AnwZ (Brfg) 72/18
BUNDESGERICHTSHOF AnwZ (Brfg) 72/18 BESCHLUSS vom
28. Januar 2019 in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ECLI:DE:BGH:2019:280119BANWZ.BRFG.72.18.0 Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Paul sowie die Rechtsanwältin Schäfer und den Rechtsanwalt Prof. Dr. Schmittmann am 28. Januar 2019 beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das am 15. August 2018 verkündete Urteil des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Kammergerichts wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Kläger wurde im Jahr 2000 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 14. September 2017 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers wegen Vermögensverfalls. Die Klage des Klägers gegen diesen Bescheid ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 36/16, juris Rn. 3; vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 3). Daran fehlt es hier. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senates.
a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind Schuldtitel und Vollstreckungsmaßnahmen, die sich gegen den Rechtsanwalt richten (BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 2010 - AnwZ (B) 119/09, NJW-RR 2011, 483 Rn. 12; vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 4; vom 20. Dezember 2013 - AnwZ (Brfg) 40/13, juris Rn. 4; vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, Rn. 4; vom 29. Mai 2018 - AnwZ (Brfg) 71/17, juris Rn. 4). Gibt es Beweisanzeichen wie offene Forderungen, Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, welche den Schluss auf den Eintritt des Vermögensverfalls zulassen, kann der betroffene Rechtsanwalt diesen Schluss nur dadurch entkräften, dass er umfassend darlegt, welche Forderungen im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides gegen ihn bestanden und wie er sie - bezogen auf diesen Zeitpunkt - zurückführen oder anderweitig regulieren wollte (BGH, Urteil vom 9. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 51/13, juris Rn. 14; Beschluss vom 29. Mai 2018 - AnwZ (Brfg) 71/17, juris Rn. 4). Von diesen Grundsätzen ist der Anwaltsgerichtshof ausgegangen.
Der Widerrufsbescheid weist Forderungen gegen den Kläger in Höhe von insgesamt 53.178,01 € sowie eine Forderung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in unbekannter Höhe aus; die letztgenannte Forderung hat die Beklagte im Verlauf des Verfahrens vor dem Anwaltsgerichtshof - bezogen auf den Zeitpunkt des Widerrufs - auf 33.866,84 € beziffert. Der Kläger hat ohne Darlegung von Einzelheiten und ohne Belege erklärt, die Forderungen seien teilweise erledigt, teilweise doppelt erfasst und teilweise streitig; insbesondere die Forderung des Finanzamts sei "viel geringer". Der Anwaltsgerichtshof hat diesen Vortrag für unerheblich gehalten, weil nicht ersichtlich sei, dass der Kläger im Zeitpunkt des Widerrufs in der Lage gewesen sei, diese niedrigeren Forderungen zu begleichen. In der Begründung seines Zulassungsantrags verweist der Kläger gleichwohl nur auf seine unzulängliche Klagebegründung. Das reicht nicht aus, um Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zu wecken.
b) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherten Maßnahme verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 15; vom 21. Februar 2018 - AnwZ (Brfg) 72/17, juris Rn. 12; vom 5. März 2018 - AnwZ (Brfg) 52/17, juris Rn. 8).
Nach Ansicht des Klägers hat der Anwaltsgerichtshof eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ohne hinreichende Prüfung bejaht und auch nicht geprüft, ob mildere Mittel als die Entziehung der Zulassung möglich gewesen wären. Er, der Kläger, sei nahezu ausschließlich auf dem Gebiet des Sozialrechts tätig. Eine Verletzung von Vermögensinteressen der Mandanten oder Dritter sei bei dieser Tätigkeit auszuschließen, weil kein Fremdgeld verwaltet werde. Das reicht nicht aus. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind überdies grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2017, aaO Rn. 17 mwN).
2. Dem Anwaltsgerichtshof ist auch kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem sein Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Insbesondere hat der Anwaltsgerichtshof nicht gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen.
a) Im Antrag auf Zulassung der Berufung wegen eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren erster Instanz, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (BGH, Beschlüsse vom 6. Februar 2012 - AnwZ (Brfg) 42/11, juris Rn. 19 mwN; vom 29. Mai 2018 - AnwZ (Brfg) 71/17, juris Rn. 11).
b) Diesen Voraussetzungen genügt der Zulassungsantrag nicht. Der Kläger meint ohne Darlegung von Einzelheiten, der Anwaltsgerichtshof hätte ihm Gelegenheit geben müssen, näher zum Stand seiner Verbindlichkeiten vorzutragen und seine Angaben zu belegen. Das reicht nicht aus, zumal der Kläger die fehlenden Angaben auch in der Begründung des Zulassungsantrags nicht ergänzt und keinen geeigneten Beweis angetreten hat.
III. 11 Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Kayser Schäfer Lohmann Schmittmann Paul Vorinstanz: AGH Berlin, Entscheidung vom 15.08.2018 - II AGH 11/17 -