IV ZR 166/24
BUNDESGERICHTSHOF IV ZR 166/24 BESCHLUSS vom 15. Januar 2025 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2025:150125BIVZR166.24.0 Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Karczewski, die Richterinnen Dr. Brockmöller, Dr. Bußmann, die Richter Dr. Götz und Piontek am 15. Januar 2025 beschlossen:
Der Antrag der Beklagten zu 4 und 5, die Zwangsvollstreckung aus dem Teilurteil des Landgerichts Heidelberg - 1. Zivilkammer - vom 21. Februar 2024 einstweilen einzustellen, wird abgelehnt.
Der Hilfsantrag anzuordnen, dass die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung der Beklagten zu 4 und 5 ungeachtet einer Sicherheitsleistung durch die Klägerin abgewendet werden kann, wird abgelehnt.
Gründe:
I. Die Klägerin macht im Wege der Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend. Die Beklagten wenden sich gegen ihre Verurteilung zur Auskunftserteilung.
Die Klägerin ist eine Tochter des am 14. August 2022 verstorbenen Erblassers aus dessen erster Ehe. Zum Zeitpunkt seines Todes war der Erblasser in zweiter Ehe verheiratet. Er hinterlässt aus erster Ehe vier Kinder, die Klägerin und die Beklagten zu 1 bis 3, und aus zweiter Ehe zwei Kinder, die Beklagten zu 4 und 5. Der Erblasser traf mehrere Verfügungen von Todes wegen, unter anderem einen am 15. November 1995 geschlossenen Erbvertrag zwischen ihm, seiner zweiten Ehefrau und den Beklagten zu 1 bis 3, ein Testament vom 28. Juli 2015 und ein Testament vom 11. September 2019. In dem Erbvertrag setzte der Erblasser die Beklagten zu 1 bis 3 sowie "die leiblichen Abkömmlinge und nasciturus" aus seiner zweiten Ehe zu gleichen Teilen zu Erben ein. Der Klägerin wurden drei Eigentumswohnungen unter Anrechnung auf ihren gesetzlichen Pflichtteil zugewandt.
In seinem letzten Testament vom 11. September 2019 bestimmte der Erblasser unter der Überschrift "Erben" unter anderem:
"Ich möchte unter keinen Umständen, dass [Beklagte zu 1 bis 3] meine Erben werden. Ich enterbe sie daher hiermit aus allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten und setze zu meinen alleinigen Erben meine beiden Kinder [Beklagte zu 4 und 5] zu gleichen Teilen ein. Ich ermächtige beide Kinder hiermit auch dazu, alle Maßnahmen zu veranlassen, um meine anderen Kinder [Beklagte zu 1 bis 3] vom Erbrecht auszuschließen." Sowohl in dem Erbvertrag vom November 1995 als auch in dem Testament vom September 2019 setzte der Erblasser seine zweite Ehefrau - in unterschiedlichem Umfang - zu seiner Testamentsvollstreckerin ein. Diese beantragte die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses zu ihren Gunsten. Der Beklagte zu 1 beantragte einen gemeinschaftlichen Erbschein mit dem Inhalt, dass alle Kinder des Erblassers außer der Klägerin Mitglied der nach dem Erblasser bestehenden Erbengemeinschaft geworden sind. Weder ein Erbschein noch ein Testamentsvollstreckerzeugnis sind bisher erteilt worden. Zwischen dem Erblasser und den Beklagten zu 1 bis 3 bestand bis zu seinem Tod seit Jahren kein persönlicher Kontakt mehr. Die Beklagten zu 4 und 5 lebten mit dem Erblasser und dessen zweiter Ehefrau - mit ihr bis jetzt - in häuslicher Gemeinschaft.
Das Landgericht hat alle Beklagten durch Teilurteil auf der ersten Stufe antragsgemäß verurteilt, der Klägerin näher bestimmte Auskunft zu erteilen, und zwar erstens über den Bestand des Nachlasses des Erblassers durch Vorlage eines Verzeichnisses gemäß §§ 2314, 260 BGB, das sämtliche beim Erbfall vorhandenen Aktiva enthält, zweitens über sämtliche lebzeitigen unentgeltlichen Zuwendungen des Erblassers innerhalb von 10 Jahren vor dessen Todestag sowie 3. über sämtliche gemäß §§ 2050 ff. BGB ausgleichungspflichtige Zuwendungen an Abkömmlinge und 4. der Klägerin zu sämtlichen Auskünften näher bestimmte Belege zur Identifikation der Gegenstände vorzulegen. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zu 4 und 5 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Es hat das angefochtene Urteil für ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar erklärt und die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO gestützt. Die Sicherheitsleistung der Beklagten hinsichtlich ihrer Abwendungsbefugnis hat es auf 3.333.333 € und den Streitwert für die Berufung der Beklagten zu 4 und 5 auf 10.000 € festgesetzt.
II. 1. Der zulässige Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist unbegründet.
a) Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil Revision eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht gemäß § 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Diese Bestimmung ist entsprechend anzuwenden, wenn - wie hier - bei einer Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt wird (§ 544 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 522 Abs. 3 ZPO). Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt allerdings nicht in Betracht, wenn das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. März 2018 - I ZR 11/18, GRUR 2018, 655 Rn. 7; vom 7. März 2017 - VIII ZR 262/16, WuM 2017, 293 Rn. 2; st. Rspr.).
b) Dies ist hier der Fall. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist bereits unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer - entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde - nicht die gemäß § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Beschwer von mehr als 20.000 € erreicht. Das Berufungsgericht hat den Streitwert unter Berücksichtigung der Senatsrechtsprechung auf 10.000 € festgesetzt. Diese Beurteilung ist auch im Hinblick auf das Vorbringen der Beklagten aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Im Fall der Verurteilung zur Auskunft im Rahmen einer Stufenklage ist für die Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes das Interesse des Rechtsmittelführers maßgebend, die Auskunft nicht erteilen zu müssen, und dieses Interesse richtet sich abgesehen von den Fällen eines - hier nicht vorliegenden - besonderen Geheimhaltungsinteresses nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, den die Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. Oktober 2024 - IV ZB 29/23, ZEV 2024, 832 Rn. 6; vom 18. September 2024 - IV ZB 18/23, ZEV 2024, 828 Rn. 7; vom 19. Juli 2024 - IV ZB 3/23, ZEV 2024, 827 Rn. 5; vom 14. Oktober 2015 - IV ZB 21/15, juris Rn. 9 m.w.N.). Die Auffassung der Beschwerde, dass sich die Beschwer der Beklagten nach den Grundsätzen der Rechtsprechung bei Rechnungslegung richte, trifft daher ebenso wenig zu, wie das Vorbringen der Beklagten, dass sich im Streitfall der Wert der Beschwer nach den Kosten einer Auskunftsklage gegen die Testamentsvollstreckerin bemesse. Die Auskunftspflicht gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten - hier der Klägerin - nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB trifft den Erben und nicht den Testamentsvollstrecker (§ 2213 Abs. 1 Satz 3 BGB). Die Auskunft ist eine Wissenserklärung und vom Auskunftspflichtigen selbst zu erteilen, sie ist eine persönliche Verbindlichkeit (vgl. Weidlich in Grüneberg, BGB 84. Aufl. § 2314 Rn. 4; Herzog in Staudinger, BGB (2021) § 2314 Rn. 113, 118 m.w.N.). Die Beklagten haben keine Umstände vorgetragen, aufgrund derer davon auszugehen ist, dass ihnen die Erfüllung ihrer Auskunftspflicht unmöglich oder jedenfalls unzumutbar wäre. Insbesondere genügt insoweit nicht ihre pauschale Behauptung, sie hätten nur mittelbaren Besitz am Nachlass und ihre Mutter übe als Testamentsvollstreckerin die tatsächliche Sachherrschaft aus. Dass die Mutter nicht bereit und/oder in der Lage wäre, ihren Kindern, mit denen sie in einem Haushalt lebt, Auskunft zu erteilen, damit diese ihrerseits der Klägerin Auskunft erteilen können, ist nicht ersichtlich und wird auch von den Beklagten zu 4 und 5 nicht überzeugend dargelegt. Ob und inwieweit der Erbe tatsächlich Auskunft erteilen kann, ist eine Frage der Erfüllung des Titels und gegebenenfalls im Rahmen der Vollstreckung zu klären.
c) Der Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung ist darüber hinaus auch deshalb unbegründet, weil die Beklagten nicht ausreichend dargelegt und gemäß § 719 Abs. 2 Satz 2 ZPO glaubhaft gemacht haben, dass ihnen die Zwangsvollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil im Sinne von § 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO bringen würde. Die Interessen des Schuldners werden nach der in § 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO getroffenen gesetzlichen Wertentscheidung grundsätzlich hintangestellt, weil seine Rechte durch ein in zwei Tatsacheninstanzen geführtes Erkenntnisverfahren hinreichend gewahrt erscheinen. Demgegenüber gebührt den Interessen des Gläubigers, dem das Gesetz die Vollstreckung aus einem erwirkten Titel gestattet, auch wenn dieser noch nicht rechtskräftig ist, in der Regel der Vorrang. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt hiernach nur in eng begrenzten Ausnahmefällen als letztes Hilfsmittel des Vollstreckungsschuldners in Betracht (BGH, Beschluss vom 29. März 2018 - I ZR 11/18, GRUR 2018, 655 Rn. 14 m.w.N.).
Ohne Erfolg machen die Beklagten geltend, ein nicht zu ersetzender Nachteil liege darin, dass sie in das Dilemma gerieten, entweder ihre Mutter in Anspruch nehmen oder aber sich einem Zwangsgeld und letztlich einer Zwangshaft aussetzen zu müssen. Eine Durchsetzung von Auskunftsrechten gegenüber ihrer Mutter führte zu einer massiven Störung des durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten familiären Zusammenlebens. Die Beklagten haben indes nicht ansatzweise begründet, weshalb sie gezwungen sein sollten, einen Rechtsstreit gegen ihre Mutter zu führen, insbesondere haben sie auch nicht behauptet, dass ihre Mutter ihnen den Zugriff auf den Nachlass verwehren würde. Nichts anders gilt hinsichtlich ihres Einwandes, dass ihnen durch die Höhe der durch das Berufungsgericht festgesetzten Sicherheitsleistung faktisch die Möglichkeit genommen werde, die vorläufige Vollstreckbarkeit mittels Sicherheitsleistung abzuwenden. Sie haben nicht behauptet und schon gar nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie außerstande seien, den Betrag aufzubringen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2020 - V ZR 201/19, WuM 2020, 232 Rn. 8).
2. Auch der Hilfsantrag der Beklagten zu 4 und 5 ist unbegründet. Entscheidungen des Berufungsgerichts über die vorläufige Vollstreckbarkeit können vom Bundesgerichtshof nicht korrigiert werden. Sie sind nach § 718 Abs. 2 ZPO einer Anfechtung entzogen. Eine Änderung der Entscheidung kann deshalb ausschließlich unter den Voraussetzungen des § 719 Abs. 2 ZPO erfolgen (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2018 - IV ZR 244/18, juris Rn. 10; BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2018 - VII ZR 192/18, BauR 2019, 699 Rn. 12; vom 30. Januar 2007 - X ZR 147/06, NJW-RR 2007 1138 Rn. 3). Diese liegen hier indessen nicht vor. Im Übrigen wäre der Antrag auch unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 712 Abs. 1 ZPO ebenfalls nicht vorliegen.
Prof. Dr. Karczewski Dr. Brockmöller Dr. Bußmann Dr. Götz Piontek Vorinstanzen: LG Heidelberg, Entscheidung vom 21.02.2024 - 1 O 26/23 OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 04.11.2024 - 11 U 18/24 -