Paragraphen in 14 W (pat) 5/14
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BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 5/14 Verkündet am 31. Juli 2018
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 10 2005 056 568 …
ECLI:DE:BPatG:2018:310718B14Wpat5.14.0
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hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 31. Juli 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Maksymiw, des Richters Schell, der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Münzberg sowie des Richters Dipl.-Chem. Dr. Jäger beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der angefochtene Beschluss der Patentabteilung 45 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. Dezember 2013 aufgehoben. 2. Das Patent 10 2005 056 568 mit der Bezeichnung
"Verfahren zur Herstellung eines selbstverfestigenden Verfüllbaustoffes und dessen Verwendungen" wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten: Ansprüche 1 bis 9 vom 5. Dezember 2013, sowie Beschreibung vom 5. Dezember 2013.
Gründe I.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 5. Dezember 2013 hat die Patentabteilung 45 des Deutschen Patent- und Markenamtes das Patent 10 2005 056 568 mit der Bezeichnung
"Verfahren zur Herstellung eines selbstverfestigenden Verfüllbaustoffes und dessen Verwendungen" widerrufen.
Dem Beschluss liegen die erteilten Patentansprüche 1 bis 9 sowie die Patentansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag vom 5. Dezember 2013 zugrunde, von denen der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag wie folgt lautet:
"1. Verfahren zur Herstellung eines selbst verfestigenden Verfüllbaustoffes, wobei - lokaler Bodenaushub und ausschließlich zugegebener trockener, quellfähiger Ton unter Zufuhr kinetischer Energie trocken gemischt, partiell zerkleinert und mechanisch so aufbereitet werden, dass die Bestandteile des trockenen, quellfähigen Tons durch die Reibungsenergie zwischen den Partikeln des Trockengemisches eine Aktivierung erfahren - und ein Mischungsverhältnis zwischen Bodenaushub und ausschließlich zugegebenem trockenen quellfähigem Ton derart eingestellt wird, dass sich nach der Erstarrung des unter Wasserzusatz fließfähig eingestellten Gemisches für dieses eine Schwindung von 0 und 3,0 Vol.-% ergibt." Der Widerruf wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das Verfahren zur Herstellung eines selbstverfestigenden Verfüllbaustoffs und dessen Verwendung gemäß den erteilten Patentansprüchen zwar zulässig sei und eine klare und vollständige Lehre vermittle, aber nicht neu sei.
Aus D1 WO 2005/108325 A1 gehe ein Verfahren zur Herstellung eines Bau- und Verfüllbaustoffs für Hohlraumverfüllungen hervor, welcher mittels eines Trockengemisches aus einem Bodenaushub, einem wasserbindenden und einem wasserretendierenden Mittel hergestellt werde und welcher sich setzungsfrei und damit mit 0 Vol.-% Schwindung verfestige. Die Bestandteile würden unter hohem Energieeintrag mechanisch aufbereitet, so dass sie damit durch Reibung aktiviert und partiell zerkleinert würden. Zudem könne eine Setzung weitgehend vermieden werden und die wichtigsten Eigenschaften könnten über die Mengenverhältnisse der Mischkomponenten eingestellt werden. Da die Verwendung von Zement als wasserbindendes Mittel gemäß Patentanspruch 1 nicht ausgeschlossen sei und das Trockengemisch der D1 gemäß den Ausführungsbeispielen für die Herstellung von Dämmen und zur Verfüllung von Rohrleitungen eingesetzt werden könne, nehme D1 sämtliche Merkmale der nebengeordneten Patentansprüche gemäß Hauptantrag vorweg.
Das Verfahren nach Patentanspruch 1 des Hilfsantrags beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Denn die D1 sehe nur geringe Mengen wasserbindender anorganisch-mineralischer Mittel als festigkeitsbildende Komponente vor, die zu keinen geschlossenen Zementsteinstrukturen mit schädigender Starrheit führten. Aus D2 DE 103 37 590 A1 wisse der Fachmann zudem, dass er auf die geringen Mengen an wasserbindenden Mittel ganz verzichten könne, wenn die Bindungsfähigkeit der Mischung aus Bodenaushub und Bentonit eine ausreichende Festigkeit des Verfüllbaustoffs aufweise.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin, mit der sie ihr Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag vom 5. Dezember 2013 weiterverfolgt.
Zur Begründung der Beschwerde macht die Patentinhaberin geltend, dass die Gegenstände in der beanspruchten Fassung sowohl neu seien als auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten.
Die neu eingefügte Formulierung "ausschließlich zugegebener Ton" sei dergestalt auszulegen, dass damit weitere Bestandteile im beanspruchten Verfahren ausgeschlossen seien. Denn jedes andere aktive Mittel, also insbesondere Zement, würde es nicht gestatten, das Schwindungsverhalten ausschließlich mittels der beiden genannten Komponenten einzustellen.
Daher sei das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 bereits deswegen neu, weil gemäß D1 ein wasserbindendes Mittel wie Zement vorgesehen sei. Zudem unterscheide sich das Verfahren gemäß D1 dadurch, dass kein Schwindungsverhalten offenbart und somit nicht unmittelbar und eindeutig eine Schwindung von 0 bis 3,0 Vol.-% aufgezeigt sei. Abgesehen davon werde bestritten, dass Puzzolane mit quellfähigem Ton gleichzusetzen sei. Die Offenbarung von Sand-Bentonitgemischen erfolge in D1 im Zusammenhang mit Bodenmörteln, die bekanntermaßen Zement enthielten.
Es bestehe auch keine Veranlassung das Verfahren der D1 mit der D2 zu kombinieren. So lehre die D1 die Herstellung eines Trockengemischs für einen selbstverfestigenden Verfüllbaustoff aus Bodenaushub mit mindestens einem wasserbindenden und einem wasserretendierenden Mittel. Die D2 befasse sich mit einem Aufbereitungsverfahren für Erdaushub und Grobmaterial, wobei sie als Grobmaterial verschiedenste Zusammensetzungen benenne. Dadurch sei klar, dass im Verfahren gemäß D2 lokaler Bodenaushub und zugegebener, trockener quellfähiger Ton keine Rolle spielten, sondern der aus der Aufmahlung grobstückiger Bestandteile erhaltene Zuschlagsstoff von Bedeutung sei. Damit verlange die D2 zwingend das Vorhandensein grobstückiger Bestandteile und deren Aufmahlung, wobei das Aufmahlen mindestens teilweise den Zusatz von Zuschlagsstoffen obsolet mache. Allerdings fehle der Lehre der D2 der Hinweis auf einen Wasserzusatz, durch den der Verfüllbaustoff für den Einbau fließfähig eingestellt werden könne. Es handle sich somit in der D2 um ein andersartiges Verfahren, das den Fachmann nicht zu einem völligen Verzicht auf den Zusatz von Zement bei der Herstellung eines selbstverfestigenden Verfüllbaustoffs gemäß D1 motivieren könne.
Die Patentinhaberin beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung 45 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. Dezember 2013 aufzuheben und das Patent im Umfang der Ansprüche 1 bis 9 vom 5. Dezember 2013 aufrechtzuerhalten.
Die Einsprechende 2 beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie tritt diesen Argumenten entgegen und hält das Streitpatent weiterhin für nicht bestandsfähig.
Die Auslegung der Patentinhaberin, dass die Formulierung im Patentanspruch 1 weitere Bestandteile ausschließe, sei nicht nachvollziehbar. Denn der Anspruch besage gerade nicht, dass ausschließlich der Tonzusatz die Schwindung einstelle. Auch widerspräche das auf jedem Fall zugefügte Wasser dieser Auslegung. Zudem habe die Patentinhaberin in der Anhörung vor der Patentabteilung selbst vorgetragen, dass der Zusatz weiterer Komponenten wie Pigmente ausdrücklich nicht ausgeschlossen sein solle. Schließlich sei es auch nicht zutreffend, dass ein Zementzusatz in der hier in Rede stehenden Menge die Schwindung beeinflusse.
Unter Berücksichtigung dieser Auslegung sei die D1 neuheitsschädlich, zumal sie sehr geringe Mengen an Zementzusätzen offenbare. Zudem offenbare die D1 als wasserbindende Mittel auch Puzzolane, von denen dem Fachmann, wie die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Druckschrift D3 Gerhartz, W. et al. (Eds.), "Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry", VCH Verlag, Weinheim, 5. Auflage, 1986, Vol. A5 S. 503, Abschnitt "1.5.2. Pozzolana" belege, bekannt sei, dass diese wasserbindende Tone enthielten. Des Weiteren zeige D1 bei der Darstellung des Standes der Technik explizit flüssige Verfüllmaterialien auf Basis von Sanden und Bentonitzusätzen und damit die Lehre des angegriffenen Patentanspruchs 1 auf.
Nach ihrer Ansicht beruhe der Gegenstand des Patentanspruchs 1 auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die D1 lehre ein mit Wasser zu versetzendes Trockengemisch aus Bodenaushub, Ton und sehr geringen Anteilen an Zement und die D2 offenbare, dass man auf Zement auch verzichten könne. Damit ergebe die Anwendung der Lehre der D2 auf die D1, Zement wegzulassen, aber das Gemisch nach wie vor mit Wasser zu verwenden.
Die Einsprechende 1 hat sich sachlich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt. Mit Schriftsatz vom 20. März 2018 hat sie mitgeteilt, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung am 31. Juli 2018 teilnehmen werde.
Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere zum Wortlaut der weiteren Patentansprüche 2 bis 9 wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig und führt zu dem im Tenor angegebenen Ergebnis.
1. Bezüglich der Offenbarung der Patentansprüche 1 bis 9 der geltenden Anspruchsfassung bestehen keine Bedenken. Der Patentanspruch 1 leitet sich vom erteilten Patentanspruch 1 sowie den Absätzen [0031] und [0054] der Streitpatentschrift her. In den ursprünglich eingereichten Unterlagen findet sich die Offenbarung in den Patentansprüchen 1 und 10 sowie auf Seite 7 Zeilen 29 bis 32, Seite 10, Zeilen 8 bis 12 und Seite 11 Zeilen 19 bis 32. Die Patentansprüche 2 bis 9 entsprechen den erteilten Patentansprüchen 2 bis 9 und sind in den ursprünglich eingereichten Patentansprüchen 2, 3, 5 bis 7, 11 und 12 offenbart.
Der durch die eingefügte Formulierung "ausschließlich zugegebener … Ton" beanspruchte Ausschluss der Zugabe von weiteren Zusatzstoffen, wie Beschleunigern zur Wiederverfestigung oder Konditioner, ist zulässig. Zwar werden derartige Beschleuniger und Konditioner, worunter beispielhaft Zement aufgezeigt wird, in der Streitpatentschrift offenbart (vgl. a. a. O. S. 6 Abs. [0034], [0035], S. 8 Abs. [0064] und S. 9 Abs. [0069]). Allerdings werden sie durch Formulierungen wie "kann" oder "bei Bedarf" lediglich als mögliche und damit nicht als notwendige Zusatzstoffe offenbart (vgl. S. 8 Abs. [0064] Z. 6 und S. 9 Abs. [0069] Z. 1).
Zudem geht sowohl aus Abs. [0031] als auch aus Abs. [0054] der Streitpatentschrift unmittelbar und eindeutig hervor, dass nur auf der Basis einer Trockenmischung aus Bodenaushub und trockenen, quellfähigen Tonen die erfindungsgemäßen Verfüllbaustoffe erhalten werden, da ausschließlich der zugesetzte Ton unter den erfindungsgemäßen Voraussetzungen sowohl die zunächst notwendige temporäre Fließfähigkeit des Gemisches als auch die spätere dauerhafte Wasserbindung und Stabilisierung des flüssig eingestellten Verfüllbaustoffes bewirkt. Gemäß der streitpatentgemäßen Lehre kommt es daher nur auf den zugesetzten Ton an, um insbesondere die beanspruchte Schwindung zu erreichen. Der Disclaimer erweitert somit den Streitgegenstand nicht.
2. Unter der Formulierung "ausschließlich zugegebener trockener, quellfähiger Ton" versteht der Fachmann, ein Tiefbauingenieur mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der selbstverfestigenden Verfüllbaustoffe, dass die beiden streitpatentgemäßen Verfahrensschritte nur mit den angegebenen Bestandteilen lokaler Bodenaushub, trockener, quellfähiger Ton und im zweiten Schritt Wasser durchgeführt werden. Dadurch erfolgt der Eintrag an kinetischer Energie zur Zerkleinerung und Aktivierung der Partikel des Trockengemischs sowie die Einstellung des Mischungsverhältnisses zwischen Bodenaushub und Ton zum Erreichen der beanspruchten Schwindung nur mit diesen Komponenten. Denn gemäß Abs. [0054] der Streitpatentschrift ist ausschließlich der zugesetzte Ton für das Erreichen der erfindungsgemäßen Voraussetzungen verantwortlich. Weitere Komponenten, insbesondere wasserbindende Mittel wie Zement, spielen somit für die erfindungsgemäße Lehre keine Rolle. Dem trägt die Patentinhaberin durch den nunmehr aufgenommenen Disclaimer und Streichung der entsprechenden Passagen in der Beschreibung Rechnung.
3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu. Er betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines selbst verfestigenden Verfüllbaustoffs mit den Merkmalen:
1. Verfahren zur Herstellung eines selbst verfestigenden Verfüllbaustoffes, wobei,
2.1 lokaler Bodenaushub und 2.2 ausschließlich zugegebener trockener, quellfähiger Ton 2.3 unter Zufuhr kinetischer Energie trocken gemischt, partiell zerkleinert und mechanisch so aufbereitet werden, dass die Bestandteile des trockenen quellfähigen Tons durch die Reibungsenergie zwischen den Partikeln des Trockengemischs eine Aktivierung erfahren, und 3. ein Mischungsverhältnis zwischen Bodenaushub und ausschließlich zugegebenen trockenem, quellfähigem Ton derart eingestellt wird, dass sich nach der Erstarrung des unter Wasserzusatz fließfähig eingestellten Gemisches für dieses eine Schwindung zwischen 0 und 3,0 Vol.-% ergibt.
Die D1 betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Trockengemischs, das neben Bodenaushub und einem wasserretendierenden Mittel auf Basis von Bentonit, welches einem auch im Streitpatent verwendeten trockenen, quellfähigen Ton entspricht, zwingend auch wasserbindende Mittel wie Zement, Kalk, Gips oder ein Gemisch davon enthält (vgl. D1 Patentanspruch 10 i. V. m. Patentansprüchen 1, 2 und 6). Die Bestandteile des Trockengemischs werden gemäß D1 unter Zufuhr kinetischer Energie gemischt, partiell zerkleinert und mechanisch so aufbereitet, dass die wasserretendierenden Bestandteile durch die Reibungsenergie zwischen den Partikeln aktiviert werden. Da erst danach Wasser zugegeben wird, erfolgt die Mischung dabei im Trockenen (vgl. D1 Patentanspruch 10, S. 7 Abs. 2 und 3, S. 9 Abs. 1). Mit der Trockenmischung erreicht die D1, dass bei deren Verfestigung keine nennenswerten Setzungen auftreten und sie sich für Hohlraumverfüllungen eignet (vgl. D1 S. 7 vorle. Satz, S. 1 Abs. 2, S. 14 Abs. 2). Von dieser Lehre unterscheidet sich das streitpatentgemäße Verfahren dadurch, dass gemäß den Merkmalen 2.1 und 2.2 der Misch-, Zerkleinerungs- und Aktivierungsprozess des Merkmals 2.3 nur mit dem Gemisch aus Bodenaushub und trockenen, quellfähigen Ton und damit ohne weitere Zuschlagsstoffe erfolgt, während in D1 der wasserbin- dende Zuschlagsstoff im Herstellprozess bei der Zufuhr kinetischer Energie zur mechanischen Aufbereitung und Aktivierung der Bestandteile des Trockengemisches anwesend ist.
Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der D1 eine Schwindung von 0 bis 3,0 Vol.-% gemäß Merkmal 3 unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass D1 allenfalls die qualitative Aussage "ohne nennenswerte Setzungen" offenbart, die allerdings nicht mit dem im Patentanspruch 1 angegebenen konkreten Wertebereich gleichgesetzt werden kann. Vielmehr bedarf es für die Neuheitsprüfung weitergehender Angaben, die den Fachmann ohne weiteres in die Lage versetzen, diese allgemeine Formulierung über Selbstverständlichkeiten hinaus mit konkreten Werten zu spezifizieren. Derartige Angaben und Informationen fehlen in der D1. Auch der von der Einsprechenden 2 in der mündlichen Verhandlung für das Merkmal 3 herangezogene EV2-Wert ist nicht geeignet, dieses Merkmal vorwegzunehmen. Zum einen handelt es sich dabei nicht um einen Messwert, mit dem die Schwindung bestimmt wird, sondern um einen Wert für die Verformbarkeit und Tragfähigkeit eines Bodens, der im Plattendruckversuch nach DIN 18134 bestimmt wird (vgl. gutachtlich die im Einspruchsverfahren von der Einsprechenden 2 angeführte Druckschrift Berger, W., gwa 2000, 80, S. 360 bis 366: S. 364 li. Sp. Abs. 2 i. V. m. Zitat [16]).
Zum anderen enthält D1 keine konkreten Wertangaben für den EV2-Wert, sondern offenbart lediglich, dass die Einstellung des erhärteten Baustoffs durch gezielte Kombination der wasserbindenden und wasserretendierenden Mittel und die Veränderung der Mengenverhältnisse der Gemischkomponenten erfolgt (vgl. D1, S. 11 vorle. Abs.). Daraus entnimmt der Fachmann aber nicht unmittelbar und eindeutig einen Wertebereich gemäß Merkmal 3.
Nicht überzeugen konnte ferner der Vortrag, dass D1 als Beispiel für wasserbindende Zuschlagsstoffe Puzzolane offenbare und der Fachmann in der Zementtechnologie darunter, wie D3 belege, quellfähige Tone subsummiere. Ausweislich der in der mündlichen Verhandlung von der Patentinhaberin sowie der Einsprechenden 2 vorgelegten Druckschriften handelt es sich bei Puzzolanen um natürlich vorkommende oder synthetische feinkörnige Materialien aus unterschiedlichen Gesteinsarten meist vulkanischen Ursprungs, die in Anwesenheit von Calciumhydroxid mit ihren Bestandteilen Kieselsäure und Tonerdesilikaten zu Calciumsilikaten reagieren (vgl. D3 S. 503 li. Sp., Abs. 2; vgl. die in der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdeführerin vorgelegte D4 Probst, E. "Handbuch der Betonsteinindustrie", Carl Marhold Verlagsbuchgesellschaft, Berlin, 7. Aufl., 1962, S. 15 bis 21,
S. 15 Abs. 4). Der Fachmann versteht somit unter dem Begriff eine Siliziumdioxidquelle, die bei Anwesenheit von Calciumhydroxid zu einem zementartigen Material abbindet. Davon unterscheidet er quellfähige Tonmaterialien wie z. B. Bentonit, da diese nicht mit Calciumhydroxid zu zementartigen Materialien abbinden. Daran ändert auch nichts, dass in D3 im Zusammenhang mit Puzzolanen von bei 500 bis 800°C gebrannten Tonen die Rede ist (vgl. D3 S. 503 re. Sp. Z. 5 bis 9). Denn zum einen geht daraus nicht hervor, ob derartig behandelte Tonmaterialien die streitpatentgemäß geforderte Quellfähigkeit besitzen. Zum anderen offenbart D1 Puzzolane nur im Zusammenhang mit wasserbindenden Mitteln, die die D1 aber stets vom wasserretendierenden Bentonit unterscheidet, so dass der Fachmann selbst in Kenntnis der D1 die Puzzulane nicht zu den wasserretendierenden Tonmaterialien zählt (vgl. D1 u. a. Patentanspruch 1, S. 6 Abs. 5, S. 8 Abs. 1).
Auch der Verweis auf die in der Einleitung der D1 beschriebenen flüssigen Verfüllmaterialien auf der Basis von Sanden mit definierten Sieblinien und Bentonitzusätzen führt zu keiner neuheitsschädlichen Vorbeschreibung des Streitgegenstands (vgl. D1 S. 3 Abs. 2). Bei den angeführten Sanden mit definierten Sieb- linien handelt es nicht um einen streitpatentgemäßen Bodenaushub. Derartige Sande werden durch Fraktionieren von sandigen Ausgangsmaterialien mittels Aussieben hergestellt. Somit unterscheiden sie sich vom lokalen Bodenaushub im streitpatentgemäßen Verfahren, der, selbst wenn es sich um den Aushub aus einem Sandboden handelt, ohne einen Siebschritt, eingesetzt wird (vgl. Streitpatent Abs. [0040], [0049]). Außerdem handelt es sich gemäß Abs. 2 auf Seite 3 der D1 bei den Verfüllmaterialien auf Basis von Sand und Bentonitzusätzen um sogenannte "Bodenmörtel", die allgemeiner Fachkenntnis zur Folge im Gegensatz zur streitpatentgemäßen Lehre zusätzlich ein wasserbindendes Mittel wie Zement enthalten, was der im Einspruchsverfahren von der Einsprechenden 1 als Entgegenhaltung 4 vorgelegte Fachartikel Werner, D. und Henning, O., "Boden-Mörtel – ein neuartiger Verfüllstoff für schmale Leitungsgräben in der Gas- und Wasserverteilung", gwf Gas – Erdgas 1998, 139, S. 112 bis 119: S. 115, li. Sp. ab siebtletzter Zeile vor Bild 2 gutachtlich belegt. Zudem offenbart D1 diese Verfüllmaterialien als Beispiel für eine mit Nachteilen verbundene technische Lösung, die die D1 zu überwinden sucht (vgl. D1 S. 3 Abs. 2 i. V. m. S. 5 le. Abs.), so dass dieses Beispiel bei der Neuheitsprüfung nur für sich zu betrachten ist und nicht mit weiteren Aussagen und Lehren der D1 in Zusammenhang zu bringen ist.
Die in der Beschwerdebegründung des Weiteren diskutierte Druckschrift D2 ist ebenfalls nicht neuheitsschädlich. Diese betrifft ein Verfahren zum Aufbereiten von tonhaltigem Erdaushub oder reinem Ton, bei dem das Ausgangsmaterial mit einem Grobmaterial vermischt und zerkleinert wird (vgl. D2 Patentansprüche 1, 2 und 9). D2 offenbart somit weder die Zugabe von Ton zu einem Bodenaushub zur Herstellung eines fließfähigen selbst verfestigenden Verfüllbaustoff noch die gezielte Einstellung eines bestimmten Mischungsverhältnisses zwischen Bodenaushub und Ton zum Erreichen einer Schwindung gemäß Merkmal 3.
4. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da weder die D1 für sich noch in einer Zusammenschau mit der D2 das beanspruchte Verfahren zur Herstellung eines selbst verfestigenden Verfüllbaustoffes nahelegen kann.
a) Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, einen Verfüllbaustoff bereitzustellen, der ein dem Bodenaushub entsprechendes Schwindverhalten aufweist, in seinen sonstigen physikalischen Eigenschaften denen des Umgebungsbodens ähnelt und zugleich Eluatbildungen bei von Wasser durchflossenen Böden vermeidet sowie einfach und fehlerresistent herstellbar ist (vgl. Streitpatentschrift S. 5 Abs. [0027], [0028], S. 6 Abs. [0033], [0037]).
b) Die Lösung dieser Aufgabe mit dem Verfahren zur Herstellung eines selbst verfestigenden Verfüllbaustoffes gemäß Patentanspruch 1 wird durch die D1 nicht nahegelegt.
Die D1 offenbart ein Verfahren zur Herstellung eines sich selbst verfestigenden Trockengemischs, das sich, wie in II.3. bereits aufgezeigt, vom streitgegenständlichen Verfahren dadurch unterscheidet, dass bei der Zufuhr kinetischer Energie zur Aktivierung der Tonbestandteile wasserbindende Mittel wie Kalk oder Zement vorhanden sind (vgl. D1 Patentanspruch 10, S. 7 Abs. 2, S. 9 Z. 3 bis 7). Der D1 ist aber keine Anregung zu entnehmen, auf das wasserbindende Mittel während dieses Verfahrensschrittes zu verzichten. Zwar weist die D1 selbst darauf hin, dass aufgrund der vorteilhaften Wirkungen des in D1 und im Streitpatent eingesetzten wasserretendierenden Mittels nur geringe Mengen wasserbindender Mittel, wie Kalk oder Zement, als festigkeitsbildende Komponenten benötigt werden, und zeigt beispielhaft geringe Zugabemengen von 1 kg/m3 bis 40 kg/m3 an wasserbindenden Mittel auf (vgl. D1 S. 11 Z. 3 bis 6 und Z. 15 bis 18). Allerdings ist diesen Textstellen weder zu entnehmen, dass gänzlich auf den Zusatz von wasserbindenden Mitteln verzichtet werden kann, noch wird der Fachmann dazu veranlasst, eine derartige Maßnahme in Betracht zu ziehen. Denn die D1 beschreibt,
dass mit den dort gelehrten Trockengemischen Verfestigungen ohne nennenswerte Setzungen beobachtet werden. Zudem ist der Baustoff nach seiner Verfestigung mit einfachen mechanischen Mitteln, z. B. einem Spaten oder einer Schaufel bearbeitbar (vgl. D1 S. 7 le. Abs.). Die D1 löst somit die streitpatentgemäße Aufgabe in ausreichenden Maß, so dass kein Anlass bestand, den Gehalt an wasserbindenden Mitteln weiter zu reduzieren.
c) Auch eine Zusammenschau von D1 mit der D2 führt nicht zu einem Naheliegen des Streitgegenstands. Die D2 zeigt ein Verfahren zur Aufbereitung von Erdaushub auf, bei dem dieser mit stückigem Grobmaterial vermischt und einem Zerkleinerungsprozess unterworfen wird (vgl. D2 Patentanspruch 1, Abs. [0001]). Dabei kann dem aufzubereitenden Material vor oder nach der Vermahlung ein Zuschlagsstoff mit Bindungsfähigkeit zugegeben werden, wie z. B. Zement oder Kalk. Die erforderliche Zugabemenge ist dabei wesentlich niedriger als bei einer Verarbeitung des Erdaushubs ohne Vermahlung mit Grobmaterial, da die vermahlenen Grobbestandteile vor allem Wasserbindefähigkeit besitzen und damit die Stabilität und Tragfähigkeit des aufbereiteten Materials erhöhen, ohne eine unzuträgliche Nachaushärtung des Materials zu provozieren (vgl. D2 Abs. [0007]). Die D2 verweist weiterhin darauf, dass häufig auf die bindefähigen Zuschlagsstoffe verzichtet werden kann, wobei gemäß den Patentansprüchen die Menge an Zuschlagsstoffen vorzugsweise unter 0,5 Gew.-% liegt (vgl. D2 Patentanspruch 5). Zudem kann gemäß D2 der Zerkleinerungsprozess analog zur Merkmalsgruppe 2.1 bis 2.3 ohne Hinzugabe von bindefähigen Zuschlagsstoffen erfolgen (vgl. D2 Patentanspruch 3 und S. 2 spaltenübergr. Satz).
Allerdings wird in D2 nicht gezielt trockener, quellfähiger Ton zum Bodenaushub hinzugegeben. Vielmehr zielt die Lehre der D2 darauf ab, Grobmaterial zum Bodenaushub zuzugeben, das wenigstens teilweise zerkleinert wird und dabei bindungsfähige Bestandteile freisetzt, so dass das Grobmaterial zwar anfänglich keine Bindungsfähigkeit aufweist, diese Eignung aber durch den Zerkleinerungsvorgang erhält. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn als Grobmaterial Beton oder anderweitige Bauabfälle verwendet werden (vgl. D2 Abs. [0006] und [0008]). In Folge dieser Lehre ist es für den Fachmann selbstverständlich, dass er bei einem Verfahren gemäß D2 gegebenenfalls auf bindefähige Zuschlagsstoffe wie Zement verzichten kann. Diese Lehre motiviert ihn aber nicht dazu, in D1 vollständig auf die wasserbindenden Mittel zu verzichten, da gemäß D1 kein Grobmaterial zum Bodenaushub zugegeben wird, aus dem beim Prozess gemäß Merkmal 2.3 bindefähige Mittel freigesetzt werden. Es handelt sich bei D1 und D2 somit um grundsätzlich verschiedene Aufbereitungsverfahren für Bodenaushub, deren einzelne Verfahrensmaßnahmen nicht beliebig austauschbar bzw. auf das jeweils andere Verfahren übertragbar sind, weshalb auch eine Zusammenschau der D1 mit der D2 das streitgegenständliche Verfahren nicht nahelegen kann.
d) Die übrigen im Einspruchsverfahren eingereichten Entgegenhaltungen können zur Auffindung der streitpatentgemäßen Lösung ebenfalls nichts beitragen, da sie, soweit sie nicht Stand der Technik zu Bentonit betreffen, zementhaltige Verfüllmaterialien aufzeigen und somit nicht über die Lehre der D1 hinausgehen.
e) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist daher vom Stand der Technik nicht nahegelegt.
5. Das Verfahren nach Patentanspruch 1 weist somit alle Kriterien der Patentfähigkeit auf, so dass dieser Patentanspruch Bestand hat.
Gleichfalls patentfähig sind die besonderen Ausführungsformen der das Verfahren zur Herstellung eines selbst verfestigenden Verfüllbaustoffs nach Patentanspruch 1 betreffenden Patentansprüche 2 bis 6 und dessen Verwendungen gemäß den Patentansprüchen 7 bis 9.
III.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den Verfahrensbeteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, eingereicht werden.
Dr. Maksymiw Schell Dr. Münzberg Dr. Jäger Fa
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