IV ZB 26/23
BUNDESGERICHTSHOF IV ZB 26/23 BESCHLUSS vom 22. Mai 2024 in der Nachlasssache ECLI:DE:BGH:2024:220524BIVZB26.23.0 Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Karczewski, die Richterinnen Dr. Brockmöller Dr. Bußmann, die Richter Dr. Götz und Piontek am 22. Mai 2024 beschlossen:
Der Antrag des Beteiligten zu 2 auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 3. August 2023 wird abgelehnt.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 in einem mit der Erblasserin mehrere Jahre vor ihrer Eheschließung geschlossenen Erbvertrag aufgrund der späteren Scheidung unwirksam geworden ist.
Der Beteiligte zu 2 ist Sohn der Erblasserin und ihr einziges Kind. Die Erblasserin und der Beteiligte zu 1 schlossen am 29. Mai 1995, als sie noch nicht miteinander verheiratet waren, einen als "Erbvertrag und Erwerbsrecht" bezeichneten notariellen Vertrag. Sie setzten sich darin - unter II. und III. - mit wechselseitiger Bindungswirkung gegenseitig zu Alleinerben ein. Als Erben des Längstlebenden bestimmten sie den Beteiligten zu 2 und die beiden Kinder des Beteiligten zu 1. Ferner vereinbarten sie
- unter "VI. Erwerbsrecht" -, dass der Beteiligte zu 1 ein von der Erblasserin zu Alleineigentum erworbenes Grundstück unter anderem dann zur Hälfte erwerben könne, sobald die zwischen ihnen bestehende Lebensgemeinschaft ende, eine etwa nachfolgende Ehe zwischen ihnen geschieden werde oder im Falle einer Eheschließung seit dem Zeitraum des Getrenntlebens mehr als drei Monate verstrichen seien.
Am 16. Dezember 1999 schlossen die Erblasserin und der Beteiligte zu 1 die Ehe, die durch Beschluss vom 11. Januar 2021 rechtskräftig geschieden wurde. Im Zuge des Ehescheidungsverfahrens hatten die Erblasserin und der Beteiligte zu 1 über die Aufhebung des Erbvertrages verhandelt. Zu Lebzeiten der Erblasserin kam es jedoch nicht zur Unterzeichnung einer entsprechenden notariellen Urkunde.
Das Amtsgericht hat - soweit für die Rechtsbeschwerde von Interesse - die für den Antrag des Beteiligten zu 1 auf Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbe erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 2 mit Beschluss vom 3. August 2023 zurückgewiesen. Zur Durchführung der vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung beantragt der Beteiligte zu 2 die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe.
Il. Die beantragte Verfahrenskostenhilfe ist abzulehnen, weil die Rechtsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Erbfolge richte sich nach dem Erbvertrag vom 29. Mai 1995, in dem sich die Erblasserin und der Beteiligte zu 1 wechselseitig mit erbvertraglicher Bindung zu alleinigen und unbeschränkten Erben eingesetzt hätten. Diese Einsetzung sei nicht deshalb unwirksam geworden, weil die Vertragsparteien später geheiratet hätten und die Ehe wiederum vor dem Tod der Erblasserin geschieden worden sei. Die §§ 2279, 2077 BGB seien - anders als in einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1961 (Urteil vom 3. Mai 1961 - V ZR 154/59, FamRZ 1961, 364) angenommen - nach der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht anwendbar, wenn der Erblasser und der Bedachte zur Zeit der Verfügung noch nicht miteinander verheiratet gewesen seien, sondern erst danach geheiratet hätten und die Ehe vor Eintritt des Erbfalls wieder geschieden worden sei, und die Bedenkung auch nicht im Hinblick auf eine bevorstehende Ehe erfolgt sei. Für ein Verlöbnis der Erblasserin und des Beteiligten zu 1 im Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrages gebe es keine Anhaltspunkte. Das werde durch die Eheschließung erst mehr als viereinhalb Jahre nach dem Abschluss des Erbvertrages bestätigt. Dem Erbvertrag könnten auch keine Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass es der übereinstimmende Wille der Erblasserin und des Beteiligten zu 1 im Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrages gewesen sei, die Einsetzung als Alleinerbe des Erstversterbenden solle entfallen, wenn die Vertragsparteien später heirateten und ihre Ehe dann wieder geschieden würde. Ein solcher Wille sei auch nicht den im Zuge des Scheidungsverfahrens entworfenen Urkunden zu entnehmen. Ein zuletzt möglicherweise abweichender Wille der Erblasserin führe ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Erbeinsetzung.
2. Das hält rechtlicher Überprüfung stand.
Der Beteiligte zu 1 ist Alleinerbe der Erblasserin aufgrund des Erbvertrages vom 29. Mai 1995 geworden. Die Erblasserin und der Beteiligte zu 1 haben sich in diesem Vertrag wirksam in der nach § 2276 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderlichen Form der notariellen Beurkundung gegenseitig zu alleinigen und unbeschränkten Erben eingesetzt.
a) Die Auslegung des Erbvertrages vom 29. Mai 1995 durch das Beschwerdegericht, dass diesem keine Anhaltspunkte für einen übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien zu entnehmen seien, dass die Einsetzung des Beteiligten zu 1 als Alleinerbe entfallen solle, wenn die Erblasserin und er später heirateten und die Ehe in der Folge wieder geschieden würde, hält der Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht stand.
aa) Für die Feststellung des in einem Erbvertrag erklärten Erblasserwillens gelten die allgemeinen Auslegungsregeln der §§ 133, 2084 BGB. Hiernach ist der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Für die Auslegung vertragsmäßiger Verfügungen im Sinne von § 2278 BGB - wie sie die Erbvertragsparteien hier angesichts der ausdrücklich bezweckten "Herbeiführung der erbvertraglichen Bindung" vornahmen - gelten daneben und modifizieren die Auslegungsregeln für Verträge gemäß §§ 133, 157 BGB. Maßgebend ist daher der gemeinsame Wille der Vertragsteile zum Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrages (Senatsbeschluss vom 9. März 2011 - IV ZB 16/10, ZEV 2011, 422 Rn. 9 m.w.N.). Die Aufgabe der Testamentsauslegung ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten. Seine Auslegung kann aber mit der Rechtsbeschwerde angegriffen werden, wenn sie gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Denk- und Erfahrungsgrundsätze oder Verfahrensvorschriften verstößt (Senatsbeschluss vom 19. Juni 2019 - IV ZB 30/18, ZEV 2019, 477 Rn. 21 m.w.N.; st. Rspr.).
bb) Solche Auslegungsfehler sind hier nicht ersichtlich. Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht angenommen, dass entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 2 dem Erbvertrag keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen seien, es sei der übereinstimmende Wille der Erblasserin und des Beteiligten zu 1 bei Abschluss des Erbvertrages gewesen, dass die Einsetzung des jeweils anderen als Alleinerben des Erstversterbenden entfallen sollte, wenn die Vertragsparteien später heirateten und ihre Ehe später wieder geschieden werden sollte. Insbesondere hat es auch ohne Rechtsfehler einen Rückschluss auf den Willen der Erbvertragsparteien bei Abschluss des Erbvertrages im Mai 1995 wegen des nach der Scheidung im Jahr 2021 gefertigten zweiten Entwurfs eines notariellen Vertrages, mit dem die Unwirksamkeit der erbvertraglichen Regelung klargestellt werden sollte, verneint. Weiter hat es rechtsfehlerfrei angenommen, dass aus der Vereinbarung eines Erwerbsrechts des Beteiligten zu 1 an der Immobilie der Erblasserin, unter anderem für den Fall der Scheidung einer etwa nachfolgenden Ehe, kein Wille der Vertragsparteien hinsichtlich des erbvertraglichen Teils des notariellen Vertrages vom Mai 1995 abzuleiten sei, an diese Regelungen die Rechtsfolge zu knüpfen, dass die Erbeinsetzung des jeweils anderen entfallen solle. Im Gegenteil spricht gerade die unterbliebene Bestimmung von Rechtsfolgen im erbvertraglichen Teil für den Fall einer Beendigung der Partnerschaft, während solche im erwerbsrechtlichen Teil ausdrücklich vorgesehen waren, gegen einen solchen Willen. Da die Erbvertragsparteien sowohl den Fall einer Beendigung ihrer nichtehelichen Lebensgemeinschaft als auch die Möglichkeit einer nachfolgenden Eheschließung und -scheidung bedacht haben, ist mangels ungewollter Regelungslücke hier (auch) kein Raum für eine ergänzende Auslegung des Erbvertrages (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Juli 2017 - IV ZB 15/16, ErbR 2017, 613 Rn. 13 f.).
Der Umstand, dass der Wille der Erblasserin zuletzt möglicherweise darauf gerichtet war, dass ihr Sohn, der Beteiligte zu 2, sie allein beerbt, und der Beteiligte zu 1 im Rahmen des Scheidungsverfahrens zu einer einvernehmlichen Aufhebung des notariellen Vertrages aus dem Jahr 1995 bereit gewesen sein könnte, bleibt mangels formwirksamer einvernehmlicher Umsetzung (§ 2290 BGB i.V.m. § 2276 BGB bzw. § 2292 i.V.m. §§ 2265, 2267 BGB) oder Rücktritts (§§ 2271 Abs. 1 Satz 1, 2296 BGB) rechtlich folgenlos.
b) Die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 ist nicht gemäß § 2077 Abs. 1 oder Abs. 2 i.V.m. § 2279 BGB unwirksam.
aa) Nach § 2077 Abs. 1 BGB ist eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst worden ist. Die Regelung soll einer nachträglich eintretenden wesentlichen Veränderung in den Beziehungen von Erblasser und Bedachten mit Rücksicht auf die allgemeine Lebenserfahrung Rechnung tragen. Das Gesetz gibt mit der Norm eine dispositive Auslegungsregel entsprechend dem vermuteten wirklichen Willen des Erblassers, der auf Hinfälligkeit des Testamentes unter anderem im Scheidungsfall gerichtet ist. Für den Regelfall misst § 2077 Abs. 1 BGB einer solchen letztwilligen Zuwendung den Inhalt zu, nur für den Fall des Bestehens der Ehe getroffen zu sein (Senatsbeschluss vom 2. April 2003 - IV ZB 28/02, BGHZ 154, 336, 340 [juris Rn. 17] m.w.N.; BGH, Urteil vom 6. Mai 1959 - V ZR 97/58, FamRZ 1960, 28 unter II.2.a). Das Gleiche gilt gemäß § 2077 Abs. 2 BGB, wenn der Erblasser seine letztwillige Verfügung zu Gunsten seines Verlobten getroffen hat, das Verlöbnis aber vor dem Eintritt des Todesfalls aufgelöst worden ist.
bb) Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. § 2077 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB in direkter Anwendung setzen das Bestehen einer Ehe bzw. eines Verlöbnisses im Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung voraus (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Juli 2019 - IV ZB 22/18, BGHZ 222, 365 Rn. 15 f. m.w.N.).
Das Beschwerdegericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Vertragsparteien, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrages nicht miteinander verheiratet waren, auch nicht im Rechtssinne miteinander verlobt waren (vgl. §§ 1297 ff. BGB). Die nach Auffassung des Beschwerdegerichts nachvollziehbare Einlassung des Beteiligten zu 1, es sei damals im Hinblick auf die beiderseitigen Scheidungen nicht an eine Eheschließung gedacht worden, wird zum einen dadurch bestätigt, dass diese erst viereinhalb Jahre nach Abschluss des Erbvertrages erfolgte, und zum anderen durch die Formulierung in dem notariellen Vertrag, wo lediglich eine "etwa nachfolgende Ehe" erwähnt ist. Für ein Verlöbnis als gegenseitiges ernstliches Eheversprechen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 1982 - IVb ZR 711/80, MDR 1982, 834 [juris Rn. 13]; BayObLG NJWEFER 2001, 261 [juris Rn. 22]; jeweils m.w.N.) fehlt es damit, wie das Beschwerdegericht zutreffend angenommen hat, an Anhaltspunkten.
cc) § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB ist jedenfalls dann auch nicht analog anwendbar, wenn der Erblasser und der Bedachte im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung nicht verheiratet oder verlobt waren und auch kein hinreichender Bezug der Verfügung zu einer späteren Eheschließung vorliegt.
(1) Teilweise wird es für gerechtfertigt gehalten, bei Errichtung eines Testaments im Rahmen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft § 2077 Abs. 1 BGB generell (Röthel, Erbrecht 18. Aufl. § 19 Rn. 27; vgl. auch MünchKomm-BGB/Wellenhofer, 9. Aufl. Anh. § 1302 Rn. 89; Meier-Scherling, DRiZ 1979, 296, 299), jedenfalls aber bei späterer Eheschließung analog anzuwenden (Horn in Horn/Kroiß, Testamentsauslegung 2. Aufl. § 8 Rn. 96; Krauß in Groll/Steiner, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, 6. Aufl. § 13 Nichteheliche Partner im Erbrecht Rn. 62; MünchKomm-BGB/ Leipold, 9. Aufl. § 2077 Rn. 7, 16; M. Schmidt/Nobis in Erman, BGB 17. Aufl. § 2077 Rn. 5; Grüneberg/Weidlich, BGB, 83. Aufl. § 2077 Rn. 1; Grziwotz, FamRZ 2018, 480, 486; Koutses, FPR 2001, 41, 42; Selbherr, MittBayNot 2022, 254, 255 f.; vgl. auch Staudinger/Kanzleiter, BGB (2019) § 2279 Rn. 12). Die Interessenlage bzw. die Motive von Ehegatten und nichtehelichen Lebensgefährten bei einer Begünstigung des Partners stimmten in der Regel überein (vgl. Röthel, Erbrecht 18. Aufl. § 19 Rn. 27; Meier-Scherling, DRiZ 1979, 296, 299).
(2) Die überwiegende Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Schleswig ZEV 2023, 741 Rn. 39; OLG Rostock NJW 2021, 3665 Rn. 24; OLG Frankfurt ErbR 2016, 276 [juris Rn. 19] und ErbR 2016, 453 [juris Rn. 12]; KG ErbR 2016, 449 [juris Rn. 23]; OLG Schleswig, Beschluss vom 9. April 2009 - 3 U 43/08, juris Rn. 10, 13; vgl. auch BayObLG NJWE-FER 2001, 261 [juris Rn. 22 f.] und MDR 1984, 145 [juris Rn. 44 ff.]; OLG Celle ZEV 2003, 328 [juris Rn. 3 ff.]) und in der Literatur (Czubayko in Burandt/Rojahn, Erbrecht 4. Aufl. § 2077 BGB Rn. 2; jurisPK-BGB/B. Hamdan/M. Hamdan, 10. Aufl. § 2279 Rn. 11 [Stand: 1. Juli 2023]; BeckOGK/Harke, § 2077 BGB Rn. 8 [Stand: 1. April 2024]; HK-BGB/Hoeren, BGB 12. Aufl. § 2077 Rn. 10; jurisPK-BGB/Lehrmann,
10. Aufl. § 2077 Rn. 47, 70, 87 [Stand: 1. Juli 2023]; BeckOK-BGB/Litzenburger, § 2077 Rn. 1 [Stand: 1. Februar 2024]; Loritz/Uffmann in Soergel, BGB 14. Aufl. § 2077 Rn. 14; Staudinger/Otte, BGB (2019) § 2077 Rn. 11; Staudinger/Raff, BGB (2022) § 2279 Rn. 23; Seiler-Schopp/Rudolf in PK Erbrecht 4. Aufl. § 2077 BGB Rn. 1 f., 12; Jauernig/Stürner, BGB 19. Aufl. § 2077 Rn. 7) verneint die analoge Anwendung von § 2077 Abs. 1 BGB auf nichteheliche Lebensgemeinschaften, auch wenn später die Ehe geschlossen wird, generell oder jedenfalls für den Fall, dass die Verfügung nicht zumindest in Erwartung einer Eheschließung erfolgt (KG ErbR 2016, 449 [juris Rn. 21]; vgl. OLG Frankfurt ErbR 2016, 276 [juris Rn. 20]). Die Bestimmung beruhe auf der Annahme, dass ein Erblasser regelmäßig seinen Ehegatten nur aufgrund der in der Regel lebenslangen familienrechtlichen Bindung bedenken wolle, woran es fehle, wenn die Partner weder verheiratet noch verlobt seien (vgl. OLG Schleswig ZEV 2023, 741 Rn. 40; OLG Rostock NJW 2021, 3665 Rn. 24; OLG Celle ZEV 2003, 328 [juris Rn. 4]).
(3) § 2077 Abs. 1 und Abs. 2 BGB ist jedenfalls in der hier zu beurteilenden Fallkonstellation auf letztwillige Verfügungen zugunsten des nichtehelichen Lebensgefährten des Erblassers, die keinen Bezug zu ihrer späteren Eheschließung aufweisen, nicht analog anwendbar. Es fehlt an einer mit der allgemeinen Lebenserfahrung begründbaren dahingehenden Vermutung, wie sie der Regelung des § 2077 BGB für den Fall einer nachträglich eintretenden wesentlichen Veränderung in den Beziehungen von Erblasser und Bedachtem zugrunde liegt (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2003 - IV ZB 28/02, BGHZ 154, 336, 340 [juris Rn. 17] m.w.N.). Zwar kann der Gedanke der dauerhaften Versorgung des Lebensgefährten, etwa durch eine Erbeinsetzung, für den Erblasser ebenso bedeutsam sein wie im Falle einer Ehe. Gleichfalls mögen Erblasser mit ihren letztwilligen Zuwendungen an nichteheliche Lebensgefährten gedanklich das (Fort-)Bestehen der partnerschaftlichen Verbindung verknüpfen (vgl. Leipold, ZEV 2003, 330). Der Vielgestaltigkeit nichtehelicher Lebensgemeinschaften hinsichtlich ihrer Ausgestaltung lässt sich aber kein Regelfall einer solchen Motivation des Erblassers für eine letztwillige Verfügung zugunsten seines nichtehelichen Lebensgefährten entnehmen (vgl. KG ErbR 2016, 449 [juris Rn. 22]; OLG Celle ZEV 2003, 328 [juris Rn. 4]; DNotIReport 2018, 57, 58 m.w.N.). Die nichtehelichen Lebensgefährten unterlassen eine rechtliche Bindung ihrer Beziehung bewusst und verknüpfen daher - jedenfalls in der Regel - mit dem Ende ihrer Beziehung gerade keine Rechtsfolgen. Sie gehen daher auch nicht von einer "automatischen" Unwirksamkeit einer letztwilligen Verfügung zugunsten ihres Lebensgefährten aus (vgl. Leipold, ZEV 2003, 330). Die Regelung kann folglich auch nicht durch richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie zum allgemeinen Prinzip für letztwillige Zuwendungen an nichteheliche Lebensgefährten erhoben werden (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2003 aaO [juris Rn. 19] zu Zuwendungen an Schwiegerkinder).
Auch eine spätere Eheschließung rechtfertigt nicht grundsätzlich den Schluss auf einen auf den Wegfall der letztwilligen Verfügung im Scheidungsfall gerichteten Willen des Erblassers, der seinen nichtehelichen Lebensgefährten bedacht hat, jedenfalls dann nicht, wenn - wie hier ein Bezug der Verfügung zur Eheschließung fehlt (insoweit anders BGH, Urteil vom 3. Mai 1961 - V ZR 154/59, FamRZ 1961, 364). Bejahte man eine analoge Anwendung des § 2077 BGB stets, wenn ein nichtehelicher Lebensgefährte seinen Partner bedenkt und ihn später heiratet, würde aus der späteren Eheschließung in unzulässiger Weise nachträglich auf eine Willensrichtung des Erblassers im Zeitpunkt seiner letztwilligen Verfügung geschlossen (vgl. OLG Schleswig ZEV 2023, 741 Rn. 40; OLG Celle ZEV
2003, 328 [juris Rn. 7 f.]; jurisPK-BGB/Lehrmann, 10. Aufl. § 2077 Rn. 47 [Stand: 1. Juli 2023]). Eine solche Willensrichtung kann zwar im Einzelfall vorliegen und ist im Rahmen der vorrangigen individuellen Testamentsauslegung zu berücksichtigen. Eine allgemeine Veränderung der Feststellungs- und Beweislast über eine Analogie zu § 2077 Abs. 1 und 2 BGB ist aber nicht gerechtfertigt (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2003 - IV ZB 28/02, BGHZ 154, 336, 341 [juris Rn. 21]; NK-BGB/Hölscher/Kornexl, 6. Aufl. § 2079 Rn. 38).
Prof. Dr. Karczewski Dr. Brockmöller Dr. Bußmann Dr. Götz Piontek Vorinstanzen: AG Kusel, Entscheidung vom 17.02.2022 - 1 VI 251/21 OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 03.08.2023 - 8 W 44/22 -