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21 W (pat) 10/13

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 10/13 Verkündet am 18. Juni 2013

…

BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 101 46 728 …

BPatG 154 05.11

…

hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Häußler sowie der Richter Dipl.-Phys. Dr. Müller, Dipl.-Ing. Schmidt-Bilkenroth und Heimen beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe I

Auf die am 23. September 2001 unter Inanspruchnahme der inneren Priorität DE 101 42 575.9 vom 2. September 2001 mit der Bezeichnung „Überspannungsschutzeinrichtung“ beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist das Patent DE 101 46 728 erteilt worden. Die Veröffentlichung der Patenterteilung ist am 4. Januar 2007 erfolgt.

Gegen das Patent ist von der D… & Söhne GmbH + Co. KG, H…-D…-Straße in N…, mit Schriftsatz vom 3. April 2007, einge angen am selben Tage, Einspruch erhoben worden. Die Einsprechende hat beantragt, das Patent gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG in vollem Umfang zu widerrufen, da ihrer Meinung nach das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Soweit der Gegenstand des erteilten Patentanspruch 1 auf das nachvollziehbare und verständliche Maß bzw. auf den sich für den Fachmann erschließenden Sachverhalt reduziert würde,

sei der sich für den Fachmann erschließende, verbleibende Sachverhalt auch nicht neu, zumindest aber fehle es ihm an der erfinderischen Tätigkeit.

Hierzu hat sie zusätzlich zu den im Prüfungsverfahren berücksichtigten Druckschriften auf folgende Entgegenhaltungen verwiesen:

D1 DE 42 40 138 A1 D2 US 5 436 608 A D3 Friedhelm Noack: Einführung in die elektrische Energietechnik. Fachbuchverlag Leipzig im Carl-Hanser-Verlag, 2003, Seiten 276-277. ISBN 3-446-21527-1 D4 DE 100 60 426 A1 (nachveröffentlicht) D5 DE 44 02 615 A1 D6 DE 195 10 181 C1.

Im Prüfungsverfahren waren folgende Druckschriften berücksichtigt worden:

D7 DE 198 56 939 A1 D8 DE 42 44 051 A1 D9 DE 198 03 636 A1 D10 DE 39 15 198 A1 D11 DE 43 90 682 C2 D12 DE 197 17 802 A1 D13 DE 36 42 818 A1 D14 DE 197 42 302 A1 D15 DE 39 05 799 A1.

In der Beschreibung des Patents sind folgende Druckschriften genannt worden:

D16 DE 41 41 681 A1 D17 DE 174 502 C.

Anstelle der in der ursprünglichen Beschreibung genannten, aber nicht existierenden DE 100 40 632 hatte die Prüfungsstelle im Bescheid vom 12. Mai 2004 auf die folgende nachveröffentlichte Druckschrift hingewiesen:

D 18 DE 100 40 603 A1.

Die Patentinhaberin hat der Einsprechenden widersprochen, denn ihrer Meinung nach sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 neu und beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Außerdem sei die Erfindung in der Patentschrift deutlich und vollständig offenbart.

Sie hat daher den Antrag gestellt,

das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.

Am Ende der Anhörung vom 2. Dezember 2009 hat die Patentabteilung 34 des Deutschen Patent- und Markenamts die Aufrechterhaltung des Patents beschlossen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden.

In der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2013 beantragt die Einsprechende,

das Patent 101 46 728 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der mit Gliederungspunkten versehene, erteilte Patentanspruch 1 lautet:

Ma Überspannungsschutzeinrichtung,

Maa mit einer ersten Elektrode (1),

Mab mit einer zweiten Elektrode (2) und Mac mit einer zwischen beiden Elektroden (1, 2) wirksamen Durchschlag-Funkenstrecke (3), wobei beim Zünden der Durchschlag-Funkenstrecke (3) zwischen den beiden Elektroden (1, 2) ein Lichtbogen entsteht,

dadurch gekennzeichnet Mb daß an die beiden Elektroden (1, 2) die Reihenschaltung eines Spannungsschaltelements (4) und eines Zündelements (5) angeschlossen, ist,

Mc daß die Ansprechspannung des Spannungsschaltelements (4) unterhalb der Ansprechspannung der Durchschlag-Funkenstrecke (3) liegt,

Md daß an der Kontaktstelle (6) zwischen dem Zündelement (5) und der dem Zündelement (5) zugeordneten Elektrode (2) ein Übergangswiderstand gegeben ist, und Me daß beim Ansprechen des Spannungsschaltelements (4) zunächst ein Ableitstrom über das Zündelement (5) fließt,

Mf wobei das Zündelement (5) derart ausgebildet ist, daß bei größeren Ableitströmen wegen des Übergangswiderstandes an der Kontaktstelle (6) Entladungen entstehen, die zu einer Vorionisierung des die Kontaktstelle (6) umgebenden Kontaktbereichs führen.

Hinsichtlich der erteilten Unteransprüche 2 bis 8 wird auf die Streitpatentschrift, hinsichtlich weiterer Einzelheiten auf den Akteninhalt verwiesen.

II

1. Die zulässige Beschwerde der Einsprechenden hat keinen Erfolg.

Die Einsprechende hat in ihrem Einspruchsschriftsatz vom 3. April 2007 primär die Ausführbarkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 (siehe Seiten 7, 8, 11) angegriffen, daneben aber auch dessen Patentfähigkeit (siehe Seiten 8, 9, 11) angezweifelt. Damit ist der Senat im Einspruchsbeschwerdeverfahren nur befugt, diese zwei Widerrufsgründe aufzugreifen (BGH, GRUR 1995, 333-337 – Aluminium-Trihydroxid, Leitsatz 3). Demzufolge sieht der Senat nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung den Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 hinsichtlich seiner Ausführbarkeit als im Patent deutlich und vollständig offenbart und auch als patentfähig gegenüber dem vorliegenden Stand der Technik an.

2. Die seitens des Senats vorzunehmende Überprüfung des Einspruchsvorbringens hat ergeben, dass der Einspruch zulässig ist. Denn der gemäß Einspruchsschriftsatz vom 3. April 2007 (siehe Seite 11 vierter Absatz) primär auf den Widerrufsgrund der fehlenden Ausführbarkeit gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG gestützte Einspruch ist innerhalb der gesetzlichen Einspruchsfrist im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG ausreichend substantiiert worden. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist im Übrigen von der Patentinhaberin nicht bestritten worden.

3. Das Patent betrifft gemäß der Beschreibung (vgl. Patentschrift, Abs. [0001]) eine Überspannungsschutzeinrichtung mit einer ersten Elektrode, mit einer zweiten Elektrode und mit einer zwischen beiden Elektroden wirksamen Durchschlag-Funkenstrecke, wobei beim Zünden der Durchschlag-Funkenstrecke zwischen den beiden Elektroden ein Lichtbogen entsteht.

Wesentlicher Bestandteil von Überspannungsschutzeinrichtungen ist mindestens eine Funkenstrecke, die bei einer bestimmten Überspannung, der Ansprechspannung, anspricht und damit verhindert, dass in dem durch eine Überspannungsschutzeinrichtung geschützten Stromkreis Überspannungen auftreten, die größer als die Ansprechspannung der Funkenstrecke sind (vgl. Abs. [0004]).

Die erfindungsgemäße Überspannungsschutzeinrichtung weist eine zwischen den beiden Elektroden wirksame Durchschlag-Funkenstrecke auf, bei der Luft oder ein anderes Gas zwischen den Elektroden vorhanden ist. Daneben gibt es noch Überspannungsschutzeinrichtungen mit einer Überschlag-Funkenstrecke, bei denen beim Ansprechen eine Gleitentladung auftritt (vgl. Abs. [0005]).

Überspannungsschutzeinrichtungen mit einer Durchschlag-Funkenstrecke haben gegenüber Überspannungsschutzeinrichtungen mit einer Überschlag-Funkenstrecke den Vorteil einer höheren Stoßstromtragfähigkeit, jedoch den Nachteil einer höheren - und auch nicht sonderlich konstanten - Ansprechspannung. Deshalb sind bereits im Stand der Technik verschiedene Überspannungsschutzeinrichtungen mit einer Durchschlag-Funkenstrecke vorgeschlagen worden, die in Bezug auf die Ansprechspannung verbessert worden sind (d. h. niedrigere und konstantere Ansprechspannung). Dabei sind im Bereich der Elektroden bzw. der zwischen den Elektroden wirksamen Durchschlag-Funkenstrecke in verschiedener Weise Zündhilfen realisiert worden.

Vor diesem Hintergrund liegt der Erfindung des Streitpatents (siehe Abs. [0019]) die Aufgabe (vgl. Abs. [0019]) zugrunde, eine Überspannungsschutzeinrichtung der eingangs beschriebenen Art in besonders einfacher Weise mit einer besonders einfach wirkenden Zündhilfe zu versehen.

Als zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Diplomingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von Überspannungsschutzeinrichtungen an.

4. Die Erfindung ist im Patent so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

Die Einsprechende hat vorgebracht, dass

- der Fachmann völlig im Unklaren darüber gelassen werde, welches Zündelement gemäß Merkmal Mb in der Reihenschaltung vorzusehen sei,

- im Merkmal Md unverständlich sei, wie an der Kontaktstelle zwischen Zündelement und der dem Zündelement zugeordneten Elektrode ein Übergangswiderstand gegeben sein soll,

- das Merkmal Mf dahingehend verwirrend sei, wie denn an einer Kontaktstelle, die dem Anschluss bzw. der Verbindung von zwei Elementen diene, bei größeren Ableitströmen Entladungen entstehen sollten, die zu einer Vorionisierung des die Kontaktstelle umgebenden Kontaktbereichs führen.

Dem schließt sich der Senat nicht an. Eine für die Ausführbarkeit hinreichende Offenbarung ist gegeben, wenn der Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs aufgrund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde- oder Prioritätstag praktisch so zu verwirklichen,

dass der angestrebte Erfolg erreicht wird (BGH GRUR 1980, 166, 168 - Doppelachsaggregat). Dabei müssen die Angaben, die der Fachmann zur Ausführung der geschützten Erfindung benötigt, nicht im Patentanspruch enthalten sein; es genügt, wenn sie sich aus dem Inhalt der Patentschrift insgesamt ergeben (BGH GRUR 2003, 223-226 – Kupplungsvorrichtung II, Leitsatz). Es stellt sich bei der Prüfung der Ausführbarkeit also die Frage, ob die in der Anmeldung oder dem Patent enthaltenen Angaben dem fachmännischen Leser so viel an technischer Information vermitteln, dass er mit seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen in der Lage ist, die Erfindung erfolgreich auszuführen (BGH GRUR 2010, 916 ff. – Klammernahtgerät, Rn. 17).

Vorliegend zeigt die Patentschrift in den Figuren 1 und 2 schematisch ein Zündelement und gibt in den Absätzen [0031] bis [0033] an, dass das Zündelement aus einem elektrisch leitfähigen und lichtbogenbeständigen Material besteht und, wie die Spitze des Zündelements zu gestalten ist. Ferner hat das Zündelement 5 zur Elektrode 2 eine Kontaktstelle 6, wobei sich an der Kontaktstelle 6 zwischen dem Zündelement 5 und der Elektrode 2 ein Luftspalt anschließt, so dass dauerhaft ein Übergangswiderstand zwischen dem Zündelement 5 und der dem Zündelement 5 zugeordneten Elektrode 2 gegeben ist. Schließlich muss der den Übergangswiderstand bildende Luftspalt in elektrischer Hinsicht zwei Kriterien genügen. Einerseits muss der Luftspalt so groß (der einschlägige Fachmann erkennt in Verbindung mit seinem Fachwissen, dass es hier richtigerweise „so klein“ heißen muss!) sein, dass bei einer Überspannung mit geringem Energiegehalt der Ableitstrom nur über die Kontaktstelle 6 fließt, also der die Kontaktstelle 6 umgebende Kontaktbereich noch keine Vorionisierung erfährt. Der fließende Strom liegt also unterhalb der Stromtragfähigkeit an der Kontaktstelle zwischen Zündelement und Elektrode 2.

Andererseits muss der Luftspalt so klein (hier muss es dementsprechend „so groß“ heißen) sein, dass dann, wenn der Energiegehalt der Überspannung größer ist, der fließende Strom zu einer Vorionisierung des die Kontaktstelle 6 umgebenden Kontaktbereiches führt. In diesem Fall liegt der fließende Strom oberhalb der Stromtragfähigkeit an der Kontaktstelle zwischen Zündelement und Elektrode 2 und sucht sich sozusagen einen neuen Weg.

Damit ist nach Überzeugung des Senats der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Beschreibung und den Figuren der Patentschrift deutlich und vollständig offenbart.

Im Übrigen hat die Einsprechende ihre Bedenken bezüglich der Ausführbarkeit in der mündlichen Verhandlung auch fallen gelassen.

5. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist auch patentfähig.

Im Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren setzt die Prüfung, ob der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähig ist, die Auslegung des Patentanspruchs voraus. Dazu ist zu ermitteln, was sich aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als unter Schutz gestellte technische Lehre ergibt (BGH GRUR 2010, 858-859 – Crimpwerkzeug III, Leitsatz 1 und BGH GRUR 2007, 859862 - Informationsübermittlungsverfahren, Leitsatz 2). Dabei sind Beschreibung und Zeichnungen für die Auslegung des Patentanspruchs heranzuziehen, unabhängig davon, ob diese Auslegung die Grundlage der Verletzungsprüfung oder der Prüfung des Gegenstands des Patentanspruchs auf seine Patentfähigkeit ist (BGH GRUR 2012, 1124-1129 - Polymerschaum, Rn. 27).

Vorliegend bedürfen die Begriffe „Spannungsschaltelement“ und „Zündelement“ im Merkmal Mb einer näheren Erläuterung.

Das „Spannungsschaltelement“ kann gemäß Absatz [0030] der Patentschrift ein Varistor, eine Suppressordiode, ein gasgefüllter Überspannungsableiter oder eine Kombination davon sein. Dem Fachmann ergibt sich in Verbindung mit seinem Fachwissen, dass diesen drei genannten Elementen gemeinsam ist, dass sie unterhalb einer Schaltspannung isolieren und oberhalb der Schaltspannung einen Stromfluss zulassen.

Das „Zündelement“ besteht gemäß Absatz [0031] der Patentschrift aus einem Material, das elektrisch leitfähig und lichtbogenbeständig ist, vorzugsweise aus einem elektrisch leitfähigen keramischen Material, aus einem nicht verschweißenden metallischen Material oder/und aus einem elektrisch leitfähigen Kunststoff, welches an der Kontaktstelle zur Elektrode 2 mit dieser nicht verschweißen darf. Im Sinne des Patents ist unter „Zündelement“ ein Element zu verstehen, das an einer Zündung eines Lichtbogens beteiligt ist, diesen also auslöst, unterstützt oder in irgendeiner Weise beeinflusst.

Die Reihenschaltung von Spannungsschaltelement und Zündelement stellt also eine Aneinanderreihung von zwei unterschiedlichen Elementen dar.

5.1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu.

Die nachveröffentlichte, nach Ansicht der Einsprechenden neuheitsschädliche Druckschrift D4 beschreibt (siehe Fig. 1, Abs. [0045], [0056]) einen gekapselten Überspannungsableiter (= „Überspannungsschutzeinrichtung“ [= Ma]) mit einer ersten Elektrode (1) und einer zweiten Elektrode (2) (= „Elektrode 1“, „Elektrode 2“ [= Maa, Mab]).

Zwischen den Elektroden befindet sich (siehe Abs. [0032], [0057]) eine Reihenschaltung aus einer hochohmigen Trennstrecke 3 sowie einem Abschnitt 4 aus einem hochohmigen, jedoch elektrisch leitenden oder halbleitenden Material. Diese Reihenschaltung ist in einem Abschnitt zwischen den Elektroden befindlich und mit diesen in Kontakt stehend [= Mb].

Die Funktionsweise des Überspannungsableiters ist wie folgt (siehe Abs. [0060], [0061]): Wenn zwischen den Elektroden 1 und 2 eine Überspannung anliegt, welche die Spannungsfestigkeit der Trennstrecke 3, die als Gleitstrecke ausgelegt ist, übersteigt, kommt es zu einem Überschlag zwischen der Elektrode 1 und dem Abschnitt 4. Der Abschnitt 4 kann aufgrund seiner Materialeigenschaften kleine Impulsströme bis zur Elektrode 2 abführen. Bei Strömen von mehreren 10 Ampere oder bei längeren Zeitdauern käme es jedoch zu einem Überlasten dieses Materials. Es entwickelt sich daher an der Oberfläche des Materials im Abschnitt 4 eine Gleitentladung, welche sich schließlich vom Material löst und in einen Lichtbogen zwischen den Elektroden 1 und 2 übergeht (= „mit einer zwischen beiden Elektroden (1, 2) wirksamen Durchschlag-Funkenstrecke (3), wobei beim Zünden der Durchschlag-Funkenstrecke (3) zwischen den beiden Elektroden (1, 2) ein Lichtbogen entsteht" [= Mac]).

Wenn man - wie die Einsprechende - den Abschnitt 4 der Druckschrift D4 als Spannungsschaltelement des Merkmals Mb interpretiert, dann ergibt sich ein Widerspruch zwischen dem Überspannungsableiter der Druckschrift D4 und dem Gegenstand des Patentanspruchs 1. Denn gemäß Druckschrift D4 kann der Abschnitt 4 kleine Ströme fließen lassen, wohingegen größere Ströme - der Fachmann versteht darunter ein Ansprechen oberhalb der Ansprechspannung - „sich aus dem Material lösen“. Hiervon unterscheidet sich das Spannungsschaltelement des Gegenstands des Patentanspruchs 1 der obigen Auslegung folgend dadurch, dass es unterhalb seiner Schaltspannung isoliert, d. h. keinen Stromfluss ermöglicht.

Auch in dem Fall, dass die Trennstrecke 3 als Spannungsschaltelement betrachtet wird, wird der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht neuheitsschädlich getroffen. Denn auch wenn man das Merkmal Md als für den Fachmann selbstverständlich mitliest - zwischen dem Abschnitt 4 und der mit ihm in Kontakt stehenden Elektrode 2 ist zwangsläufig ein Übergangswiderstand zu sehen - bilden sich bei der Druckschrift D4 keine Entladungen an der Kontaktstelle im Sinne des Merkmals Mf, denn in der Druckschrift D4 wird angegeben (siehe Abs. [0060], [0061]), dass sich bei Strömen von mehreren 10 Ampere oder bei längeren Zeitdauern an der Oberfläche des Materials im Abschnitt 4 eine Gleitentladung entwickelt, welche sich schließlich vom Material löst. Das bedeutet, dass sich die Gleitentladungen über die ganze Länge des Abschnitts 4 ausbilden. Zumindest bilden sich die Gleitentladungen nicht nur an der Kontaktstelle zwischen Abschnitt 4 und Elektrode 2, sondern, wenn überhaupt, eher am Übergang von Abschnitt 4 und der als Gleitstrecke ausgelegten Trennstrecke 3, da es dort ja zuvor schon zu einem Überschlag gekommen ist.

Damit ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 neu gegenüber dem aus der Druckschrift D4 bekannten Stand der Technik. Auch aus keiner der übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften ist eine Überspannungsschutzeinrichtung mit zwei Elektroden bekannt, an denen eine Reihenschaltung eines Spannungsschaltelements und eines Zündelements angeschlossen ist [= Mb], wobei beim Ansprechen des Spannungsschaltelements zunächst ein Ableitstrom über das Zündelement fließt [= Me] und bei größeren Ableitströmen an der Kontaktstelle zwischen Zündelement und zugeordneter Elektrode wegen des Übergangswiderstandes Entladungen entstehen, die dort zu einer Vorionisierung führen [= Mf].

5.2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ergibt sich für den Fachmann auch nicht in nahe liegender Weise aus dem vorliegenden Stand der Technik.

Die von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung aufgegriffene Druckschrift D6 zeigt eine Anordnung zur Ableitung von Überspannungen (siehe Fig. 1, Spalte 3 Zeilen 36-65) mit zwei Elektroden 6a, 6b und einer zwischen diesen liegenden zweiten Funkenstrecke 6 [= Ma, Maa, Mab, Mac], die einen Leitungsweg 2 bilden. Parallel zu den Elektroden 6a, 6b liegt ein Leitungsweg 1, nämlich die Reihenschaltung aus einer ersten Funkenstrecke 4 zwischen den Elektroden 4a, 4b (= „Spannungsschaltelement“) und einer Impedanz 5 (= „Zündelement“) [= Mb].

Im Überspannungsfall zündet zunächst (siehe Spalte 2 Zeilen 28 - 34, Spalte 3 Zeilen 3-7) die erste Funkenstrecke 4, deren Ansprechspannung wesentlich kleiner ist als die der zweiten Funkenstrecke 6 [= Mc], wobei dann über den Leitungsweg 1 ein Strom fließt [= Me].

Die in Fig. 1 gezeigte schematische Darstellung führt zu den baulichen Ausführungsformen gemäß den Fig. 3 - 7, wobei dort jeweils die kurzgeschlossenen Elektroden 4a, 6a zu einer gemeinsamen metallischen Elektrode 4a/6a vereinigt sind. Ferner sind die Elektrode 4b der ersten Funkenstrecke und die Impedanz 5 zu einem gemeinsamen Bauteil 4b/5 aus einem Material vereinigt, das sowohl als Elektrode als auch als Widerstand dienen kann.

Für den Fachmann ist es selbstverständlich, dass an der Kontaktstelle zwischen der Impedanz 5 bzw. dem gemeinsamen Bauteil 4b/5 und der zugeordneten Elektrode 6b der zweiten Funkenstrecke aufgrund der entstehenden Grenzflächen ein Übergangswiderstand gegeben ist [= Md].

Jedoch bilden sich bei der Druckschrift D6 keine Entladungen an dieser Kontaktstelle im Sinne des Merkmals Mf, denn in der Druckschrift D6 wird angegeben (siehe Spalte 3 Zeile 66 bis Spalte 4 Zeile 6, Spalte 5 Zeilen 53-61), dass die Lichtbogenausbildung zwischen den Elektroden 6a, 6b der zweiten Funkenstrecke 6 auch dadurch begünstigt wird, dass bereits mit dem Beginn des Auftretens der Überspannung am Eingang 3 durch den Lichtbogen zwischen den Elektroden 4a, 4b der ersten Funkenstrecke eine Vorionisation der zweiten Funkenstrecke erfolgt.

Dies wird von der Druckschrift D6 auch nicht nahegelegt. Vielmehr regen die in den Fig. 3 und 6 überlappend gezeichneten Übergänge zwischen dem die Impedanz 5 enthaltenden Bauteil 4b/5 und der Elektrode 6b den Fachmann eher dazu an, den Übergangswiderstand an dieser Stelle möglichst klein zu halten, so dass gerade dort keine Entladungen entstehen.

Damit ist auch dem Einwand der Einsprechenden, dass es im Hinblick auf das Merkmal Mf nicht erfinderisch ist, dass Entladungen bei Stromfluss an der Kontaktstelle von Zündeiement und Elektrode auftreten, und dass es als fachmännische Maßnahme anzusehen ist, das Zündelement an der Kontaktstelle entsprechend auszugestalten, nicht zu folgen.

Denn die Druckschrift D6 gibt an (siehe Spalte 5 Zeilen 53 - 60), dass für die Zündung der zweiten Funkenstrecke 6 die Vorionisation durch die Lichtbogenausbildung der ersten Funkenstrecke im Bereich der Impedanz-Elektrode 4b/5 von Vorteil ist, was im Zusammenhang mit den vorgehend erläuterten Ausführungsbeispielen so zu verstehen ist, dass der Lichtbogen 4d der kürzeren ersten Funkenstrecke 4 den Lichtbogen 6d der größeren zweiten Funkenstrecke 6 zündet, so dass sich ohnehin die Frage stellt, ob nicht die Impedanz 5, sondern der Lichtbogen 4d der Funkenstrecke 4 als das Zündelement im Sinne des Merkmals Mb gemäß der obigen Auslegung anzusehen ist.

Damit enthält die Druckschrift D6 keinerlei Hinweise oder Anregungen, durch die der Fachmann zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 gelangen könnte.

Auch die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften führen den Fachmann nicht zum Gegenstand des Patentanspruchs 1, was der Senat im Einzelnen überprüft hat. Denn in keiner dieser Druckschriften ist auch nur ein Hinweis darauf erkennbar, dass - ausgehend von einer an zwei Elektroden angeschlossenen Reihenschaltung eines Spannungsschaltelements und eines Zündelements [= Mb] beim Ansprechen des Spannungsschaltelements zunächst ein Ableitstrom über das Zündelement fließt [= Me] und bei größeren Ableitströmen an der Kontaktstelle zwischen Zündelement und zugeordneter Elektrode wegen des Übergangswiderstandes Entladungen entstehen, die dort zu einer Vorionisierung führen [= Mf].

Somit können die vorliegenden Druckschriften auch in Verbindung mit dem Fachwissen den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht nahelegen, so dass er als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend anzusehen und damit patentfähig ist.

6. Die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 8 betreffen vorteilhafte Ausgestaltungen der Vorrichtung nach Patentanspruch 1. Sie haben deshalb zusammen mit dem Patentanspruch 1 Bestand.

Dr. Häußler Dr. Müller Schmidt-Bilkenroth Heimen Pü

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