue Kenntnis von der Erkrankung des Angeklagten - nicht ausschließen, dass diese womöglich sogar zu einer Schuldunfähigkeit des Angeklagten geführt hat. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den objektiven Tatgeschehen bleiben davon unberührt und können bestehen bleiben.

Fischer Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

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