3 StR 227/25
BUNDESGERICHTSHOF StR 227/25 BESCHLUSS vom 23. Juli 2025 in der Strafsache gegen wegen schwerer Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2025:230725B3STR227.25.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 23. Juli 2025 gemäß § 349 Abs. 2, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 19. November 2024 wird verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen, der Körperverletzung, der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln, der Hehlerei sowie des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten der schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen, der Körperverletzung, der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Verabreichen von Betäubungsmitteln, der Hehlerei sowie des „unerlaubten“ Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen. Es hat ihn deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete und auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Beanstandung der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
2. Der Schuldspruch im Fall II. 2. c) der Urteilsgründe (Tat 3) erweist sich als rechtlich defizitär.
a) Nach den vom Landgericht zu dieser Tat rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hielt sich der Angeklagte, ein Facharzt für Anästhesie, an einem Nachmittag im Herbst 2021 mit der Nebenklägerin – seiner damaligen Lebensgefährtin – in seiner Wohnung auf. Um ihre Bereitschaft zu von ihm gewünschten sexuellen Aktivitäten zu wecken, versetzte er ein Glas Orangensaft heimlich mit Bröseln einer Ecstasy-Tablette und reichte es ihr. In Unkenntnis des Umstandes, dass das Getränk mit einer Droge versetzt war, trank die im Umgang mit Betäubungsmitteln unerfahrene Nebenklägerin einige Schlucke. Sodann bemerkte sie die Krümel in dem Glas und fragte den Angeklagten, was er ihr gegeben habe. Wahrheitswidrig antwortete dieser, er habe zu ihrer Entspannung das Benzodiazepin Dormicum in das Getränk getan. Als die Nebenklägerin, die als ausgebildete Intensivkrankenschwester um die Wirkung von Dormicum wusste, bei sich stark geweitete Pupillen und damit eine mit der Einnahme dieses Medikaments unvereinbare Reaktion bemerkte, räumte der Angeklagte ein, Drogen in das Getränk getan zu haben. Daraufhin geriet die Nebenklägerin in Panik, schloss sich angsterfüllt allein im Schlafzimmer der Wohnung ein und fiel in einen vom Angeklagten billigend in Kauf genommenen starken Drogenrausch mit deutlicher Bewusstseinseintrübung, an dessen Dauer sie sich nachfolgend nicht mehr zu erinnern vermochte.
b) Das Landgericht hat den vollumfänglich geständigen Angeklagten wegen dieser Tat der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Verabreichen von Betäubungsmitteln schuldig gesprochen. Das hält der revisionsrechtlichen Kontrolle nicht in vollem Umfang stand.
aa) Rechtsfehlerfrei ist der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1, Nr. 3 StGB. Indem der Angeklagte das unwissende Tatopfer veranlasste, das Rauschgift zu sich zu nehmen, brachte er ihr Gift im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 StGB mittels eines hinterlistigen Überfalls im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB bei. Die Einnahme der Droge führte zu einer erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigung des Tatopfers.
bb) Tateinheitlich hierzu hat sich der Angeklagte wegen Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b Alternative 2 BtMG, nicht jedoch – wie von der Strafkammer angenommen – wegen Verabreichens von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b Alternative 1 BtMG strafbar gemacht. Denn wird ein Betäubungsmittel zum sofortigen Gebrauch an Ort und Stelle hingegeben, ist die Tatbestandsvariante des Überlassens zum unmittelbaren Verbrauch erfüllt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2024 – 3 StR 453/23, StV 2025, 8 Rn. 5 mwN; vom 9. Januar 2024 – 2 StR 443/23, NStZ-RR 2024, 176; vom 8. Februar 2022 – 3 StR 458/21, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 1 Verbrauchsüberlassung 1 Rn. 7 mwN).
Das gilt auch dann, wenn der Täter – wie hier – einem anderen ein Lebensmittel zum sofortigen Verzehr übergibt, dabei verschweigt, dass dieses Betäubungsmittel enthält, und der Empfänger das Rauschgift daher unwissentlich konsumiert (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2022 – 3 StR 458/21, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 1 Verbrauchsüberlassung 1 Rn. 8). Die Abgrenzung des Tatbestands des Verabreichens von demjenigen der Verbrauchsüberlassung bestimmt sich allein nach dem äußeren Geschehensablauf. Ein Verabreichen ist gegeben, wenn der Täter dem Empfänger das Betäubungsmittel ohne dessen aktive Mitwirkung zuführt, etwa durch Injizieren, Einreiben oder Einflößen (Fremdapplikation; vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2022 – 3 StR 458/21, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 1 Verbrauchsüberlassung 1 Rn. 9; BeckOK BtMG/Hochstein, 27. Ed., § 29 Rn. 597; Patzak/Fabricius/Patzak, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 1198; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 1538). Übergibt der Täter dagegen einer anderen Person Betäubungsmittel und führt diese sie sich eigenständig zu (Eigenapplikation), ist der Tatbestand der Verbrauchsüberlassung verwirklicht (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2022 – 3 StR 458/21, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 1 Verbrauchsüberlassung 1 Rn. 9; BeckOK BtMG/Hochstein, 27. Ed., § 29 Rn. 601; Patzak/Fabricius/Patzak, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 1205 f.; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 1544). Darauf, ob der Empfänger Kenntnis davon hat, dass er ein Betäubungsmittel konsumiert, kommt es demgegenüber nicht an (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2022 – 3 StR 458/21, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 1 Verbrauchsüberlassung 1 Rn. 9; BeckOK BtMG/Hochstein, 27. Ed., § 29 Rn. 602; Patzak/Fabricius/Patzak, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 1206).
3. Einer Kennzeichnung der Betäubungsmitteldelikte als „unerlaubt“ bedarf es im Schuldspruch nicht, weil Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz stets den unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln betreffen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2023 – 3 StR 411/23, juris Rn. 9; vom
8. Februar 2022 – 3 StR 458/21, NStZ-RR 2022, 139). Im Fall II. 2. e) der Urteilsgründe (Tat 5) hat die Verurteilung mithin auf Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu lauten.
4. Der Senat fasst den gesamten Schuldspruch daher wie aus der Beschlussformel ersichtlich in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO neu. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte insofern nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
5. Der Strafausspruch bleibt von der Schuldspruchänderung unberührt. Denn dessen Änderung im Fall II. 2. c) der Urteilsgründe (Tat 3) führt weder zu einem veränderten Strafrahmen noch wird dadurch der Unrechts- oder Schuldgehalt der Tat reduziert. Es ist daher auszuschließen, dass die Strafkammer den Angeklagten bei zutreffendem Schuldspruch mit einer geringeren Einzelstrafe für diese Tat und einer niedrigeren Gesamtstrafe belegt hätte.
6. Im Übrigen lässt die auf die nicht ausgeführte allgemeine Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.
Schäfer Hohoff Anstötz Kreicker Voigt Vorinstanz: Landgericht Duisburg, 19.11.2024 - 32 KLs-196 Js 63/24-15/24