VIa ZR 269/21
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VIa ZR 269/21 URTEIL in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2025:180325UVIAZR269.21.0 Der VIa. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 2025 durch die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. C. Fischer als Vorsitzende, die Richterinnen Möhring, Dr. Vogt-Beheim, die Richter Messing und Dr. F. Schmidt für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20. August 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung hinsichtlich des Berufungsantrags zu 2c, hinsichtlich des Berufungsantrags zu 3 sowie hinsichtlich des Berufungsantrags zu 2a insoweit zurückgewiesen worden ist, als der Kläger Zahlung in Höhe von 19.333,45 € (36.500 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung von 17.166,55 €) nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des dort näher bezeichneten Fahrzeugs verlangt.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Streitwert für die Revision wird auf bis 22.000 € festgesetzt.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im Oktober 2016 einen gebrauchten Mercedes-Benz E 350 CDI, der mit einem Motor des Typs OM 642 (Schadstoffklasse Euro 5) ausgestattet ist.
Der Kläger hat in den Vorinstanzen mit seinen Hauptanträgen die Feststellung der Schadensersatzpflicht (Berufungsantrag zu 2) und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Berufungsantrag zu 3) begehrt. Hilfsweise hat er die Erstattung des Kaufpreises nebst Zinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs (Berufungsantrag zu 2a), die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden (Berufungsantrag zu Antrag zu 2b) sowie die Freistellung von Finanzierungskosten (Antrag zu 2c) verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat im tenorierten Umfang zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:
Ein Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV bestehe nicht, weil der geltend gemachte Anspruch nicht im Aufgabenbereich der vorgenannten Vorschriften liege. Auch ein Anspruch aus § 826 BGB bestehe nicht. Der Vortrag des Klägers sei zu pauschal. Er lasse nicht den Schluss auf das Vorliegen prüfstandsbezogener Abschalteinrichtungen zu.
II.
Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
1. Es begegnet im Ergebnis keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Verfahrensrügen der Revision hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).
2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso BGH, Urteile vom 20. Juli 2023 - III ZR 267/20, WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
Das Berufungsurteil ist demnach im tenorierten Umfang aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil es sich insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher im tenorierten Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom 26. Juni 2023 (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.
C. Fischer Messing Möhring Vogt-Beheim F. Schmidt Vorinstanzen: LG Krefeld, Entscheidung vom 23.01.2020 - 3 O 160/19 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 20.08.2021 - I-22 U 54/20 - Verkündet am: 18. März 2025 Wendt, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle