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14 W (pat) 1/14

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 1/14 Verkündet am 14. Februar 2017

…

BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 102 55 601 …

hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung am 14. Februar 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Maksymiw, der Richter Schell und Dr. Jäger sowie der Richterin Dr. Wagner BPatG 154 08.05 beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der angefochtene Beschluss der Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. November 2013 aufgehoben.

2. Das Patent 102 55 601 mit der Bezeichnung

"Verwendung eines Triphenylmethanfarbstoffs zur Herstellung eines Färbemittels bei der Netzhaut- und Glaskörperchirurgie" wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Ansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag 1 B vom 20. Januar 2017, sowie Beschreibungsseite 2 vom 14. Februar 2017 und Beschreibungsseite 3 gemäß Patentschrift.

Gründe I

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 12. November 2013 hat die Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und Markenamtes das Patent 102 55 601 mit der Bezeichnung

"Verwendung eines Triphenylmethanfarbstoffs zur Herstellung eines Färbemittels bei der Netzhaut- und Glaskörperchirurgie" widerrufen.

-3Dem Beschluss liegen die erteilten Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hauptantrag, die Patentansprüche 1 bis 7 jeweils gemäß Hilfsantrag 1 und 2A bis 3B sowie die Patentansprüche 1 bis 5 jeweils gemäß Hilfsantrag 4A bis 5B zugrunde, von denen der jeweilige Patentanspruch 1 wie folgt lautet: "1.

" (Hauptantrag) "1.

" (Hilfsantrag 1) "1.

" (Hilfsantrag 2A)

-4"1.

" (Hilfsantrag 2B) "1.

" (Hilfsantrag 3A) "1.

" (Hilfsantrag 3B)

"1.

" (Hilfsantrag 4A) "1.

" (Hilfsantrag 4B) "1.

" (Hilfsantrag 5A) "1.

" (Hilfsantrag 5B)

Der Widerruf wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Gegenstand des Hauptantrags durch Weglassen der Merkmale "der keinen Vitalfarbstoff darstellt und biokompatibel ist" im Patentanspruch 1 gegenüber den ursprünglichen Unterlagen unzulässig erweitert sei und dass der Gegenstand des jeweiligen Patentanspruchs 1 gemäß der Hilfsanträge 1 bis 5B gegenüber den Entgegenhaltungen D5 WO 99/58159 A1 und D16 Kutschera, E., Albrecht v. Graefes Arch. klin. exp. Ophthal.

1969, 178, S. 72 bis 87 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten. D5 beschreibe die Verwendung des zytotoxischen Farbstoffs Trypanblau in einer auf den pH-Wertbereich von 6,5 bis 7,5 mit Phosphat gepufferten Lösung und einer Farbstoffkonzentration von 0,01 bis 3 Gew.-% zum Anfärben der epiretinalen Membran bei der Netzhautchirurgie. Die streitpatentgemäße Lösung der sich daraus ergebenden Aufgabe, ein Färbemittel mit fehlender Zytotoxizität bereitzustellen, welches zur Visualisierung von Membranen im menschlichen oder tierischen Auge geeignet sei, werde durch D16 nahe gelegt. Dieser Druckschrift sei die Verwendung von Patentblau V zum Anfärben der menschlichen Netzhaut zu entnehmen, wobei dieser Farbstoff keine Schädigung der Netzhaut hervorrufe und damit biokompatibel sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin, mit der sie ihr Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag 1B vom 20. Januar 2017 weiterverfolgt.

Der Patentanspruch 1 gemäß dieses einzigen geltenden Anspruchssatzes lautet:

"1. Verwendung eines Triphenylmethanfarbstoffs zur Herstellung eines Färbemittels beim Aufsuchen und Entfernen der Membrana limitans interna im menschlichen Auge bei der Netzhaut- und Glaskörperchirurgie, wobei der Farbstoff biokompatibel ist und keinen Vitalfarbstoff darstellt." Zur Begründung der Beschwerde macht die Patentinhaberin geltend, dass der Patentanspruch 1 nicht unzulässig erweitert sei, zumal die aus dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 1 gestrichenen Merkmale "biokompatibel" und "kein Vitalfarbstoff" wiederaufgenommen worden und die weiteren Merkmale sowohl den ursprünglich eingereichten Unterlagen als auch der erteilten Patentschrift zu entnehmen seien.

Auch sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne, wobei die Auswahl der geeigneten Triphenylmethanfarbstoffe keinen unzumutbaren Aufwand darstelle.

Der Streitgegenstand sei neu, insbesondere auch gegenüber den in der mündlichen Verhandlung diskutierten Druckschriften D5 und D16. Die D5 betreffe nicht die Behandlung der Membrana limitans interna (ILM) und die D16 beschreibe ein augenchirurgisches Verfahren, bei dem nicht die Membrana limitans interna aufgesucht und entfernt, sondern die gesamte Netzhaut angefärbt werde.

Der Streitgegenstand in der nunmehr beanspruchten Fassung beruhe zudem auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die im angefochtenen Beschluss aufgezeigte Kombination der Dokumente D5 und D16 könne nicht zur Erfindung des Streitpatents führen. D5 beschäftige sich zwar mit dem Anfärben von Membranen im hinteren Bereich des Auges, so dass dieses Dokument ein geeigneter Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei. Da es aber weder aus D5 bekannt noch dem Fachmann aus seinem Fachwissen geläufig gewesen sei, dass Trypanblau zytotoxisch wirke, habe der Fachmann keine Veranlassung gehabt, sich von dem gemäß D5 bewährten Trypanblau abzuwenden. Selbst wenn er eine Alternative zu Trypanblau gesucht hätte, hätte er sich den weiteren in D5 genannten Farbstoffen zugewendet. Eine Veranlassung, das aus D16 bekannte Patentblau V in Betracht zu ziehen, habe daher nicht bestanden, zumal D5 aufzeige, dass der Farbstoff nicht in die Netzhaut einsickern dürfe, während in D16 der Farbstoff Patentblau V das unter der ILM liegende Netzhautgewebe anfärbe.

Die Patentinhaberin beantragt,

den Beschluss der Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. November 2013 aufzuheben und das Patent im Umfang des Hilfsantrags 1 B vom 20. Januar 2017 aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 5. September 2014 ihren Einspruch zurückgenommen und auch vorher sachlich im Beschwerdeverfahren nicht Stellung bezogen.

Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere zum Wortlaut der nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 7 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig und führt zu dem im Tenor angegebenen Ergebnis.

1. Bezüglich der Offenbarung der Patentansprüche 1 bis 7 der geltenden Anspruchsfassung bestehen keine Bedenken. Der Patentanspruch 1 leitet sich vom erteilten Patentanspruch 1 und den Abs. [0008] und [0014] der Patentschrift sowie den ursprünglich eingereichten Patentansprüchen 1, 3, 13 in Verbindung mit Seite 4 Zeilen 12 bis 17 und Seite 5 Zeilen 10 bis 14 her. Die Patentansprüche 2 bis 7 entsprechen den erteilten Patentansprüchen 2 bis 7 und den ursprünglich eingereichten Patentansprüchen 9 bis 12, 14 und 15.

2. Vor der Beurteilung der Ausführbarkeit und der Patentfähigkeit ist der Sinngehalt des Merkmals "wobei der Farbstoff … keinen Vitalfarbstoff darstellt" im geltenden Patentanspruch 1 durch Auslegung zu ermitteln. Dabei stellt die Patentschrift im Hinblick auf die dort gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon dar, so dass dieses Merkmal folglich so zu deuten ist, wie es der angesprochene Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift versteht (vgl. BGH GRUR 1999, 909 – Spannschraube; BGH GRUR 2001, 232 – Brieflocher).

Diesen Grundsätzen entsprechend entnimmt der Fachmann – ein pharmazeutischer Chemiker, der mehrere Jahre Berufserfahrung in der Entwicklung von Formulierungen von Augenarzneimitteln hat und der hinsichtlich der Anwendung in der Netzhaut- und Glaskörperchirurgie mit einem auf dem Fachgebiet der Augenchirurgie spezialisierten Mediziner zusammenarbeitet – der Streitpatentschrift, dass der patentgemäße Farbstoff kein Vitalfarbstoff ist. Vielmehr stellt er ein Färbemittel zur Visualisierung von Zellen, insbesondere von trennenden oder begrenzenden Membranen, und zur Vitalitätsprüfung dar, wobei jedoch im Unterschied zu herkömmlichen Vitalfarbstoffen mit dem streitpatentgemäßen Farbstoff neben den toten Zellen auch die lebenden Zellen eingefärbt werden (vgl. Streitpatentschrift S. 2 Abs. [0008]). Aus dieser Aussage ergibt sich für den Fachmann, dass die streitpatentgemäßen Triphenylmethanfarbstoffe als "keine Vitalfarbstoffe" sowohl lebende als auch tote Zellen anfärben, während Vitalfarbstoffe im streitpatentgemäßen Sinn nur tote Zellen anfärben.

3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist ausführbar.

Für die Ausführbarkeit ist es ausreichend, wenn in der Patentschrift ein ausführbarer Weg offenbart ist (vgl. BGH GRUR 2001, 813 – Taxol). Vorliegend werden in den Ausführungsbeispielen1 bis 3 der Streitpatentschrift mehrere Zusammensetzungen mit dem Triphenylmethanfarbstoff Patentblau V aufgezeigt, die streitpatentgemäß verwendet werden können. Des Weiteren können laut Streitpatentschrift mit dem Triphenylmethanfarbstoff Brillantblau R dieselben Zusammensetzungen herstellt werden (vgl. Streitpatent S. 3 Abs. [0018] bis [0022]. Damit offenbart die Streitpatentschrift zwei erfindungsgemäß verwendbare Triphenylmethanfarbstoffe. Zudem ist der Argumentation der Patentabteilung zu folgen, nach der der Fachmann durch einfache Färbeversuche an entsprechenden Gewebeproben ermitteln kann, ob es sich bei einem Triphenylmethanfarbstoff um einen Vitalfarbstoff im Sinne des Streitpatents handelt oder ob er sich zur Visualisierung der Membrana limitans interna eignet. Dasselbe gilt für die geforderte Biokompatibilität, die durch den im Absatz [0016] der Streitpatentschrift beschriebenen Test zur Bestimmung der Zytotoxizität überprüft werden kann. Dieser Test stellt dabei eine dem Fachmann geläufige Standardmethode dar (vgl. Schulte PatG, 9. Aufl., § 34 Rn. 358b). Die streitpatentgemäße Lehre ist somit ausführbar.

Gegen die Ausführbarkeit spricht im Übrigen nicht, dass die Streitpatentschrift keine expliziten Ausführungsbeispiele für das Aufsuchen und Entfernen der Membrana limitans interna offenbart. Denn die in der Streitpatentschrift enthaltenen Angaben vermitteln dem fachmännischen Leser so viel an technischer Information, dass er mit seinem Fachwissen und Fachkönnen in der Lage ist, die Erfindung erfolgreich auszuführen (vgl. Streitpatent Abs. [0014] i. V. m. [0013]). Es ist nicht erforderlich, dass mindestens eine praktisch brauchbare Ausführungsform als solche unmittelbar und eindeutig offenbart ist (vgl. BGH GRUR 2010, 916 – Klammernahtgerät).

4. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu. Er betrifft die Verwendung eines Triphenylmethanfarbstoffs mit den Merkmalen:

1. Verwendung eines Triphenylmethanfarbstoffs zur Herstellung eines Färbemittels

2. beim Aufsuchen und Entfernen der Membrana limitans interna bei der Netzhaut- und Glaskörperchirurgie

3. im menschlichen Auge, 4. wobei der Farbstoff biokompatibel ist und keinen Vitalfarbstoff darstellt.

Die Druckschrift D5 beschäftigt sich mit der Anfärbung von retinalen Membranen zur Behandlung der proliferativen Vitreoretinopathie (PVR), von Makulaforamen oder Gliosen. Dazu werden in D5 Vitalfarbstoffe eingesetzt, die bei einer physiologisch und toxikologisch akzeptablen Konzentration eine ausreichende Anfärbekapazität aufweisen (vgl. D5 Patentansprüche 1, 3, S. 2 Z. 18 bis 25, S. 3 Z. 13 bis 15, S. 4 Z. 4 bis 8). Neben dem in D5 hauptsächlich untersuchten Farbstoff Trypanblau werden dazu eine Reihe von Farbstoffen als geeignete Vitalfarbstoffe offenbart, darunter auch Gentianaviolett, ein Triphenylmethanfarbstoff (vgl. D5 S. 4 Z. 19 bis 24). D5 beschreibt aber nicht die Verwendung eines Triphenylmethanfarbstoffs zum Aufsuchen und Entfernen der Membrana limitans interna im menschlichen Auge gemäß Merkmal 2. Denn D5 definiert die in dieser Druckschrift behandelten retinalen Membranen entweder als epiretinale Membranen oder als sogenannte PVR-Membranen, d. h. als solche Membranen, die sich durch natürliche Heilungsprozesse auf der Netzhaut als Antwort auf eine Verletzung, z. B. auf eine Netzhautablösung, bilden (vgl. D5 S. 1 Z. 31 bis S. 2 Z. 25). Somit handelt es sich bei den retinalen Membranen gemäß D5 um sogenannte fibrotische Membranen, die das Ergebnis eines pathologischen Wachstums neuer Membranen auf der Netzhaut sind, wobei diese neu entstandenen Membranen zu Spannungen und Zugkräften auf der Netzhaut führen (vgl. D5 S. 2 Z. 4 bis 8 und Z. 28 bis 31 sowie S. 5 Z. 14 bis 17). Demgegenüber ist die Membrana limitans interna Bestandteil der natürlichen Struktur der Netzhaut (siehe dazu auch D5 S. 1 Z. 10 bis 11). Sie ist damit keine neu entstandene Membran und nicht fibrotisch. Die durch die streitpatentgemäße Verwendung aufgesuchte und entfernte Membrana limitans interna ist folglich nicht von den retinalen Membranen der D5 umfasst, so dass diese Druckschrift dem Streitgegenstand nicht neuheitsschädlich entgegensteht.

Die D16 beschreibt die Färbung der kompletten Netzhaut mit dem Triphenylmethanfarbstoff Patentblau V, um Netzhautschäden, wie z. B. Ablösungen oder Risse, sichtbar zu machen. Dazu lässt man den Farbstoff nach Injektion in den Glaskörper mehrere Tage einwirken (vgl. D16 S. 72 "Zusammenfassung", S. 84 bis S. 86 Abs. 1). Eine spezifische Färbung der Membrana limitans interna zu deren Entfernung gemäß Merkmal 2 ist dieser Druckschrift jedoch nicht entnehmen.

Die übrigen dem Senat vorliegenden und weder in den schriftlichen Eingaben noch in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Neuheit aufgegriffenen Entgegenhaltungen können die Neuheit der Verwendung nach Patentanspruch 1 ebenfalls nicht angreifen, da sie sich nicht mit der Verwendung eines Triphenylmethanfarbstoffs beim Aufsuchen und Entfernen der Membrana limitans interna im menschlichen Auge beschäftigen.

5. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, ein Färbemittel mit fehlender Zytotoxizität bereitzustellen, welches zur Visualisierung der Membrana limitans interna im menschlichen Auge während der Netzhaut- und Glaskörperchirurgie geeignet ist (vgl. Streitpatent S. 2 Abs. [0006] i. V. m. dem geltenden Patentanspruch 1).

Die Lösung dieser Aufgabe mit der Verwendung eines Triphenylmethanfarbstoffs gemäß Patentanspruch 1 wird durch die D5 nicht nahe gelegt. Diese Druckschrift beschäftigt sich mit dem Problem der schlechten Sichtbarkeit von epiretinalen und PVR-Membranen bei vitreoretinalen Operationen (vgl. D5 S. 3 Abs. 1 i. V. m. S. 2 Z. 23 bis 25). Als Lösung schlägt D5 vor, selektiv die fibrotischen epiretinalen und PVR-Membranen anzufärben, während das nicht-fibrotische retinale Gewebe darunter im Wesentlichen nicht oder wenigstens deutlich weniger angefärbt wird (vgl. D5 S. 3 Z. 16 bis 21 i. V. m. S. 2 Z. 28 bis 35 und S. 5 Z. 14 bis 17). Dies erreicht die D5 mit einem Vitalfarbstoff, der eine ausreichende Anfärbekapazität bei einer physiologisch und toxikologisch akzeptablen Konzentration aufweist. Als Beispiele für derartige Vitalfarbstoffe benennt die D5 eine Vielzahl von Farbstoffen aus unterschiedlichen Farbstoffklassen und weist in den Ausführungsbeispielen insbesondere auf den Diazofarbstoff Trypanblau hin (vgl. D5 S. 4 Z. 4 bis 24 und S. 8 Beispiele 1 und 2). Damit gibt die D5 keine Anregung, die natürlich und auch im gesunden Auge vorkommende, nicht fibrotische Membrana limitans interna mit Hilfe eines Färbemittels gemäß Merkmal 2 aufzusuchen und zu entfernen.

Daran ändert auch die Erwähnung von Gentianaviolett, das in der Fachwelt auch als Kristallviolett bezeichnet wird, in D5 nichts (vgl. D5 S. 4 Z. 19 bis 24, v. a.

Z. 22). Gentianaviolett gehört zwar zu der Farbstoffklasse der Triphenylmethanfarbstoffe. Allerdings ist Gentianaviolett in D5 nur ein einziges Mal im Rahmen der Aufzählung einer Vielzahl von gemäß D5 geeigneten Vitalfarbstoffen offenbart. Da es somit weder als bevorzugter Vitalfarbstoff aufgezeigt noch in den Ausführungsbeispielen eingesetzt worden ist und es zudem am maßgeblichen Prioritätstag des Streitpatents zum fachmännischen Wissen gehört hat, dass Gentianaviolett-haltige okulare Anfärbemittel bei Farbstoffkonzentrationen über 0,05 % erhebliche toxische Nebenwirkungen aufweisen (vgl.

D11 Eldin, S. A. G., et al., J. Cataract. Refract. Surg., 1999, 25, S. 1289 bis 1294 S. 1289 "Abstract", Abs. "Results" und S. 1294 li. Sp. vorle. Abs.), erhält der Fachmann durch diese Offenbarung keine Veranlassung, sich von den in D5 bevorzugten Farbstoffen, insbesondere von Trypanblau, abzuwenden und sich mit der Gruppe der biokompatiblen Triphenylmethanfarbstoffe näher zu befassen.

Auch die D16 kann weder für sich noch in einer Zusammenschau mit der D5 dem Fachmann Anregungen dahingehend vermitteln, zur Lösung der dem Streitpatent zu Grunde liegenden Aufgabe biokompatible Triphenylmethanfarbstoffe beim Aufsuchen und Entfernen der Membrana limitans interna bei der Netzhaut- und Glaskörperchirurgie zu berücksichtigen. In der D16 wird zwar die Färbung der Netzhaut mit dem Triphenylmethanfarbstoff Patentblau V offenbart. Dies dient aber nach der Lehre dieser Druckschrift dazu, Netzhautdefekte, wie z. B. Netzhautablösungen, sichtbar zu machen. Dazu wird die Patentblau-haltige Farbstoffzusammensetzung intravitreal in den Glaskörperraum injiziert und die Farbstoffverteilung im Auge über mehrere Tage beobachtet. Dabei kommt es zu einer unspezifischen Färbung sämtlicher Netzhautschichten (vgl. D16 S. 83 Abs. 2 bis S. 86 Abs. 1). Da es dem Fachmann außerdem bekannt war, dass zur spezifischen Anfärbung der Membrana limitans interna eine sehr kurze Einwirkdauer von wenigen Minuten entscheidend ist (vgl. z. B.

D26 Da Mata, A. P., et al., Ophthalmology, 2001, 108, S.1187 bis 1192 S. 1187 Zusammenfassung, Abs. "Intervention" und S. 1189 li. Sp. Abs. 4), kann ihn die D16 somit nicht dazu motivieren, für die Färbung einzelner Netzhautschichten und insbesondere der Membrana limitans interna Patentblau V bzw. die Gruppe der Triphenylmethanfarbstoffe in Betracht zu ziehen. Im Übrigen spricht auch die Einwirkdauer bei der Färbung epiretinaler Membranen gemäß D5 gegen eine Kombination der D5 mit der D16. Denn auch epiretinale Membranen werden in der Fachwelt bei der proliferativen Vitreoretinographie nur wenige Minuten angefärbt (vgl. z. B.

D25 Feron, E. J., et al., Arch. Ophthalmol., 2002, 120, S. 141 bis 144 S. 141 Zusammenfassung, Abs. "Methods"). Dies steht aber im Widerspruch zu der mehrere Tage andauernden Einwirkdauer der Farbstofflösung gemäß D16, so dass der Fachmann die Lehren dieser beiden Druckschriften nicht im Zusammenhang gesehen hat.

Die übrigen dem Senat vorliegenden und in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffenen Entgegenhaltungen können zur Auffindung der streitpatentgemäßen Lösung ebenfalls nichts beitragen, da sie, soweit sie nicht nachveröffentlicht sind oder lediglich allgemeinen Stand der Technik zu Triphenylmethanfarbstoffen und Bestandteilen von ophthalmologischen Arzneimitteln betreffen, weder Vitalfarbstoffe im streitpatentgemäßen Sinn noch die Darstellung anderer Augenbestandteile insbesondere der Linsenvorderkapsel aufzeigen.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist daher vom Stand der Technik nicht nahegelegt.

6. Nachdem die Verwendung eines Triphenylmethanfarbstoffs nach Patentanspruch 1 alle Kriterien der Patentfähigkeit aufweist, hat dieser Patentanspruch Bestand.

Gleichfalls patentfähig sind die besonderen Ausführungsformen der die Verwendung eines Triphenylmethanfarbstoffs nach Patentanspruch 1 betreffenden Patentansprüche 2 bis 7.

III Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den Verfahrensbeteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, eingereicht werden.

Dr. Maksymiw Schell Dr. Jäger Dr. Wagner Fa

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