6 StR 293/25
BUNDESGERICHTSHOF StR 293/25 BESCHLUSS vom 24. September 2025 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2025:240925B6STR293.25.0 Der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. September 2025 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 13. März 2025 aufgehoben, wobei die Feststellungen jeweils aufrecht erhalten bleiben,
a) in den Fällen II.2.10 und II.2.11 der Urteilsgründe,
b) im Strafausspruch im Fall II.2.2 der Urteilsgründe,
c) im Gesamtstrafenausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Vergewaltigung, wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen und Körperverletzung, wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in sechs Fällen sowie wegen sexueller Belästigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II.2.10 der Urteilsgründe wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und im Fall II.2.11 der Urteilsgründe wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen unterliegt der Aufhebung, weil die Feststellungen des Landgerichts zum Strafanwendungsrecht insoweit lückenhaft sind. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift ausgeführt:
„Während die Taten II.2.1 bis II.2.9 der Urteilsgründe in der Bundesrepublik begangen worden sind, ereigneten sich die übrigen beiden Taten in dem von der Familie zu diesem Zeitpunkt bewohnten Einfamilienhaus in Polen. Der Angeklagte ist in Polen geboren. Aus dem Rubrum ergibt sich überdies, dass er polnischer Staatsangehöriger ist. Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Nebenklägerin sind hingegen nicht getroffen worden. Aus den Angaben der Mutter der Nebenklägerin, sie sei im Jahr 2010 ‚von den Philippinen ins Saarland gekommen‘, lassen sich keine sicheren Rückschlüsse ziehen.
Damit lässt sich aus den bisherigen Feststellungen eine Anwendung deutschen Strafrechts nicht entnehmen. Unbesehen der Frage, ob der Angeklagte trotz des Umzugs der Familie nach Polen seinen Lebensmittelpunkt im Inland hatte, kommt eine Anwendung deutschen Strafrechts auch nach § 5 Nr. 8 StGB nicht in Betracht. Die Regelung ist erst durch Gesetz vom 26. Juli 2023 (BGBl. I Nr. 203, S. 1 ff.) mit Wirkung zum 1. Oktober 2023 und damit nach Begehung der Taten (August 2023) eingefügt worden. Einer Rückwirkung der Änderung steht § 2 Abs. 1, Abs. 3 StGB entgegen (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 8. April 2025 – 1 StR 113/25, Rn. 5).“
Dem schließt sich der Senat an.
2. Die Bemessung der Einzelstrafe im Fall II.2.2 der Urteilsgründe hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat in diesem Fall strafschärfend berücksichtigt, dass die Nebenklägerin noch erheblich von der Schutzaltersgrenze des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB aF entfernt war. Diese Erwä- gung geht hier angesichts des festgestellten Alters von zwölf Jahren fehl (vgl.
BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2023 – 3 StR 436/22, Rn. 10; vom 23. November 2021 – 2 StR 373/21, Rn. 5; vom 4. Dezember 2014 – 4 StR 477/14, Rn. 9). Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer ohne diese Erwägung zu einer milderen Strafe gelangt wäre (§ 337 Abs. 1 StPO).
3. Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fälle II.2.10 und II.2.11 sowie des Strafausspruchs im Fall II.2.2 der Urteilsgründe entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.
Die jeweiligen Feststellungen können bestehen bleiben, weil sie von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen; zu den tatsächlichen Voraussetzungen deutschen Strafanwendungsrechts wird es weitergehende Feststellungen zu treffen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 8. April 2025 – 1 StR 113/25, Rn. 8).
4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die strafschärfende Berücksichtigung des Abstands zur Schutzaltersgrenze des § 174 Abs. 1 StGB auch in den Fällen II.2.10 und II.2.11 der Urteilsgründe nicht unbedenklich wäre.
von Schmettau Wenske Fritsche Arnoldi RinBGH Dr. Dietsch ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert.
von Schmettau Vorinstanz: Landgericht Frankfurt (Oder), 13.03.2025 - 24 KLs 6/24 264 Js 31976/23