5 Ni 3/16 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 3/16 (EP) (Aktenzeichen)
…
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am
18. Juli 2017 …
In der Patentnichtigkeitssache BPatG 253 08.05 betreffend das europäische Patent 1 366 823 (DE 600 43 121)
hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18. Juli 2017 durch den Vorsitzenden Richter Voit sowie die Richterin Martens und die Richter Dipl.-Ing. Univ. Rippel, Dipl.-Ing. Univ. Dr. Dorfschmidt und Dipl.-Ing. Brunn für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 366 823 (Streitpatent), dem die europäische Patentanmeldung 03013327.6 zugrunde liegt, die eine Teilanmeldung zur europäischen Anmeldung 00957434.4 (vorgelegt als A4) darstellt. Die Stammanmeldung geht zurück auf die PCT-Anmeldung US 2000/22262 vom 11. August 2000 und ist als WO 01/12337 A1 veröffentlicht (vorgelegt als A3). Das Streitpatent nimmt die Priorität der US-Anmeldung US 09/374,794 vom 16. August 1999 (vorgelegt als A5) in Anspruch und trägt in der deutschen Übersetzung die Bezeichnung: „Verbindung zwischen Mischbecher und Sprühpistole“. Beim Deutschen Patent- und Markenamt wird das Streitpatent unter dem Aktenzeichen DE 600 43 121.5 geführt.
Anspruch 1 nach der Streitpatentschrift EP 1 366 823 B1 lautet in der englischen Verfahrenssprache wie folgt:
In deutscher Übersetzung nach der Streitpatentschrift lautet Patenanspruch 1 wie folgt:
Die ebenfalls mit der Nichtigkeitsklage angegriffenen Unteransprüche 2 bis 10 sind unmittelbar bzw. mittelbar auf Anspruch 1 rückbezogen. Wegen deren Wortlauts wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen. Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin eine unzulässige Erweiterung des Gegenstands des Streitpatents geltend. Dieser Gegenstand gehe sowohl über den Inhalt der zugrundeliegenden europäischen Patentanmeldung in ihrer bei der zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung (A4) als auch über den Inhalt der früheren Anmeldung (Stammanmeldung, A3) in der entsprechenden Fassung hinaus. Darüber hinaus trägt die Klägerin vor, das Streitpatent nehme die Priorität vom 16. August 1999 nicht wirksam in Anspruch und beruhe gegenüber den von ihr als Stand der Technik eingeführten Dokumenten nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Zur fehlenden Patentfähigkeit stützt sich die Klägerin auf folgende Druckschriften:
D1: WO 98/32539 A1 D2: DE 87 05 707 U1 D3: EP 0 987 060 A1 D4: US 3 780 910 A D5: JP 3-90657 A Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 1 366 823 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen, hilfsweise nach Maßgabe der Hilfsanträge 1 und 2, die als Anlage zum Schriftsatz vom 6. Juni 2017 vorgelegt wurden.
Wegen der Fassung der Hilfsanträge wird auf die Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 6. Juni 2017 Bezug genommen.
Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Das Streitpatent sei nicht unzulässig erweitert, da die Merkmale der Ansprüche sowohl der Ursprungsanmeldung als auch der ursprünglich eingereichten Teilanmeldung entnommen werden könnten. Es nehme die Priorität der US-Anmeldung zu Recht in Anspruch. Dem Gegenstand des Streitpatents fehle auch nicht die Patentfähigkeit. Entgegen der Ansicht der Klägerin ergebe sich die patentgemäße Lehre nicht naheliegend aus dem Stand der Technik und beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Senat hat den Parteien mit einem Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG vom 20. März 2017 die Gesichtspunkte mitgeteilt, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sind.
Entscheidungsgründe Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat den Senat nicht davon überzeugen können, dass Anspruch 1 des Streitpatents gegenüber der maßgeblichen Ursprungsoffenbarung nach der Druckschrift A3 unzulässig erweitert im Sinne des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, § 138 Abs. 1 lit. c EPÜ ist. Der Senat konnte auch nicht feststellen, dass der von der Klägerin ebenfalls geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, § 138 Abs. 1 lit. a EPÜ, Art. 52 bis Art. 57 EPÜ vorliegt, so dass der Gegenstand des Streitpatents bei unbestrittener Neuheit als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend anzusehen ist. Die Klage war daher abzuweisen.
I. Gegenstand des Streitpatents
1. Der Gegenstand des Streitpatents betrifft eine Vorrichtung zum Zuführen von Flüssigkeit einer durch Schwerkraft belieferten Flüssigkeitssprüheinrichtung. Aus dem Stand der Technik (WO 98/32539 A1) sei gemäß Streitpatent eine durch Schwerkraft betriebene Flüssigkeitssprüheinrichtung mit einer zusammenlegbaren Einwegeinlage bekannt, die als Ausgangspunkt der Erfindung dient und der gegenüber weitere Vorteile erzielt werden sollen (Absätze [0002] und [0003]).
2. Als Fachmann ist vorliegend ein Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau oder Verfahrenstechnik anzusehen, der einige Jahre Berufserfahrung in der Entwicklung und Konstruktion im Bereich von Spritzpistolen und Lackieranlagen aufweist und sich insbesondere auch bei manuell zu bedienenden Spritzpistolen auskennt.
3. Patentanspruch 1 der erteilten Fassung gliedert sich wie folgt:
1. Flüssigkeitszufuhranordnung (10) zur Verwendung auf einer durch Schwerkraft belieferten Flüssigkeitssprüheinrichtung (11), wobei die Zufuhranordnung Folgendes aufweist:
2. einen Mischbecher (12) 2.1 aus steifem Polymermaterial, aufweisend 2.2 eine Seitenwand (13) mit einem oberen und unteren Ende (14, 15), und eine Bodenwand (16), die sich über das untere Ende (15) der Wand (13) erstreckt und diese abschließt, wobei das obere Ende (14) der Seitenwand (13) eine Öffnung in den Becher (12) hinein definiert, 2.3 und die Seitenwand (13) Markierungen (19) trägt, die die Pegel markieren, bis zu denen mehrere unterschiedliche Flüssigkeiten aufeinanderfolgend in den Becher (12) gegossen werden können, um ein vorbestimmtes Verhältnis zwischen den Flüssigkeiten zu erhalten; 3. einen ersten Adapter (20) 3.1 mit gegenüberliegenden Hauptinnen- und Hauptaußenflächen (21, 22), 3.2 wobei der erste Adapter (20) ein Mittelteil (24), das eine Durchgangsöffnung (26) hat, und ein Querteil (28) aufweist, das ein Umfangsteil (30) aufweist, 3.3 wobei das Querteil (28) entlang der Innenfläche eine Nut (32), ausgelegt zum dichtenden Eingriff mit dem oberen Ende des Mischbechers, definiert, und; 4. einen zweiten Adapter (34) 4.1 mit einem ersten und zweiten beabstandeten Endteil (36, 38) und einer sich durch die Endteile (36, 38) erstreckenden Durchgangsöffnung (40), 4.2 wobei das erste Endteil (36) derart ausgelegt ist, mit einem Einlassanschluss der durch Schwerkraft belieferten Flüssigkeitssprüheinrichtung (11) lösbar in Eingriff zu stehen, 4.3 wobei das zweite Endteil (38) des zweiten Adapters (34) und das Mittelteil (24) des ersten Adapters (20) Verbinderstücke aufweisen, die zum manuell lösbaren flüssigkeitsdichten Eingriff zwischen den Adaptern (20, 34) mit den Durchgangsöffnungen (26, 40) in Kommunikation ausgelegt sind, 5. wobei der erste Adapter (20) Hakenkopplungsmittel (49) aufweist, 5.1 die extern der Durchgangsöffnung (26) angeordnet und an distalen Enden mit nach innen vorstehenden Lippen (52) versehen sind, 6. und der zweite Adapter (34) ein Kopplungsmittel in Form eines Kragens (45) aufweist, 6.1 wobei der Kragen (45) ein externer Kragen ist, der extern der Durchgangsöffnung (40) angeordnet ist, 7. die Lippen greifen derart über eine Fläche (53) des Kragens (45), dass die Kopplungsmittel (45, 49) zum axialen Halten des ersten und zweiten Adapters (20; 34) relativ zueinander kooperieren.
4. Zum Verständnis des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 Die beanspruchte Flüssigkeitszufuhranordnung (liquid supply assembly 10) zur Verwendung auf einer durch Schwerkraft belieferten Flüssigkeitssprüheinrichtung (z. B. Farbspritzpistole, spray guns [0001]) besteht im Wesentlichen aus einem zum Mischen und Bevorraten der Sprühflüssigkeit dienenden Mischbecher (mixing cup 12, Merkmalsgruppe 2) sowie zwei Adaptern, über die der Mischbecher mit der Sprüheinrichtung (Spritzpistole) zur Flüssigkeitszuführung verbindbar ist. Der erste Adapter (first adapter 20, Merkmalsgruppen 3 und 5) stellt eine Art Deckel des Mischbechers dar und greift dichtend an der Öffnung des Mischbechers ein. Der zweite Adapter (second adapter 34, Merkmalsgruppen 4 und 6) ist eine Art Verbindungsstutzen (Rohranschluss) und wird mit seinem ersten Endteil (first end portion 36) an dem (Flüssigkeits-) Einlassanschluss der Spritzpistole (Bezugszeichen 11 der Figur 3) dichtend befestigt.
Ausführungsbeispiel gemäß den Figuren 1 und 2 des Streitpatents Die beiden verbleibenden Enden der beiden Adapter sollen "zum manuell lösbaren flüssigkeitsdichten Eingriff" verbindbar ausgelegt sein (Merkmal 4.3), wobei hierzu Kopplungsmittel (coupling means) vorgesehen sind. Diese bestehen seitens des ersten Adapters (Behälterdeckel, first adapter 20) aus Hakenkopplungsmitteln (hook coupling means 49) mit an den distalen Enden nach innen vorstehenden Lippen (lips 52), die außerhalb der Durchgangsöffnung (through opening 26) des ersten Adapters angebracht sind. Mit nach innen vorstehenden Lippen sind aus fachmännischer Sicht dabei die keilförmig etwas nach unten (proximal) gerichteten Schenkel der Hakenelemente mit ihren auslaufenden, mehr oder weniger stark ausgeprägten Kanten bzw. Auflageflächen gemeint (Fig. 1), die auf dem Gegenkopplungselement (Kragen) zu liegen kommen. Dabei impliziert der Begriff „Lippe“ ein konstruktiv eher elastisch ausgebildetes Element des Hakenkopplungsmittels, wie es die Auflagekanten in den Figuren auch darstellen. Das als externer Kragen
(external collar 45, Patentanspruch 1) bezeichnete Kopplungsmittel des zweiten Adapters (34) ist dabei ein nach außen abstehender Bund.
Mit dieser Verbindung kann die Befestigung des Mischbechers bzw. der Farbkartusche auf der Spritzpistole in einer Art manueller Schnellkopplung erfolgen. Dabei bleibt gemäß der Anspruchsfassung offen, ob die Hakenkopplungsmittel durch die in dem Gegenkopplungselement (Kragen) eingebrachten konkaven Auskehlungen (concave recesses 48) entweder bei der Ein- oder Auskopplung oder bei beiden Prozessen geführt werden. Die Beschreibung offenbart in Bezug auf die elastische Ausbildung der Hakenkopplungsmittel („…resiliently flexible projecting hook members 49…“, [0013]) dabei nicht nur eine Montage gemäß der an gleicher Stelle beschriebenen Art und Weise, sondern erlaubt dabei prinzipiell ebenfalls ein Gleiten der Hakenkopplungselemente über den Rand des Kragens und ein „Einschnappen“ dieser Axialverbindung.
Die beiden Kopplungsmittel „Hakenkopplungsmittel“ und „Kragen“ können im gekoppelten Zustand dabei im Wesentlichen nur die Axialkräfte übernehmen (Merkmal 7 „axiales Halten“), die beim manuellen Spritzlackieren durchaus auftretenden recht hohen Radialkräfte und Momente (ständiges Schwenken der Spritzpistole beim Lackieren) müssen dabei von den übereinander geschobenen "Verbindungsstücken" der beiden Adapter selbst („central portion 24“ und „second end portion 38“ der) aufgenommen werden.
Die Zuführung der zu versprühenden Flüssigkeit über Schwerkraft impliziert, dass zur Zerstäubung notwendigerweise ein Energieträger (Druckluft) vorhanden sein muss. Bei der vorliegenden Flüssigkeitssprüheinrichtung handelt sich also um eine mit Druckluft betriebene Spritzpistole.
II. Zum Nichtigkeitsgrund unzulässige Erweiterung Entgegen der Ansicht der Klägerin geht der Gegenstand des Anspruchs 1 mit Bezug auf die Merkmale 5.1, 6.1 und 7 nicht über den Inhalt der Ursprungsanmel- dung in Form der als A3 vorgelegten Veröffentlichung der Stammanmeldung WO 01/12337 A1 hinaus. Dabei ist die Zulässigkeitsfrage ausschließlich anhand der Stammanmeldung und nicht zusätzlich anhand der Teilanmeldung zu prüfen (vgl. BGH Urteil vom 17.2.2015, X ZR 161/12 – Wundbehandlungsvorrichtung, insb. Rn. 49 i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG).
In Merkmal 5.1 ist formuliert, dass die Hakenkopplungsmittel des ersten Adapters „extern der Durchgangsöffnung (26) angeordnet“ sind. Dieser Passus ist zwar so explizit nicht in den ursprünglichen Unterlagen der Stammanmeldung (A3) enthalten, allerdings ist dieser Sachverhalt in der Beschreibung offenbart, da auf S. 5, Z. 5 ff. in Bezug auf das Ausführungsbeispiel beschrieben ist, dass die Hakenglieder (49) aus dem Querabschnitt (28) des ersten Adapters (20) vorstehen („…the distal ends of hook members 49 projecting from the transverse portion 28 of the first adapter 20…“). Ferner ist direkt im Anschluss noch gesagt, dass die Hakenglieder an gegenüber liegenden Positionen des zylindrischen Abschnitts (24) vorstehen („…on opposite sides of the cylindrical portion 24…“), woraus eindeutig zu entnehmen ist, dass die Hakenglieder außerhalb der Durchgangsöffnung positioniert sind. Für den Fachmann ist mit „außerhalb der Durchgangsöffnung“ somit implizit die Positionierung auf dem „Querabschnitt (28)“ und damit der äußeren Hauptoberfläche (22) des Adapters 1 gemeint – und nicht eine hypothetische Positionierung an der verbleibenden Umfangsfläche (30).
Im Übrigen erschließt sich dem Fachmann aus dem Streitpatent die Lehre, dass mit „außerhalb“ des zylindrischen (Mittel-) Teils des ersten Adapters (central generally cylindrical portion 24) angebrachten Hakenkopplungsmittel eine Kopplung mit einem externen Kragen des zweiten Adapters hergestellt wird. Insofern stellt die in Merkmal 5.1 verwendete Formulierung lediglich eine zulässige allgemeinere technische Lehre im Vergleich zum beschriebenen (engeren) Ausführungsbeispiel der Voranmeldung dar, hierzu sei auf die BGH-Entscheidung Kommunikationskanal (BGH, Urt. v. 11.02.2014, X ZR 107/12, insb. Rz. 14) verwiesen.
Gleiches gilt prinzipiell auch für Merkmal 6.1 hinsichtlich des ursprünglich nicht wörtlich offenbarten Ausdrucks, wonach der zweite Adapter ein Kopplungsmittel in Form eines externen Kragens (collar 45) aufweist, der extern der Durchgangsöffnung angeordnet ist („…said second adapter 34 has a coupling means in form of an external collar 45 arranged externally of said through opening 40…“, Formulierung nach Patentanspruch 1). Sofern nicht bereits der Begriff „Kragen“ impliziert, dass es sich um einen nach außen gerichteten Bund handelt, ist diesbezüglich in der Beschreibung des Ausführungsbeispiels der Anmeldeunterlagen der Stammanmeldung formuliert, dass der Kragen (45) bzw. die Endfläche (46) des Kragens „um den zweiten Endabschnitt (38) des zweiten Adapters (34)…“ angeordnet ist („…with an end surface 46 on a collar 45 around the second end portion 38 of the second adapter 34…“, A3, S. 5, Z. 1 f.). Sofern die Klägerin argumentiert, dass diese „externe“ Anordnung sich lediglich auf die Endfläche des Kragens und nicht auf diesen selbst bezieht, führt diese Betrachtung jedoch zu dem gleichen Ergebnis. In Verbindung mit den verschiedenen Darstellungen in den Figuren 1 bis 6 offenbart dies dem Fachmann eindeutig, dass der Kragen als Gegenpart zu dem Hakenkopplungsmittel außerhalb der Durchgangsöffnung (40) angeordnet ist.
Auch Merkmal 7 ist aus den ursprünglichen Unterlagen der Stammanmeldung offenbart. Der erste Halbsatz, wonach die Lippen über eine Fläche (53) des Kragens greifen, ist in der Stammanmeldung auf Seite 3, Zeilen 14 bis 16 offenbart („…inwardly projecting lips 52 on the distal ends of the projecting hook members 49 are engaged over a surface 53 of the collar 45 adjacent the first end 36 [richtig wäre: second end 38] of the second adapter 34“). Dass die beiden Kopplungsmittel Haken und Kragen relativ zueinander „kooperieren“, versteht sich von selbst. Auch der Zweck des „axialen Haltens“ ist dem Fachmann implizit offenbart, da diese Kopplung lediglich Axialkräfte aufnehmen kann. Die im Anwendungsfall gleichfalls auftretenden Querkräfte und Momentenbelastungen werden selbstverständlich im Wesentlichen von den zylindrischen Verbindungsteilen (connector parts) aufgenommen, wie die Klägerin zu Recht festgestellt hat. Damit ist jedoch klar, dass das axiale Zusammenhalten der beiden Adapter im Anwendungsfall durch die Kopplung von Haken und Kragen gesichert wird.
Letztlich ist ebenfalls unschädlich, dass in Merkmal 7 die Aussparungen (major recesses 48) des Kragens nicht mit aufgenommen wurden. Gemäß dem Ausführungsbeispiel der A3 weist der Kragen u. a. zylindrische Haupt-Aussparungen auf („The collar 45 has major cylindrically concave recesses 48 along opposite sides of its periphery…“, S. 5, Z. 3 f.). Im Satz zuvor ist allerdings der Kragen mit seiner Endfläche lediglich allgemein beschrieben („…defining the bore and with an end surface 46 on a collar 45 around the second end portion 38 of the second adapter 34 abutting a boss 47 in the first adapter 20 around the cylindrical portion 24“). Somit ist hier lediglich ein Kragen (mit Endfläche) um eine Bohrung herum (inner surface 44) offenbart. Da darüber hinaus der Fachmann erkennt, dass die flexiblen Hakenkopplungselemente („resiliently flexible projecting hook members 49“, S. 3, Z. 10 f.) auch über den Rand des Kragens schnappen und ohne Verdrehen arretieren können, offenbart sich ihm hier die allgemeine Lehre, dass auch ein Kragen ohne Aussparungen (zumindest beim Zusammenkoppeln) dem Erfolg dienlich sein kann.
III. Zum Nichtigkeitsgrund fehlender Patentfähigkeit Die Klägerin, die die Neuheit des Gegenstandes nicht in Frage stellt, konnte den Senat nicht davon überzeugen, dass das Streitpatent durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik nahegelegt sei und somit nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
1. Aus der Druckschrift D1 (WO 98/32539 A1) ist eine (Hand-) Sprüh- bzw. Spritzpistole mit einem Flüssigkeitsreservoir mit einem herausnehmbaren, zusammenlegbaren Einsatz beschrieben, deren Flüssigkeit durch Schwerkraft dem Pistolenköper zugeführt wird (Patentansprüche 1 und 13).
Mischbehälter (11) sowie Adapter 1 (Deckel 20) und Adapter 2 (21) gemäß einem Ausführungsbeispiel der D1 Gemäß den Ausführungsbeispielen, insbesondere zu den Figuren 2 bis 11, weist die Flüssigkeitszufuhreinrichtung der D1 einen Mischbecher sowie einen ersten und zweiten Adapter im Sinne des Streitpatents auf, um den Mischbecher an die Sprühpistole anzubinden. Dabei besteht Einvernehmen zwischen den Parteien, dass aus der D1 die Merkmale 1 bis 4.3 bekannt sind.
Demgegenüber sind die Merkmale 5 bis 7 aus D1 nicht bekannt. Der als eine Art Deckelaufsatz ausgebildete erste Adapter (15, 27, 33; Fig. 2 bis 11) weist an der Außenseite des rohrförmigen Verbindungsgliedes (connector tube 17) zwei ringsegmentförmige Fortsätze (Kragensegmente) auf, die als „outward extensions“ (18) bezeichnet werden. Weder in der Beschreibung noch in den zeichnerischen Darstellungen ist offenbart, dass diese auswärts gerichteten Kopplungsmittel hakenförmige Gestalt aufweisen (Merkmal 5). Die kragenförmigen Segmente sind zwar extern der Durchgangsöffnung des Verbindungsgliedes (17) angeordnet, sie besitzen jedoch keine an distalen Enden nach innen vorstehende Lippen (Merkmal 5.1). Als eine Art Lippen können lediglich die etwas nach unten gezogenen Kanten der kragenförmigen Segmente (18) angesehen werden (Fig. 4), die allerdings nach außen gerichtet sind. Die kragenförmigen Segmente stellen somit Kopplungsmittel eines Bajonettverschlusses dar („…outward extensions 18 forming one part of a bayonet connection", S. 8, Z. 19).
Der zweite Adapter (21; Fig. 3 und 4) weist als Kopplungsmittel keinen Kragen auf, sondern zeigt ein rein schematisch dargestelltes antagonistisches Bajonett-Element („The adapter (21) is a tubular component which, at one end (22), is formed internally with the other part of the bayonet connection…", S. 8, Z. 26 ff.). Am unteren Ende (22) des zweiten Adapters (21) ist in Fig. 4 ein kleines Rechteck (ohne Bezugszeichen) eingezeichnet, das offensichtlich einen nach innen gerichteten „Vorsprung“ darstellen soll, auf dem die kragenförmigen Segmente zu liegen kommen, wie die Klägerin argumentiert. Allerdings sprechen ansonsten weder die radialen noch axialen Dimensionen für eine flüssigkeitsdichte sowie kraft- und formschlüssige Verbindung in der Darstellung nach Fig. 4, so dass der Fachmann hieraus lediglich das Grundprinzip einer Bajonettverbindung entnimmt, bei der eine potentielle Führungsnut, Abdicht- und Vorspannelemente ebenfalls vorhanden sind. Als (externer) Kragen ist dieser Gegenpart einer Bajonettverbindung bzw. der „Vorsprung“ im Adapter (21) allerdings nicht zu bezeichnen. Damit sind die Merkmale 6 und 6.1 aus D1 ebenfalls nicht bekannt. Die als Bajonettverbindung ausgebildeten Kopplungsmittel der D1 kooperieren zwar miteinander und dienen selbstverständlich zum Abdichten und axialen Halten der beiden Adapter,
doch greifen keine Lippen eines Hakenkopplungsmittels über eine Fläche eines Kragens, so dass auch das Merkmal 7 nicht offenbart ist.
Diese aus D1 nicht bekannten Merkmale sind für den Fachmann in ihrer Gesamtheit auch nicht nahegelegt. Die D1 gibt dem Fachmann mit ihren auf der Deckelseite (Adapter 1) ausgebildeten kragenförmigen Segmenten und den beiden als solche anzunehmenden inwandigen Vorsprüngen keine Anregungen, Hakenkopplungsmittel im Sinne des Streitpatents einzusetzen, die zudem an distalen Enden mit nach innen vorstehenden Lippen versehen sind. Zwar kann der Fachmann erwägen, die jeweiligen Bajonettelemente geometrisch zu verändern und die ihm jeweils sinnvoll erscheinenden Breitenabmesssungen zu gestalten. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob der Fachmann aus der D1 die Anregung entnehmen kann, die kragenförmigen Segmente (18) des ersten Adapters (Behälterdeckel) derart schmal zu gestalten, dass sie als hakenförmig zu bezeichnen sind. Doch selbst dann würden die an den distalen Enden angedeuteten Lippen nach außen – und nicht nach innen vorstehen. Zudem würde der antagonistische Gegenpart im zweiten Adapter damit auch keinen externen Kragen darstellen, wie die Klägerin in ihren Eingaben vom 28. April 2017 und in der mündlichen Verhandlung in Form einer skizzierten Gegenüberstellung dargestellt hat. Sondern ein in beliebiger Breite angebrachter „innerhalb“ der Durchgangsöffnung liegender „Vorsprung“ am unteren Teil (22) des zweiten Adapters (21) wäre ein nach innen gerichteter Bund bzw. wäre die Begrenzung einer dahinter liegenden Nut – jedenfalls kein externer Kragen, der (explizit) extern der Durchgangsöffnung angebracht ist.
Die erfinderische Lösung stellt auch keine „kinematische Umkehr“ der BajonettVerbindung dar, wie die Klägerin meint. In ihrer der Lösung des Streitpatents zugeordneten Prinzipskizze hat sie zwar eine mögliche Art einer „kinematische Umkehrung“ der Verbindung gemäß der D1 dargestellt, diese Darstellung entspricht jedoch nicht der Lösung des Streitpatents. Denn diese (dargestellte) Lösung lässt außer Acht, dass beim Streitpatent ein „separater Zylinder“ (central portion 24) des ersten Adapters in die Öffnung bzw. Bohrung (opening 40) des zweiten Adapters eintaucht (wie dies die Klägerin in ihrer Eingabe vom 28. April 2017 an anderer Stelle auch dargestellt hat). Während bei der Bajonettverbindung der D1 (und auch bei der kinematischen Umkehrung) die Verbindungselemente jeweils innenliegend „übergreifen“ – und damit zumindest ein Kopplungsmittel (Kragen) innerhalb der Öffnung(en) liegt – befinden sich beide Kopplungsmittel bei der Lösung des Streitpatents außerhalb der Durchgangsöffnungen. Somit ist in keinem der beiden seitens der Klägerin dargestellten Fälle (links und Mitte in der Darstellung unten) ein externer Kragen extern der Durchgangsöffnung (Merkmal 6.1) vorhanden.
Prinzip-Skizze der Klägerin für die Lösung gemäß D1 (Fig. 4; s.o.)
Prinzip-Skizze der Klägerin für die kinematische Umkehrung der Lösung gemäß D1 entsprechende PrinzipSkizze betreffend die Lösung gemäß Streitpatent Die Lösung gemäß Streitpatent unterscheidet sich damit auch prinzipiell von der Lösung der D1, wie bereits oben unter I. 4. ausgeführt. Durch das „Herausnehmen“ beider Kopplungsmittel aus der „Steckverbindung“, bestehend aus Mittelteil (24) des ersten Adapters und Öffnung (40) des zweiten Adapters (connector parts), ergibt sich eine strikte Funktionstrennung zwischen dieser Steckverbindung und den extern angebrachten Kopplungsmitteln (coupling means 45, 49). Während die „zylindrische Steckverbindung“ die Funktion der Abdichtung und die Aufnahme von Biege- und Querkräften sowie der Momentenbelastungen wahrnimmt, übernehmen die Kopplungsmittel lediglich die axiale Sicherung der Verbindung (axiale Zugkräfte) und sind im Wesentlichen unbelastet hinsichtlich aller anderen Belastungsarten.
Die aus der D1 nicht bekannten Merkmale 5 bis 7 sind somit für den Fachmann auch in Bezug auf eine kinematische Umkehrung der Verbindung gemäß D1 nicht nahegelegt.
2. Mit der in der mündlichen Verhandlung seitens der Klägerin noch herangezogene Druckschrift D4 gelangt der Fachmann auch in Kombination mit der D1 nicht zum Gegenstand nach Anspruch 1.
Die D4 betrifft eine druckbetriebene Mischeinrichtung für Flüssigkeiten, die Wasser über eine Leitung einerseits einem Drucktank (tank 10) und andererseits einer Mischkammer (mixing device 14) zuführt (Patentanspruch 1 i. V. m. Fig. 1). Das in den Drucktank geleitete Wasser fördert aus einem flexiblen, zusammenfaltbaren Behälter (collapsible container 12) in diesem Drucktank durch den herrschenden Überdruck eine weitere Flüssigkeit in die Mischkammer. Die so gemischte Flüssigkeit wird aus der Mischkammer ohne erkennbare Luftzufuhr zu einer Spritzpistole (spray gun) geleitet und dort verspritzt bzw. versprüht. Damit behandelt die D4 ein völlig anderes Spritzverfahren (Flüssigkeit mit Überdruck verspritzt, "AirlessVerfahren") und weist bereits grundsätzlich keine durch Schwerkraft betriebene Flüssigkeitszufuhr auf; darüber hinaus wird auch kein Behälter zum Aufsatz auf eine Spritzpistole beschrieben, der mittels zweier Adapter an diese befestigbar ist.
Obwohl der Fachmann die D4 mit einem stationär eingesetzten Druckbehälter nicht zur Weiterentwicklung eines Befestigungssystems eines auf eine Spritzpistole aufsetzbaren Mischbechers in Betracht zieht, sind darüber hinaus die aus der D1 nicht bekannten Merkmale durch die D4 gleichfalls nicht offenbart. So weist die D4 keinen Adapter eines Mischbechers gemäß Merkmalsgruppe 5 mit Hakenkopplungsmittel auf, ferner besitzt kein weiterer potentieller Adapter einen externen Kragen, an den die Hakenkopplungsmittel angreifen können. Die im Ausführungsbeispiel der D4 gezeigten metallischen Schnallen-Spannvorrichtungen mit hakenförmiger Gestalt (toggle latches 40) zur Befestigung eines Deckels an einem Druckbehälter-Gehäuse können aber keine Anregungen zur Befestigung eines demgegenüber „kleinen“ Adapters auf einem (offensichtlichen) Kunststoffdeckel eines auf einer Spritzpistole positionierten Mischbechers geben. Die D4 kann somit den Gegenstand nach Anspruch 1 des Streitpatents auch in der Zusammenschau mit der D1 nicht nahelegen.
3. Auch die weiteren Druckschriften, die in der mündlichen Verhandlung nicht weiter erörtert wurden, können dem Fachmann nicht die notwendigen Anregungen geben, um zum Gegenstand nach Anspruch 1 zu gelangen.
Die Hinzuziehung der Druckschrift D2 (DE 87 05 707 U1) zur D1 kann den Gegenstand nach Anspruch 1 ebenfalls nicht nahelegen. Die D2 offenbart ein Sprühgerät zum Versprühen von Flüssigkeiten, wobei die Zerstäubung mittels eines Blasstutzens (25) und eines Saugstutzens (26) erfolgt (Patentanspruch 1). Dabei wird durch den Blasstutzen im Bereich der Öffnung des Saugstutzens ein Unterdruck erzeugt, so dass die Förderung der zu versprühenden Flüssigkeit entgegen der Schwerkraft erfolgt. Damit wird gemäß der D2 ein grundlegend anderes Prinzip der „Flüssigkeitszuführung" realisiert. Ein Flüssigkeitseintritt in den Pistolenkörper selbst findet hierbei nicht statt.
Die der D2 potentiell entnehmbaren Adapter „Verschluss" (35) und „Befestigungsvorrichtung" (29) unterscheiden sich bereits wesentlich von denen der D1, da keiner dieser sogenannten Adapter mit einem seiner Endteile mit einem Einlassanschluss der Spritzpistole „in Eingriff steht". Beide Adapter wären darüber hinaus auch nicht geeignet, ohne weitgehende Umkonstruktion für eine solche Verbindung herangezogen zu werden. Ferner erscheint die Anordnung der D2 auch insgesamt ungeeignet, den erforderlichen steifen Aufbau der Verbindung zwischen den beiden Adaptern bei einer Überkopf-Position entsprechend der D1 zu realisieren, denn eine gewisse relative Beweglichkeit der beiden „Adapter" der Vorrichtung der D2 erscheint gemäß der gezeigten Konstruktion durchaus zulässig. Ein Fachmann würde somit die Anordnung zur Flüssigkeitszuführung der D2 nicht zur Weitergestaltung zu derjenigen der D1 heranziehen.
Ähnliches gilt für die Druckschrift D5 (JP 3-90657 A). Dieses Dokument betrifft eine manuelle Pumpeinrichtung, die ebenfalls bereits keine Schwerkraft belieferte Flüssigkeitssprüheinrichtung zeigt. Darüber hinaus soll explizit der Behälter (container body 1) nicht von der Deckeleinrichtung (cylindrical lid 12 mit pump 17) getrennt, sondern nur weggekippt werden („…not necessary to detach the pump…“,
S. 5, Abs. 2). Ein Fachmann zieht die Druckschrift D5 bereits nicht für die Weiterentwicklung des Gegenstands der D1 heran.
Damit gelangt der Fachmann mit dem Stand der Technik – auch in Verbindung mit seinem Fachwissen – nicht zum Gegenstand nach Anspruch 1. Denn für die Ausgestaltung der Flüssigkeitszufuhranordnung gemäß den Merkmalen 5 bis 7 gab es für ihn keine Anregung, hierzu bedurfte es einer erfinderischen Tätigkeit. Der Patentanspruch 1 ist somit bestandsfähig.
4. Die ebenfalls angegriffenen Unteransprüche 2 bis 10, die Ausgestaltungen der Erfindung nach dem bestandsfähigen Patentanspruch 1 enthalten, werden von diesem getragen, ohne dass es hierzu weiterer Feststellungen bedurfte.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung, durch einen Rechts- oder Patentanwalt als Bevollmächtigten schriftlich beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe, einzulegen.
Voit Martens Rippel Dr. Dorfschmidt Brunn Pr