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III ZR 81/24

BUNDESGERICHTSHOF III ZR 81/24 BESCHLUSS vom 26. Juni 2025 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2025:260625BIIIZR81.24.0 Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Juni 2025 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richterin Dr. Böttcher sowie die Richter Prof. Dr. Kessen, Dr. Herr und Liepin beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 8. Juli 2024 - 20 U 2/24 - aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des dritten Rechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 124.290 €

Gründe:

I.

Die Klägerin - eine Unternehmensberaterin - nimmt die Beklagte aus einem Dienstvertrag auf Vergütung in Anspruch.

Gegenstand des Unternehmens der Beklagten ist ausweislich ihres Gesellschaftsvertrags und der Eintragung im Handelsregister der Erwerb von Grundstücken, die Errichtung sowie der Umbau, die Vermietung und Verwaltung von eigenen Gebäuden.

Am 11. Januar 2018 schlossen die Klägerin und die damals noch im Gründungsstadium befindliche Beklagte einen Dienstleistungsvertrag über die Beratung und Betreuung zur "Realisierung zu vereinbarender Projekte und Aufgabenstellungen sowie eine kontinuierliche Begleitung im laufenden Geschäftsbetrieb". Nach dem Inhalt der Vertragsurkunde sollte die Klägerin für Beratungs- und Betreuungsleistungen eine monatliche Vergütung von 3.500 € netto (4.165 € brutto) erhalten. Der Vertrag war mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende ordentlich kündbar.

Ab März 2019 stundete die Klägerin der Beklagten die Verpflichtung zur monatlichen Zahlung bis einschließlich Dezember 2021. Das von der Klägerin ursprünglich betreute Bauvorhaben der Beklagten wurde Ende März 2020 fertiggestellt. Die Klägerin erbrachte diesbezüglich weiterhin Buchhaltungstätigkeiten. Seit April 2020 stellte die Klägerin keine Rechnungen mehr aus; solche wurden erst nach Beginn des Rechtsstreits zwischen den Parteien übersandt. Im Juni 2021 kündigte die Beklagte den Dienstleistungsvertrag mit sofortiger Wirkung, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Zahlung offener Monatsraten für den Zeitraum April 2019 bis Dezember 2021 (insgesamt 136.815 €) in Anspruch.

Sie hat - gestützt auf den Wortlaut des schriftlichen Dienstleistungsvertrags - behauptet, es sei eine laufende und zeitlich unbefristete Betreuung vereinbart gewesen, die sich entsprechend dem Gesellschaftszweck der Beklagten auf eine Vielzahl von Bauprojekten habe erstrecken sollen. Nach Abschluss des ersten Bauprojekts habe sie nicht nur die Bestandsimmobilie betreut, sondern auch mit Blick auf ein zweites - allerdings nicht mehr umgesetztes - Bauprojekt Aktivitäten entfaltet. Die Beklagte habe eine pauschale Vergütung von 3.500 € netto pro Monat unabhängig vom Umfang der tatsächlich erbrachten Leistungen geschuldet. Dass ab April 2020 die monatliche Rechnungsstellung unterblieben sei, beruhe auf einer im Interesse beider Parteien getroffenen Absprache. Denn die Beklagte habe die Rechnungen nicht bezahlen können, während sich die Klägerin davor habe schützen wollen, Umsatzsteuer auf nicht bezahlte Rechnungen abführen zu müssen.

Demgegenüber hat die Beklagte behauptet, die Geschäftsführer der Parteien hätten sich - abweichend von der schriftlichen Vereinbarung - auf Beratungsleistungen für ein einzelnes Bauprojekt mit einem Volumen von maximal 75.000 € brutto verständigt. Bei Vertragsunterzeichnung seien sie von einem Zeithorizont von längstens 18 Monaten ausgegangen. Bei den vereinbarten Monatsvergütungen habe es sich um Abschlagszahlungen auf diesen Pauschalbetrag gehandelt. Selbst wenn man sich auf den Standpunkt stelle, dass die Betreuung unabhängig von dem Budget bis zur Fertigstellung des Projekts habe laufen sollen, hätte eine Zahlung bis maximal März 2020 erfolgen müssen. Lege man das vereinbarte Budget zugrunde, sei angesichts unstreitig gezahlter 62.475 € allenfalls noch ein Betrag von 12.525 € offen. Gehe man von einer Laufzeit bis März 2020 aus, seien mit Blick auf eine Saldenbestätigung für das Jahr 2019 noch drei Monatsraten zu zahlen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die gegen eine Verurteilung zur Zahlung von mehr als 12.525 € gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht nach vorangegangenem Hinweis mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen.

II.

Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat Erfolg. Sie führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

1. Die Vorinstanz hat angenommen, die Klägerin habe aus dem Dienstvertrag Anspruch auf die geltend gemachte Vergütung. Die Vertragsparteien hätten sich darauf geeinigt, dass die Klägerin die Beklagte bei der Umsetzung bestimmter Projekte sowie kontinuierlich im laufenden Geschäftsbetrieb beratend und betreuend begleiten solle. Für die laufende Betreuung habe sie eine pauschale monatliche Vergütung von 3.500 € zuzüglich Umsatzsteuer, also 4.165 €, erhalten sollen, die die Beklagte seit April 2019 bis zur Beendigung des Vertrages zum Jahresende 2021 unstreitig nicht gezahlt habe. Der Vertrag sei auf unbestimmte Zeit geschlossen und nicht auf ein bestimmtes Immobilienprojekt beschränkt worden. Die Beklagte lege weder in erster noch in zweiter Instanz mit Substanz dar, dass ihr Gesellschaftszweck auf die Errichtung eines Mehrfamilienhauses beschränkt gewesen sei und man sich auf die Bezahlung nur der für dieses Bauprojekt kalkulierten Beratungskosten verständigt habe. Ausweislich ihres Gesellschaftsvertrags und der Handelsregistereintragung habe der Gegenstand des Unternehmens der Erwerb von Grundstücken, die Errichtung neuer sowie der Umbau, die Vermietung und Verwaltung von eigenen Gebäuden sein sollen, wobei die Gesellschaft auf unbestimmte Zeit errichtet worden sei. Eine bestimmte Projektbindung sei damit nicht ersichtlich. Nachvollziehbaren Sachvortrag dafür, weshalb bei beabsichtigter Beschränkung der Vertragsbeziehung auf die Durchführung nur eines Projektes der schriftliche Vertrag abweichend davon projektunabhängig und zeitlich unbefristet abgeschlossen worden sei, sei die Beklagte schuldig geblieben. So sei zwischen den Parteien unstreitig geblieben, dass die Beklagte Mitte 2020 das Nachbargrundstück erworben und beplant habe. Damit seien die Behauptungen der Beklagten zu einer Beschränkung des Dienstleistungsvertrags auf nur ein Projekt bereits widersprüchlich und deshalb unschlüssig. Über die schlichte Behauptung hinaus, dass 75.000 € für die Beratungsleistung ausgehandelt worden seien und sich die von der Klägerin beanspruchten Monatsleistungen als Abschlagszahlungen auf den Pauschalbetrag dargestellt hätten, sei die Beklagte in erster Instanz jeden Vortrag dazu schuldig geblieben, wie es zu der Vereinbarung gekommen sei und warum hierzu abweichende Regelungen in dem Dienstleistungsvertrag getroffen worden seien. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Dienstleistungsvertrag ein Schriftformerfordernis für Änderungen und Ergänzungen vorgesehen habe, bleibe unklar, warum die Begrenzung nicht Eingang in den schriftlichen Vertrag gefunden habe.

Das Landgericht habe zu Recht davon abgesehen, den ehemaligen Geschäftsführer der Beklagten als Zeugen zu vernehmen, denn es habe sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis gehandelt. Das Gericht hätte sämtliche Details zur Vertragsanbahnung, zum Inhalt der Gespräche, zur Motivlage und zum Zustandekommen des schriftlichen Vertrages erfragen müssen, um ein überzeugendes Bild von dem vom Vertragstext abweichenden Parteiwillen zu gewinnen. Es liege auch weder eine Überraschungsentscheidung vor noch seien richterliche Hinweispflichten verletzt. Schließlich sei die Beklagte mit ihrem immer noch unzureichenden Berufungsvortrag nach §§ 529, 531 ZPO präkludiert. Auch aus der Berufungsbegründung erschließe sich nicht, aus welchem Grund oder aufgrund welcher Absprachen die vermeintlich ursprünglich getroffene Vereinbarung in eine schriftliche Vertragsgestaltung gemündet sei, nach der keine Beschränkung auf ein bestimmtes Projekt und keine feste Laufzeit vorgesehen gewesen seien.

2. Zu Recht rügt die Beschwerde, dass das Berufungsgericht damit die Anforderungen an die Substantiierungslast der Beklagten in unzulässiger Weise überspannt hat. Aus diesem Grund hat es für die Beurteilung des Streitfalls bedeutsames beweisbewehrtes Vorbringen zum Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages übergangen und den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.

a) Das Gebot rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in der unterlassenen Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt hat (zB Senat, Beschlüsse vom 25. April 2024 - III ZR 54/23, BeckRS 2024, 19489 Rn. 9 und vom 7. Juni 2018 - III ZR 210/17, BeckRS 2018, 13133 Rn. 4; BGH, Beschluss vom 10. Januar 2023 - VIII ZR 9/21, BeckRS 2023, 1723 Rn. 11; jew. mwN) oder der Tatrichter Angriffs- oder Verteidigungsmittel einer Partei in offenkundig fehlerhafter Anwendung einer Präklusionsvorschrift zu Unrecht für ausgeschlossen erachtet (zB Senat, Beschluss vom 7. Juni 2018 aaO mwN).

Ein Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs ist schlüssig und damit als Prozessstoff erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Das Gericht muss anhand des Parteivortrags beurteilen können, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind (st. Rspr.; zB Senat, Beschluss vom 25. April 2024 aaO mwN). Gleiches gilt für den zur Rechtsverteidigung gehaltenen Sachvortrag. Die Partei genügt ihren Substantiierungspflichten, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das von der anderen Seite geltend gemachte Recht als nicht bestehend erscheinen zu lassen (zB Senat, Urteil vom 26. August 2021 - III ZR 189/19, NJW 2022, 705 Rn. 12). Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden; es ist dann vielmehr Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen, die ihm für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Bekundungen im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO erforderlich erscheinen (Senat, Urteil vom 26. August 2021 aaO; Beschlüsse vom 25. April 2024 aaO und vom 7. Juni 2018 aaO; jew. mwN). Nur wenn der Tatsachenvortrag infolge des Bestreitens des Gegners unklar wird und nicht mehr den Schluss auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts beziehungsweise sein Nichtbestehen zulässt, bedarf er der Ergänzung (zB BGH, Beschluss vom 10. Januar 2023 aaO Rn. 16 mwN). Im Interesse der Wahrung des Grundrechts aus Art. 103 Abs. 1 GG darf das Gericht dabei keine überspannten Anforderungen an die Darlegung stellen (zB Senat, Beschluss vom 7. Juni 2018 aaO mwN). Der Grad der Wahrscheinlichkeit der Sachverhaltsschilderung der Partei ist ohne Bedeutung (Senat, Urteil vom 26. August 2021 aaO und Beschluss vom 7. Juni 2018 aaO; jew. mwN). Die Grenze zulässigen Vortrags ist erst dann erreicht, wenn das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte den Vorwurf begründet, eine Behauptung sei "ins Blaue hinein" aufgestellt, mithin aus der Luft gegriffen und damit rechtsmissbräuchlich (vgl. zB Senat, Urteile vom 8. Februar 2018 - III ZR 65/17, WM 2018, 508 Rn. 25; vom 9. November 2017 - III ZR 610/16, WM 2017, 2296 Rn. 28 und vom 24. Mai 2007 - III ZR 176/06, NJW 2007, 2043 Rn. 15; BGH, Beschluss vom 23. November 2023 - V ZR 170/22, juris Rn. 9 mwN).

Von der Berücksichtigung eines Beweisangebots kann nicht deshalb abgesehen werden, weil das betreffende Vorbringen der beweis- und darlegungsbelasteten Partei im Widerspruch zu den vom Gericht angeführten Unterlagen und Umständen steht (zB BGH, Beschluss vom 20. November 2018 - II ZR 132/17, juris Rn. 46). Solche Widersprüchlichkeiten können allenfalls im Rahmen der Beweiswürdigung Beachtung finden (zB BGH, Beschlüsse vom 23. November 2023 aaO Rn. 7 und vom 20. November 2018 aaO; jew. mwN). Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots wegen vermeintlicher Widersprüche im Vortrag der beweisbelasteten Partei läuft auf eine prozessual unzulässige vorweggenommene tatrichterliche Beweiswürdigung hinaus und verstößt damit zugleich gegen Art. 103 Abs. 1 GG (BGH, Beschlüsse vom 23. November 2023 und vom 20. November 2018 jew. aaO).

b) Solche Verfahrensfehler sind dem Berufungsgericht vorliegend unterlaufen. Es hat den Vortrag der Beklagten zu Unrecht als unsubstantiiert beziehungsweise verspätet angesehen.

aa) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass eine über ein Rechtsgeschäft aufgenommene Urkunde die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit in sich trägt (zB Senat, Urteil vom 14. Oktober 1999 - III ZR 203/98, NJW 2000, 207; BGH, Urteile vom 5. Juli 2002 - V ZR 143/01, NJW 2002, 3164, 3165 und vom 23. Februar 1956 - II ZR 207/54, BGHZ 20, 109, 111 f) und eine Partei, die sich zum Nachweis eines vom Urkundentext abweichenden übereinstimmenden Willens der Beteiligten auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände beruft, die Beweislast für deren Vorliegen trifft (BGH, Urteile vom 5. Juli 2002 aaO; vom 5. Februar 1999 - V ZR 553/97, NJW 1999, 1702, 1703 und vom 23. Februar 1956 aaO). Bei der Auslegung von Verträgen ist der übereinstimmende Wille der Parteien allein entscheidend, auch wenn der Vertrag nach dem eindeutigen Wortlaut oder sonstigen Auslegungskriterien anders auszulegen wäre. Bei der Auslegung von Willenserklärungen ist der wirkliche Wille der Vertragspartner zu erforschen, der dem Wortlaut des Vertrages und jeder anderweitigen Interpretation vorgeht (BGH, Urteil vom 13. August 1996 - XI ZR 218/95, NJW-RR 1996, 1458 mwN).

Das Berufungsgericht hat auch nicht übersehen, dass der Vortrag der Beklagten grundsätzlich geeignet war, den von der Klägerin behaupteten mit dem Urkundeninhalt in Einklang stehenden Vertragsumfang zu widerlegen, und hiernach eine im Vergleich zu der Klageforderung deutlich geringere Gegenleistung in Betracht kam. Unerheblich waren dabei das in den schriftlichen Vertrag aufgenommene Schriftformerfordernis für nachträgliche Änderungen und Ergänzungen der ursprünglichen Vereinbarung und dessen Folgen, denn um solche geht es vorliegend nicht. Die Vorinstanz hat das Vorbringen der Beklagten jedoch zu Unrecht für nicht ausreichend substantiiert und damit unerheblich gehalten und deswegen verfahrensfehlerhaft den dazu angebotenen Zeugenbeweis nicht erhoben.

(1) Bereits das erstinstanzliche Vorbringen der Beklagten war hinreichend substantiiert. Mit der Klageerwiderung hat sie behauptet, bei Vertragsunterzeichnung seien die Parteien von einer Zeit zur Projektverwirklichung - des damals beabsichtigten Bauvorhabens - von 18 Monaten ausgegangen und hätten sich auf ein "Beratungsvolumen" von "fix 75.000 €" verständigt. Der in den Vertrag aufgenommene Entgeltbetrag von monatlich 3.500 € netto entspreche der Aufteilung des vereinbarten Maximalbudgets auf diese Zeit. Tatsächlich sei das Bauprojekt nicht in der vorgesehenen Zeit verwirklicht, sondern zum 1. April 2020 fertiggestellt und damit die über die laufende Buchhaltung hinausgehende Tätigkeit der Klägerin beendet worden. Die im schriftlichen Vertrag vereinbarte Monatsvergütung sei nichts anderes als ein Abschlag auf die - außerhalb der Vertragsurkunde vereinbarte - Pauschalvergütung von maximal 75.000 € brutto, wobei die Beklagte Beratungs- und Betreuungsbedarf nur während der Zeit der Herstellung des Projekts gehabt habe.

Gemessen an den oben dargestellten Maßstäben, hat die Beklagte damit schlüssig dargelegt und unter Beweis durch das Zeugnis ihres früheren (Mit-)Geschäftsführers H.

D.

gestellt, dass die Parteien ungeachtet des schriftlich niedergelegten Wortlauts bei Vertragsschluss darüber einig gewesen seien, dass die laufende Vergütung nicht zeitlich und inhaltlich unbegrenzt, sondern projektbezogen nur Dienstleistungen in einem bestimmten - im Vorhinein festgelegten - Zeitraum erfasst habe und einen Betrag von 75.000 € nicht habe überschreiten sollen. Dieser Vortrag war nicht aus der Luft gegriffen. Der monatlich geschuldete Bruttobetrag summierte sich hiernach auf 74.970 € (18 x 4.165 €), was - geringfügig aufgerundet - dem behaupteten Pauschalbetrag von

75.000 € entsprach. Das Vorbringen ist auch nicht später wieder unklar geworden, denn die Klägerin hat sich demgegenüber im Ergebnis allein auf den abweichenden Wortlaut der Vertragsurkunde berufen.

Wie es zu der behaupteten Vereinbarung kam und warum die Parteien deren Ergebnis nicht in die Urkunde aufnahmen, musste die Beklagte zur ausreichenden Substantiierung ihres Vorbringens nicht angeben. Ebenso wenig kam es insoweit darauf an, wie wahrscheinlich eine solche mögliche Beschränkung des Vertragsinhalts in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts der Urkunde erschien, ob sie zu dem (weiter gefassten) Gesellschaftszweck oder einer über das konkrete Projekt hinausgehenden Geschäftstätigkeit der Beklagten passte oder hiernach offenblieb, wie bei einer denkbaren - und hier tatsächlich eingetretenen - Überschreitung des vorgesehenen Leistungszeitraums zu verfahren sein sollte. Die der Behauptung der Beklagten zugrunde liegenden weiteren Einzelumstände wären vielmehr bei der Beweisaufnahme zu erfragen und Diskrepanzen zu der schriftlichen Vertragsfassung oder sonstigen unstreitigen oder bewiesenen Umständen zu klären gewesen. Die dazu abgegebenen oder unterbliebenen Erklärungen wären ebenso wie sonstige für oder gegen die Glaubhaftigkeit der Behauptung sprechende Gesichtspunkte - insbesondere die von den Vorinstanzen angesprochenen Widersprüche im Parteivortrag - in die anschließende Beweiswürdigung einzubeziehen gewesen. Erst dabei hätten auch der - für den Auftragsumfang nicht notwendig maßgebliche - weit gefasste Gesellschaftszweck der Beklagten, seit Mitte 2020 entfaltete Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Nachbargrundstücks und diesbezügliche Planungen oder die Frage, wie die von der Klägerin unstreitig auch nach Fertigstellung des Projekts weiter erbrachten Buchhaltungs- oder sonstige objektbezogene Dienstleistungen abgerechnet werden sollten, berücksichtigt werden können. Der Schlüs- sigkeit des Vortrags und der Notwendigkeit der Erhebung der angebotenen Beweise stand all dies jedoch nicht entgegen. Durch seine gegenteilige Annahme hat das Berufungsgericht die gebotene Beweiswürdigung in unzulässiger Weise vorweggenommen.

Ob aus dem Beklagtenvortrag - wie die Klägerin einwendet - nicht eindeutig hervorgeht, ob mit der behaupteten "Pauschalvergütung" von 75.000 € ein Festpreis oder nur ein je nach tatsächlichem Aufwand geschuldeter Höchstpreis gemeint war, kann hingegen bereits deshalb auf sich beruhen, weil die Beklagte die erstinstanzliche Verurteilung nur insoweit angegriffen hat, als sie zur Zahlung von mehr als 12.525 € verurteilt worden ist, was addiert mit den unstreitig vorprozessual geleisteten 62.475 € den behaupteten Pauschalbetrag von 75.000 € ergibt.

(2) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war das zweitinstanzliche Vorbringen der Beklagten, mit dem sie Inhalt und Hintergrund der im Vorfeld des Vertragsschlusses geführten Gespräche sowie die darauf beruhende Willenseinigung der Parteien näher dargestellt und erläutert hat, wieso die von ihr behauptete Einigung keinen ausdrücklichen Eingang in den Vertragstext gefunden hat, folglich erst recht substantiiert. Der Vortrag in der Berufungsbegründung lässt die behauptete Genese des Vertrages und seinen konkreten Gegenstand hinreichend erkennen. Wie vorstehend ausgeführt, wäre es Teil der Beweiswürdigung gewesen zu klären, ob dieser ebenfalls unter Beweis durch das Zeugnis des H. D.

gestellte Tatsachenvortrag unter Einbeziehung der sonstigen in diesem Zusammenhang maßgeblichen Umstände als überzeugend zu werten war oder nicht.

bb) Wie bereits aus der Bewertung des erstinstanzlichen Vortrags folgt, hat das Oberlandesgericht das Berufungsvorbringen zu Unrecht als gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen erachtet.

Ob ein in zweiter Instanz konkretisiertes Vorbringen neu ist, hängt davon ab, wie allgemein es in erster Instanz gehalten war. Wird ein sehr allgemeiner Vortrag aus erster Instanz konkretisiert und erstmals substantiiert, ist er neu, nicht aber dann, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus der ersten Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird (st. Rspr.; zB BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2006 - VII ZR 279/05, NJW 2007, 1531 Rn. 7 und Urteil vom 18. Oktober 2005 - VI ZR 270/04, BGHZ 164, 330, 333; jew. mwN).

Dementsprechend hat die Beklagte in zweiter Instanz keinen in diesem Sinne neuen Vortrag in das Verfahren eingeführt, sondern ihr bereits ausreichend substantiiertes erstinstanzliches Vorbringen zu der behaupteten Willenseinigung der Parteien nur weiter erläutert und ergänzt, indem sie den Verlauf der Vertragsverhandlungen näher dargestellt und geschildert hat, was Anlass für die Festlegung des behaupteten Pauschalbetrages war, auf welche Weise dessen Höhe ermittelt und auf die monatlich zu leistenden Teilzahlungen umgelegt wurde, sowie ferner dargetan hat, wie die nach Fertigstellung des Projekts noch anfallenden objektbezogenen Tätigkeiten abgerechnet werden sollten.

cc) Der Berücksichtigung dieses Vorbringens steht, anders als die Klägerin meint, auch nicht der allgemeine Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Danach muss ein Beteiligter über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinn hinaus alle nach Lage der Sache gegebenen prozessualen Möglichkeiten ausschöpfen, um eine Korrektur der behaupteten Gehörsverletzung zu erwirken und einen Verstoß gegen das Verfahrensgrundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG zu verhindern. Dabei darf eine Partei ihr gegebene Möglichkeiten zur Äußerung nicht versäumen. Besteht im Berufungsverfahren eine solche Gelegenheit, darf die Partei sie nicht ungenutzt verstreichen lassen und den Ausgang des Berufungsverfahrens abwarten, um dann erst die für sie ungünstige zweitinstanzliche Entscheidung in dritter Instanz mit der Gehörsrüge anzugreifen (st. Rspr.; vgl. zu allem Vorstehenden zB Senat, Urteil vom 14. Juni 2018 - III ZR 54/17, BGHZ 219, 77 Rn. 37; BGH, Beschlüsse vom 28. Januar 2020 - VIII ZR 57/19, NJW 2020, 1740 Rn. 15 und vom 17. März 2016 - IX ZR 211/14, NJW-RR 2016, 699 Rn. 4 f; jew. mwN). Entgegen der Darstellung der Klägerin hat sich die Beklagte mit ihrem auf den Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts eingereichten Schriftsatz vom 27. Juni 2024 gegen dessen Einschätzung gewandt, die Beklagte sei mit ihrem - immer noch unzureichenden - Berufungsvortrag gemäß §§ 529, 531 ZPO präkludiert. Sie hat nicht nur darauf hingewiesen, sie habe ihren aus ihrer Sicht ausreichend substantiierten erstinstanzlichen Vortrag nach der für sie überraschenden gegenteiligen Annahme des Landgerichts nach Zeit, Ort und den an der Verhandlung beteiligten Personen sowie zum Hintergrund der Vereinbarung konkretisiert, sondern ist auch der Einschätzung, der Vortrag sei präkludiert, ausdrücklich entgegengetreten. Damit hat sie hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass sie ihren Vortrag anders als die Vorinstanzen von Beginn an für gegenüber dem Klagevorbringen erheblich und damit für nicht verspätet hielt, ohne dass dies der Vorinstanz Anlass gegeben hat, von der von ihr vertretenen Rechtsauffassung abzurücken und in die Beweisaufnahme einzutreten.

dd) Darauf, ob bereits die erstinstanzliche Bewertung ihres Sachvortrags überraschend im Sinne von § 139 Abs. 1 ZPO war und die Beklagte schon deswegen Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vorbringens hätte bekommen müssen, kommt es aus vorstehenden Gründen nicht mehr an.

3. Der Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht, hätte es das Beklagtenvorbringen berücksichtigt und den dazu angebotenen Zeugenbeweis erhoben, den Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Dienstleistungsvertrags und die in diesem Zusammenhang relevanten Indizien anders bewertet hätte und zu einem für die Beklagte günstigeren Ergebnis gelangt wäre.

Herrmann Böttcher Vorinstanzen: LG Hannover, Entscheidung vom 06.12.2023 - 23 O 184/22 OLG Celle, Entscheidung vom 08.07.2024 - 20 U 2/24 -

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Paragraphen in III ZR 81/24

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Häufigkeit Paragraph
6 103 GG
3 531 ZPO
2 529 ZPO
1 139 ZPO
1 286 ZPO
1 544 ZPO

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