5 StR 72/25
BUNDESGERICHTSHOF StR 72/25 BESCHLUSS vom 19. Juni 2025 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. hier: Anhörungsrügen ECLI:DE:BGH:2025:190625B5STR72.25.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat – hinsichtlich Ziffer 2 durch seine Vorsitzende – am 19. Juni 2025 beschlossen:
1. Die Anhörungsrüge des Verurteilten gegen den Senatsbeschluss vom 7. Mai 2025 wird auf seine Kosten verworfen.
Damit ist der Antrag des Verurteilten auf Aufschub der Vollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Berlin I vom 22. Juli 2024 gegenstandslos.
2. Die Anhörungsrüge des Verurteilten gegen den Beschluss der Vorsitzenden vom 7. Mai 2025 sowie sein insoweit gestellter Antrag auf Wiedereinsetzung in die Antragsfrist gemäß § 356a Satz 2 StPO werden auf seine Kosten verworfen.
Gründe:
1. Mit Beschluss vom 7. Mai 2025 hat der Senat die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin I vom 22. Juli 2024 nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen sowie weitere Anträge des Verurteilten zurückgewiesen. Mit Beschluss der Vorsitzenden vom selben Tage sind seine Anträge auf Aufhebung der Bestellung seines Pflichtverteidigers sowie auf Gewährung von Akteneinsicht abgelehnt worden.
Gegen die Beschlüsse wendet sich der Verurteilte mit seinen Anhörungsrügen vom 22. Mai 2025, zu denen er mit Schreiben vom 26. Mai 2025 – bezeichnet als weitere Anhörungsrügen – ergänzend ausgeführt und hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt hat. Am 28. Mai 2025 hat er außerdem beantragt, die Vollstreckung bis zur Entscheidung über die Anhörungsrüge aufzuschieben.
2. Die zulässig erhobene Rüge nach § 356a StPO gegen den Senatsbeschluss ist unbegründet. Der Revisionsentscheidung liegt keine Verletzung des Anspruchs des Verurteilten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) zugrunde. Der Senat hat weder Verfahrensstoff verwertet, zu dem der Verurteilte nicht gehört worden ist, noch hat er zu berücksichtigendes Vorbringen von ihm übergangen oder in sonstiger Weise seinen Gehörsanspruch verletzt.
Wie sich aus dem ausdrücklichen Hinweis in der angegriffenen Entscheidung ergibt, lagen dem Senat am 7. Mai 2025 sämtliche bis dahin eingegangenen Schreiben des Verurteilten – namentlich insbesondere seine „Revisionsbegründungsergänzungen“ bis einschließlich Teil 7 – vor und waren Gegenstand der Beratung. Die Revisionsbegründungsergänzung Teil 8 vom 15. Mai 2025 konnte bei der Entscheidung mithin keine Berücksichtigung finden. Soweit der Verurteilte eine Entscheidung des Senats über seine Anträge auf einstweilige Anordnung, über seinen Antrag auf gerichtliche Feststellung der Untätigkeit sowie über seine sofortige Beschwerde vermisst, so waren auch diese Gegenstand der Beratung und sind wie aus der Formel zu Ziffer 3 des angegriffenen Beschlusses ersichtlich beschieden worden.
3. Mit der Verwerfung der Anhörungsrüge ist der als Antrag auf „Aussetzung der Vollstreckung“ bezeichnete Antrag des Verurteilten auf Vollstreckungsaufschub gemäß § 356a Satz 5 iVm § 47 Abs. 2 StPO gegenstandslos (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2023 – AnwSt (R) 4/22 Rn. 5 mwN).
4. Die Anhörungsrüge des Verurteilten gegen den Beschluss der Vorsitzenden vom 7. Mai 2025 hat keinen Erfolg.
a) Es kann dahinstehen, ob eine solche – sei es nach § 356a oder § 33a StPO – statthaft oder aus anderen Gründen unzulässig ist. Bedenken ergeben sich daraus, dass zweifelhaft bleibt, ob der Verurteilte unter den gegebenen Umständen sein Rechtsschutzziel, die Durchbrechung der Rechtskraft der Senatsentscheidung, überhaupt erreichen könnte (die Konsequenzen der Zulassung der Anhörungsrüge für den Fall ihrer Begründetheit bei Anwendung des § 356a StPO auf Entscheidungen des Revisionsgerichts über einen Befangenheitsantrag offenlassend BGH, Beschluss vom 6. Februar 2009 – 1 StR 541/08, NStZ 2009, 470). Denn jedenfalls ist die Rüge unbegründet.
b) Das rechtliche Gehör des Verurteilten ist nicht verletzt worden. Sein Vorbringen zum Entpflichtungsantrag ist umfassend zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden (vgl. hierzu BVerfG NJW 2003, 1924).
Soweit der Verurteilte insbesondere beanstandet, dass sich die angegriffene Entscheidung auf die – bei Anhängigkeit der Sache beim Senat bereits zu den Akten gelangte – Stellungnahme seines Pflichtverteidigers stütze, die ihm nicht durch das Gericht zur Kenntnis gebracht worden sei, ist sein rechtliches Gehör hierdurch nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden.
aa) Es ist bereits kein Gehörsverstoß erkennbar. Einer gerichtlichen Übermittlung von Informationen, die das Verteidigungsverhältnis betreffen, zwischen Pflichtverteidiger und Mandant bedurfte es nicht. Zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung war davon auszugehen, dass dem Verurteilten die Stellungnahme seines wirksam bestellten Pflichtverteidigers durch diesen zugänglich gemacht oder inhaltlich zur Kenntnis gegeben worden ist (vgl. zur Zustellung der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nach § 349 Abs. 3 Satz 1 StPO, BGH, Beschluss vom 26. Juni 2024 – 3 StR 300/23 Rn. 4 mwN). Dass die Übermittlung ausnahmsweise zur Wahrung des Gehörsanspruchs des Verurteilten erforderlich gewesen wäre, hat der Verurteilte weder vorgetragen, noch war es sonst ersichtlich. Insbesondere haben sich aus dem Vorbringen des Verurteilten keine konkreten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sein Verteidiger seinen Pflichten aus der Bestellung insoweit nicht oder nur unzureichend nachgekommen wäre. Der umfangreich begründete Entpflichtungsantrag ist weder darauf gestützt noch enthält er sonst Vorbringen, das darauf schließen lassen könnte, der Pflichtverteidiger habe dem Verurteilten das Verteidigungsverhältnis betreffende Informationen vorenthalten. Hinzu tritt, dass der Verurteilte ausweislich der Verfügung des Vorsitzenden der mit der Sache vorbefassten Strafkammer vom 16. Januar 2025 darüber informiert worden war, dass sein Pflichtverteidiger zu seinem Entpflichtungsantrag eine Stellungnahme abgegeben hat; dennoch hat er in seinen weiteren Eingaben mit Bezug zum Entpflichtungsantrag nicht vorgebracht, dass ihm diese oder deren Inhalt vom Pflichtverteidiger nicht bekannt gemacht oder sonst vorenthalten worden wäre. Seine pauschale Behauptung, es bestünde zwischen ihm und seinem Verteidiger „keinerlei Kommunikation seit September 2024“, bezog sich ersichtlich schon deshalb nicht auf (einseitige) Übermittlungen von Eingaben durch den Verteidiger an seinen Mandaten, weil der Verurteilte im Entpflichtungsantrag selbst mitgeteilt hatte, die Revisionsbegründungsabschrift als eine solche Eingabe am 6. Dezember 2024 von seinem Verteidiger erhalten zu haben.
bb) Eine mögliche fehlende Kenntnisnahme des Verurteilten zur Stellungnahme seines Pflichtverteidigers hat sich zudem nicht entscheidungserheblich ausgewirkt. Denn es wäre ausgeschlossen, dass bei Anhörung des Verurteilten zu der Stellungnahme seines Pflichtverteidigers anders entschieden worden wäre als geschehen (vgl. KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 356a Rn. 5 mwN). Die angegriffene Entscheidung stützt sich nur insoweit auf die Stellungnahme des Pflichtverteidigers, als dargelegt wird, dass Erstellung und Einreichung der Revisionsbegründung mit dem Angeklagten abgesprochen waren und keine Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung des Verteidigers ersichtlich sind. Dies folgt indes bereits aus dem Schreiben des Verurteilten vom 11. Dezember 2024, mit welchem er ausdrücklich sein Einverständnis mit der Begründungsschrift seines Verteidigers erklärt hat. Die vom Verurteilten parallel geltend gemachte vermeintliche Ergänzungsbedürftigkeit der Revisionsbegründung bietet wegen der im angegriffenen Beschluss dargelegten Anforderungen des § 345 Abs. 2 StPO keinen Anhaltspunkt für eine Pflichtverletzung des Verteidigers.
5. Die Kostenentscheidungen folgen aus einer entsprechenden Anwendung des § 465 Abs. 1 StPO.
Cirener Gericke Mosbacher Köhler von Häfen Vorinstanz: Landgericht Berlin I, 22.07.2024 - (522 Ks) 176 Js 4/22 (5/23)