3 Ni 24/12 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 24/12 (EP) (Aktenzeichen)
…
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am
14. Januar 2014 …
In der Patentnichtigkeitssache BPatG 253 08.05 betreffend das europäische Patent 0 996 459 DE 698 31 673 hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm, des Richters Guth, der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Proksch-Ledig sowie der Richter Dipl.-Chem. Dr. Gerster und Dipl.-Chem. Dr. Jäger für Recht erkannt:
l. Das europäische Patent 0 996 459 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang seiner Ansprüche 20 bis 26 dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass diese folgende Fassung erhalten:
„20. Use of a pharmaceutical composition for the manufacture of a medicament for the therapeutic reduction of body weight in a human or animal subject, wherein the composition is a dosage unit form, adapted for peripheral injection suitable to deliver from 10 μg to 100 μg per day of an exendin or exendin agonist which is an exendin peptide compound in single or divided doses comprising a pH buffering agent wherein the pH of the composition is from 3.5 to 5.0.
21. The use according to claim 20 wherein the dosage unit form is suitable to deliver from 10 to 30 μg of said exendin or exendin agonist per day.
22. The use according to claim 20 or 21 wherein the buffer is a sodium acetate/acetic acid buffer.
23. The use according to any one of claims 20 to 22 further comprising an isotonicity agent.
24. The use according to claim 23 wherein the isotonicity agent is a polyol or sodium chloride.
25. The use according to claim 24 wherein the isotonicity agent is a polyol selected from mannitol or sorbitol.
26. The use according to any one of claims 20 to 25 where the exendin is exendin-4." lm Übrigen wird die Klage abgewiesen.
ll. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/3, die Beklagte 2/3.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 7. Januar 1998 unter Inanspruchnahme der amerikanischen Prioritäten US 34905 P vom 7. Januar 1997, US 55404 P vom 8. August 1997, US 66029 P vom 14. November 1997 und US 65442 P vom 14. November 1997 als internationale Patentanmeldung PCT/US98/00449 angemeldeten und vom Europäischen Patentamt in der regionalen Phase in englischer Sprache erteilten europäischen Patents EP 0 996 459 (Streitpatent), dessen Erteilung mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland beim Europäischen Patentamt am 21. September 2005 bekannt gemacht wurde und das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 698 31 673 geführt wird.
Die Beklagte verteidigt das Streitpatent, das im Umfang seiner Patentansprüche 20 bis 26 angegriffen wird, jeweils beschränkt mit einem Hauptantrag und zehn Hilfsanträgen. Das Streitpatent betrifft die „Verwendung von Exendinen und deren Agonisten zur Verminderung der Lebensmittelaufnahme“ und umfasst in der erteilten Fassung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland 27 Patentansprüche. Der angegriffene nebengeordnete Patentanspruch 20 und die auf diesen rückbezogenen Patentansprüche 21 bis 26 lauten in deutscher Übersetzung folgendermaßen:
"20. Pharmazeutische Zusammensetzung, welche eine für die periphere Verabreichung angepasste Dosierungseinheitsform ist, die zur Darreichung von 10 µg bis 5 mg pro Tag eines Exendin oder Exendin-Agonisten geeignet ist, welche eine ExendinPeptidverbindung in Einzeldosis oder aufgeteilten Dosen ist, umfassend ein pH-Puffermittel, wobei der pH-Wert der Zusammensetzung von 3,5 bis 5,0 beträgt.
21. Zusammensetzung nach Anspruch 20, wobei die Dosierungseinheitsform zur Darreichung von 10 bis 30 µg des Exendin oder Exendin-Agonisten pro Tag geeignet ist.
22. Zusammensetzung nach Anspruch 20 oder 21, wobei der Puffer ein Natriumacetat/Essigsäurepuffer ist.
23. Zusammensetzung nach einem der Ansprüche 20 bis 22, welche außerdem ein Isotoniemittel umfasst.
24. Zusammensetzung nach Anspruch 23, wobei das Isotoniemittel ein Polyol oder Natriumchlorid ist.
25. Zusammensetzung nach Anspruch 24, wobei das Isotoniemittel ein Polyol ist, ausgewählt aus Mannitol oder Sorbitol.
26. Zusammensetzung nach einem der Ansprüche 20 bis 25, wobei das Exendin Exendin-4 ist".
Die Klägerin macht im Umfang der angegriffenen Patentansprüche 20 bis 26 die Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Erweiterung, der mangelnden Ausführbarkeit und der mangelnden Patentfähigkeit geltend. Ferner bestreitet sie die berechtigte Inanspruchnahme der Priorität. Sie stützt ihr Vorbringen auf folgende Entgegenhaltungen:
K1 EP 0 996 459 B1 (Klagepatent) K1a DE 698 31 673 T2 (Übersetzung des Klagepatents) K2 Registerauszug des DPMA zum Klagepatent vom 18.07.2012 K3 Merkmalsanalyse der Ansprüche 20 bis 26 des Klagepatents K4a Prioritätsdokument US 60/034,905 K4b Prioritätsdokument US 60/055,404 K4c Prioritätsdokument US 60/066,029 K4d Prioritätsdokument US 60/065,442 K5 WO 98/30231 A1 (ursprüngliche Anmeldung) K6a Eingabe der Anmelderin aus dem Prüfungsverfahren vor dem Europäischen Patentamt zum Klagepatent vom 20. Juni 2003 K6b Amtsbescheid des Europäischen Patentamts vom 26. Juni 2002 K7 WO 95/05848 A1 K8 L. Pridal et al., Int. J. Pharmaceutics, 1996, 136, S. 53 bis 59 K9 WO 98/19698 A1 K9a Registerauszug des Europäischen Patentamts zu EP 0 946 191 (WO
98/19698) K9b U.S. Patent Application 60/030,213 K10 WO 97/46584 A1 K11 Römpp Chemie Lexikon, 9. Aufl., Georg Thieme Verlag Stuttgart,
S. 5025/5026, Stichwort: "Weinsäure" K12 Römpp Lexikon - Naturstoffe, Georg Thieme Verlag Stuttgart, S. 139,
Stichwort: "Citronensäure" K13 US 5 424 286 A K14 Trilateral Project B3b, 5 – 9 November 2001: Comparative Study on
"reach-through claims" K15 Flint, A. et al., J. Clin. Invest., Februar 1998, 101, S. 515 bis 520 K16 WO 98/05351 A1 K16 a Registerauszug des Europäischen Patentamts zu EP 0 966 297 (WO
98/05351) K16b U.S. Patent Application 08/694,954 K17 Gutachten von C. Russel Middaugh aus dem US-Reexamination-Verfahren zu US-Patent 7,297,761 vom 14. Juni 2011 K18 US 7,297,761 B2 NIK19 District Court of the Hague, Urteil vom 13. November 2013 in der Sache C/09/435136/HA ZA 13-65 NIK20 Expert Report von Prof. Dr. Gerhard Winter vom 2. Juli 2013.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Priorität werde zu Unrecht in Anspruch genommen, weil der streitpatentgemäß genannte pH-Bereich so im Zusammenhang in den Prioritätsdokumenten nicht offenbart sei. Auch liege eine unzulässige Erweiterung gegenüber den beim Europäischen Patentamt ursprünglich eingereichten Unterlagen K5 vor, da die pharmazeutische Zusammensetzung gemäß diesen Unterlagen stets zwingend mit der Angabe einer Indikation verbunden sei.
Darüber hinaus sei die Lehre des Streitpatents im Hinblick auf das Merkmal „Exendin-Agonist, der eine Exendin-Peptidverbindung ist“ nicht ausführbar, denn das Streitpatent enthalte weder eine Definition noch Kriterien für den Nachweis für diese Verbindungen.
Dem Gegenstand des strittigen Patentanspruches gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen fehle im Hinblick auf den Stand der Technik gemäß K7, K8, K9 und K16 zudem die Neuheit. Ferner beruhe dieser Anspruch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn die Druckschriften K10 und K13 in Verbindung mit dem Dokument HE4 hätten dem Fachmann die Anregung zur Verwendung von Exendinen oder Exendin-Agonisten zur Verminderung der Nahrungsaufnahme oder des Körpergewichtes vermittelt, bzw. in Verbindung mit dem Fachwissen, repräsentiert durch K11 und K12 oder dem Gutachten HE1, die Anregung, die Wirkstoffe in der patentgemäßen Formulierung bereitzustellen.
Die Klägerin stellt den Antrag,
das europäische Patent 0 996 459 im Umfang der Ansprüche 20 bis 26 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte stellt den Antrag,
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent im angegriffenen Umfang die Fassung des Hauptantrags, hilfsweise eines der Hilfsanträge I bis VII, sämtliche gemäß Schriftsatz vom 21. November 2013, weiter hilfsweise die Fassung des Hilfsantrag VIII gemäß Schriftsatz vom 10. Januar 2014, erhält.
Der Patentanspruch 20 gemäß Hauptantrag unterscheidet sich vom erteilten Patentanspruch 20 insofern als der Passus "periphere Verabreichung" durch "periphere Injektion" ersetzt und die Dosismenge auf "10 µg bis 100 µg pro Tag" beschränkt wird.
Hilfsantrag I entspricht dem Hauptantrag mit dem Unterschied, dass die Dosierung gemäß Patentanspruch 20 auf 10 bis 30 µg pro Tag eingeschränkt wird.
Hilfsantrag II entspricht dem Hilfsantrag I, mit dem Unterschied, dass gemäß Patentanspruch 20 als Puffer Natriumacetat/Essigsäure-Puffer angegeben wird.
Hilfsantrag III entspricht Hilfsantrag II, mit dem Unterschied, dass gemäß Patentanspruch 20 die Zusammensetzung das Exendin oder den Exendin-Agonisten in Anspruch 20 in einem wässrigen Träger enthält.
Hilfsantrag IVa entspricht dem Hauptantrag mit dem Unterschied, dass der Anspruch 20 in einen Verwendungsanspruch umformuliert wurde und die pharmazeutischen Zusammensetzung nunmehr zur Verwendung zur Herstellung eines Medikaments zur therapeutischen Reduzierung des Körpergewichts eines Menschen oder Tieres dient.
Die Patentansprüche 21 bis 26, 21 bis 25 bzw. 21 bis 24 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag IVa, den Hilfsanträgen I bzw. II und III entsprechen den erteilten Patentansprüchen 21 bis 26, 22 bis 26 bzw. 23 bis 26.
Hinsichtlich der weiteren Hilfsanträge wird auf die Anlagen zu den Schriftsätzen der Beklagten vom 21. November 2013 und vom 10. Januar 2014 verwiesen.
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen und verweist auf folgende Dokumente HE 1 Gutachten von C. Russell Middaugh vom 31. Januar 2013 mit deutscher Übersetzung und Anlagen 2 bis 4 HE 2 Raufman, J.-P. et al., J. Biol. Chem., 1991, 266, S. 2897 bis 2902 HE 3 Göke, R. et al., J. Biol. Chem, 1993, 268, S. 19650 bis 19655 HE 4 Navarro, M. et al., J. Neurochem., 1996, 67, S. 1982 bis 1991 HE 5 Poon, T. et al., Diabetes Technology & Therapeutics, 2005, 7,
S. 467 bis 477 HE6 Merkmalsanalyse des erteilten Patentanspruches 20 HE7 Umwandlungsurkunde betreffend die Beklagte vom 8. August 2012 HE8 Entscheidung des LG Den Haag vom 13. November 2013 in der Sache C/09/435136/HA ZA 13-65 HE8a englische Übersetzung von HE8 HE9 "Pharmaceutical Formulation Development of Peptides and Proteins"
(Hrsg.: S. Frokjaer und L. Hovgaard), 2000, Taylor & Francis London, S. 144 bis 153 HE10 “Biophysical Chemistry” (Hrsg.: J. T. Edsall und J. Wyman), Volume I, 1958, Academic Press Inc. New York, S. V, 416 bis 421 HE11 “Pharmaceutical Formulation Development of Peptides and Proteins”(Hrsg.: S. Frokjaer und L. Hovgaard), 2000 Taylor & Francis London, S. 107 HE12 “Formulation and Delivery of Proteins and Peptides” (Hrsg.: J. L. Cleland und R. Langer), 1994, American Chemical Society, Washington DC, S. 134 bis 147 HE13 Gutachten von Prof. Cherrington vom 7. Februar 2013 HE14 BGH Beschluss X ZB 8/12 vom 11. September 2013 – Dipeptidyl- Peptidase-Inhibitoren.
Den von der Klägerin im Hinblick auf die unberechtigte Inanspruchnahme der Priorität vorgetragenen Argumenten widerspricht die Beklagte nicht und schließt sich diesen vielmehr an.
Bezüglich der vorliegend geltend gemachten unzulässigen Erweiterung ist die Beklagte der Ansicht, die Zusammensetzung gemäß Patentanspruch 20 nach Hauptantrag und Hilfsanträgen sei – auch hinsichtlich seiner Formulierung - für den Fachmann erkennbar in den ursprünglichen Unterlagen implizit offenbart. Die patentgemäße Lehre sei auch ausführbar, denn in der Streitpatentschrift sei nicht nur angegeben, was unter einem Exendin-Agonisten, der eine Peptid-Verbindung sei, zu verstehen sei, sie enthalte auch Beispiele zum Auffinden geeigneter Verbindungen sowie die Beschreibung von Testsystemen zur Überprüfung der angestrebten Wirkung.
Die Neuheit gegenüber K7, K8, K9 und K10 sei gegeben, weil es sich entweder bei den dort offenbarten GLP-1-Verbindungen nicht um Exendine oder ExendinAgonisten handle, wie sie streitpatentgemäß definiert seien, oder sich die dort beschriebenen Zusammensetzungen hinsichtlich der Indikation, Dosierung bzw. des Verabreichungsweges vom streitpatentgemäßen Gegenstand unterschieden.
Die Lehre des Streitpatents in den nunmehr beanspruchten Fassungen beruhe zudem auf erfinderischer Tätigkeit, denn aus dem Stand der Technik sei keine Veranlassung ersichtlich, eine Zusammensetzung mit den patentgemäßen Werten bereitzustellen bzw. diese mit der patentgemäß genannten Indikation zu verwenden.
Entscheidungsgründe I.
Die auf die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit a EPÜ), unzulässiger Erweiterung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit c EPÜ) und mangelnder Ausführbarkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit b EPÜ) gestützte Klage ist zulässig. Sie richtet sich nach einer die Identität der Rechtsinhaberin wahrenden Umschreibung gegen die im Register eingetragene Mitinhaberin. Die nach Klageerhebung erfolgte Übertragung auf die A… LP in W…, U… als weitere Mitinhaberin hat auf den Prozess kei nen Einfluss (§ 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Die Klage erweist sich auch teilweise als begründet.
1. Soweit das Streitpatent im Wege der zulässigen Selbstbeschränkung gemäß Hauptantrag nicht mehr verteidigt wird, war es mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären (zur st. Rspr. im Nichtigkeitsverfahren vgl. z. B. BGH GRUR 2007, 404, 405 - Carvedilol II; Busse/ Keukenschrijver, PatG, 7. Aufl., § 82 Rdn. 90 m. w. Nachw.; Schulte/Voit, PatG, 9. Aufl., § 81 Rdn 127).
Im Übrigen hat das Streitpatent im Umfang der angegriffenen Patentansprüche nur in der Fassung gemäß Hilfsantrag IVa Bestand.
2.1. Das Streitpatent betrifft die Verwendung eines Exendins oder ExendinAgonisten zur Herstellung eines Medikaments zur Behandlung von Zuständen und Störungen, die durch eine reduzierte Nahrungsmittelaufnahme gemildert werden können. Das Streitpatent betrifft ferner pharmazeutische Zusammensetzungen für die periphere Verabreichung eines Exendins oder Exendin-Agonisten (vgl. K1 S. 2 Abs. [0001] sowie Patentansprüche 1 und 20).
2.2. Bei der Substanzklasse der Exendine handelt es sich - wie eingangs des Streitpatentes unter Bezugnahme auf zahlreichen Stand der Technik ausgeführt wird - um Peptide, von denen die Verbindungen Exendin-4 bzw. Exendin-3 als Bestandteile des Giftes der Echsen Heloderma suspectum bzw. Heloderma horridum identifiziert worden seien. Ferner wiesen Exendine eine gewisse Sequenzähnlichkeit mit verschiedenen Mitgliedern der "Glucagon-like Peptide“ (= GLP)-Familie auf. Dabei bestehe die höchste Homologie mit GLP-1[7-36]NH2, einem Peptid, das die Insulinsekretion aus pankreatischen ß-Zellen stimuliere und eine insulinotrope Wirkung besitze. GLP-1 hemme außerdem die Glucagonsekretion aus pankreatischen α-Zellen, sowie die Magenentleerung ebenso wie die Magensäuresekretion. Von GLP-1[7-37] sei ferner bekannt, dass es die Insulinsekretion beim Menschen stimuliere. Von Exendin-3 und Exendin-4 sowie Derivaten von diesen werde wiederum berichtet, dass sie wirksam an GLP-1-Rezeptoren auf Insulin-sekretierenden ßTC1-Zellen bänden, die Somatostatin-Freisetzung stimulierten und gleichfalls die Gastrinfreisetzung in einzelnen Mägen hemmen sollen. Darüber hinaus werde berichtet, dass Exendine und Exendin [9-39] sowohl an den klonierten Rattenpankreas-ß-Zell-GLP-1-Rezeptor als auch an den humanen GLP-1-Rezeptor bänden. Exendin-4 habe sich des Weiteren in mit dem klonierten GLP-1-Rezeptor transfizierten Zellen als Agonist erwiesen und erhöhe cAMP (= zyclisches Adenosin-3',5'-Monophosphat) - u. a. charakteristisch für einen Hungerzustand -, während dagegen Exendin [9-39] als ein Antagonist identifiziert worden sei, d. h. die stimulatorischen Wirkungen von Exendin-4, Exendin-3 und GLP-1 blockiere. Im Rahmen von Untersuchungen zur Beeinflussung der Nahrungsmittelaufnahme habe es sich zudem gezeigt, dass GLP-1 verabreicht durch intracerebroventrikuläre (= i.c.v.) Injektion die Nahrungsmittelaufnahme bei Ratten hemme, während diese sättigungsauslösende Wirkung wiederum durch die i.c.v.-Injektion von Exendin [9-39] inhibiert werde. Dagegen hemme GLP-1 die Nahrungsaufnahme bei Mäusen nicht, wenn die Verabreichung durch periphere Injektion erfolge. Weiterhin sei festgestellt worden, dass Exendine die Magenentleerung hemmten. Schließlich sei die Verwendung von Exendin-3 und Exendin-4 bereits als insulinotrope Mittel für die Behandlung von Diabetes mellitus und die Verhütung der Hyperglykämie vorgeschlagen worden (vgl. K1 S. 2 Abs. [0003] bis S. 3 Abs. [0008]).
Angesichts des zunehmenden Auftretens von Fettleibigkeit in entwickelten Gesellschaften und des damit einhergehenden Gesundheitsrisikos, wie Typ 2-Diabetes, erhöhtes Herzinfarkt-Risiko, Bluthochdruck, Arteriosklerose, generative Arthritis und erhöhtes Auftreten von Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen unter Narkose, sei es unter anderem geboten, die Nahrungsaufnahme bei fettleibigen Personen einzuschränken. Dies mit der Durchführung von Diäten bzw. durch körperliche Ertüchtigung in ausreichendem Maße zu erzielen, habe sich jedoch als auf Dauer nicht erfolgreich erwiesen (vgl. K1 S. 3 Abs. [0010] und [0011]).
2.3. Davon ausgehend liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, eine wirksame Maßnahme zur Reduzierung der Nahrungsaufnahme, insbesondere zur therapeutischen Reduzierung des Körpergewichtes bereitzustellen (vgl. K1 S. 3 Abs. [0012] und S. 4 [0024]).
2.4. Gelöst wird diese Aufgabe u.a. gemäß Patentanspruch 20 nach Hauptantrag durch eine
1. Pharmazeutische Zusammensetzung, 2. die eine Dosierungseinheitsform ist,
2.1. die für die periphere Injektion hergerichtet ist und 2.2. zur Verabreichung von 10 µg bis 100 µg pro Tag eines Wirkstoffes, 2.3. in einer Einzeldosis oder in aufgeteilten Dosen geeignet ist,
3. der Wirkstoff ein Exendin oder Exendin-Agonist ist, der eine ExendinPeptidverbindung ist,
4. die Zusammensetzung 4.a) einen pH-Puffer enthält und 4.b) einen pH-Wert 3,5 bis 5,0 aufweist.
2.5. Bei dem zuständigen Fachmann handelt es sich um einen Pharmazeuten, der typischerweise auf dem Fachgebiet der pharmazeutischen Technologie promoviert ist und mehrere Jahre Berufserfahrung in der Entwicklung von Formulierungen von Peptiden als Arzneimittel, insbesondere von Injektionslösungen von diesen, hat. Dieser Fachmann ist eingebunden in ein Team, dem jedenfalls ein Mediziner mit Erfahrung bei der Behandlung des metabolischen Syndroms und Diabetes angehört.
II.
Das Streitpatent kann die amerikanischen Prioritäten US 34905 P vom 7. Januar 1997 (= K4a), US 55404 P vom 8. August 1997, US 66029 P vom 14. November 1997 (= K4b und K4c) und US 65442 P vom 14. November 1997 (= K4d) für die angegriffenen Patentansprüche 20 bis 26 nicht in Anspruch nehmen.
Ständiger Rechtsprechung folgend kann die Priorität einer Voranmeldung in Anspruch genommen werden, wenn der Gegenstand der beanspruchten Erfindung im Prioritätsdokument identisch offenbart ist und es sich somit um dieselbe Erfindung handelt, d. h. wenn die Lehre der Nachanmeldung der Voranmeldung als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist. Dies trifft zu, wenn der Gegenstand der Nachanmeldung für den Fachmann unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig der früheren Anmeldung in seiner Gesamtheit zu entnehmen ist, wobei für diese Beurteilung die Prinzipien der Neuheitsprüfung gelten. (vgl. BGH X ZR 107/12 Urteil vom 11. Februar 2014, Ls., Tz. 20 bis 22, 24 – Kommunikationskanal, m. w. N.).
Nach diesen Vorgaben werden die vorliegend genannten Prioritäten zu Unrecht in Anspruch genommen, denn der im Patentanspruch 20 angegebene pH-Bereich von 3,5 bis 5,0 ist so im Zusammenhang keinem der Prioritätsdokumente K4a bis K4d unmittelbar und eindeutig zu entnehmen. Vielmehr wird für die in diesen Voranmeldungen jeweils beschriebenen, ein Exendin bzw. Exendin-Agonisten enthaltenden, pharmazeutischen Zusammensetzungen in Form wässriger Lösungen explizit ein pH-Bereich von ungefähr 5,6 bis 7,4 genannt (vgl. K4a, S. 16 Z. 16 bis 20; K4b S. 15 Z. 28 bis S. 16 Z. 2; K4c S. 19 Z. 21 bis Z. 27; K4d S. 19 Z. 6 bis 12). Auch die weiteren, diese Zusammensetzungen betreffenden Ausführungen in diesen Dokumenten können dem Fachmann keinen unmittelbaren und eindeutigen Hinweis vermitteln, ein pH-Bereich von 3,5 bis 5,0, wie er im Patentanspruch 20 angegeben wird, sei von der Lehre dieser Voranmeldungen umfasst. Als geeignete Puffersysteme werden zwar expressis verbis nur Natriumacetat/Essigsäurepuffer genannt, die üblicherweise zur Abpufferung eines pH-Bereiches von 2,5 bis 6,5 eingesetzt werden, somit zur Abpufferung eines pH-Bereiches in dem auch die streitpatentgemäßen Werte liegen. Gleichzeitig wird in diesem Zusammenhang jedoch ausgeführt, dass diese Puffersysteme dazu dienen sollen, die Zusammensetzungen der Voranmeldungen annäherungsweise an physiologische Bedingungen anzupassen. Physiologische Bedingungen aber liegen - und dies ist dem Grundlagenwissen des Fachmannes zuzurechnen – dann vor, wenn sich die pH-Werte in einem leicht sauren bis neutralen Bereich bewegen, entsprechend dem in der Voranmeldung genannten pH-Bereich von 5,6 bis 7,4. Nachdem pH-Werte in einem Bereich von 3,5 bis 5,0 jedoch dem sauren Bereich zuzuordnen sind, erschließt sich dieser im angegriffenen Patentanspruch 20 genannte pH-Bereich dem Fachmann nicht zwangläufig und unmittelbar aus den Voranmeldungen K4a bis K4d (vgl. K4a S. 16/17 seitenübergreifender Absatz, K4b S. 15/16 seitenübergreifender Absatz, K4c S. 19/20 seitenübergreifender Absatz, K4d S. 19 Abs. 2).
III.
1. Der Gegenstand der Patentansprüche 20 bis 26 gemäß Hauptantrag erweist sich als nicht bestandsfähig, weil er über den Inhalt der Anmeldung in der beim europäischen Patentamt ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.
Bei der mit Patentanspruch 20 gemäß Hauptantrag beanspruchten pharmazeutische Zusammensetzung handelt es sich gemäß den Merkmalen 1, 2, 2.1 und 3 um eine Dosierungseinheit, die für die periphere Injektion von Exendin oder einem Exendin-Agonisten, der eine Exendin-Peptidverbindung ist, so hergerichtet ist, dass damit - gemäß den Merkmalen 2.2 und 2.3 - 10 µg bis 100 µg pro Tag des Wirkstoffes als Einzeldosis oder aufgeteilt in mehreren Dosen verabreicht werden können und wobei die Zusammensetzung entsprechend den Merkmalen 4, 4.a und 4.b einen pH-Puffer enthält und einen pH-Wert im Bereich von 3,5 bis 5,0 aufweist. Mit diesem Patentanspruch wird somit eine pharmazeutische Zusammensetzung angegeben, die - der 1. medizinischen Indikation entsprechend - für alle Zwecke auf dem Gebiet der Medizin angewendet werden kann. Demgegenüber war in den dem Streitpatent zu Grunde liegenden Anmeldungsunterlagen K5 eine den Wirkstoff Exendin oder Exendin-Agonist enthaltende pharmazeutische Zusammensetzung offenbart, die stets mit der Angabe einer definierten medizinischen Indikation - in der allgemeinsten Form: "zur Reduktion der Nahrungsaufnahme" - verbunden beschrieben ist. Diese medizinische Indikation ist bereits Teil der Bezeichnung der Anmeldungsunterlagen K5 und Bestandteil sämtlicher selbständiger, nebengeordneter Patentansprüche. So wird gemäß Patentanspruch 1 ein Verfahren zur Behandlung von Zuständen und Störungen, die durch eine reduzierte Nahrungsmittelaufnahme gemildert werden können, angegeben, mit den Patentansprüchen 13, 14 und 15 ein Verfahren zur Hemmung des Appetits, zur Reduzierung des Körpergewichtes oder des Plasmalipidspiegels, und mit den Patentansprüchen 23, 28, 29 und 30 pharmazeutische Zusammensetzungen zur Behandlung von durch Überernährung bedingten Zuständen und Störungen bzw. wiederum zur Hemmung des Appetits, zur Reduzierung des Körpergewichtes oder des Plasmalipidspiegels. Diese Indikationen werden jedoch nicht nur in den Pa- tentansprüchen in Verbindung mit dem jeweils beanspruchten Gegenstand genannt, der zwingende Zusammenhang von einer ein Exendin oder einen ExendinAgonisten enthaltenden pharmazeutischen Zusammensetzung und medizinischer Indikation ergibt sich auch aus dem Gesamtinhalt der Voranmeldung. Denn die Angaben in der Beschreibung gehen nicht über den Sinngehalt der Patentansprüche hinaus, weshalb auch sie dem Fachmann keine davon abweichende Lehre vermitteln können. Im Zusammenhang mit der detaillierten Beschreibung des Erfindungsgegenstandes wird im Dokument K5 nämlich ebenfalls explizit ausgeführt, dass die Anmeldung auf ein Verfahren sowie auf pharmazeutische Zusammensetzungen zur Behandlung von Zuständen oder Störungen, die durch die Reduzierung der Nahrungsaufnahme verbessert werden können, unter Verabreichung eines Exendins oder eines Exendin-Agonisten gerichtet (vgl. S. 1/2 seitenübergreifender Absatz sowie S. 9 Z. 5 bis 9, S. 9 Z. 23 bis S. 10 Z. 10 und S. 13 Z. 4 bis 19). Wie zudem einleitend in dem die Erfindung beschreibenden Teil zu entnehmen ist, lag der Bereitstellung dieses Verfahren und der pharmazeutischen Zusammensetzungen zur Anwendung in diesem Verfahren die Feststellung zu Grunde, dass Exendine und Exendin-Agonisten die Nahrungsaufnahme hemmen (vgl. S. 8 Z. 12 bis 14 sowie S. 33 Z. 4 bis 8). Somit vermitteln die Anmeldungsunterlagen K5 dem Fachmann nur die Lehre, dass ein Exendin oder ein ExendinAgonist sowie diese Wirkstoffe enthaltende pharmazeutische Zusammensetzungen in der beschriebenen Herrichtung zur Behandlung der dort genannten medizinischen Indikationen verwendet werden können. Mit dem Patentanspruch 20 gemäß Hauptantrag wird dagegen eine pharmazeutische Zusammensetzung als solche, ohne Angabe einer in den Anmeldungsunterlagen K5 genannten medizinischen Indikation beansprucht, weshalb ihre Anwendung alle Zwecke auf dem Gebiet der Medizin einschließt. Damit ist dieser Patentanspruch auf einen Gegenstand gerichtet, den der Fachmann aufgrund der Offenbarung in der Voranmeldung nicht als von dessen Schutzbegehren umfasst erkennen konnte (vgl. BGH GRUR 2010, 513, Tz. [28] und [29] – Hubgliedertor II m. w. Nachw.; BGH GRUR 2002, 49 Leitsatz, 51 II. 3. bb – Drehmomentübertragungseinrichtung).
Der Verweis der Beklagten im Zusammenhang mit der Offenbarung des Gegenstandes gemäß Patentanspruch 20 nach Hauptantrag auf S. 33 Z. 9 bis 12 sowie S. 34 Z. 4 bis 21 der Anmeldungsunterlagen K5 kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Denn in diesen Zitaten wird zwar nur von Zusammensetzungen bzw. Verbindungen ohne Angabe des Verwendungszweckes gesprochen, die Begriffe sind aber in beiden Fällen unmittelbar mit dem Passus „usefull in the invention" verknüpft. Die Erfindung und die mit ihr verbundene Erkenntnis aber liegt – wie vorstehend dargelegt – darin, dass sich Exendin oder ein Exendin-Agonist als wirksam erwiesen hatte, die Nahrungsaufnahme zu hemmen und damit Zustände oder Störungen, die durch die Reduzierung der Nahrungsaufnahme verbessert werden können, zu behandeln (vgl. K5 S. 1/2 seitenübergreifender Absatz, S. 8 Z. 12 bis 14 sowie S. 33 Z. 4 bis 8). Darüber hinausgehende Feststellungen hinsichtlich der Wirksamkeit dieser Verbindungen sind der Voranmeldung dagegen an keiner Stelle zu entnehmen.
Der Gegenstand des Patentanspruches 20 gemäß Hauptantrag geht daher über die Fassung des Gegenstandes der Voranmeldung hinaus. Der Patentanspruch 20 gemäß Hauptantrag ist aufgrund dessen nicht rechtsbeständig.
2. Die von der Beklagten hilfsweise verteidigten Fassungen gemäß den Hilfsanträgen I bis III erweisen sich aufgrund unzulässiger Erweiterung gleichfalls als nicht bestandsfähig.
Die Patentansprüche 20 nach den Hilfsanträgen I bis III, die sämtlich ebenfalls pharmazeutische Zusammensetzungen betreffen, sind gegenüber dem Gegenstand gemäß Patentanspruch 20 nach Hauptantrag hinsichtlich der Obergrenze der zu verabreichenden Wirkstoffdosis, der Anwesenheit eines definierten Puffersystems sowie eines wässrigen Trägers beschränkt worden. Auch diese Patentansprüche gehen über den Inhalt der Anmeldung in der beim europäischen Patentamt ursprünglich eingereichten Fassung hinaus, denn sie betreffen ebenfalls pharmazeutische Zusammensetzungen als solche ohne Angabe der ursprünglich im Zusammenhang mit diesen offenbarten medizinischen Indikation. Die vorstehend genannten Gründe treffen für die Patentansprüche 20 gemäß den Hilfsanträgen I bis III daher gleichermaßen zu.
3. Mit dem jeweiligen Patentanspruch 20 nach Hauptantrag und den Hilfsanträgen I bis III haben auch die jeweils nachgeordneten Patentansprüche 21 bis 26, 21 und 25 bzw. 21 bis 24 keinen Bestand.
IV.
Die von der Beklagten hilfsweise verteidigte Fassung gemäß Hilfsantrag IVa erweist sich dagegen im Umfang der Patentansprüche 20 bis 26, wie sie sich aus dem Urteilstenor ergeben, als bestandsfähig.
1. Der Patentanspruch 20 unterscheidet sich vom erteilten Patentanspruch 20 insofern, als dieser nunmehr auf die Verwendung einer pharmazeutischen Zusammensetzung "zur Herstellung eines Medikamentes zur therapeutischen Verringerung des Körpergewichts bei einem Menschen oder Tier" gerichtet ist.
2. Die Gegenstände der Patentansprüche 20 bis 26 halten sich im Umfang der ursprünglichen Offenbarung. Weder der Patentgegenstand noch der Schutzbereich sind erweitert worden.
Der Patentanspruch 20 gemäß Hilfsantrag IVa leitet sich ab vom erteilten Patentanspruch 20 i. V. m. Streitpatentschrift K1 S. 2 Abs. [0001], S. 4 Abs. [0024], S. 11/12 Abs. [0077] und [0078] sowie Erstunterlagen K5 Patentanspruch 29 i. V. m. Beschreibung S. 1/2 seitenübergreifender Absatz, S. 10 Z. 6 bis 25, S. 13 Z. 12 bis 19, S. 16 Z. 5 bis S. 26 Z. 4 i. V. m. S. 29 Z. 21 bis 24, S. 33 Z. 9 bis 17 sowie S. 34 Z. 4 bis 11, S. 36 Z. 20/21 sowie S. 37/38 seitenübergreifender Absatz.
Die nachgeordneten Patentansprüche 21 bis 26 gehen auf die erteilten Patentansprüche 21 bis 26 sowie Erstunterlagen K5 Patentansprüche 5 und 17 sowie Beschreibung S. 37/38 seitenübergreifender Absatz, S. 34 Z. 6 bis 17 und S. 34 Z. 22 bis S. 35 Z. 2 zurück.
Insofern die Klägerin eine unzulässige Erweiterung im Hinblick auf die Voranmeldung geltend gemacht hat, weil die pharmazeutische Zusammensetzung im Patentanspruch 20 nicht entsprechend den Angaben auf der Seite 34 der Erstunterlagen K5 als isotonisch und als Suspension charakterisiert ist, kann dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Beide Merkmale werden in diesem Abschnitt als bevorzugt bzw. beispielsweise angegeben (vgl. K5 S. 34 Z. 4 bis 11). Unter Einbeziehung der weiteren Angaben im Zusammenhang mit der Formulierung der streitpatentgemäßen pharmazeutischen Zusammensetzung erkennt der Fachmann ohne weiteres, dass es sich hierbei tatsächlich jeweils um Merkmale handelt, die lediglich als eine von mehreren Alternativen zur Herrichtung in Betracht gezogen werden können, jedoch den Gegenstand selbst nicht auf die auf S. 34 Z. 8 bis 11 angegebene Ausführungsform begrenzen. So wird auf S. 34 Z. 22 nur von einer gewünschten Isotonizität gesprochen, nicht jedoch, dass deren Einstellung für die Ausführung der beanspruchten pharmazeutischen Zusammensetzung zwingend erforderlich sei. Die beanspruchte pharmazeutische Zusammensetzung ist streitpatentgemäß auch nicht auf das Vorliegen in Form einer Suspension beschränkt, wie z. B. anhand von Hinweisen auf S. 33 Z. 9 bis 17 sowie S. 36 Z. 20/21 zu ersehen ist. Denn gemäß beider Zitate kann die Verabreichung der Wirkstoffe ebenso in Form von Lösungen erfolgen (vgl. dazu auch BGH GRUR 2005 1023 Ls. - Einkaufswagen II).
Die Klägerin hat ferner vorgetragen, das Merkmal "Exendin-Agonist, der eine Exendin-Peptidverbindung ist" stelle ohne Bezugnahme auf die in den Erstunterlagen für Exendin-Agonisten genannten Sequenzen eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar. Auch dieser Vortrag kann nicht greifen. Vielmehr stellt diese Angabe eine im Umfang der ursprünglichen Offenbarung zulässige Beschränkung des Begriffes "Exendin-Agonist" dar. Denn höchstrichterlicher Rechtsprechung fol- gend ist in Anmeldungsunterlagen alles das offenbart, was in der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen angegeben ist und sich dem fachkundigen Leser am Anmeldetag daraus ohne weiteres erschließt. Dabei orientiert sich der Fachmann nicht am Wortlaut der Unterlagen, sondern an dem mit der Erfindung verfolgten Zweck und an dem Lösungsvorschlag seiner Elemente (vgl. BGH GRUR 2008, 56, 58 Tz. [12] - Injizierbarer Mikroschaum m. w. Nachw.). Vorliegend wird der Begriff „Exendin-Agonist" in der Voranmeldung als eine Verbindung definiert, die die Wirkung von Exendinen - bei denen es sich um Peptide handelt - auf die Hemmung der Nahrungsaufnahme nachahmt, indem sie an denselben Rezeptor bzw. dieselben Rezeptoren bindet wie ein Exendin (vgl. K5 S. 9 Z. 9 bis 12 i. V. m. S. 2 Z. 11 bis 13). Beschrieben werden in der Folge sodann ausschließlich ExendinAgonisten, bei denen es sich gleichfalls um Peptide handelt (vgl. S. 16 Z. 4 bis S. 26 Z. 4). Nachdem ferner im Zusammenhang mit der allgemeinen Beschreibung der Herstellungsverfahren ebenfalls ausschließlich nur von Peptiden gesprochen wird (vgl. K5 S. 29 Z. 21 bis S. 33 Z. 3), erschließt sich dem Fachmann ohne weiteres aus dem Gesamtinhalt der Voranmeldung, dass es sich bei den dort offenbarten Exendin-Agonisten auch um Exendin-Peptidverbindungen als einer möglichen Ausgestaltung der Erfindung handelt.
3. Der Gegenstand gemäß Patentanspruch 20 ist ausführbar.
Die Klägerin hat die Ausführbarkeit im Hinblick auf die allgemeine Angabe "Exendin-Agonist, der eine Exendin-Peptidverbindung ist" bestritten. Im Zusammenhang mit dieser Substanzgruppe enthält die Streitpatentschrift jedoch nicht nur umfangreiche Ausführungen zu den Strukturmerkmalen der von dieser Gruppe umfassten Verbindungen, sondern auch eine große Anzahl von Beispielen zu deren Herstellung (vgl. K1 S. 5 Z. 36 bis S. 9 Z. 5, S. 10 Abs. [0062] bis [0066] sowie S. 13 Beispiel 5 bis S. 82 Beispiel 190). Der Fachmann ist mit diesen Angaben daher in die Lage versetzt, Exendin-Agonisten, die Exendin-Peptidverbindungen sind, ohne weiteres in die Hand zu bekommen und mit der Durchführung orientierender Versuche, wie sie in der Streitpatentschrift K1 auf den Seiten 12 und 13 mit den Beispielen 1 bis 4 angegeben werden, zu überprüfen, inwiefern die angestrebte Wir- kung mit diesen auch erzielt werden kann. Darüber hinaus steht es der Ausführbarkeit weder entgegen, wenn in einem Verwendungsanspruch, wie er mit dem Patentanspruch 20 vorliegt, eine Gruppe von Stoffen, die u. a. nach ihrer Funktion umschrieben wird - hier Exendin-Agonist, der eine Exendin-Peptidverbindung ist, (vgl. dazu auch K1 S. 3 Abs. [0015]) -, neben bekannten oder in der Patentschrift offenbarten Stoffen auch die Verwendung von Stoffen umfasst, die erst künftig bereitgestellt werden, noch dass deren Bereitstellung erfinderische Tätigkeit erfordern kann (vgl. dazu auch BGH GRUR 2013 1210 Ls. 1-3, 1211 Tz. [19] und [20] sowie S. 1212 Tz. [29] – Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren m.w.Nachw.). Im Übrigen hat die Klägerin keine Nachweise dafür vorgelegt, dass der vorliegend beanspruchte Gegenstand nicht ausführbar sei (vgl. 2010, 901 Ls. 2 – Polymerisierbare Zementmischung).
Insofern die Klägerin die Ausführbarkeit unter dem Gesichtspunkt einer unangemessenen Anspruchsbreite bestreitet, so stellt dies keinen Nichtigkeitsgrund dar (vgl. BGH GRUR 2004 47 Ls. 2, 48 III.6. – blasenfreie Gummibahn I).
4. Die pharmazeutische Zusammensetzung gemäß Patentanspruch 20 ist gegenüber dem entgegengehalten Stand der Technik neu.
In keinem der im vorliegenden Verfahren im Zusammenhang mit der Neuheit diskutierten Dokumente wird die Verwendung einer pharmazeutischen, Exendin oder einen Exendin-Agonisten, der eine Exendin-Peptidverbindung ist, enthaltenden Zusammensetzung mit sämtlichen im Patentanspruch 20 genannten Merkmalen angegeben.
Die PCT-Anmeldungen K7 und die nachveröffentlichte K9 sowie der wissenschaftliche Artikel K8 betreffen GLP-1-Verbindungen, - Analoga oder -Derivate. Dabei handelt es sich stets um Verbindungen aus der Substanzklasse der "Glucagon-like Peptides“, die hinsichtlich ihrer Strukturmerkmale unmittelbar von GLP-1-Verbindungen abgeleitet worden sind (vgl. K7 Patentanspruch 1 sowie Beschreibung S. 1 Z. 3 bis 5 sowie S. 1 Z. 23 bis S. 2 Z. 3, S. 3 Z. 4 bis 20; K8 S. 53 "Abstract",
S. 54 li. Sp. "2.2. Study Drug" und S. 57 re. Sp. Abs. 2; K9 Patentanspruch 1 sowie Beschreibung S. 1 Z. 8 bis 12, S. 5 Z. 2 bis 8 i. V. m. Z. 17 bis 26, S. 6 Z. 2 bis 5 und Z. 15 bis 20). Zwar binden die Exendine gemäß Streitpatent sowie GLP-1Verbindungen an denselben Rezeptor (vgl. Streitpatent K1 S. 2 Abs. [0003] bis [0005] und [0008] sowie HE3 S. 19650 „Abstract“ sowie S. 19654 re. Sp. Abs. 3). Wie aber anhand der Streitpatentschrift ersichtlich ist, unterscheiden sich beide Substanzgruppen nicht nur hinsichtlich ihrer Sequenz, nachdem sie lediglich eine gewissen Sequenzähnlichkeit aufweisen (vgl. K1 S. 2 Abs. [0003] sowie HE3 S. 19650 Abstract“ 1. Satz und re. Sp. Abs. 2 le. Satz), sondern auch hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bzw. Verabreichungsart. Während nämlich gemäß Beispiel 1 des Streitpatentes peripher injiziertes Exendin-4 über einen Zeitraum von 6 h zu einer Verminderung der Nahrungsaufnahme führt, wird dieser Effekt mit GLP-1 nicht erzielt (vgl. K1 S. 12 "Beispiel 1" Abs. [0082] bis [0083] i. V. m. Fig. 1). Diese Ergebnisse stimmen mit jenen überein, die mit den im wissenschaftlichen Artikel HE4 beschrieben Studien erhalten worden sind. Denn auch bei diesen zeigte sich, dass GLP-1(7-36) in den dort angegebenen Dosierungen bereits 1 h nach der peripheren Injektion nicht mehr zu einer reduzierten Nahrungsaufnahme führte (vgl. S. 1986 li. Sp. Fig. 2). Zu keiner anderen Sichtweise können die Angaben in der Druckschrift K9 führen. Zwar erweist sich das dort beschriebene GLP-1-(7-36)Amid als dafür geeignet, auch peripher verabreicht eine Reduktion des Körpergewichtes zu bewirken. Nachweisbar erzielt wird diese Wirkung jedoch mit einer kontinuierlichen, d. h. permanenten Zuführung des GLP-1-(7-36)-Amids. Auch die Angabe der dazu erforderlichen Dosismenge erfolgt dort nur im Zusammenhang mit der kontinuierlichen Verabreichung bzw. der Infusion des Wirkstoffes. Hinweise zur Höhe der für eine periphere Injektion in Betracht zu ziehenden Tagesdosis enthält die Druckschrift K9 dagegen an keiner Stelle (vgl. K9 S. 29 Z. 32 bis 35 sowie S. 31 „Beispiel 1“ Z. 3 bis 16). Damit aber werden die streitpatentgemäßen Peptidverbindungen nicht nur durch ihre Strukturmerkmale sondern darüber hinaus durch weitere Auswahlkriterien charakterisiert, die von den GLP-1-Verbindungen der Dokumente K7 bis K9 nicht erfüllt werden (vgl. K1 S. 3 Abs. [0015] sowie Patentanspruch 20 gemäß Hilfsantrag IVa). Somit handelt es sich bei den in diesen Druckschriften angegebenen GLP-1-Verbindungen und den streitpatentgemäßen Exendinen und Exendin-Agonisten, die Exendin-Peptidverbindungen sind, um zwei Substanz-Familien, die sich weder hinsichtlich ihrer strukturellen Merkmale noch ihrer biologischen Wirksamkeit entsprechen. Auch der weitere Stand der Technik läßt an keiner Stelle erkennen, der Fachmann habe beide Substanzgruppen als einander entsprechend verstanden und sie hinsichtlich ihrer Struktur und Wirksamkeit gleichgesetzt. Als offenbart gelten chemische Verbindungen aber nur dann, wenn der Fachmann der Voranmeldung weitergehende Informationen zu deren Individualisierung, d. h. hinsichtlich ihrer Struktur und Herstellung, vermittelt, sie somit mitliest, weil sie ihm als eine übliche Verwirklichungsform einer allgemeinen Formel – hier der GLP-1-Familie – geläufig ist und sie sich ihm beim Lesen der allgemeinen Formel daher sofort als jedenfalls auch gemeint aufdrängt (vgl. BGH GRUR 2009, 382 Ls. 1 und 2, 384 Tz. [25], [27] und [28] – Olanzapin sowie BGH GRUR 2010, 123, 125 Tz. [31] und [32] - Escitalopram).
Die PCT-Anmeldung K10 betrifft ebenfalls Exendin-Analoga und diese enthaltende Arzneimittel. Verwendet werden diese Arzneimittel jedoch nur zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ II (vgl. Patentansprüche 1 und 11 i. V. m. Beschreibung S. 1 Z. 6 bis 8, Z. 18 bis S. 2 Z. 7, S. 2 Z. 27 bis S. 3 Z. 7). Eine gleichzeitige Reduzierung des Körpergewichtes im Zusammenhang mit der Behandlung des nicht-insulinabhängigen Diabetes mellitus (NIDDM) wird in diesem Dokument nicht beschrieben (vgl. S. 10 Z. 14 bis S. 11 Z. 11 i. V. m. S. 38 bis 47 "Beispiel 10"). Dieses trifft gleichermaßen auf die US-Patentschrift K13 zu, die Exendin-3- und Exendin-4-Polypeptide und diese enthaltende pharmazeutische Zusammensetzungen zum Thema hat. Auch in diesem Dokument werden die dort genannten Wirkstoffe nur zur Behandlung des Diabetes mellitus verwendet (vgl. Patentansprüche 1 bis 7 i. V. m. Beschreibung Sp. 1 Z. 15 bis 17, Sp. 2 Z. 37 bis Sp. 3 Z. 22) und ihre pharmakologische Wirkung ausschließlich hinsichtlich ihrer insulinotropen Wirkung diskutiert. Von einer gleichzeitigen gewichtsreduzierenden Wirkung wird dagegen an keiner Stelle berichtet (vgl. dazu insbes. Beispiele 1 bis 6).
Die von der Klägerin darüber hinaus als der Neuheit entgegenstehend diskutierte, nachveröffentlichte PCT-Anmeldung K16 kann diese gleichfalls nicht infrage stel- len. Dieses Dokument betrifft ebenfalls Exendin und Exendin-Agonisten sowie diese enthaltende pharmazeutische Zusammensetzungen. Als geeignete Anwendungsgebiete dieser Wirkstoffe werden die Hemmung der Magenentleerung und die Behandlung von Erkrankungen wie z. B. Diabetes mellitus, Fettsucht sowie Vergiftungen oder diagnostische Zwecke beschrieben (vgl. Patentanspruch 1 i. V. m. Beschreibung S.1 Z. 8 bis 13, S. 5 Z. 15 bis 31). Abgesehen davon, dass auch in diesem Dokument in Verbindung mit den dort beschriebenen Studien keine Angaben dahin gehend gemacht werden, es sei mit der Verabreichung der dort offenbarten Wirkstoffe gleichzeitig eine Gewichtsreduzierung beobachtet worden (vgl. insbes. S. 22 Z. 28 bis S. 24 Z. 10 i. V. m. S. 29 bis S. 33, Beispiele 1 bis 3), unterscheiden sich die Zusammensetzungen gemäß der Druckschrift K16 bereits deshalb von den gemäß Patentanspruch 20 zur Verwendung vorgesehenen pharmazeutischen Zusammensetzungen, weil sie einen pH-Wert im Bereich von 5,6 bis 7,4 aufweisen, während die streitpatentgemäßen Zusammensetzungen einen pH-Wert im Bereich von 3,5 bis 5,0 besitzen (vgl. S. 25 Z. 12 bis 18).
Die weiteren im Verfahren genannten Druckschriften liegen weiter ab und vermögen die Neuheit gleichfalls nicht infrage stellen. Sie wurden von der Klägerin auch nicht unter diesem Gesichtspunkt genannt.
5. Die Verwendung der pharmazeutischen Zusammensetzung zur Herstellung eines Medikamentes zur therapeutischen Reduzierung des Körpergewichts gemäß Patentanspruch 20 nach Hilfsantrag IVa beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Eine Anregung zur Lösung der Aufgabe, die Verwendung eines Exendins oder eines Exendin-Agonisten, der eine Exendin-Peptidverbindung ist, in der im Patentanspruch 20 angegebenen Formulierung zur peripheren Verabreichung in Betracht zu ziehen, wird dem Fachmann mit keinem der im Verfahren genannten Dokumenten vermittelt.
Die Druckschriften K10 betrifft zwar ebenfalls Exendin-Analoga bzw. Exendin-Derivate, als medizinisches Anwendungsgebiet wird jedoch die Therapie des Diabetes mellitus genannt (vgl. K10 Patentansprüche 1 und 11 i. V. m. Beschreibung S. 1 Z. 6 bis 8 sowie S. 2/3 übergreifender Absatz). Gemäß Seite 3 Z. 4 bis 7 ist die therapeutische Verwendbarkeit darin begründet, dass diese Verbindungen nicht nur eine Wirkung auf Insulinsynthese und -abgabe, sondern auch auf den Insulineffekt, insbesondere die Glukoseaufnahme in den Zielgeweben Muskel- und Fettgewebe, sowie die Magenentleerung besitzen. Die im Folgenden im Zusammenhang mit der Diskussion der vorteilhaften therapeutischen Eigenschaften gemachten Angaben, wonach diese in der Erhöhung der Insulin-Biosynthese, einer erhöhten peripheren Verstoffwechselung der Glukose, einer Hemmung der Glucagonfreisetzung aus dem endokrinen Pankreas und in einer Absenkung der Glukoneogenese sowie - im Fall des nicht-insulinabhängigen Diabetes mellitus - zu einer deutlichen Verbesserung der Stoffwechselsituation (vgl. S. 10 Z. 14 bis S. 11 Z. 11) liegen, gehen nicht über die bereits eingangs des Dokumentes K10 aufgezählten Wirkungen hinaus. Diese Ausführungen aber können dem Fachmann - entgegen dem Vortrag der Klägerin - keine Hinweise dahingehend vermitteln, die Wirkung der im Dokument K10 offenbarten Peptidsequenzen auf die Magenentleerung beinhalte zugleich auch eine Verringerung des Körpergewichtes. Mit der bloßen Angabe einer nicht weiter definierten Wirkung auf die Magenentleerung sind nämlich keine Aussagen hinsichtlich einer Hemmung der Nahrungsaufnahme an sich oder einer Verringerung des Körpergewichts verbunden. Der Fachmann ging zum maßgeblichen Zeitpunkt auch nicht von vornherein davon aus, dass es sich hierbei um eine selbstverständlich eintretende Folge einer Wirkung auf die Magenentleerung nach der Verabreichung von GLP-1-Agonisten handeln könnte. Denn selbst in dem von der Klägerin gutachtlich zitierten, nachveröffentlichten wissenschaftlichen Beitrag K15 wird diese Wirkungsweise lediglich als eine möglicherweise eintretende, nicht aber eine tatsächlich bewiesene beschrieben (vgl. S. 519 li. Sp. Abs. 3). Nachdem für die in der PCT-Anmeldung K10 ebenfalls offenbarten pharmazeutischen Zusammensetzungen darüber hinaus kein pHBereich genannt wird und die beschriebenen Peptidsequenzen formuliert in den dort angegebenen Zubereitungen in einer Tagesdosis von 150 bis 500 nmol ent- sprechend einer Tagesdosis von 630 bis 2100 µg (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 27. Mai 2013 S. 18 Abs. 1) verabreicht werden, vermag dieses Dokument dem Fachmann keine Anregung dahingehend zu geben, ein Exendin oder einen Exendin-Agonisten, der eine Exendin-Peptidverbindung ist, in einer Zubereitung, die einen pH-Wert in einem Bereich von 3,5 bis 5,0 aufweist, zur therapeutischen Verringerung des Körpergewichtes anzuwenden. Angesichts der mit der Druckschrift K10 vermittelten Lehre konnte er insbesondere auch nicht von vornherein erwarten, dass für eine therapeutische Verringerung des Körpergewichtes die in Rede stehenden Wirkstoffe in der im strittigen Patentanspruch 20 angegebene Formulierung nur in einer Dosierung von 10 bis 100 µg pro Tag verabreicht werden müssen.
Auch die weiteren im Zusammenhang mit der erfinderischen Tätigkeit diskutierten Druckschriften können dem Fachmann für sich oder in einer Zusammenschau mit dem Dokument K10 keinen Anlass dahingehend vermitteln, zur Lösung der vorliegenden Aufgabe ein Exendin oder einen Exendin-Agonisten, der eine ExendinPeptidverbindung ist, in der im strittigen Patentanspruch 20 genannten Formulierung zur therapeutischen Verringerung des Körpergewichtes peripher zu verabreichen.
Der wissenschaftliche Artikel HE4 der Autoren M. Navarro et al. veröffentlicht 1996 im "Journal of Neurochemistry" betrifft Untersuchungen zur Rolle der im Gehirn lokalisierten GLP-1-Rezeptoren für das Essverhalten. Im Rahmen der dort beschriebenen Studien zeigte sich, dass sowohl GLP-1 (7-36) als auch Exendin-4 eine hemmende Wirkung auf die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme besitzen. Dieses allerdings nur dann, wenn die Wirkstoffe intracerebroventricular ( = i.c.v.) appliziert worden waren. Die Autoren folgerten daraus, dass GLP-1 (7-36) die Nahrungsaufnahme über einen zentralen Mechanismus, über im Gehirn lokalisierte GLP-1-Rezeptoren, steuere. Denn gleichzeitig hatten sie festgestellt, dass ein entsprechender länger anhaltender Effekt bzw. in sich konsistente Ergebnisse bei der Nahrungs- und Wasseraufnahme dagegen nicht beobachtet werden konnten, wenn das Peptid peripher verabreicht worden war. Daraus zogen die Autoren der Publikation HE4 den Schluss, dass eine Applikation auf diesem Wege keine Wirkung zeige (vgl. S. 1982 "Abstract", S. 1983 re. Sp. Abs. 3, S. 1987 li. Sp. Z. 13 bis re. Sp. Z. 9). Dem lagen Versuche zugrunde, in deren Rahmen 30 Minuten nach der peripheren Verabreichung von GLP-1 (7-36) in einer Dosierung von 1000 ng/100 g Körpergewicht im Vergleich zur Kontrollgruppe und zu niedrigeren Dosierungen eine Reduzierung der Nahrungsaufnahme beobachtet worden war, dieser Effekt aber bereits 60 Minuten nach der Injektion nicht mehr nachweisbar war. Wieterhin war auch ein dosisabhängiger Gewichtsverlust 24 Stunden nach der Injektion beobachtet worden (vgl. S. 1982 "Abstract", S. 1985 re./li. Sp. übergreifender Absatz i. V. m. S. 1986 Fig. 2). Da die Nahrungsaufnahme zu diesem Zeitpunkt gegenüber der Kontrollgruppe aber nicht reduziert war, hatten die Autoren dafür jedoch keine Erklärung (vgl. S. 1988 re. Sp. Z. 2 bis 13). Nachdem die Veröffentlichung HE4 somit die Lehre vermittelt, dass die von ihm angestrebte Wirkung zwar über eine i.c.v.-Applikation von GLP-1-Rezeptor-Agonisten erzielt werden kann, eine periphere Verabreichung dieses Peptides aber zu keinen im Rahmen der in der Publikation HE4 beschriebenen Versuche und Zielsetzungen verwertbaren Ergebnissen führte, kann auch dieses Dokument dem Fachmann keine Hinweise dahin gehend vermitteln, zur therapeutischen Reduzierung des Körpergewichtes Exendin bzw. einen Exendin-Agonisten, der eine Exendin-Peptidverbindung ist, in der im Patentanspruch 20 angegebenen Formulierung peripher zu verabreichen.
Die ebenfalls GLP-1-Peptide bzw. Exendin-3- und Exendin-4-Polypeptide betreffenden Dokumente K7, K8 und K13 sind sämtlich auf die Anwendung dieser Wirkstoffe zur Behandlung des Diabetes gerichtet (vgl. K7 Patentansprüche 1 und 22 und Beschreibung S. 4 Abs. 7; K8 S. 53 li. Sp. Abs. 1 bis S. 54 li. Sp. Abs. 2; K13 Patentansprüche 1 bis 7 i. V. m. Beschreibung Sp. 1 Z. 15 bis 17, Sp. 2 Z. 37 bis Sp. 3 Z. 22). Die Dokumente K11, K12 betreffen Puffersysteme und das Gutachten HE1 befasst sich mit der Einstellung von pH-Werten von Peptid-Lösungen. Die Druckschriften K9 und K16 sind nachveröffentlicht. Diese Dokumente können daher die erfinderische Tätigkeit bei der Bereitstellung der Verwendung einer pharmazeutischen Zusammensetzung zur Reduzierung des Körpergewichtes gemäß Patentanspruch 20 ebensowenig infrage stellen wie die weiteren von der Klägerin ins Verfahren eingeführten Druckschriften, die von ihr in der mündlichen Verhandlung nicht wieder aufgegriffen worden sind und die nicht über den Inhalt der vorstehend diskutierten Dokumente hinausgehen bzw. vom Gegenstand des Streitpatentes in der Fassung gemäß Urteilstenor weiter ab liegen.
Angesichts dieser Sachlage musste der Fachmann somit erfinderisch tätig werden, um die mit dem Patentanspruch 20 gemäß Urteilstenor beanspruchte Verwendung einer pharmazeutischen Zusammensetzung zur Reduzierung des Körpergewichtes bereitzustellen. Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruches 20 wird daher vom Stand der Technik nicht nahe gelegt.
Der Patentanspruch 20 gemäß Hilfsantrag IVa hat daher Bestand.
Mit Patentanspruch 20 haben die auf diesen rückbezogenen Patentansprüche 21 bis 26 ebenfalls Bestand.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
VI.
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
Schramm Guth Dr. Proksch-Ledig Dr. Gerster Dr. Jäger Ko