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6 StR 114/20

BUNDESGERICHTSHOF StR 114/20 BESCHLUSS vom 28. Juli 2020 in der Strafsache gegen

1. 2. 3.

wegen Betrugs u.a.

ECLI:DE:BGH:2020:280720B6STR114.20.2 Der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Juli 2020 beschlossen:

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 3. Dezember 2019, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagten unter anderem wegen mehrfachen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs zu Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Die Revisionen rügen erfolgreich, die Hauptverhandlung sei unter Verletzung von § 229 Abs. 1 StPO am achten Verhandlungstag, Montag, den 23. September 2019, unterbrochen und erst nach einer Unterbrechung von 22 Tagen am Mittwoch, den 16. Oktober 2019, fortgesetzt worden (§ 349 Abs. 4 StPO).

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die auf eine Entscheidung des Reichsgerichts vom 27. Februar 1923 (I 112/23, RGSt 57, 266, 267) zurückgeht, handelt es sich bei der in § 229 Abs. 1 StPO normierten Unterbrechungsfrist nicht um eine Frist im Sinne der §§ 42, 43 StPO, sondern um eine eigenständige „Zwischenfrist“, das heißt um einen zwischen zwei Verhandlungstage eingeschobenen Unterbrechungszeitraum, in dessen Berechnung weder der Tag, an dem die Unterbrechung angeordnet wird, noch derjenige, an dem die Verhandlung fortgesetzt wird, einzurechnen ist (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 20. März 2014 – 3 StR 408/13, BGHR StPO § 229 Unterbrechungsfrist 1; vom 18. Februar 2016 – 1 StR 590/15, BGHR StPO § 229 Abs. 3 Beschluss 1; vom 29. November 2016 – 3 StR 235/16, NStZ 2017, 424, und vom 26. Mai 2020 – 5 StR 65/20 Rn. 3). Diese Auffassung wird in der Literatur überwiegend geteilt (vgl. LR-StPO/Becker, 27. Aufl., § 229 Rn. 6; SK-StPO/Wolter, 5. Aufl., § 229 Rn. 3; MüKo-StPO/Arnoldi, § 229 Rn. 14; KK-StPO/Gmel, 8. Aufl., § 229 Rn. 7; Temming in Dölling/Duttge/König/Rössner, Gesamtes Strafrecht, 4. Aufl., § 229 StPO Rn. 6; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 229 Rn. 9; aA SSW-StPO/Grube, 4. Aufl., § 229 Rn. 8).

Der eigenständige Charakter der Unterbrechungsfrist ergibt sich insbesondere daraus, dass der Gesetzgeber vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Reichsgerichts durch das Erste Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts (1. StVRG) vom 9. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3393) die nunmehr in § 229 Abs. 4 Satz 2 StPO enthaltene Regelung eingeführt hat, wonach die Hauptverhandlung am nächsten Werktag fortgesetzt werden kann, wenn der Tag nach Ablauf der Frist ein Sonntag, ein allgemeiner Feiertag oder ein Sonnabend ist. Dadurch sollte für die Unterbrechung der Hauptverhandlung eine dem § 43 Abs. 2 StPO entsprechende Vorschrift geschaffen werden (vgl. BT-Drucks. 7/551, S. 81).

2. Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass – von Fällen des § 229 Abs. 4 Satz 2 StPO abgesehen – zwischen dem Unterbrechungs- und dem Fortsetzungstermin nicht mehr als 21 Tage liegen dürfen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Mai 2013 – 4 StR 106/13 Rn. 4; vom 29. November 2016 – 3 StR 235/16 aaO; vom 24. September 2019 – 2 StR 194/19 Rn. 4, und zuletzt – tragend – Beschluss vom 26. Mai 2020 – 5 StR 65/20 Rn. 4; anders noch BGH, Beschlüsse vom 20. März 2014 – 3 StR 408/13, und vom 18. Februar 2016 – 1 StR 590/15 aaO).

a) Die Berechnung der Dreiwochenfrist bemisst sich aufgrund des eigenständigen Charakters der Regelung originär nach § 229 Abs. 1 StPO. Da die Vorschriften der §§ 42, 43 StPO nicht anwendbar sind, gilt dies erst recht für die allgemeinen Fristenregeln der §§ 186 ff. BGB. Dabei kann dahinstehen, ob eine für die Anwendbarkeit dieser Auffangnormen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juli 2014 – 5 StR 270/14 Rn. 2, BGHR BZRG § 46 Abs. 1 Tilgungsfrist 3; Staudinger/Repgen, BGB, Neubearb. 2019, § 186 Rn. 17) erforderliche Regelungslücke im Strafprozessrecht überhaupt besteht (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 10. Mai 2007 – 3 Ss OWi 1532/06, juris Rn. 7); von Alten, StV 2020, 437, 438). Sie fehlt jedenfalls im Bereich der Unterbrechungsregelung des § 229 StPO. Die Einführung der Regelung des § 229 Abs. 4 Satz 2 StPO durch das 1. StVRG belegt, dass der Gesetzgeber die Regelungen der §§ 186 ff. BGB, insbesondere die entsprechende Vorschrift des § 193 BGB, nicht für anwendbar erachtete; auch den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 7/551, S. 80 f.) lässt sich nichts Anderes entnehmen.

b) Die Auslegung des § 229 Abs. 1 StPO ergibt, dass der Zeitraum von drei Wochen höchstens 21 Tage umfasst.

aa) Das folgt schon aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, wonach die Woche eine gebräuchliche Zeiteinheit von sieben Tagen ist (vgl. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 2. Aufl. 1995; Brockhaus – Die Enzyklopädie, 20. Aufl. 1996-1999 Bd. 24; Duden 07. Das Herkunftswörterbuch, 4. Aufl.

2007). Dem entspricht der juristische Sprachgebrauch, der in gesetzlichen Vorschriften über die Dauer der Woche zum Ausdruck kommt. So wird gemäß § 339 Satz 1 SGB III im Bereich der Arbeitsförderung eine Woche mit sieben Tagen berechnet, und § 21a Abs. 2 ArbZG bestimmt für die Beschäftigung von Arbeitnehmern im Straßentransport, dass eine Woche den Zeitraum von Montag 0 Uhr bis Sonntag 24 Uhr umfasst. Ansonsten wird im Arbeitszeitrecht unter dem Begriff der Woche ein beliebiger Zeitraum von sieben aufeinander folgenden Tagen verstanden (vgl. Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, 9. Aufl., § 21a ArbZG Rn. 3). Schließlich ist den gesetzlichen Auslegungsregeln in Art. 36 Abs. 4 WG und § 359 Abs. 2 HGB zu entnehmen, dass eine Woche einen Zeitraum von sieben Tagen umfasst. Danach bedeutet die Verwendung des Ausdrucks „acht Tage“ nicht eine Woche, sondern volle acht Tage. Diese Auslegungsregeln dienen der Klarstellung in Fällen, in denen die Wendung „acht Tage“ gelegentlich synonym für eine Woche gebraucht wird. Dabei handelt es sich um einen altertümlichen Sprachgebrauch, der auf die Zivilkomputation zurückgeht und die in § 187 Abs. 1 BGB sowie § 188 Abs. 2 BGB – ebenso wie letztlich auch in § 43 Abs. 1 und § 229 Abs. 1 StPO – vorgesehene Verlagerung des Fristbeginns auf den dem fristauslösenden Ereignis folgenden Tag antizipiert (vgl. Staudinger/Repgen aaO, § 186 Rn. 24 und § 187 Rn. 2; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 5. Aufl., § 359 Rn. 3).

bb) Auch der Normzweck des § 229 Abs. 1 StPO gebietet, unter dem Zeitraum von drei Wochen nur 21 Tage zu verstehen. Die in den Unterbrechungsvorschriften zum Ausdruck kommende Konzentrationsmaxime und das Beschleunigungsgebot stehen einer extensiven Auslegung der Vorschrift entgegen (vgl. LR-StPO/Becker aaO, § 229 Rn. 1; Mandla, NStZ 2011, 1 jeweils mwN).

c) Da die Hauptverhandlung am Montag, den 23. September 2019, unterbrochen worden war, begann die Unterbrechungsfrist am Dienstag, den 24. September 2019, zu laufen und endete mit Ablauf des Montags, 14. Oktober 2019. Die Hauptverhandlung hätte deshalb spätestens am Dienstag, den 15. Oktober 2019, fortgesetzt werden müssen.

4. Das Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen § 229 StPO kann nur in Ausnahmefällen ausgeschlossen werden (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 26. Mai 2020 – 5 StR 65/20 Rn. 5 mwN). Solche besonderen Umstände sind hier nicht ersichtlich.

Sander Schneider Tiemann von Schmettau Fritsche Vorinstanz: Hannover, LG, 03.12.2019 - 6433 Js 47003/18 46 KLs 10/19

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4 43 StPO
2 21 ArbZG
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2 42 StPO
1 187 BGB
1 188 BGB
1 193 BGB
1 359 HGB
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