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21 W (pat) 81/09

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 81/09

_______________________

(Aktenzeichen)

BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2008 025 596.3-35 …

hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 12. Januar 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Häußler, der Richterin Hartlieb sowie der Richter Dipl.-Ing. Veit und Dipl.-Ing. (Univ.) Schmidt-Bilkenroth BPatG 152 08.05 beschlossen:

1. Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 01 R des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Juni 2009 wird aufgehoben.

2. Die Sache wird zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patentund Markenamt zurückverwiesen.

Gründe I

Die Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2008 025 596 wurde am 28. Mai 2008 mit der Bezeichnung „Verfahren zum Betrieb einer Einrichtung“ beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Die Offenlegung erfolgte am 18. Februar 2010.

Im Prüfungsverfahren ist bisher nur die in der Beschreibung der Anmeldung genannte Druckschrift D1 JP 2006-230039 A in Betracht gezogen worden.

Die Prüfungsstelle für Klasse G 01 R hat die Anmeldung mit Beschluss vom 10. Juni 2009 zurückgewiesen. Dem Beschluss lagen die mit Eingabe vom 28. Mai 2009 eingereichten Ansprüche 1 bis 24 zugrunde. Zur Begründung ist u. a. ausgeführt, dass im Patentanspruch 1 nicht angegeben sei, wie die zur Durchführung des Verfahrens erforderlichen Geräte tatsächlich aufgebaut seien bzw. anhand welcher Kriterien und Algorithmen die angegebene Analyse durchgeführt werde, damit eine aussagekräftige Aussage über den Zustand der Maschine möglich sei. Somit sei nicht hinreichend definiert, was durch den Patentanspruch 1 als patentfähig unter Schutz gestellt werden solle. Dasselbe gelte auch für den Anspruch 19. Auch sei die Erfindung in der Anmeldung nicht so vollständig und deutlich offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die in ihrem Schriftsatz vom 4. August 2009 beantragt,

1. den Beschluss über die Zurückweisung der Patentanmeldung aufzuheben,

2. hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, 3. die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.

Die geltenden unabhängigen Ansprüche vom 28. Mai 2009 lauten gegliedert:

Anspruch 1:

M1 Verfahren zum Betrieb einer Einrichtung (100) zur Ansteuerung und Zustandsanalyse einer elektrischen Maschine (101), insbesondere zum Betrieb eines Antriebsreglers (100) für einen Servomotor (101),

M1a wobei die Einrichtung (100) eine Diagnoseeinheit zur Erkennung von Störungen an der von der Einrichtung (100) anzusteuernden elektrischen Maschine (101) umfasst, insbesondere zur Erkennung von Lagerschäden,

M1b und wobei die Einrichtung (100) eine Regeleinheit und/oder eine Steuereinheit umfasst, mit folgenden Verfahrensschritten:

M2 a) Maschinenregelung und/oder Maschinensteuerung; M3 b) Erfassung zumindest einer Maschinenschwingung; M4 c) Durchführung einer Maschinenzustandsanalyse unter Berücksichtigung der erfassten Maschinenschwingung mittels der Diagnoseeinheit.

Anspruch 19:

N1 Einrichtung, insbesondere Antriebsregler (100), zum Betrieb einer elektrischen Maschine (101), insbesondere eines elektrischen Motors (101),

N2 mit Regeleinrichtung zur Maschinenregelung, dadurch gekennzeichnet,

N3 dass eine Diagnoseeinheit zur Erkennung von mechanischen Störungen an der Maschine (101), insbesondere zur Erkennung von Lagerschäden, umfasst ist.

Anspruch 23:

P1 Verwendung der Einrichtung gemäß Anspruch 22 für eine Bearbeitungsmaschine, insbesondere für eine Werkzeugmaschine.

Anspruch 24:

Q1 Verwendung der Einrichtung gemäß Anspruch 22 im Rahmen eines Fernwartungssystems.

Bezüglich der geltenden abhängigen Ansprüche 2 bis 18 sowie 20 bis 22 wird auf den Schriftsatz vom 28. Mai 2009 verwiesen.

Die ursprünglichen Ansprüche lauten gegliedert:

Anspruch 1:

M1‘ Verfahren zum Betrieb einer Einrichtung (100) zur Ansteuerung einer elektrischen Maschine (101), insbesondere zum Betrieb eines Antriebsreglers (100) für einen Servomotor (101),

M1a wobei die Einrichtung (100) eine Diagnoseeinheit zur Erkennung von Störungen an der von der Einrichtung (100) anzusteuernden elektrischen Maschine (101) umfasst, insbesondere zur Erkennung von Lagerschäden,

M1b und wobei die Einrichtung (100) eine Regeleinheit und/oder eine Steuereinheit umfasst, mit folgenden Verfahrensschritten:

M2‘ a) selbsttätige Maschinenregelung und/oder Maschinensteuerung; M3‘ b) selbsttätige Erfassung zumindest einer Maschinenschwingung; M4‘ c) selbsttätige Durchführung einer Maschinenzustandsanalyse unter Berücksichtigung der erfassten Maschinenschwingung mittels der Diagnoseeinheit.

Die ursprünglichen nebengeordneten Ansprüche 19, 23 und 24 stimmen mit den geltenden Ansprüchen 19, 23 und 24 überein.

Anspruch 25:

R1 Antriebseinheit R2 mit Einrichtung (100) nach einem der Ansprüche 19 bis 22 R3 und mit Motor (101), R4 der Motor umfassend ein Erfassungsmittel (103) zur Erfassung von auf Vibrationen basierenden Schwingungen, R5 welches mit der Einrichtung (100) verbunden ist, R6 wobei mittels der Einrichtung (100) unter Verwendung der der Diagnoseeinheit am Motor auftretende Schwingungen zumindest teilweise selbsttätig kompensierbar sind.

Anspruch 26:

S1 Bearbeitungsmaschine, insbesondere Werkzeugmaschine, S2 mit einer Einrichtung gemäß Anspruch 22 S3 oder mit einem Antrieb gemäß Anspruch 25.

Bezüglich der ursprünglichen abhängigen Ansprüche 2 bis 18 sowie 20 bis 22 und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II

1. Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung zur weiteren Prüfung der Anmeldung an das Deutsche Patent- und Markenamt.

2. Die Anmeldung betrifft gemäß der Beschreibung (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. [0001]) ein Verfahren zum Betrieb einer Einrichtung zur Ansteuerung eines elektrischen Servomotors sowie eine entsprechende Einrichtung mit deren Verwendung.

Weiter ist in der Beschreibung (vgl. Abs. [0002] - [0003]) ausgeführt, dass im Hinblick auf die Forderung nach mehr Leistungsfähigkeit und Automatisierung von Maschinen und Anlagen u. a. deren Verfügbarkeit stetig verbessert werden müsse.

Ungeplante Stillstände in der Produktion seien ebenso unerwünscht, wie unnötige und vorbeugende Serviceleistungen. Eine zustandsorientierte Instandhaltung solle gleichermaßen eine hohe Ausnutzung der Lebensdauer und eine gezielte Wartung der kritischen Bauteile ermöglichen.

Zum Stand der Technik verweist die Beschreibung auf die Druckschrift JP 2006230039 A, bei der mit einem Geschwindigkeitssensor die Geschwindigkeit eines Motors von einem Antriebsregler erfasst und mittels eines Steuerparameters unter Berücksichtigung der erfassten Geschwindigkeit mittels eines lst-/Sollwertvergleiches adaptiert wird. Je nach Auslastung und Betriebsdauer könnten Lagerschäden am Motor auftreten, welche Schwingungen verursachen. Diese Schwingungen könnten sich auf die mittels des Motors anzutreibende Peripherie oder auf sonstige an den Motor angekoppelte Mechanik ausbreiten. Bei Motoren, welche beispielsweise zum Betrieb von Werkzeugmaschinen verwendet werden, könnten diese Schwingungen zur Verminderung der Verarbeitungsqualität und Schäden am Werkstück führen (Abs. [0004] - [0005]).

Bisher bekannte Lösungen zur Überwachung derartiger Schwingungen bedienten sich einer von der Einrichtung separaten Überwachungseinrichtung. Diese zusätzliche Überwachungseinrichtung müsse aufwändig mit dem zu überwachenden System verdrahtet werden, damit charakteristische Motordaten abgegriffen werden könnten. Dies bedeute Zusatzkosten und erhöhten Aufwand für den Maschinenbetreiber (Abs. [0006]).

Gemäß Beschreibung liegt der Anmeldung daher die Aufgabe zugrunde, eine Einrichtung zur Verfügung zu stellen, welche ohne nennenswerten Zusatzaufwand Schädigungen bei Antriebskomponenten für Maschinen frühzeitig lokalisiert und damit die Produktivität der Maschinen steigert (Abs. [0007]).

Diese Aufgabe solle durch ein Verfahren zum Betrieb einer Einrichtung mit Antriebsreglerfunktion und einer erfindungsgemäß betriebenen Einrichtung selbst sowie die Verwendung einer solchen Einrichtung gelöst werden. Die Einrichtung umfasst hierzu eine Steuer- und/oder Regeleinheit sowie eine integrierte Diagnoseeinheit zur Erkennung von mechanischen Störungen, insbesondere zur Lagerdiagnose (Abs. [0008]).

3. Das Verfahren nach dem geltenden Anspruch 1 ist gegenüber der ursprünglichen Offenbarung unzulässig erweitert.

3.1. Der geltende Anspruch 1 ist aus dem ursprünglichen Anspruch 1 unter Streichung des Wortes „selbsttätige“ jeweils in den Merkmalen M2, M3 und M4 sowie unter Aufnahme des Einschubes „und Zustandsanalyse“ im Merkmal M1 hervorgegangen.

Der Einschub „und Zustandsanalyse“ im Merkmal M1 stellt lediglich eine sinngemäße Wiederholung der Angabe „Durchführung einer Maschinenzustandsanalyse ...“ im Merkmal M4 dar und ist somit zulässig.

Die Streichung des Begriffes „selbsttätige“ in den Merkmalen M2, M3 und M4 stellt jedoch eine Verallgemeinerung dar, die von den ursprünglichen Unterlagen gedeckt sein muss.

Dieser Begriff wird im Zusammenhang mit Maschinen bspw. bei der Definition eines Automaten verwendet (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Automat). Danach ist ein Automat eine Maschine, die vorbestimmte Abläufe selbsttätig („automatisch“) ausführt. Automatisierung ist dementsprechend der selbsttätige Ablauf technischer Vorgänge nach einem festgelegten Plan oder in Bezug auf festgelegte Zustände. Beispiele für automatisierte Abläufe bzw. Automaten sind die Wasserspülung von WCs, das Automatikgetriebe, das die für die jeweilige Fahrgeschwindigkeit und Belastung vorgesehene Übersetzung selbsttätig wählt und einstellt, oder die Belichtungs- bzw. Blendenautomatik einer Kamera.

Selbsttätigkeit bei einer Maschine oder bei einem technischen Ablauf (Verfahren) bedeutet demnach, dass der jeweilige technische Vorgang (bspw. eine Steuerung oder Regelung) ohne steuernden Eingriff von außen (bspw. durch eine Bedienperson) erfolgt.

Bezüglich der Merkmale M2, M3 u. M4 ist in den urspr. Unterlagen folgendes angegeben:

M2: selbsttätige Regelung und/oder Steuerung einer an die Einrichtung anschließbaren Maschine (S. 2 Z. 30 f.); Besonders bevorzugt ist von der Einrichtung eine speicherprogrammierbare Steuerung (SPS, PLC) umfasst, mittels welcher zumindest auch ein externer Sensor (z. B. Beschleunigungssensor, Drehzahlmesser) angesteuert werden kann. Diese Steuerung ermöglicht die vollständige Automatisierung des Maschinenzustandsanalysevorgangs (S. 6 Z. 5 f.).

M3: selbsttätige Erfassung einer Maschinenschwingung (S. 2 Z. 33); Die Schwingungen werden im Gegensatz zu den aus dem Stand der Technik bekannten Lösungen unmittelbar mittels der Einrichtung selbst erfasst und … (S. 3 Z. 8 f.); Die in Fig. 4 gezeigte Einrichtung 400 kompensiert bzw. erkennt mittels der von der Einrichtung 400 umfassten Diagnose- und Überwachungseinheit (nicht gezeigt) am Motor 401 auftretende Schwingungen zumindest teilweise selbsttätig (S. 10 Z. 27 f.); wobei mittels der Einrichtung (100) unter Verwendung der Diagnoseeinheit am Motor auftretende Schwingungen zumindest teilweise selbsttätig kompensierbar sind (urspr. Anspr. 25).

M4: selbsttätige Durchführung einer Maschinenzustandsanalyse unter Berücksichtigung der erfassten Maschinenschwingung mittels der Diagnoseeinheit (S. 3 Z. 5 f.); … und aus dem Vergleichsergebnis erfolgen direkt oder indirekt Rückschlüsse bzgl. des Maschinenzustandes. Besonders bevorzugt wird dabei eine nach Maßgabe eines vorgebbaren Toleranzbereiches vorhandene Abweichung des Parameters gegenüber dem Referenzparameter selbsttätig erkannt (S. 4 Z. 19 f.).

Für das Merkmal M2 ist somit nur eine selbsttätige Maschinenregelung und/oder Maschinensteuerung offenbart.

Ebenso ist für das Merkmal M3 nur eine selbsttätige Erfassung einer Maschinenschwingung offenbart. Lediglich die Kompensation und Erkennung von auftretenden Schwingungen erfolgt zumindest teilweise selbsttätig. Die Erfassung erfolgt gemäß den urspr. Unterlagen jedoch selbsttätig.

Auch für das Merkmal M4 ist nur eine selbsttätige Durchführung einer Maschinenzustandsanalyse unter Berücksichtigung der erfassten Maschinenschwingung mittels der Diagnoseeinheit offenbart.

Durch das Weglassen des Wortes „selbstätige“ ist daher der Gegenstand (Verfahren) des geltenden Anspruchs 1 gegenüber der ursprünglichen Offenbarung unzulässig erweitert.

3.2. Die geltenden Unteransprüche 2-18 entsprechen den ursprünglichen Unteransprüchen 2-18.

Der geltende nebengeordnete Anspruch 19 entspricht dem ursprünglichen nebengeordneten Anspruch 19.

Die geltenden Unteransprüche 20-22 entsprechen den ursprünglichen Unteransprüchen 20-22.

Die geltenden nebengeordneten Ansprüche 23 und 24 entsprechen den ursprünglichen nebengeordneten Ansprüchen 23 und 24.

4. Sowohl die geltenden als auch die ursprünglichen Ansprüche lassen zweifelsfrei erkennen, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll (§ 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG).

a) Der Patentanspruch hat gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG die Aufgabe, eindeutig und unmissverständlich anzugeben, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll. Denn der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt (§ 14 PatG). Dabei muss der Anspruch entsprechend seiner Aufgabe, für Dritte deutlich anzugeben, was als patentfähig unter Schutz gestellt ist, klar und knapp formuliert sein. Aus der Forderung nach Klarheit folgt, dass der Anspruch den Gesetzen der Logik entsprechen und frei von Widersprüchen sein muss. Widerspruchsfrei muss der Anspruch in sich selbst und gegenüber der Beschreibung sein. Ob ein Anspruch ausreichend klar ist, richtet sich letztlich nach dem Verständnis des Fachmanns, an den sich der Anspruch wendet. Zwar kann der Fachmann zum allgemeinen Verständnis abstrakt formulierter Begriffe im Einzelfall die Ausführungen in der Beschreibung heranziehen, dies findet aber jedenfalls da seine Grenze, wo die Formulierungen im angemeldeten Patentanspruch deutliche Widersprüche aufweisen (vgl. BPatG, 21 W (pat) 13/10, Beschluss vom 22. Mai 2014).

Als hier zuständiger Fachmann ist ein Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau oder Elektrotechnik mit Hochschulbildung anzusehen, der über mehrjährige berufliche Erfahrung in der Entwicklung elektrischer Maschinen und Antriebe verfügt.

b) Vorliegend ist das Erfordernis des § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG erfüllt.

Beansprucht ist gemäß dem geltenden Patentanspruch 1 ein Verfahren zum Betrieb einer Einrichtung zur Ansteuerung und Zustandsanalyse einer elektrischen Maschine (Merkmal M1). Unter Ansteuerung einer elektrischen Maschine ist bspw. die Regelung der Drehzahl dieser Maschine, z. B. eines elektrischen Motors, zu verstehen (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. [0009] u. [0010]). Als Zustandsanalyse der elektrischen Maschine kann bspw. eine Analyse von durch die Einrichtung erfassten Schwingungen der Maschine, z. B. eines elektrischen Motors, verstanden werden, mittels der z. B. auf den Zustand der Lager des Motors geschlossen werden kann (Abs. [0010]).

Diese Einrichtung soll eine Diagnoseeinheit zur Erkennung von Störungen an der von der Einrichtung anzusteuernden elektrischen Maschine umfassen (Merkmal M1a). Unter Diagnoseeinheit ist eine Einheit bspw. zur Lagerdiagnose des von der Einrichtung angesteuerten Motors zu verstehen (Abs. [0010]). Eine Störung kann in diesem Zusammenhang bspw. ein Lagerschaden des Motors sein (Abs. [0012]).

Die Einrichtung soll außerdem eine Regeleinheit und/oder eine Steuereinheit umfassen (Merkmal M1b). Eine Regeleinheit kann bspw. der vorgenannte Antriebsregler sein (Abs. [0009]). Eine Steuereinheit kann bspw. eine speicherprogrammierbare Steuerung (SPS, PLC) sein (Abs. [0015]).

Das beanspruchte Verfahren ist durch folgende Schritte gekennzeichnet:

Maschinenregelung und/oder Maschinensteuerung (Merkmal M2); bspw. Steuern bzw. Regeln der Drehzahl (Abs. [0010], [0015]); Erfassung zumindest einer Maschinenschwingung (Merkmal M3); Durchführung einer Maschinenzustandsanalyse unter Berücksichtigung der erfassten Maschinenschwingung mittels der Diagnoseeinheit (Merkmal M4). Bspw. kann so anhand der gemessenen Amplitude der Maschinenschwingung auf deren Zustand, z. B. ausgeschlagene Lager, geschlossen werden (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. [0028]).

Somit sind für den Fachmann alle Merkmale des Anspruchs 1 klar und verständlich und stehen auch nicht im Widerspruch zueinander oder allgemein bekannten technischen Gesetzmäßigkeiten. Der geltende Anspruch 1 genügt daher dem Erfordernis des § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG. Dieser Anspruch ist lediglich breit formuliert, was aber eine Frage der Patentfähigkeit gegenüber dem entgegengehaltenen Standes der Technik und nicht der Klarheit ist.

Dasselbe gilt auch für den ursprünglichen Anspruch 1, der sich in den Merkmalen M2' bis M4' lediglich durch die Einfügung des Wortes „selbsttätige“ vom geltenden Anspruch 1 unterscheidet. Unter dem Begriff „selbsttätige“ ist im Zusammenhang mit den Merkmalen M2' bis M4' die automatische - also ohne Eingriff von außen erfolgende - Regelung bzw. Steuerung der Maschine und Erfassung der Maschinenschwingung sowie Durchführung der Zustandsanalyse zu verstehen (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Automat).

Auch die übrigen geltenden nebengeordneten Ansprüche, die auf eine Einrichtung zum Betrieb einer elektrischen Maschine mit Regeleinrichtung und Diagnoseeinheit (Anspruch 19) sowie die Verwendung dieser Einrichtung für eine Bearbeitungsmaschine bzw. im Rahmen eines Fernwartungssystems gerichtet sind (Ansprüche 23 u. 24), sind klar verständlich und widerspruchsfrei abgefasst. Unter einer Bearbeitungsmaschine kann bspw. eine Fräs- und Drehmaschine verstanden werden (Abs. [0019]). Ein Fernwartungssystem kann, wie dem Fachmann allgemein bekannt, bspw. ein zentraler Leitstand sein, von dem aus mehrere Maschinen überwacht und gesteuert werden.

Das Gleiche gilt auch für die in der ursprünglichen Anmeldung noch angeführten nebengeordneten Ansprüche 25 und 26, die ebenfalls dem Fachmann geläufige Begriffe aufweisen und widerspruchsfrei sind.

Auch in den Unteransprüchen sind keine Unklarheiten oder Widersprüche erkennbar. Begriffe wie bspw. „kaskadierte Reglerstruktur“ (Anspruch 6) sind dem Fachmann bekannt (http://de.wikipedia.org/wiki/Kaskadenregelung). Unter einer Signalanalyse wie im Anspruch 8 angegeben, kann bspw. die Berechnung des Signalfrequenzspektrums verstanden werden. Auch der Begriff „Hüllkurve“ (Anspruch 9) ist dem Fachmann bekannt (http://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%BCllkurve). Die Begriffe „Messwertreihe“ (= mehrere zeitlich hintereinanderliegende Messwerte eines bestimmten Parameters, bspw. die Drehzahl; Anspruch 10) sowie „Bewegungsprofil“ (bei einer Drehmaschine bspw. die Drehzahl über die Zeit betrachtet; Anspruch 10) sind dem Fachmann ebenfalls bekannt. Mit der in den Ansprüchen 13 u. 14 genannten Kompensation der Periodendauer ist die Normierung der aufgenommenen Messwerte einer Messwertreihe auf Äquidistanz gemeint (Abs. [0051], [0052]). Dies dient der besseren Vergleichbarkeit und Auswertbarkeit von bei unterschiedlicher Drehzahl aufgenommenen Messwertreihen. Auch die übrigen Unteransprüche enthalten dem Fachmann bekannte Begriffe und sind aus sich heraus klar und verständlich sowie widerspruchsfrei abgefasst.

5. Das in den geltenden Ansprüchen beanspruchte Verfahren ist für den Fachmann in der Anmeldung ausführbar offenbart. Hinsichtlich der ursprünglichen Ansprüche hat der Senat Zweifel an der Ausführbarkeit der Antriebseinheit gemäß Anspruch 25.

5.1. geltende Ansprüche Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung „Klammernahtgerät“ (BGH GRUR 2010, 916) zur Ausführbarkeit einer Erfindung festgestellt (vgl. Leitsatz): „Eine Erfindung ist ausführbar offenbart, wenn die in der Patentanmeldung enthaltenen Angaben dem fachmännischen Leser so viel an technischer Information vermitteln, dass er mit seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen in der Lage ist, die Erfindung erfolgreich auszuführen. Es ist nicht erforderlich, dass mindestens eine praktisch brauchbare Ausführungsform als solche unmittelbar und eindeutig offenbart ist“. Des Weiteren hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 5. April 2011 (Akz: X ZR 1/09) ausgeführt (Rn. 20): „Eine Lehre ist ausführbar, wenn der Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs aufgrund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird. Dabei reicht es aus, wenn dem Fachmann ein allgemeines Lösungsschema an die Hand gegeben wird. Der Patentanspruch muss nicht alle zur Ausführung der Erfindung erforderlichen Angaben enthalten“.

Diese Bedingungen sind bezüglich der geltenden Ansprüche erfüllt.

Der geltende Anspruch 1 ist auf ein Verfahren zum Betrieb einer Einrichtung zur Ansteuerung und Zustandsanalyse einer elektrischen Maschine gerichtet (M1). Diese elektrische Maschine kann gemäß ursprünglicher Beschreibung (vgl. Fig. 1 b, S. 7 Z. 24 bis S. 8 Z. 18) ein Servomotor sein, mit dem ein Antriebsregler verbunden ist (http://de.wikipedia.org/wiki/Servomotor).

Diese Einrichtung soll eine Diagnoseeinheit zur Erkennung von Störungen an der von der Einrichtung anzusteuernden elektrischen Maschine umfassen (M1a). Die Diagnoseeinheit 506 ist in den ursprünglichen Unterlagen anhand der Figur 5 erläutert und besteht aus einem Gleichrichter 507, einem Signalfilter 508 und einer Einheit zur Transformation des Signals in den Frequenzbereich 509 (S. 10 Z. 32 bis S. 11 Z. 9). Die digitale Gleichrichtung 507 des Zeitsignals kann bspw. durch Quadrieren, Umkehrung oder Abschneiden der negativen Werte erfolgen. Die digitale Tiefpassfilterung 508 kann mittels Down-Sampling, und eine Frequenztransformation 509 mittels Diskreter Fouriertransformation (DFT) durchgeführt werden (S. 13 Z. 29 bis 34). Die dafür erforderlichen Mittel bzw. Schaltungen und Verfahren sind dem Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens bekannt. Eine Diskrete Fouriertransformation (DFT) wird bspw. üblicherweise durch dem Fachmann bekannte Algorithmen mit Hilfe eines entsprechend programmierten Computers durchgeführt.

Die Einrichtung soll außerdem eine Regeleinheit und/oder eine Steuereinheit umfassen (M1b). Eine erfindungsgemäße Steuereinheit (Steuerteil 501) ist in den ursprünglichen Unterlagen anhand der Figur 5 erläutert und besteht aus einem AntiAliasing-Filter (Tiefpass 502), einer Abtast- und Halteschaltung (S & H 503) und einem Analog-/Digitalwandler 504 (S. 10 Z. 32 bis 34). Solche Schaltungen sind dem allgemeinen Fachwissen des Fachmanns zuzuordnen. Deren Funktionsweise und mögliche Ausgestaltung ist in den ursprünglichen Unterlagen (S. 11 Z. 10 bis S. 12 Z. 33) ausführlich erläutert.

Das beanspruchte Verfahren ist durch folgende Schritte gekennzeichnet:

M2: Maschinenregelung und/oder Maschinensteuerung. Methoden und Schaltungen zur Steuerung bzw. Regelung, bspw. der Drehzahl, einer elektrischen Maschine sind dem Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens bekannt. Hierzu zählt auch die im Unteranspruch 6 angegebene kaskadierte Reglerstruktur (http://de.wikipedia.org/wiki/Kaskadenregelung).

M3: Erfassung zumindest einer Maschinenschwingung. Die Schwingungen der elektrischen Maschine können bspw. mittels eines Beschleunigungs- oder Körperschallsensors 103 erfasst werden (Fig. 4, S. 10 Z. 23 bis 30).

M4: Durchführung einer Maschinenzustandsanalyse unter Berücksichtigung der erfassten Maschinenschwingung mittels der Diagnoseeinheit. In der ursprünglichen Beschreibung ist dieses Merkmal anhand eines Außenringschadens bei einem Wälzlager der elektrischen Maschine beispielhaft erläutert (Fig. 2 bis 5, S. 9 Z. 12 bis S. 14 Z. 17). So unterscheiden sich die Frequenzspektren des Beschleunigungssensorsignals bei einem elektrischen Servomotor mit intaktem Wälzlager (Fig. 2) und einem Servomotor mit Außenringschaden des Wälzlagers (Fig. 3) deutlich. So sind im in der Figur 3 dargestellten Frequenzspektrum des Beschleunigungssensorsignals aufgrund des Lagerschadens die sog. AußenringÜberrollfrequenz C und deren Harmonische zu erkennen (S. 10 Z. 8 bis 21). Die Durchführung einer Maschinenzustandsanalyse anhand einer entsprechenden Diagnoseeinheit ist in der urspr. Beschreibung ab Seite 12 Z. 34 bis S. 14 Z. 17 ausführlich beschrieben. So handelt es sich bei den vorkommenden Schadensfrequenzen der Wälzlager um stoßimpulsförmige Erregungen, die bei konstanter Drehzahl des Rotors des Servomotors periodisch wiederkehren. Da ein Servomotor auch bei intaktem Zustand seiner Lager schwingt bzw. vibriert, sind Lagerschäden aus dem Beschleunigungssignal nicht unmittelbar ableitbar. Der Servomotor reagiert auf die stoßimpulsförmige Erregung mit einer gedämpften Schwingung. Die Verbindung der positiven Spitzen oder Umkehrpunkte des Beschleunigungssignals bilden einen Linienverlauf, der dem einer Sägezahnschwingung sehr nahe kommt. Das Frequenzspektrum einer Sägezahnschwingung ist dem Fachmann bekannt. Das gemessene Beschleunigungssignal lässt sich mit Hilfe der Fouriertransformation (bspw. Fast Fourier Transformation FFT) in seine harmonischen Bestandteile zerlegen. Die typische Sägezahnschwingung des Wälzlagerschadens kann dann anhand einer Hüllkurvendemodulation bzw. Hüllkurvenanalyse (http://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%BCllkurve) erkannt werden.

Um eine Hüllkurvenanalyse, und damit auch eine Visualisierung der StoßimpulsWiederholfrequenzen eines Lagerschadens, auch bei nicht konstanter Drehzahl (bspw. linear ansteigende Drehzahl des Servomotors) durchführen zu können, wird das Beschleunigungssensorsignal auf eine vorgegebene Drehzahl (bspw. 2500 rpm) normiert. Dazu werden bei einer ansteigenden Drehzahl die Zeitabstände zwischen den Spitzen bzw. Umkehrpunkten des Beschleunigungssignals gestreckt (vgl. am Beispiel der in Fig. 6 gezeigten elementaren Schwingung; S. 14 Z. 18 bis S. 15 Z. 16). Es ergibt sich somit ein Signal mit äquidistanten Stützstellen, welches einer Hüllkurvenanalyse unterzogen werden kann, um bspw. bei ei- nem Außenringschaden des Wälzlagers die Außenring-Überrollfrequenz und deren Harmonische deutlich sichtbar zu machen.

Auch die Gegenstände der übrigen geltenden nebengeordneten Ansprüche (bspw. Anspruch 19: Einrichtung mit Regeleinrichtung und Diagnoseeinheit) sowie der Unteransprüche sind nach Überzeugung des Senats ausführbar offenbart.

5.2. ursprüngliche Ansprüche Bezüglich der ursprünglichen Ansprüche hat der Senat Zweifel an der Ausführbarkeit der Antriebseinheit gemäß Anspruch 25, da in den ursprünglichen Unterlagen nicht angegeben ist, wie am Motor auftretende Schwingungen gemäß Merkmal R6 zumindest teilweise selbsttätig kompensierbar sein sollen.

6. Das Verfahren ist jedoch noch nicht zur Entscheidung reif und die Anmeldung mit den geltenden Unterlagen zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen. § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG bestimmt, dass das Patentgericht die angefochtene Entscheidung aufheben kann, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Eine Zurückverweisung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Gründe, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen, nicht mehr bestehen, aber eine neue Sachprüfung erforderlich ist, weil die Patentfähigkeit noch nicht oder nicht ausreichend Gegenstand der Prüfung war (vgl. Beschluss 34 W (pat) 51/74 vom 20. Dezember 1974 BPatGE 17, 64; Busse PatG, 7. Auflage, § 79 Rdn. 77; Schulte PatG, 9. Auflage, § 79 Rdn. 20 bis 22).

Dies ist vorliegend der Fall, da sich der Zurückweisungsbeschluss vom 10. Juni 2009 und auch der vorhergehende Erstbescheid vom 28. Januar 2009 ausschließlich darauf stützen, dass nicht hinreichend definiert sei, was durch den Patentanspruch 1 als patentfähig unter Schutz gestellt werden solle bzw., dass der Anspruch 19 nicht geeignet sei, ein zweifelsfreies Schutzrecht zu definieren (§ 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG). Die Anmelderin hätte es versäumt, die für die Erfindung we- sentlichen Merkmale in den Patentansprüchen 1 und 19 zu nennen. Darüber hinaus stützt sich der Beschluss und auch der vorhergehende Bescheid auf den Zurückweisungsgrund der mangelnden Ausführbarkeit nach § 34 Abs. 4 PatG. Die Prüfungsstelle hat im bisherigen Prüfungsverfahren noch keinen Stand der Technik ermittelt, auf dessen Grundlage eine merkmalsbezogene Sachprüfung des Anspruchsgegenstandes erfolgen könnte. Die in der Beschreibungseinleitung der Anmeldung zum Stand der Technik angegebene Druckschrift D1 (JP 2006-230039 A) reicht zur Sachprüfung nicht aus. Diese zeigt eine Steuerung und ein Steuerungsverfahren (controller and control method) zur Regelung der Drehzahl (drive velocity) beim Beschleunigen und Abbremsen (acceleration and deceleration) eines Antriebsmotors (drive source 2), so dass dessen Drehzahl einer Zieldrehzahl (target velocity) folgt. Ein Verfahren gemäß dem geltenden Anspruch 1 bzw. eine Einrichtung gemäß dem geltenden Anspruch 19 ist dort jedoch nicht angegeben. Denn diese Druckschrift zeigt keine Diagnoseeinheit, die mittels einer erfassten Maschinenschwingung eine Maschinenzustandsanalyse durchführt und somit mechanische Störungen an der Maschine erkennen kann.

Da die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Zurückweisungsgründe nunmehr ausgeräumt sind, ist daher eine Recherche zum Stand der Technik, auf deren Grundlage eine Prüfung des Anspruchsgegenstands auf Patentfähigkeit erfolgen kann, jetzt nachzuholen.

Daran hindert auch nicht die unzulässige Erweiterung des Gegenstandes des geltenden Anspruchs 1, denn diese kann im weiteren Prüfungsverfahren von der Anmelderin beseitigt werden. Auch dass Zweifel an der Ausführbarkeit des ursprünglichen Anspruchs 25 bestehen, hindert den Senat nicht an einer Zurückverweisung der Anmeldung, denn dieser Anspruch liegt der vorliegenden Beschwerde, die sich auf die geltenden Ansprüche 1 bis 24 bezieht, nicht zugrunde.

Neben der Durchführung einer Recherche zum Stand der Technik wird die Prüfungsstelle auch zu prüfen haben, ob unter den breiten Anspruch 19 ggfls. Ausführungsformen fallen, die nicht im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung ausführbar sind (vgl. BGH – Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren, Beschluss v. 11. September 2013, Az. X ZB 8/12; BGH – 7-Chlor-6-demethyltetracyclin, GRUR 1978, 162). Weiterhin wird ggfls. zu prüfen sein, ob der ursprüngliche Anspruch 25 ausführbar offenbart ist.

7. Für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr sieht der Senat keinen Anlass.

Gemäß § 80 Abs. III PatG kann die Beschwerdegebühr zurückgezahlt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist immer dann billig, wenn bei ordnungsgemäßer und angemessener Sachbehandlung der Erlass eines Zurückweisungsbeschlusses nicht in Betracht gekommen wäre und damit die Beschwerde sowie die Einzahlung der Beschwerdegebühr hätte vermieden werden können (Schulte a. a. O. § 73 Rdn. 132).

Soweit die Anmelderin im Beschwerdeschriftsatz vom 4. August 2009 geltend macht, dass die Prüfungsstelle den Sachverhalt falsch beurteilt, und davon ausgehend falsche Schlussfolgerungen getroffen habe, sowie keine ausreichende Begründung gegeben habe, da nicht zu erkennen sei, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend gewesen seien und die fehlende Durchführung einer sachdienlichen Anhörung rügt, sind hierin keine Billigkeitsgründe für die Rückzahlung ersichtlich. Insbesondere beinhaltet die Sachbehandlung durch das Patentamt keine rechtsfehlerhafte Beurteilung oder einen sonstigen die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigenden Verfahrensverstoß.

Die Durchführung einer Anhörung wurde von der Anmelderin jedenfalls nicht beantragt und lag somit im Ermessen der Prüfungsstelle. Auch kann der Senat nicht erkennen, dass der Beschluss nicht begründet ist. Eine Entscheidung ist dann „nicht mit Gründen versehen“, wenn aus ihr nicht zu erkennen ist, welche tatsächlichen Feststellungen und welche rechtlichen Erwägungen für die getroffene Entscheidung maßgebend waren (vgl. BGH – Warmpressen, GRUR 1963, 645). Der „fehlenden“ Begründung gleichzusetzen ist der Fall, dass zwar Gründe vorhanden sind, diese aber ganz unverständlich und verworren sind, so dass sie in Wirklichkeit nicht erkennen lassen, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend waren.

Demgegenüber ist nicht von einer fehlenden Begründung auszugehen, wenn die Gründe zu den einzelnen Ansprüchen und Angriffs- und Verteidigungsmitteln oder auch die Beweiswürdigung nur sachlich unvollständig, unzureichend, unrichtig oder sonst rechtsfehlerhaft sind (vgl. a. a. O.). Es kann auch dahingestellt bleiben, inwieweit einzelne Aspekte der Argumentation der Prüfungsstelle unzutreffend sind. Von einem „Rechtsmißbrauch“ der Prüfungsstelle kann nach Aktenlage jedenfalls keine Rede sein. Der Senat erkennt hier allenfalls unterschiedliche Beurteilungen der Sachlage. Dass eine Anmeldung zurückzuweisen ist, wenn nur einer der Patentansprüche nicht gewährbar ist, entspricht der geltenden Rechtsprechung, wonach über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann (BGH GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät) und es Sache der Anmelderin ist, geeignete Anträge zu stellen (Dispositionsbefugnis des Patentanmelders / Antragsbindung für Prüfungsstelle oder Senat).

Eine falsche Beurteilung der Sachlage allein stellt keinen Grund für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr dar (Schulte, a. a. O. § 73 Rdnr. 137). Besondere Umstände, wie etwa eine sachliche Begründung völlig neben der Sache oder nicht nachvollziehbare, weil völlig unverständliche Gründe oder andere schwerwiegende Fehler vermag der Senat im vorliegenden Fall nicht festzustellen.

Von einer mündlichen Verhandlung hat der Senat nach § 78 Nr. 3 PatG abgesehen.

Der Senat konnte die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Die Anmelderin hat zwar hilfsweise einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt, dem bei einer beabsichtigten Entscheidung zu Lasten der Anmelderin grundsätzlich gemäß § 78 Nr. 1 PatG auch stattzugeben wäre. Bei einer sachgerechten Auslegung ist der Antrag aber dahingehend zu verstehen, dass der Termin hilfsweise nur dann beantragt ist, wenn der Senat in der Hauptsache zu Lasten der Anmelderin entscheiden will. Dies ist nicht geschehen, da die Anmelderin in der Hauptsache obsiegt hat. Eine mündliche Verhandlung ist bei einer Entscheidung in Bezug auf eine Nebenentscheidung, wie die Frage der Rückzahlung der Beschwerdegebühr, trotz eines entsprechenden Antrags nicht zwingend i. S. d. § 78 Nr. 1 anzuberaumen (vgl. Schulte, a. a. O., § 78 Rdnr. 17 Buchstabe c) und BPatGE 13, 69 Leitsatz 2), da dieser Antrag lediglich als bloße Anregung zu sehen ist und die Frage, ob die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen ist, bereits von Amts wegen zu prüfen ist.

III Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Aus- übung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,

4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,

5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder

6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.

Dr. Häußler Hartlieb Veit Schmidt-Bilkenroth Pü

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