VI ZR 427/23
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VI ZR 427/23 URTEIL Nachschlagewerk: ja BGHZ:
nein BGHR: JNEU:
ja nein in dem Rechtsstreit Verkündet am: 23. Juli 2024 Holmes Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 554 Abs. 2 Satz 1 a) Zur teilweisen (einseitigen) Erledigungserklärung der Revision.
b) Lässt ein Berufungsgericht die Revision zu, müssen sich aus dem Berufungsurteil die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung, der Sach- und Streitstand und die von den Parteien im Berufungsverfahren gestellten Anträge erschließen. Fehlen im Berufungsurteil die entsprechenden Darstellungen, hat das Revisionsgericht das Urteil von Amts wegen aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
c) Eine Anschlussrevision kann bei beschränkter Zulassung der Revision auch dann eingelegt werden, wenn die Anschlussrevision nicht den Streitstoff betrifft, auf den sich die Zulassung bezieht. Unzulässig ist sie nur dann, wenn sie einen Lebenssachverhalt betrifft, der mit dem von der Revision erfassten Streitgegenstand nicht in einem unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang steht.
BGH, Urteil vom 23. Juli 2024 - VI ZR 427/23 - LG Ingolstadt AG Ingolstadt ECLI:DE:BGH:2024:230724UVIZR427.23.0 Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO unter Berücksichtigung bis zum 20. Juni 2024 eingegangener Schriftsätze durch den Vorsitzenden Richter Seiters, die Richterin Müller, die Richter Dr. Klein und Dr. Allgayer sowie die Richterin Dr. Linder für Recht erkannt:
1. Der Antrag der Klägerin festzustellen, dass die Revision gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Ingolstadt vom 9. November 2023 in der Fassung der Berichtigungsbeschlüsse vom 3. Januar 2024 und 3. April 2024 hinsichtlich eines Betrags von 54 € erledigt ist, wird zurückgewiesen.
2. Im Übrigen wird auf die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Ingolstadt vom 9. November 2023 in der Fassung der Berichtigungsbeschlüsse vom 3. Januar 2024 und 3. April 2024 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in Anspruch.
Das Amtsgericht hat - unter Zulassung der Berufung - die Beklagte zur Zahlung von 102 € (48 € Verbringungskosten, 49 € Desinfektionskosten, 5 € weitere Unkosten) nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt und die Klage im Übrigen (insbesondere hinsichtlich des "Mehrwertsteueranteils" des merkantilen Minderwerts) abgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und zunächst dahingehend neu gefasst, dass es die Beklagte zur Zahlung von 64 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt hat. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. In einem ersten Berichtigungsbeschluss hat es den Urteilsausspruch dahingehend berichtigt, dass es die Beklagte zur Zahlung von 112 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt hat. In einem zweiten Berichtigungsbeschluss hat es den Betrag 112 € durch 166 € ersetzt und die Kostenentscheidung geändert.
Die Revision hat das Berufungsgericht "bezüglich der Frage der Nettobzw. Bruttoberechnung des merkantilen Minderwerts" zugelassen.
Die Klägerin hat mit der nach dem ersten Berichtigungsbeschluss begründeten Revision beantragt, das Berufungsurteil (in der damaligen ersten Berichtigungsfassung) aufzuheben, soweit dort zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist, und auch insoweit nach den letzten Anträgen der Klägerin in der Berufungsinstanz zu erkennen. Nach dem zweiten Berichtigungsbeschluss des Berufungsgerichts hat sie die Revision hinsichtlich eines Betrags von 54 € für erledigt erklärt.
Die Beklagte hat der Teilerledigungserklärung widersprochen und mit der Anschlussrevision beantragt, das Berufungsurteil in der Fassung der Berichtigungsbeschlüsse aufzuheben, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist, und auch insoweit nach den Anträgen der Beklagten in der Berufungsinstanz zu erkennen.
Entscheidungsgründe: A.
Das Berufungsgericht hat von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen unter Verweis auf § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 i.V.m. § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Klägerin stünden die vollen klageweise geltend gemachten Verbringungskosten zu. Die Klägerin habe nach durchgeführter Reparatur konkret abgerechnet. Bezüglich der von der Werkstatt in Rechnung gestellten Verbringungskosten trage grundsätzlich der Schädiger das Werkstattrisiko. Die hier in Rechnung gestellten Kosten fielen nicht so aus dem Rahmen, dass sie der Klägerin als überteuert hätten ins Auge springen müssen. Bezüglich des merkantilen Minderwerts sei an der vom Amtsgericht vorgenommenen Nettoberechnung festzuhalten und die Klage bezüglich der Mehrwertsteuer abzuweisen. Es stelle eine Bevorzugung eines Geschädigten, der zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, dar, wenn ihm die steuerneutral ermittelte merkantile Wertminderung ungeschmälert zuerkannt werde. Etwas anderes ergebe sich nicht für den konkreten Fall, in dem die Geschädigte das Fahrzeug geleast und Zahlung nicht an sich selber, sondern an die Leasinggeberin verlangt habe.
B.
Revision der Klägerin I.
Die teilweise Erledigungserklärung der Klägerin betrifft ihre Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts in seiner Fassung vor dem zweiten Berichtigungsbeschluss, mit der auch die bereits rechtskräftige Verurteilung der Beklagten durch das Amtsgericht zum Ersatz von 49 € Desinfektionskosten und 5 € restlichen Unkosten aufgehoben worden ist. Diesen Fehler hat das Berufungsgericht auf einen Berichtigungsantrag der Klägerin während des bereits laufenden Revisionsverfahrens mit dem zweiten Berichtigungsbeschluss korrigiert. Da die Beklagte der teilweisen Erledigungserklärung widersprochen hat, ist in dieser der Antrag der Klägerin zu sehen, die teilweise Erledigung der Revision festzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2018 - I ZB 24/17, DGVZ 2019, 79 Rn. 6). Der Antrag ist unbegründet.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine auf ein Rechtsmittel bezogene einseitige (teilweise) Erledigungserklärung jedenfalls dann zulässig, wenn hierfür ein besonderes Bedürfnis besteht, weil nur auf diese Weise eine angemessene Kostenentscheidung erzielt werden kann, und zudem das die Zulässigkeit oder Begründetheit des Rechtsmittels erledigende Ereignis als solches außer Streit steht (BGH, Urteil vom 27. März 2023 - VIa ZR 1140/22, NJW-RR 2023, 768 Rn. 19; Beschluss vom 20. Dezember 2018 - I ZB 24/17,
DGVZ 2019, 79 Rn. 10; jeweils mwN). Das kann auch bei der (hier unstreitig erfolgten) Berichtigung der angefochtenen Entscheidung, aufgrund derer das Rechtsmittel (teilweise) unzulässig oder unbegründet wird, der Fall sein (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2023 aaO Rn. 20 ff.).
2. Vorliegend ist allerdings der Antrag auf Feststellung der teilweisen Erledigung der Revision unbegründet, weil es an einer Erledigung fehlt. Eine Erledigung des Rechtsmittels ist gegeben, wenn ein ursprünglich zulässiges und begründetes Rechtsmittel nachträglich unzulässig oder unbegründet wird (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2023 - VIa ZR 1140/22, NJW-RR 2023, 768 Rn. 9; Beschluss vom 2. Mai 2019 - IX ZR 347/18, juris Rn. 3; jeweils mwN). Hier war die Revision, soweit sie sich gegen die Aufhebung der (rechtskräftigen) erstinstanzlichen Verurteilung der Beklagten zum Ersatz der Desinfektionskosten und der weiteren Unkosten durch das Berufungsgericht richtete, von Anfang an unzulässig, da sie insoweit nicht zugelassen war. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision wirksam auf die Zurückweisung der Berufung gegen die den Ersatz des merkantilen Minderwerts betreffende Klageabweisung beschränkt.
a) Die Wirksamkeit einer Beschränkung der Revisionszulassung setzt voraus, dass sie einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs betrifft, der Gegenstand eines Teilurteils sein oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken kann. Unzulässig ist es, die Zulassung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 22. Februar 2022 - VI ZR 1175/20, NJW 2022, 1751 Rn. 15 mwN).
b) Vorliegend hat das Berufungsgericht die Revision im Tenor der angefochtenen Entscheidung zwar "bezüglich der Frage der Netto- bzw. Bruttowertberechnung des merkantilen Minderwerts" zugelassen und dies in den Entscheidungsgründen damit begründet, dass es sich dabei um eine Rechtsfrage handle, der aufgrund widersprüchlicher Entscheidungen der Instanzgerichte grundsätzliche Bedeutung zukomme. Das macht die Revisionsbeschränkung aber entgegen der Ansicht der Klägerin nicht unwirksam. Bei verständiger Auslegung seiner Entscheidung über die Revisionszulassung hat das Berufungsgericht die Revision nicht nur bezüglich der im Tenor benannten Rechtsfrage, sondern hinsichtlich des abtrennbaren selbständigen Teils des Prozessstoffs - den Ersatz des Minderwerts - zugelassen, der Gegenstand eines eingeschränkt eingelegten Rechtsmittels sein kann und bei dem sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant bewertete Frage ("Netto- bzw. Bruttowertberechnung") stellen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 2018 - VIII ZR 247/17, NJW 2018, 1880 Rn. 8 ff.). Dass es insoweit um den Ersatz des merkantilen Minderwerts geht, ist dem Berufungsurteil mit eindeutiger Klarheit zu entnehmen, auch wenn es im Übrigen notwendige Begründungselemente vermissen lässt (dazu unten II. und C. II.).
c) Mangels Zulassung der Revision hinsichtlich des Ersatzes der Desinfektionskosten und weiterer Unkosten stand der Klägerin somit nur der (gestellte und erfolgreiche) Berichtigungsantrag zur Verfügung. Die Revision war insoweit von Anfang an unzulässig und konnte sich somit durch den zweiten Berichtigungsbeschluss des Berufungsgerichts nicht erledigen.
II.
Soweit die Revision der Klägerin die Zurückweisung der Berufung gegen die Abweisung der Klage auf Ersatz des "Mehrwertsteueranteils" des merkantilen Minderwerts betrifft, ist sie zulässig. Sie ist insoweit schon deshalb begründet, weil das Berufungsurteil hinsichtlich dieses Streitstoffs eine der Vorschrift des § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO genügende Darstellung der Urteilsgründe vermissen lässt.
1. Nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO kann in einem Berufungsurteil der Tatbestand durch die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil der ersten Instanz, verbunden mit erforderlichen Berichtigungen, Änderungen und Ergänzungen, die sich aus dem Vortrag der Parteien und aus einer etwaigen Bezugnahme auf Schriftsätze vor dem Berufungsgericht ergeben, ersetzt werden. Die Einhaltung dieser Voraussetzungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Inhalt eines Berufungsurteils nicht entbehrlich. Lässt ein Berufungsgericht - wie hier - die Revision zu oder unterliegt das Berufungsurteil der Nichtzulassungsbeschwerde, müssen sich die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung aus dem Urteil oder - im Falle des § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO - aus dem Sitzungsprotokoll so erschließen, dass eine revisionsrechtliche Nachprüfung möglich ist. Außerdem muss das Berufungsurteil erkennen lassen, von welchem Sach- und Streitstand das Berufungsgericht ausgegangen ist, und die Anträge, die die Parteien im Berufungsverfahren gestellt haben, müssen zumindest sinngemäß deutlich werden. Denn es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, den Sachverhalt und das genaue Begehren selbst zu ermitteln, um abschließend beurteilen zu können, ob die Revision begründet ist. Fehlen im Berufungsurteil die entsprechenden Darstellungen, leidet es an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel; das Revisionsgericht hat das Urteil in einem solchen Fall grundsätzlich aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 21. Februar 2017 - VI ZR 22/16, NJW 2017, 3449 Rn. 6; BGH, Urteil vom 26. Mai 2021 - VIII ZR 93/20, NJW-RR 2021, 1016 Rn. 11 f.; jeweils mwN).
2. Wie beide Parteien zu Recht geltend machen, wird das angefochtene Urteil den beschriebenen Erfordernissen nicht gerecht. Nachdem das Berufungsgericht die Revision selbst zugelassen hat, lagen - entgegen dessen rechtsirriger Annahme - die Voraussetzungen nach § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO für ein Absehen von der durch § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO vorgeschriebenen Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen nicht vor (Senatsurteil vom 21. Februar 2017 - VI ZR 22/16, NJW 2017, 3449 Rn. 8; BGH, Urteil vom 26. Mai 2021 - VIII ZR 93/20, NJW-RR 2021, 1016 Rn. 13 mwN).
Die notwendigen tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung und die Berufungsanträge der Klägerin - hier bezogen auf den Gegenstand der Revision, nämlich den Ersatz des merkantilen Minderwerts - lassen sich auch nicht mit hinreichender Deutlichkeit den Gründen des Berufungsurteils entnehmen (vgl. hierzu Senatsurteile vom 15. Juni 2021 - VI ZR 1029/20, VersR 2021, 1260 Rn. 12; vom 21. Februar 2017 - VI ZR 22/16, NJW 2017, 3449 Rn. 10). Aus dem Gesamtzusammenhang der Gründe lässt sich lediglich herleiten, dass die Klägerin nach einem Unfall ein geleastes Fahrzeug hat reparieren lassen, gegenüber der Beklagten konkret abgerechnet hat und dass sie in der Berufung unter anderem "weiterhin den Bruttobetrag und damit Mehrwertsteuer in Höhe von 111,77 € auf die von ihr geltend gemachte merkantile Wertminderung verlangt", wobei sie Zahlung nicht an sich selber, sondern an die Leasinggeberin beantragt. Es fehlen Ausführungen dazu, was die Parteien zum Haftungsgrund und zur Einstandspflicht der Beklagten vorgetragen haben und was diesbezüglich festgestellt worden ist. Es ist ferner nicht erkennbar, wie der merkantile Minderwert ermittelt bzw. geschätzt wurde und auf welche Höhe sich der "Bruttobetrag" insgesamt beläuft. Etwaiger ergänzender Vortrag der Parteien in der Berufungsinstanz bleibt unerwähnt. Es wird schließlich nicht mitgeteilt, ob und inwieweit der Berufungsantrag auch Nebenforderungen erfasst.
III.
Für das weitere Verfahren weist der Senat hinsichtlich der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Rechtsfrage auf die zwischenzeitlich ergangenen Urteile vom 16. Juli 2024 - VI ZR 188/22, VI ZR 243/23 und VI ZR 205/23 (z.V.b.) hin. Danach ist von dem merkantilen Minderwert (nur) für den Fall, dass er ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzt wurde, ein dem "Umsatzsteueranteil" entsprechender Betrag abzuziehen.
C.
Anschlussrevision der Beklagten I.
Die Anschlussrevision der Beklagten ist zulässig.
1. Der Antrag der Anschlussrevision, das Berufungsurteil in der Fassung der Berichtigungsbeschlüsse aufzuheben, soweit "zum Nachteil" der Beklagten entschieden wurde und "auch insoweit nach den Anträgen der Beklagten in der Berufungsinstanz zu erkennen", ist im Hinblick darauf, dass die Beklagte in der Berufungsinstanz lediglich die Zurückweisung der Berufung der Klägerin beantragt hat, gegen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer Verbringungskosten in Höhe von 64 € durch das Berufungsgericht gerichtet. Nicht vom Antrag erfasst ist das Berufungsurteil demnach insoweit, als durch die beiden Berichtigungsbeschlüsse die bereits rechtskräftige Verurteilung der Beklagten durch das Amtsgericht zur Zahlung von 102 € (zusammengesetzt aus 48 € Verbringungskosten, 49 € Desinfektionskosten, 5 € weitere Unkosten) nebst Zinsen, die durch das Berufungsurteil in seiner ursprünglichen Fassung versehentlich aufgehoben worden war, der Sache nach wiederhergestellt worden ist. Soweit die Beklagte in der Anschlussrevisionsbegründung meint, für die zweite Berichtigung hätten die Voraussetzungen des § 319 Abs. 1 ZPO gefehlt und der Klägerin stehe ein Anspruch auf Ersatz der Desinfektionskosten nicht zu, geht sie über den in ihrer Anschlussrevision gestellten Antrag hinaus. Ein weitergehender Antrag wäre auch unzulässig, weil es insoweit an der Beschwer der Beklagten durch das Berufungsurteil fehlen würde. Denn diese hat durch den Verzicht auf eine eigene Berufung und die Beschränkung auf den Antrag, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, die Verurteilung durch das Amtsgericht akzeptiert und rechtskräftig werden lassen.
2. Entgegen der Vermutung der Klagepartei ist die Anschlussrevision rechtzeitig, nämlich innerhalb der Monatsfrist des § 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO eingelegt worden. Die Revisionsbegründung ist den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 8. April 2024 zugestellt worden, die Anschlussrevision ist am 8. Mai 2024 beim Bundesgerichtshof eingegangen.
3. Die Anschlussrevision ist entgegen der Ansicht der Klagepartei zulässig, obwohl das Berufungsgericht die Revision nur für die Abweisung der Klage auf Ersatz des merkantilen Minderwerts zugelassen hat. Im Hinblick auf die Regelung des § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO, nach der die Statthaftigkeit der Anschließung nicht voraussetzt, dass auch für den Anschlussrevisionskläger die Revision zugelassen worden ist, kann eine Anschlussrevision bei beschränkter Zulassung der Revision auch dann eingelegt werden, wenn die Anschlussrevision nicht den Streitstoff betrifft, auf den sich die Zulassung bezieht (BGH, Urteile vom 7. Juli 2021 - VIII ZR 52/20, WM 2021, 1541 Rn. 48; vom 25. Juni 2015 - IX ZR 142/13, NZI 2015, 799 Rn. 28; vom 24. September 2014 - VIII ZR 394/12, BGHZ 202, 258 Rn. 69; vom 22. März 2006 - VIII ZR 173/04, NJW-RR 2006, 1328 Rn. 17; jeweils mwN). Unzulässig ist sie nur dann, wenn sie einen Lebenssachverhalt betrifft, der mit dem von der Revision erfassten Streitgegenstand nicht in einem unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang steht (BGH, Urteile vom 25. Juni 2015 - IX ZR 142/13 aaO; vom 24. September 2014 - VIII ZR 394/12 aaO). Vorliegend besteht jedenfalls ein wirtschaftlicher Zusammenhang. Die Revision, soweit zugelassen, und die Anschlussrevision betreffen Schadensposten (merkantiler Minderwert und Verbringungskosten) aus ein und demselben Schadensereignis.
II.
Die Anschlussrevision ist schon deshalb begründet, weil das Berufungsurteil auch hinsichtlich des Streitstoffs, auf den sich die Anschlussrevision bezieht, eine der Vorschrift des § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO genügende Darstellung der Urteilsgründe vermissen lässt.
Aus dem Gesamtzusammenhang der Gründe einschließlich der Berichtigungsbeschlüsse lässt sich lediglich herleiten, dass der Klägerin von der Werkstatt Verbringungskosten in Höhe von 192 € in Rechnung gestellt wurden, dass davon vorgerichtlich 80 € erstattet wurden, dass die Klägerin in erster Instanz weitere Verbringungskosten in Höhe von 112 € geltend gemacht hat, das Amtsgericht ihr 48 € zugesprochen hat und in der Berufung nun die Zahlung der Differenz von 64 € verlangt worden ist. Auch hier fehlen Ausführungen zum Haftungsgrund, zur Einstandspflicht der Beklagten, zur "Verbringung" und dazu, ob die diesbezügliche Rechnung der Werkstatt bezahlt wurde. Es ist mangels (sinngemäßer) Wiedergabe der Klage- und Berufungsanträge auch nicht ersichtlich, ob die Klägerin insoweit Zahlung an sich oder an einen Dritten verlangt und ob und inwieweit sie Nebenforderungen geltend macht.
III.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf die zwischenzeitlich ergangenen Urteile vom 16. Januar 2024 - VI ZR 253/22 (ZIP 2024, 405) und - VI ZR 239/22 (VersR 2024, 445) zum sogenannten Werkstattrisiko hin.
Seiters Müller Klein Allgayer Linder Vorinstanzen: AG Ingolstadt, Entscheidung vom 08.03.2023 - 9 C 1393/22 LG Ingolstadt, Entscheidung vom 09.11.2023 - 75 S 507/23 -