II ZR 119/24
BUNDESGERICHTSHOF II ZR 119/24 Nachschlagewerk: BGHZ: BGHR: JNEU:
BESCHLUSS vom
21. Oktober 2025 in dem Rechtsstreit ja nein ja ja AEUV Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3; Richtlinie 2002/65/EG Art. 7 Abs. 4 Satz 1; GenG § 65 Abs. 4 Satz 1; BGB idF des Gesetzes vom 20. September 2013 § 357a Abs. 1 Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 AEUV zur Auslegung der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (ABl. L 271, 16) folgende Fragen vorgelegt:
1. Steht Art. 7 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 2002/65/EG unter den im Streitfall maßgeblichen Umständen einer nationalen Regelung entgegen, nach der der Widerruf des Beitritts zu einer Genossenschaft im Fall ihrer Liquidation ausgeschlossen ist und der Verbraucher den für die Liquidation der Genossenschaft geltenden Regelungen des nationalen Rechts unterworfen wird?
Für den Fall, dass Frage 1 bejaht wird:
2. Steht Art. 7 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 2002/65/EG einer nationalen, auf Richterrecht beruhenden Rechtsfolge entgegen, nach der der Widerruf des Beitritts eines Verbrauchers zu einer Genossenschaft dazu führt, dass der widerrufende Verbraucher einen auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerrufs berechneten Anspruch gegen die Genossenschaft auf einen dem Wert seines Genossenschaftsanteils im Zeitpunkt des Ausscheidens entsprechenden Betrag erhält, der wegen der wirtschaftlichen Entwicklung der Genossenschaft unter dem Wert seiner Einlage liegen kann?
BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2025 - II ZR 119/24 - OLG Brandenburg LG Potsdam ECLI:DE:BGH:2025:211025BIIZR119.24.0 Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 2025 durch den Vorsitzenden Richter Born, den Richter Wöstmann, den Richter Dr. Bernau, den Richter Prof. Sander und die Richterin Dr. Adams beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 AEUV zur Auslegung der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (ABl. L 271, 16) folgende Fragen vorgelegt:
1. Steht Art. 7 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 2002/65/EG unter den im Streitfall maßgeblichen Umständen einer nationalen Regelung entgegen, nach der der Widerruf des Beitritts zu einer Genossenschaft im Fall ihrer Liquidation ausgeschlossen ist und der Verbraucher den für die Liquidation der Genossenschaft geltenden Regelungen des nationalen Rechts unterworfen wird?
Für den Fall, dass Frage 1 bejaht wird:
2. Steht Art. 7 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 2002/65/EG einer nationalen, auf Richterrecht beruhenden Rechtsfolge entgegen, nach der der Widerruf des Beitritts eines Verbrauchers zu einer Genossenschaft dazu führt, dass der widerrufende Verbraucher einen auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerrufs berechneten Anspruch gegen die Genossenschaft auf einen dem Wert seines Genossenschaftsanteils im Zeitpunkt des Ausscheidens entsprechenden Betrag erhält, der wegen der wirtschaftlichen Entwicklung der Genossenschaft unter dem Wert seiner Einlage liegen kann?
Gründe:
I.
Nach telefonischer Beratung durch den ehemaligen, im Revisionsverfahren nicht mehr beteiligten Beklagten zu 2 und auf dessen Vermittlung unterzeichnete der seinerzeit 74-jährige Kläger am 28. Oktober 2015 ein ihm mit der Post übersandtes Beitrittsformular mit der Erklärung, der Beklagten zu 1, einer Genossenschaft mit Sitz in P. , beizutreten und sich unter Übernahme eines Eintrittsgeldes von 500 € mit zehn Geschäftsanteilen in Höhe von jeweils 1.000 € zu beteiligten. Das Formular enthielt folgende Widerrufsbelehrung:
"Meine Beteiligungserklärung kann ich innerhalb einer Frist von 2 Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (Brief, Fax, Email) widerrufen. Die Widerrufsfrist beginnt mit der Aushändigung der Durchschrift meiner Beitrittserklärung und der hierauf enthaltenen Widerrufsbelehrung. Zur Wahrnehmung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs an die A.
eG, straße , P. , Telefon: …, Telefax: …, Email: …" Der Kläger zahlte 10.500 € an die Beklagte zu 1. Diese bestätigte dem Kläger mit Schreiben vom 4. November 2015 den Beitritt.
Als Zweck bestimmt § 2 Abs. 1 der Satzung der Beklagten zu 1 die wirtschaftliche Förderung und Betreuung der Mitglieder durch Altersvorsorgeleistungen. Die Satzung sieht in § 31 Abs. 2 und 3 eine Haftung zur Deckung von Fehlbeträgen nur vor, soweit Einzahlungen auf den Geschäftsanteil noch nicht in voller Höhe erbracht wurden und schließt eine Nachschusspflicht aus. Im Fall der Liquidation erfolgt die Verteilung des Vermögens der Genossenschaft nach § 36 Abs. 2 Satz 2 der Satzung entsprechend den gesetzlichen Regelungen mit der Maßgabe, dass Überschüsse nach dem Verhältnis der Geschäftsguthaben an die Mitglieder verteilt werden.
Im August 2018 beschloss die Generalversammlung der Beklagten zu 1 deren Liquidation, worüber die Mitglieder informiert wurden.
Mit Schreiben vom 29. November 2021 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1 den Widerruf der Beitrittserklärung. Er hat zunächst verlangt, einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 10.904,28 €, hilfsweise in Höhe von 9.904,28 €, dem Grunde nach anzuerkennen und nach Aufstellung einer Auseinandersetzungsbilanz auszuzahlen.
Das Landgericht (LG Potsdam, Urteil vom 22. November 2022 - 12 O 37/22, BeckRS 2022, 59313) hat die auf Feststellung des Auseinandersetzungsguthabens zum Stichtag 31. Dezember 2021 gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht der zuletzt in der Hauptsache gegen die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von 10.904,28 € Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung gerichteten Klage gegenüber der Beklagten zu 1 in Höhe von 10.500 € Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung stattgegeben. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten zu 1, mit der sie ihren auf Zurückweisung der Berufung des Klägers gerichteten Antrag weiterverfolgt.
II.
Für die Entscheidung über die Revision sind Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzesbuches in der bis zum 27. Mai 2022 gültigen Fassung des Gesetzes vom 20. September 2013, BGBl. I S. 3642 (BGB aF) und des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (GenG) maßgeblich, die folgenden Inhalt haben:
§ 357a BGB aF – Rechtsfolgen des Widerrufs von Verträgen über Finanzdienstleistungen
(1) Die empfangenen Leistungen sind spätestens nach 30 Tagen zurückzugewähren.
(2) Im Falle des Widerrufs von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen oder Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen ist der Verbraucher zur Zahlung von Wertersatz für die vom Unternehmer bis zum Widerruf erbrachte Dienstleistung verpflichtet, wenn er
1. vor Abgabe seiner Vertragserklärung auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist und
2. ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung beginnt. (…)
(…)
§ 65 GenG – Kündigung des Mitglieds
(…)
(4) Die Mitgliedschaft endet nicht, wenn die Genossenschaft vor dem Zeitpunkt, zu dem die Kündigung wirksam geworden wäre, aufgelöst wird. (…)
(…)
§ 75 GenG – Fortdauer der Mitgliedschaft bei Auflösung der Genossenschaft Wird die Genossenschaft binnen sechs Monaten nach Beendigung der Mitgliedschaft eines Mitglieds aufgelöst, gilt die Beendigung der Mitgliedschaft als nicht erfolgt. (…)
§ 90 GenG – Voraussetzungen für die Vermögensverteilung
(1) Eine Verteilung des Vermögens unter die Mitglieder darf nicht vor Tilgung oder Deckung der Schulden und nicht vor Ablauf eines Jahres seit dem Tage vollzogen werden, an welchem die Aufforderung der Gläubiger in den hierzu bestimmten Blättern erfolgt ist.
(…)
§ 91 GenG – Verteilung des Vermögens
(1) Die Verteilung des Vermögens unter die einzelnen Mitglieder erfolgt bis zum Gesamtbetrag ihrer auf Grund der Eröffnungsbilanz ermittelten Geschäftsguthaben nach dem Verhältnis der letzteren. Waren die Mitglieder nach § 87a Abs. 2 zu Zahlungen herangezogen worden, so sind zunächst diese Zahlungen nach dem Verhältnis der geleisteten Beträge zu erstatten. Bei Ermittlung der einzelnen Geschäftsguthaben bleiben für die Verteilung des Gewinns oder Verlustes, welcher sich für den Zeitraum zwischen dem letzten Jahresabschluss und der Eröffnungsbilanz ergeben hat, die seit dem letzten Jahresabschluss geleisteten Einzahlungen außer Betracht. Der Gewinn aus diesem Zeitraum ist dem Guthaben auch insoweit zuzuschreiben, als dadurch der Geschäftsanteil überschritten wird.
(2) Überschüsse, welche sich über den Gesamtbetrag dieser Guthaben hinaus ergeben, sind nach Köpfen zu verteilen.
(3) Durch die Satzung kann die Verteilung des Vermögens ausgeschlossen oder ein anderes Verhältnis für die Verteilung bestimmt werden.
III.
Das Berufungsgericht (OLG Brandenburg, MDR 2025, 230) hat ausgeführt, der Kläger habe aufgrund seines Widerrufs einen Anspruch auf Zahlung von 10.500 € Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung. Ihm habe nach § 312g Abs. 1 BGB ein Widerrufsrecht zugestanden, weil es sich um einen per Brief zu Stande gekommenen Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312c Abs. 1 BGB handele. Der Widerruf sei rechtzeitig erfolgt. Die Widerrufsbelehrung, deren Wortlaut von der Muster-Widerrufsbelehrung des Gesetzgebers abweiche, enthalte keine Belehrung zu den Widerrufsfolgen, obwohl diese nach den Gestaltungshinweisen in der Musterwiderrufsbelehrung erforderlich gewesen sei.
Das Widerrufsrecht sei zum Zeitpunkt des Widerrufs nicht erloschen gewesen, weil die Anwendung der in § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB geregelten zeitlichen Begrenzung des Widerrufsrechts durch § 356 Abs. 3 Satz 3 BGB ausgeschlossen sei. Bei der Beteiligung handele es sich um eine Finanzdienstleistung gemäß
§ 312 Abs. 5 BGB, die eine Geldanlage zum Gegenstand habe und der Altersversorgung von Privatpersonen diene. Der Widerruf sei auch nicht gemäß § 75 GenG ausgeschlossen. Das Interesse an einer reibungslosen Liquidation rechtfertige nicht die Anwendung von § 75 GenG, der eine Kündigung in der Liquidation ausschließe, weil damit eine Schwächung der in der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (ABl. L 271, S. 16 - Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-Richtlinie) vorgesehenen Verbraucherrechte verbunden sei.
Die noch für die Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (ABl. L 372, S. 31 - Haustürwiderrufs-Richtlinie) geltende Sicht, nach der die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft auch im Fall des Widerrufs anwendbar seien, lasse sich auf die FinanzdienstleistungsFernabsatz-Richtlinie nicht übertragen. In § 355 Abs. 3 BGB würden die Widerrufsfolgen eigenständig bestimmt und abschließend geregelt.
Die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft sei damit nicht zu vereinbaren, weil sie dazu führen könne, dass ein zu berechnendes Auseinandersetzungsguthaben eine im Vergleich zur Einlage geringere oder höhere Geldzahlung an den Verbraucher begründe. Der Einwand, die Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-Richtlinie habe das Rechtsfolgenregime der HaustürwiderrufsRichtlinie nicht ändern wollen, greife nicht, weil Art. 7 Abs. 4 Satz 1 Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-Richtlinie anders Art. 7 der Haustürwiderrufs-Richtlinie keinen nationalen Umsetzungsspielraum vorsehe. Das Verbot abweichender nationaler Rechtsfolgeregelungen ergebe sich im Übrigen aus dem Erwägungsgrund 13 Satz 2 der Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-Richtlinie, wonach andere als in der Richtlinie vorgesehene mitgliedstaatliche Bestimmungen ohne ausdrückliche Zulassung unzulässig seien.
Die Ausübung des Widerrufsrechts sei auch nicht treuwidrig (§ 242 BGB).
IV.
Die Voraussetzungen für eine Vorlage durch den Senat gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 AEUV sind gegeben (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2021 - C-561/19, ECLI:EU:C:2021:799 Rn. 32 ff. = NJW 2021, 539 Rn. 32 ff. - Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi mwN). Im vorliegenden Verfahren stellen sich Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts. Diese Vorlagefragen sind entscheidungserheblich.
1. Die Vorlagefragen zielen darauf ab zu klären, ob und ggf. inwieweit die in Art. 7 Abs. 4 Satz 1 der Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-Richtlinie vorgesehenen Rechtsfolgen im Fall der Ausübung eines Widerrufsrechts gemäß Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie durch besondere, für den Bereich des nationalen Gesellschaftsrechts geltende Bestimmungen und Grundsätze begrenzt werden können.
a) Der Ausschluss des Kündigungsrechts in der Liquidation nach § 65 Abs. 4 Satz 1 GenG dient dem Schutz der Genossenschaftsgläubiger und soll zugleich im Interesse sämtlicher Genossen unter Vermeidung der Bevorzugung einzelner eine gleichmäßige Verteilung des Vermögens der Genossenschaft sichern (Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl., § 65 Rn. 20; Geibel in Henssler/Strohn, GesR, 6. Aufl., § 65 GenG Rn. 4). Sie ist Teil einer Gesamtregelung des Verhältnisses von Kündigung und Auflösung im Genossenschaftsrecht (Gehrlein, WM 2022, 2201, 2217). Nach der vom Berufungsgericht herangezogenen Regelung des § 75 GenG bleibt die Mitgliedschaft eines kündigenden Genossen zum Zweck der Abwicklung sogar dann bestehen, wenn erst nach dem (vorläufigen) Ausscheiden eines Mitglieds innerhalb von sechs Monaten die Auflösung beschlossen wird. Da die Liquidation der Beklagten zu 1 hier bereits im Jahr 2018, also vor dem Widerruf des Beitritts durch den Kläger beschlossen wurde, ist vorliegend nicht § 75 GenG einschlägig, sondern § 65 Abs. 4 Satz 1 GenG. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nach den im deutschen Recht geltenden Grundsätzen vor.
aa) Beim Widerruf der Erklärung zum Beitritt einer Genossenschaft handelt es sich zwar nicht um eine Kündigung im strengen Wortsinn der Norm. Nach den Grundsätzen über den fehlerhaften Genossenschaftsbeitritt wird der Widerruf der Beitrittserklärung aber als außerordentliche Kündigung behandelt (BGH, Beschluss vom 16. März 2009 - II ZR 138/08, ZIP 2009, 1318 Rn. 10).
bb) Die Rechtsfolge des als außerordentliche Kündigung zu behandelnden Widerrufs mit der Abwicklung des Beitritts nur für die Zukunft anstelle einer vollständigen Rückabwicklung trägt der Besonderheit des Verbandsrechts Rechnung, dass - nachdem die Organisationseinheit bzw. der Beitritt hierzu erst einmal, wenn auch auf fehlerhafter Grundlage, in Vollzug gesetzt worden ist - die Ergebnisse dieses Vorgangs, der regelmäßig mit dem Entstehen von Verbindlichkeiten verbunden ist, nicht ohne Weiteres rückgängig gemacht werden können. In der Rechtsfolge der Auflösung für die Zukunft ist grundsätzlich ein gerechter Ausgleich zu sehen zwischen einerseits den Interessen der anderen Mitglieder am Bestand des Verbandes und der Gläubiger an der Erhaltung der Haftungsmasse, andererseits den Interessen ausscheidenswilliger Gesellschafter oder Genossen, die sich auf die Fehlerhaftigkeit des Beitritts berufen wollen. Dies gilt selbst dann, wenn der Gesellschafter oder Genosse aufgrund einer arglisti- gen Täuschung zum Beitritt veranlasst worden ist. Angesichts dessen ist die Anwendung der für die Kündigung geltenden Bestimmungen fraglos dann gerechtfertigt, wenn der Beitritt "nur" deshalb nichtig ist, weil eine im alleinigen wirtschaftlichen Interesse des Beitretenden liegende Regelung unwirksam ist und die Nichtigkeit des Genossenschaftsbeitritts nach sich zieht (vgl. BGH, Beschluss vom 16. März 2009 - II ZR 138/08, ZIP 2009, 1318 Rn. 14).
cc) Ist zu dem Zeitpunkt, in dem die als außerordentliche Kündigung zu behandelnde Widerrufserklärung wirksam wird, die Genossenschaft bereits aufgelöst, gelangen nach § 65 Abs. 4 Satz 1 GenG ungeachtet des Widerrufs die für die Abwicklung der Genossenschaft geltenden Regeln zur Anwendung (Gehrlein, WM 2022, 2201, 2217; vgl. Beuthien, Genossenschaftsgesetz, 16. Auflage, § 65 Rn. 15). Dies führt dazu, dass die widerrufsbedingte Rückgewähr der Einlage nach § 357a Abs. 1 BGB aF zu Gunsten der Bestimmungen über die Liquidation der Genossenschaft ausscheiden muss. Nach der gläubigerschützenden Vorschrift des § 90 Abs. 1 GenG darf mit der Verteilung des Vermögens an den widerrufenden Gesellschafter nicht vor Tilgung oder Deckung der Schulden der Genossenschaft und nicht vor Ablauf einer Sperrfrist von einem Jahr nach Aufforderung an die Gläubiger, ihre Forderungen anzumelden, begonnen werden (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 1965 - II ZR 120/62, BGHZ 43, 51, 60). Die Verteilung des (verbleibenden) Vermögens unter den Mitgliedern richtet sich nach § 91 GenG, wobei die Satzung im vorliegenden Fall abweichend von § 91 Abs. 2 GenG eine Verteilung von Überschüssen nach dem Verhältnis der Geschäftsguthaben vorsieht.
b) Für Art. 5 Abs. 2 der Haustürwiderrufs-Richtlinie hat der Gerichtshof auf ein Vorabentscheidungsersuchen des erkennenden Senats (BGH, Beschluss vom 5. Mai 2008 - II ZR 292/06, ZIP 2008, 1018 - Friz) entschieden, dass diese Bestimmung unter den Umständen des dort zur Entscheidung stehenden Ausgangsverfahrens einer nationalen Regel nicht entgegensteht, die besagt, dass im Falle des Widerrufs eines in einer Haustürsituation erklärten Beitritts zu einem geschlossenen Immobilienfonds in Form einer Personengesellschaft der Verbraucher gegen diese Gesellschaft einen Anspruch auf sein Auseinandersetzungsguthaben geltend machen kann, der nach dem Wert seines Anteils im Zeitpunkt des Ausscheidens aus diesem Fonds berechnet wird, und dass er dementsprechend möglicherweise weniger als den Wert seiner Einlage zurückerhält oder sich an den Verlusten des Fonds beteiligen muss (EuGH, Urteil vom 15. April 2010 - C-215/08, ECLI:EU:C:2010:186, ZIP 2010, 772 - Friz). Der Gerichtshof hat in dieser Entscheidung darauf hingewiesen, dass nach Art. 7 der Richtlinie das einzelstaatliche Recht die Rechtsfolgen der Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher regele, die Mitgliedstaaten ihre Befugnis in diesem Bereich gleichwohl unter Beachtung des Unionsrechts und insbesondere der Vorschriften der Richtlinie auszuüben hätten, die im Licht der Zielsetzung der Richtlinie und in einer Art und Weise auszulegen seien, dass ihre praktische Wirksamkeit gewährleistet sei (EuGH, Urteil vom 15. April 2010 - C-215/08, ECLI:EU:C:2010:186, ZIP 2010, 772 Rn. 42 f. - Friz). Im Hinblick auf diese Zielsetzung hat der Gerichtshof die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft unionsrechtlich akzeptiert, insbesondere weil die HaustürwiderrufsRichtlinie nicht ausschließe, dass der Verbraucher in bestimmten Fällen Verpflichtungen gegenüber dem Gewerbetreibenden haben könne und gegebenenfalls gewisse Folgen tragen müsse, die sich aus der Ausübung seines Widerrufsrechts ergäben, obwohl der Gerichtshof anerkannt habe, dass die Anzeige des Widerrufs sowohl für den Verbraucher als auch für den Gewerbetreibenden eine Wiederherstellung der ursprünglichen Situation bewirke (EuGH, Urteil vom 15. April 2010 - C-215/08, ECLI:EU:C:2010:186, ZIP 2010, 772 Rn. 45 - Friz, vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 8. September 2009
- C-215/08, ECLI:EU:C:2009:522, Rn. 97 ff.). Dabei hat der Gerichtshof die mit den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft angestrebte gerechte Risikoverteilung zwischen den Gesellschaftern als legitimen Grund für deren Anwendung gebilligt, weil sie es dem widerrufenden Verbraucher ermögliche seine Anteile zurückzugeben und gleichzeitig einen Teil der Risiken zu übernehmen, die untrennbar mit der Kapitalanlage verbunden seien (EuGH, Urteil vom 15. April 2010 - C-215/08, ECLI:EU:C:2010:186, ZIP 2010, 772 Rn. 48 f. - Friz).
Der Senat hat entsprechend außerhalb einer Liquidation die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft auch für den Widerruf der Erklärung zum Beitritt zu einer Genossenschaft zur Anwendung gebracht, die auf den nationalen Bestimmungen zur Umsetzung der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. L 133, S. 66 - Verbraucherkreditrichtlinie) beruhen (BGH, Beschluss vom 16. März 2009 - II ZR 138/08, ZIP 2009, 1318 Rn. 21). Ist, wie im vorliegenden Fall, die Genossenschaft zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerrufs bereits aufgelöst, sieht das nationale Gesellschaftsrecht vor, dass Verbraucher, wie oben unter bb) im Einzelnen beschrieben, am Liquidationsverfahren teilnehmen muss.
c) Der Senat hält es für klärungsbedürftig, ob jener Vorrang des Gesellschaftsrechts auch im Anwendungsbereich der Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-Richtlinie und mit den im vorliegenden Fall im Fall der Liquidation vorgesehenen Rechtsfolgen gilt, weil die Mitgliedstaaten nach Erwägungsgrund 13 Satz 2 der Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-Richtlinie in den durch sie harmonisierten Bereichen keine anderen als die in ihr festgelegten Bestimmungen vorsehen dürfen, es sei denn die Richtlinie lässt dies ausdrücklich zu. Dies ist hinsichtlich der in Art. 7 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie geregelten Rechtsfolgen des Widerrufs nicht der Fall.
aa) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass für eine Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft vorliegend kein Raum sei und der Kläger einen Anspruch auf Rückgewähr seiner Einlage habe, § 357a Abs. 1 BGB aF. Diese Einschätzung stützt sich auf Stimmen im deutschen Schrifttum, nach denen die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 304, S. 64 - Verbraucherrechte-Richtlinie) in ihrem Anwendungsbereich der Fortgeltung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft entgegenstehe oder diese zumindest als fraglich erscheinen lasse (Heymann/Emmerich, HGB, 3. Aufl., § 105 Rn. 89; Schirrmacher in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, 91. Lfg 1/2025, I Rn. 2825; Tröger in Westermann/ Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, 91. Lfg 1/2025, I Rn. 217m).
Die Verbraucherrechte-Richtlinie ist wegen des Geltungsausschlusses für Finanzdienstleistungen hier zwar nicht anwendbar (vgl. Art. 3 Abs. 3 Buchst. d). Sie enthält zur Harmonisierung in Art. 4 und der Rechtsfolgen des Widerrufs in Art. 13 Abs. 1 aber vergleichbare Regelungen.
bb) Demgegenüber geht der überwiegende Teil des deutschen Schrifttums davon aus, dass die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft auch im Rahmen des vollharmonisierten Verbraucherschutzrechts uneingeschränkt anwendbar seien (BeckOGK BGB/Busch, Stand 1.7.2023, § 312 Rn. 26.1; MünchKommBGB/Fritsche, 10. Aufl., § 355 Rn. 64; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 84. Aufl., § 355 Rn. 14; Erman/Koch, BGB, 17. Aufl., § 312 Rn. 12; BeckOGK BGB/Mörsdorf, Stand 1.8.2025, § 355 Rn. 104; PWW/Stürner, BGB, 20. Aufl.,
§ 361 Rn. 7; MünchKommBGB/Wendehorst, 10. Aufl., § 312 Rn. 37; Koch, Personengesellschaftsrecht, 2023, § 705 Rn. 27; Koch, Gesellschaftsrecht, 13. Aufl., § 5 Rn. 30; Henssler in Henssler/Strohn, GesR, 6. Aufl., § 105 HGB Rn. 144, 156; BeckOGK HGB/Sanders, Stand 15.7.2025, § 105 Rn. 678; Staub/Schäfer, HGB, 6. Aufl., § 105 Rn. 369; BeckOK HGB/Klimke, Stand 1.10.2025, § 105 Rn. 327.1; Förderer, Der Anspruchsausschluss nach § 361 Abs. 1 BGB im Lichte des unionsrechtlichen Verbots des Rechtsmissbrauchs, 2021, S. 65; Stürner, Europäisches Vertragsrecht, 2021, § 14 Rn. 85; Schwab, JZ 2015, 644, 652 f.).
Diese Ansicht stützt sich im Wesentlichen darauf, dass sich die europäischen Regelungen zu den Verbraucherrechten nicht zum Spannungsfeld zwischen Gesellschafts- und Verbrauchschutzrecht verhielten. Daher liege eine Regelungslücke vor, die durch die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft interessengerecht zu schließen sei. Hinzu komme, dass der Richtliniengeber, nachdem der Gerichtshof die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft gegenüber der Haustürgeschäfte-Richtlinie gebilligt habe, eine beabsichtigte Änderung der Rechtslage in den Erwägungsgründen hätte entsprechend kenntlich machen und begründen müssen. Da dies in der VerbraucherrechteRichtlinie nicht geschehen sei, gölten die Rechtsprechungsgrundsätze aus der Entscheidung des Gerichtshofs vom 15. April 2010 fort.
d) Aus der Perspektive des deutschen Gesellschaftsrechts erscheint die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft und die daran anknüpfende Anwendung von § 65 Abs. 4 Satz 1 GenG auf den vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung der Zielsetzung der Finanzdienstleistungs-FernabsatzRichtlinie geboten.
aa) Die Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-Richtlinie geht erkennbar davon aus, dass der Beitritt zu einer Anlagezwecke verfolgenden Gesellschaft in ihren Anwendungsbereich fallen kann. Dies ergibt sich schon aus dem Umkehrschluss aus Art. 6 Abs. 2 Buchst. a, 4. Spiegelstrich dieser Richtlinie, nach dem u.a. Dienstleistungen im Zusammenhang mit Anteilen an Anlagegesellschaften vom Widerrufsrecht nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie ausgeschlossen werden. Weder aus der Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-Richtlinie einschließlich ihrer Erwägungsgründe noch aus den Begründungen der Gesetzgebungsorgane ergeben sich allerdings Hinweise darauf, dass bei der Rückabwicklung des Beitritts nach erfolgtem Widerruf gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten Rechnung zu tragen ist, die insbesondere auf Belangen des Gläubigerschutzes und der Gleichbehandlung der Gesellschafter beruhen.
bb) Die Ursache für den Konflikt zwischen Verbraucherschutz- und Gesellschaftsrecht liegt in den unterschiedlichen Ausrichtungen beider Rechtsgebiete. Das Widerrufsrecht für Fernabsatzfinanzdienstleistungsgeschäfte orientiert seine Regelungen an auf Gegenseitigkeit beruhenden Rechtsverhältnissen, d.h. an klassischen Austauschverträgen in Form von Dienstverträgen, die der Verbraucher als Konsument abschließt. Die Anwendung des Widerrufsrechts bei einem Gesellschaftsbeitritt hat dagegen Ausnahmecharakter. Er erfüllt dessen Tatbestandsmerkmale nämlich nur dann, wenn nicht der Wille des Beitretenden, Gesellschafter bzw. Mitglied des Verbands zu werden, sondern ein Kapitalanlagezweck im Vordergrund steht (vgl. BeckOGK BGB/Busch, Stand 1.7.2023, § 312 Rn. 26; Hölldampf in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 5. Aufl., § 4 Rn. 11). Die Anwendung des verbraucherschutzrechtlichen Regelungsregimes führt im Fall des Beitritts zu einer Genossenschaft zu einem Konflikt zwischen den Interessen des Anlegers und der Mitgesellschafter bzw. der Drittgläubiger, für den die gesetzlichen Regelungen zum Widerruf und seinen Rechtsfolgen keine Lösung bereithalten, auf den das Genossenschaftsrecht, wie unter a) näher dargestellt wurde, aber zugeschnitten ist.
cc) Ausprägungen der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft finden sich zudem mit den Bestandsschutzregeln in Art. 11 und Art. 12 der Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 14. Juni 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts (ABl. L 169, S. 46 - Gesellschaftsrechts-Richtlinie) auch im Unionsrecht (hierzu Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., § 5 Rn. 48; Kindler/Libbertz, DStR 2008, 1335, 1339; Oechsler, NJW 2008, 2471, 2474 f.). Nach diesen Richtlinienbestimmungen hat die auf besonders gravierende Fehler begrenzte Nichtigkeit der (Kapital-)Gesellschaft lediglich ihre Abwicklung ex nunc zur Folge, nicht aber die rückwirkende Vernichtung des Verbands (Art. 12 Abs. 2 GesellschaftsrechtsRichtlinie). Von der Nichtigkeit wird dabei weder die Wirksamkeit der von der Gesellschaft eingegangenen Verbindlichkeiten (Art. 12 Abs. 3 GesellschaftsrechtsRichtlinie) noch die Pflicht ihrer Gesellschafter, die übernommenen Einlage zu leisten, soweit die Gläubigerinteressen dies erfordern (Art. 12 Abs. 5 Gesellschaftsrechts-Richtlinie), berührt. Das unionsrechtliche Regelungsanliegen zielt, wie Erwägungsgrund 6 der Gesellschaftsrechts-Richtlinie herausstellt, darauf, Rechtssicherheit in den Beziehungen zwischen der Gesellschaft und Dritten sowie im Verhältnis der Gesellschafter untereinander zu gewährleisten (vgl. auch EuGH, Urteil vom 13. November 1990 - C-106/89, ECLI:EU:C:1990:395 Rn. 11 f., DB 1991, 157, 158 [zu Art. 11 der Richtlinie 68/151/EWG]).
Zwar erstreckt sich der Anwendungsbereich der GesellschaftsrechtsRichtlinie nicht auf die Genossenschaft. Allerdings verdeutlichen die Richtlinienregelungen, dass auch das Unionsgesellschaftsrecht die Rückabwicklung von Verbänden nicht schrankenlos zulassen möchte (Kindler/Libbertz, DStR 2008, 1335, 1339) und ein angemessener Ausgleich mit den Belangen des Verbraucherschutzes gefunden werden muss.
Darüber hinaus ist die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft in den wesentlichen Gesellschaftsrechtsordnungen Europas anerkannt. Erste Wurzeln finden sich bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts im französischen Recht, sie begegnet aber etwa auch im italienischen, belgischen und angelsächsischen Recht (Oechsler, NJW 2008, 2471, 2474 f.; vgl. zu den unterschiedlichen Ausprägungen grundlegend Siebert, Festschrift Hedemann, 1938, S. 266, 271 ff., sowie Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, 2004, S. 151).
dd) Dass die Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-Richtlinie eine vollständige Harmonisierung der durch sie geregelten Aspekte bewirkt, weshalb ihr Wortlaut in allen Mitgliedstaaten einheitlich ausgelegt werden muss (EuGH, Urteil vom 18. Juni 2020 - C‑639/18, ECLI:EU:C:2020:477, ZIP 2020, 1296 Rn. 23 - Sparkasse Südholstein; Urteil vom 21. Dezember 2023 - C-38/21, C-47/21, C-232/21, ECLI:EU:C:2023:1014, WM 2024, 249 Rn. 138), schließt es nach Ansicht des Senats nicht aus, die Lehre der fehlerhaften Gesellschaft und daran anschließend § 65 Abs. 4 Satz 1 GenG anzuwenden.
(1) Art. 7 Abs. 4 Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-Richtlinie sollte, wie sich aus dem Erwägungsgrund 6 der Richtlinie ergibt, im Einklang mit dem Vertrag und daher unter Berücksichtigung des Verbots aller Beschränkungen des Kapitalverkehrs (Art. 63 Abs. 1 AEUV) angewendet werden.
Eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 AEUV, entspricht Art. 56 Abs. 1 EGV, kommt durch alle jene Maßnahmen in Betracht, die geeignet sind, den Erwerb von Gesellschaftsanteilen zu verhindern oder zu beschränken oder aber Investoren anderer Mitgliedstaaten davon abzuschrecken, in das Kapital dieser Unternehmen zu investieren (EuGH, Urteil vom 28. September 2006 - C-282/04 u.a., ECLI:EU:C:2006:608, ZIP 2007, 221 Rn. 20 - Golden Shares [zu Art. 56 ff. EGV] mwN).
Im Fall der Nichtanwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft im Fall des Widerrufs des Beitritts wäre eine solche abschreckende Wirkung zu befürchten. Könnte sich der widerrufende Gesellschafter seines Investitionsrisikos vollständig begeben, indem er ohne Rücksicht auf während seiner Beteiligung eingetretene Verluste stets die volle Einlage zurückerhielte, entstünden den verbleibenden Gesellschaftern spiegelbildlich wirtschaftliche Nachteile. Der Entzug der Liquiditäts- und der Kapitalbasis der Gesellschaft wirkte sich negativ auf deren Investitionen aus. Insoweit wäre eine die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft außer Acht lassende Anwendung von Art. 7 Abs. 4 Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-Richtlinie geeignet, den Erwerb von Beteiligungen an Anlagegesellschaften unattraktiv zu machen (vgl. Oechsler, NJW 2008, 2471, 2474 f.). Dies gilt insbesondere dann, wenn zwischen dem fehlerhaften Beitritt und der Ausübung des Widerrufsrechts, wie im Streitfall, ein erheblicher Zeitraum verstrichen ist.
Ob die zu besorgende Beeinträchtigung der Kapitalverkehrsfreiheit auf zwingenden Erfordernissen des Allgemeininteresses, wozu der Verbraucherschutz zählt, beruht und gleichzeitig den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Februar 1979, C-120/78, ECLI:EU:C:1979:42, NJW 1979, 1766 - Cassis de Dijon), erscheint zweifelhaft. Dem könnte entgegengehalten werden, die volle Rückerstattung der Einlage an einzelne (Verbraucher-)Gesellschafter ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft lasse nicht den notwendigen Raum, um die Interessen anderer (Verbraucher-)Gesellschafter und des Rechtsverkehrs angemessen zu berücksichtigen (Koch, Gesellschaftsrecht, 13. Aufl., § 5 Rn. 30; vgl. auch Oechsler, NJW 2008, 2471, 2474 f.).
(2) Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-Richtlinie nicht auf der primärrechtlichen Grundlage zur Harmonisierung des Gesellschaftsrechts (Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EGV, nunmehr Art. 50 Abs. 2 Buchst. g AEUV) erlassen wurde und deswegen bezweifelt werden könnte, dass den Mitgliedstaaten mit ihr Vorgaben im Bereich des Gesellschaftsrechts gemacht werden sollten. Zwar wird der Vorbehalt zugunsten des mitgliedstaatlichen Gesellschaftsrechts in der Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-Richtlinie, anders als in der Verbraucherrechte-Richtlinie, nach deren Erwägungsgrund 8 Satz 2 innerstaatliche Vorschriften über Verträge auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts unberührt bleiben, nicht explizit ausgesprochen. In der Begrenzung der Vollharmonisierung auf die durch die Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-Richtlinie geregelten Bereiche (vgl. Erwägungsgrund 13 Satz 2 der Richtlinie), wozu das Gesellschaftsrecht unbeschadet der Bestimmung in Art. 6 Abs. 2 Buchst. a, 4. Spiegelstrich dieser Richtlinie nicht zählt, könnte allerdings eine implizite Öffnung zugunsten des nationalen Gesellschaftsrechts gesehen werden. Im Übrigen wurden mit der Richtlinie (EU) 2023/2673 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. November 2023 die Richtlinienbestimmungen in Bezug auf im Fernabsatz geschlossene Finanzdienstleistungsverträge unter Aufhebung der Richtlinie 2002/65/EG in die Richtlinie 2011/83/EU integriert.
b) Für den Fall, dass der Gerichtshof die Vorlagefrage 1 bejahen sollte, stellt sich die weitergehende Frage, ob die beschriebenen Grundsätze über den fehlerhaften Beitritt zu einer Genossenschaft unter Berücksichtigung von Art. 7 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 2002/65/EG insoweit Anwendung finden können, dass der Verbraucher durch den Widerruf nur mit Wirkung für die Zukunft aus der Genossenschaft ausscheidet und einen dem Wert seines Genossenschaftsanteils im Zeitpunkt des Ausscheidens entsprechenden Betrag erhält. Hinsichtlich der Erwägungen, die für eine solche Auslegung sprechen könnten, wird auf die Ausführungen unter a) Bezug genommen.
2. Die Vorlagefragen sind für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich. An der Entscheidungserheblichkeit fehlt es nur dann, wenn die Antwort auf die Frage, wie auch immer sie ausfällt, keinerlei Einfluss auf die Entscheidung des Rechtsstreits haben kann (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2021 - C-561/19, ECLI:EU:C:2021:799 Rn. 34 = NJW 2021, 539 Rn. 34 - Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi mwN). Dies ist hier nicht der Fall, weil dem Kläger ein Widerrufsrecht zusteht, dieses rechtzeitig ausgeübt wurde und der Ausübung § 242 BGB nicht entgegensteht. Im Hinblick darauf kommt es darauf an zu entscheiden, ob der Kläger nach § 357a Abs. 1 BGB aF die Rückzahlung seiner Einlage verlangen kann, nach § 65 Abs. 4 Satz 1 GenG die Vorschriften über die Liquidation der Genossenschaft zur Anwendung gelangen oder die Rechtsfolgen des Widerrufs nach den Grundsätzen des fehlerhaften Genossenschaftsbeitritts einzuschränken sind.
a) Für die nachfolgenden Ausführungen sind folgende Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuches in der bis zum 14. Juni 2021 gültigen Fassung des Gesetzes vom 20. September 2013, BGBl. I S. 3642 (nachstehend EGBGB aF) von Bedeutung:
§ 242 BGB – Leistung nach Treu und Glauben Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
§ 310 BGB – Anwendungsbereich
(…)
(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:
(…)
§ 312 BGB (bezogen auf Abs. 1 aF) – Anwendungsbereich
(1) Die Vorschriften der Kapitel 1 und 2 dieses Untertitels sind nur auf Verbraucherverträge im Sinne des § 310 Absatz 3 anzuwenden, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben.
(…)
(5) Bei Vertragsverhältnissen über Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung (Finanzdienstleistungen), die eine erstmalige Vereinbarung mit daran anschließenden aufeinanderfolgenden Vorgängen oder eine daran anschließende Reihe getrennter, in einem zeitlichen Zusammenhang stehender Vorgänge gleicher Art umfassen, sind die Vorschriften der Kapitel 1 und 2 dieses Untertitels nur auf die erste Vereinbarung anzuwenden.(…)
(…)
§ 312c BGB - Fernabsatzverträge
(1) Fernabsatzverträge sind Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.
(…)
§ 312g BGB – Widerrufsrecht
(1) Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu.
(2) Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:
(…)
8. Verträge zur Lieferung von Waren oder zur Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, insbesondere Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien, mit Anteilen an offenen Investmentvermögen im Sinne von § 1 Absatz 4 des Kapitalanlagegesetzbuchs und mit anderen handelbaren Wertpapieren, Devisen, Derivaten oder Geldmarktinstrumenten,
(…)
§ 355 BGB – Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervor- gehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(…)
§ 356 BGB – Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen
(…)
(3) Die Widerrufsfrist beginnt nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Artikels 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Artikels 246b § 2 Absatz 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche unterrichtet hat. Das Widerrufsrecht erlischt spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem in Absatz 2 oder § 355 Absatz 2 Satz 2 genannten Zeitpunkt. Satz 2 ist auf Verträge über Finanzdienstleistungen nicht anwendbar.
(…)
Art. 246b § 1 EGBGB aF – Informationspflichten bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen
(1) Der Unternehmer ist nach § 312d Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verpflichtet, dem Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung klar und verständlich und unter Angabe des geschäftlichen Zwecks, bei Fernabsatzverträgen in einer dem benutzten Fernkommunikationsmittel angepassten Weise, folgende Informationen zur Verfügung zu stellen:
(…)
12. das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts sowie die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung, insbesondere Name und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und die Rechtsfolgen des Widerrufs einschließlich Informationen über den Betrag, den der Verbraucher im Falle des Widerrufs nach § 357a des Bürgerlichen Gesetzbuchs für die erbrachte Leistung zu zahlen hat,
(…)
b) Das Recht zum Widerruf folgt hier aus § 312 Abs. 1 aF BGB, § 312 Abs. 5 Satz 1, § 310 Abs. 3, § 312c Abs. 1, § 312g Abs. 1, § 355 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Vertrag über den Beitritt zu einer Personengesellschaft einem Vertrag über eine entgeltliche Leistung zumindest gleichzustellen, wenn die Begründung der Mitgliedschaft in der Personengesellschaft, wie hier, vorrangig Kapitalanlage- und/oder Steuerzwecke verfolgt. Gleiches gilt für einen solchen Zwecken dienenden Beitritt zu einer Genossenschaft (BGH, Urteil vom 1. März 2011 - II ZR 297/08, ZIP 2011, 859 Rn. 12 ff.; Urteil vom 1. März 2011 - II ZR 93/09, juris Rn. 11 ff.). Der Widerruf ist nicht nach § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BGB ausgeschlossen.
aa) Nach § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BGB, mit dem Art. 6 Abs. 2 Buchs. a der Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-Richtlinie umgesetzt worden ist, besteht das Widerrufsrecht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei Verträgen über die Erbringung von Finanzdienstleistungen, deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt, wobei insbesondere auch Dienst- leistungen im Zusammenhang mit Aktien und Anteilen an offenen Investmentvermögen im Sinne von § 1 Abs. 4 KAGB unter diese Regelung fallen sollen. Der Sinn und Zweck dieser Regelung besteht darin, das Risiko eines wenigstens mittelbar finanzmarktbezogenen spekulativen Geschäfts mit seinem Abschluss in gleicher Weise auf beide Parteien zu verteilen (BGH, Urteil vom 27. November 2012 - XI ZR 384/11, NJW 2013, 1223 Rn. 15; Urteil vom 15. Mai 2024 - VIII ZR 226/22, ZIP 2024, 2392 Rn. 54). Erforderlich für die Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung ist, dass für die Finanzdienstleistung ein Marktpreis existiert, also ein unmittelbar auf dem Finanzmarkt gebildeter Börsenpreis oder zumindest ein den Marktpreis mittelbar beeinflussender Basiswert, der seinerseits Schwankungen auf dem Finanzmarkt unterliegt (BGH, Urteil vom 27. November 2012 - XI ZR 384/11, NZG 2013, 426 Rn. 13). Die auf Dauer angelegte Beteiligung an einer Publikumsgesellschaft wird von dem Ausschlussgrund daher nicht erfasst (Armbrüster, ZIP 2006, 406, 412; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 84. Aufl., § 312g Rn. 11).
bb) Ein Vertrag über die Erbringung von Finanzdienstleistungen nach § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BGB wurde hier nicht abgeschlossen. Die Mitgliedschaft an einer Genossenschaft kommt als Spekulationsobjekt nicht in Betracht, weil der rechtsgeschäftliche Zweiterwerb einer Mitgliedschaft durch das GenG nicht eröffnet ist (Geibel in Henssler/Strohn, GesR, 6. Aufl., § 15 GenG Rn. 1). Übertragbar ist nach § 76 Abs. 1 GenG das Geschäftsguthaben, wobei die Übertragung hier nach § 7 Abs. 1 Satz 2 der Satzung der Zustimmung des Vorstands bedurfte. Im Übrigen setzt der Erwerb des Geschäftsguthabens stets den Beitritt des Erwerbers zur Genossenschaft voraus (§ 76 Abs. 1 Satz 1 GenG, § 7 Abs. 2 der Satzung). Ein spekulativer Handel scheidet im Hinblick auf diese Beschränkungen aus.
c) Der Widerruf ist nicht verfristet.
aa) Die Widerrufsfrist von 14 Tagen (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB) beginnt nach § 356 Abs. 3 BGB nicht vor der gebotenen Unterrichtung des Verbrauchers durch den Unternehmer. Angesichts der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts fehlenden Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs fehlt es an der nach Art. 246b § 1 Abs. 1 Nr. 12 EGBGB aF gebotenen Information. Gegenteiliges macht die Revision nicht geltend. Die Begrenzung des Widerrufsrechts nach § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB auf 12 Monate und 14 Tage ist nach Satz 3 dieser Bestimmung auf Verträge über Finanzdienstleistungen nicht anwendbar.
bb) Die Revision beruft sich ohne Erfolg auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB, nach der die Widerrufsfrist (nur) zu laufen beginnt, wenn die Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit dieser Information nicht geeignet ist, sich auf die Befähigung des Verbrauchers, den Umfang seiner Rechte und Pflichten aus der Richtlinie einzuschätzen oder auf seine Entscheidung, den Vertrag zu schließen, auszuwirken und ihm gegebenenfalls die Möglichkeit zu nehmen, seine Rechte unter im Wesentlichen denselben Bedingungen wie bei einer ordnungsgemäßen Belehrung auszuüben (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2025 - VIII ZR 143/24, ZIP 2025, 647 Rn. 17). Vorliegend fehlt es an der Belehrung zu den Widerrufsfolgen, so dass der Kläger nicht die Möglichkeit hatte, sein Widerrufsrecht unter im Wesentlichen denselben Bedingungen auszuüben, wie bei vollständiger und zutreffender Belehrung (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Oktober 2024 - XI ZR 39/24, BGHZ 242, 70 Rn. 33 ff.).
d) Das Widerrufsrecht ist auch nicht wegen Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB ausgeschlossen.
aa) Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung. Welche Anforderungen sich daraus im Einzelfall ergeben, ob insbesondere die Berufung auf eine Rechtsposition rechtsmissbräuchlich erscheint, kann regelmäßig nur mit Hilfe einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände entschieden werden, wobei die Interessen aller an einem bestimmten Rechtsverhältnis Beteiligten zu berücksichtigen sind. Diese Bewertung vorzunehmen ist Sache des Tatrichters und demgemäß in der Revisionsinstanz nur daraufhin zu überprüfen, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15, BGHZ 211, 105 Rn. 18 mwN). Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15, BGHZ 211, 105 Rn. 20).
bb) Das Berufungsgericht hat eine rechtsmissbräuchliche Ausübung des Widerrufsrechts danach ohne Rechtsfehler verneint.
(1) Soweit die Revision den Rechtsmissbrauch damit begründet, die fehlerhafte Belehrung habe sich nicht in relevanter Weise auf die Wahrnehmung des Widerrufsrechts ausgewirkt, verfängt dies aus den oben unter 2. c) bb) angeführten Gründen nicht.
(2) Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon auch ausgegangen, dass der Widerruf nicht unter dem Gesichtspunkt eines widersprüchlichen Verhaltens treuwidrig ist. Soweit die Revision geltend macht, der Kläger habe den Beschluss zur Liquidation der Beklagten zu 1 mitgetragen und wolle nunmehr die Folgen des von ihm unterstützten Beschlusses nicht mehr gegen sich gelten lassen, so hat das Berufungsgericht das "Mittragen" des Liquidationsbeschlusses schon nicht festgestellt. Eine zulässige Verfahrensrüge ist insoweit nicht erhoben. Die Rüge kann aber auch ungeachtet der fehlenden Feststellungen keinen Erfolg haben. Zwar trifft es zu, dass die Annahme, ein widersprüchliches Verhalten liege bereits dann vor, wenn das Motiv für den Widerruf nichts mit dem Schutzzweck des Widerrufsrechts zu tun habe (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15, BGHZ 211, 105 Rn. 20), rechtsfehlerhaft ist. Davon ist das Berufungsgericht aber nicht ausgegangen. Vielmehr hat es diesen Gesichtspunkt in zulässiger Weise als abwägungsrelevanten Umstand herangezogen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2015 - VIII ZR 154/14, BGHZ 204, 145 Rn. 25). Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Born Sander Wöstmann Adams Bernau Vorinstanzen: LG Potsdam, Entscheidung vom 22.11.2022 - 12 O 37/22 OLG Brandenburg, Entscheidung vom 25.09.2024 - 7 U 198/22 -