IV ZB 18/24
BUNDESGERICHTSHOF IV ZB 18/24 BESCHLUSS vom 23. April 2025 in der Nachlasssache Nachschlagewerk: ja BGHZ:
nein BGHR:
ja JNEU:
nein FamFG § 81 Abs. 1, § 85 Kann aus der Kostengrundentscheidung nicht zweifelsfrei festgestellt werden, dass der Kostenausspruch auch die Erstattung der außergerichtlichen Kosten mitumfasst, kann die Feststellung im Kostenfestsetzungsverfahren nicht nachgeholt werden.
BGH, Beschluss vom 23. April 2025 - IV ZB 18/24 - OLG Oldenburg AG Cloppenburg ECLI:DE:BGH:2025:230425BIVZB18.24.0 Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Karczewski, die Richterinnen Dr. Brockmöller, Dr. Bußmann, die Richter Dr. Götz und Piontek am 23. April 2025 beschlossen:
Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels werden auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 der Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 7. Mai 2024 und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Cloppenburg vom 28. März 2024, soweit sie sich auf die erstinstanzlichen Kosten beziehen, aufgehoben. In diesem Umfang wird der Antrag des Beteiligten zu 2 auf Kostenfestsetzung vom 15. November 2023 zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Beteiligte zu 1 in Höhe von 69 % zu tragen; im Übrigen wird von der Erhebung von Kosten abgesehen.
Gründe:
I. Die Beteiligten, zwei von insgesamt sieben Geschwistern, streiten über die vom Beteiligten zu 1 an den Beteiligten zu 2 zu erstattenden außergerichtlichen Kosten in einem vorangegangenen Verfahren betreffend die Einziehung eines dem Beteiligten zu 2 erteilten Erbscheins.
Mit Schriftsatz vom 13. Mai 2022 beantragte der Beteiligte zu 1, anwaltlich vertreten, den am 10. Mai 2021 dem Beteiligten zu 2 erteilten Erbschein, der diesen als Alleinerben ausweist, einzuziehen. Das Nachlassgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 12. September 2022 zurückgewiesen und die Kosten des Einziehungsverfahrens dem Beteiligten zu 1 auferlegt. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1 mit Beschluss vom 18. Oktober 2023 zurückgewiesen und ausgesprochen, dass der Beteiligte zu 1 die Kosten des Beschwerdeverfahrens trage, und in den Gründen ausgeführt, die Kostenentscheidung beruhe auf § 84 FamFG.
Mit Beschluss vom 28. März 2024 hat das Nachlassgericht auf Antrag des Beteiligten zu 2 vom 15. November 2023 die von dem Beteiligten zu 1 an ihn zu erstattenden Kosten auf 13.677,65 € nebst Zinsen festgesetzt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 7. Mai 2024 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1.
II. Die Rechtsbeschwerde ist entsprechend § 85 FamFG i.V.m. § 104 Abs. 3 Satz 1, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft (vgl. Senatsbeschluss vom 27. November 2024 - IV ZB 12/24, ZEV 2025, 118 Rn. 4 m.w.N.) sowie im Übrigen zulässig und hat auch in der Sache teilweise Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat im Wesentlichen ausgeführt, die Kostengrundentscheidungen des Amtsgerichts mit Beschluss vom 12. September 2022 und des Beschwerdegerichts mit Beschluss vom 18. Oktober 2023 erfassten in Einklang mit § 80 Satz 1 FamFG die Gerichtskosten und die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Auslagen der Beteiligten. Das Gericht teile die Auffassung, dass in dem Fall, dass sich aus dem Tenor oder den Gründen des Beschlusses nichts Abweichendes ergebe, der Begriff der "Kosten" immer im Sinne des § 80 Satz 1 FamFG zu verstehen sei. Nach der Legaldefinition dort umfassten die Kosten die Gerichtskosten und die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten - also auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten für den Verfahrensbevollmächtigten. Vorliegend sei die Beauftragung eines Rechtsanwalts notwendig gewesen.
2. Diese Ausführungen halten, soweit sie sich auf die erstinstanzlichen Kosten beziehen, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Entgegen der Ansicht des Nachlassgerichts und ihm folgend des Beschwerdegerichts erfasst die Kostengrundentscheidung in dem Beschluss des Nachlassgerichts vom 12. September 2022 nicht auch die Erstattung der dem Beteiligten zu 2 im Einziehungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten. Das Beschwerdegericht hat allerdings zutreffend erkannt, dass der Hauptsacheentscheidung des Nachlassgerichts vom 12. September 2022 ausdrücklich eine Auferlegung der außergerichtlichen Aufwendungen des Beteiligten zu 2 auf den Beteiligten zu 1 nicht zu entnehmen ist. Dort heißt es lediglich, die Kosten des Einziehungsverfahrens trage der Antragsteller im Einziehungsverfahren.
b) Die Frage, ob einem erstinstanzlichen Ausspruch in Nachlasssachen, insbesondere im Erbscheinsverfahren, der lediglich lautet, der Antrag wird "kostenpflichtig zurückgewiesen", und bei dem sich auch aus den Entscheidungsgründen nichts Abweichendes ergibt, neben der Auferlegung der Gerichtskosten regelmäßig auch die Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten weiterer Beteiligter zu entnehmen ist, war in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum umstritten (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 27. November 2024 - IV ZB 12/24, ZEV 2025, 118 Rn. 9 f., dort offengelassen). Der Senat hat diese Frage mit Beschluss vom 29. Januar 2025 (IV ZB 2/24, FamRZ 2025, 622 Rn. 11 ff. m.w.N.) zwischenzeitlich nunmehr dahin entschieden, dass einer erstinstanzlichen Kostenentscheidung nach § 81 FamFG in einem Nachlassverfahren, die sich darin erschöpft, dass ein Antrag "kostenpflichtig zurückgewiesen" wird oder dass der Antragsteller die "Kosten des Verfahrens" zu tragen hat, - sofern eine Auslegung anhand der Entscheidungsgründe nichts Abweichendes ergibt - regelmäßig nicht die Anordnung der Erstattung der zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen weiterer Beteiligter zu entnehmen ist. Gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG kann das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Fehlt es an einer hinreichend klaren Ermessensentscheidung des Gerichts zur Auferlegung der notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen auf einen anderen Beteiligten, verbleibt es aber dabei, dass diese von demjenigen zu tragen sind, bei dem sie angefallen sind (Senatsbeschluss vom 29. Januar 2025 - IV ZB 2/24, FamRZ 2025, 622 Rn. 12 ff. m.w.N.).
Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts ist nach der Senatsrechtsprechung damit einer erstinstanzlichen Kostenentscheidung nach § 81 FamFG in einem Nachlassverfahren, die sich - wie hier - darin erschöpft, dass der Antragsteller die Kosten des Verfahrens trägt, nicht regelmäßig die Anordnung der Erstattung der zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen weiterer Beteiligter zu entnehmen. Maßgebend für die erforderliche Auslegung ist der Wortlaut der Kostengrundentscheidung unter Heranziehung der Entscheidungsgründe (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Januar 2025 - IV ZB 2/24, FamRZ 2025, 622 Rn. 7 m.w.N.). Im Streitfall ergibt sich auch aus den Entscheidungsgründen der Kostengrundentscheidung nichts für eine Auslegung dahingehend, dass vom Beteiligten zu 1 auch die außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 2 zu tragen seien. Das Nachlassgericht hat in seinem Beschluss vom 12. September 2022 nur tenoriert, die Kosten des Einziehungsverfahrens trage der Antragsteller, und dies auch in den Gründen nicht näher ausgeführt. Insbesondere aus dem pauschalen Verweis in den Entscheidungsgründen auf § 81 Abs. 1 FamFG lässt sich ohne nähere Erläuterung nicht schließen, dass das Nachlassgericht dem Beteiligten zu 1 auch die außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 2 auferlegen wollte. Eine eingehendere Begründung findet sich erstmals im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28. März 2024, an die das Beschwerdegericht in dem angegriffenen Beschluss angeknüpft hat. Die Ausführungen dort sind jedoch nicht zu berücksichtigen, denn das Kostenfestsetzungsverfahren ist ein eigenständiges Verfahren, das von demjenigen zu trennen ist, in dem die Kostengrundentscheidung ergeht (MünchKomm-FamFG/ Schindler, 4. Aufl. § 85 Rn.1). Aus der Kostengrundentscheidung selbst muss sich zweifelsfrei feststellen lassen, dass der Kostenausspruch auch die Erstattung der außergerichtlichen Kosten mitumfasst. Ist dies - wie hier - nicht der Fall, kann die erforderliche Feststellung im Kostenfestsetzungsverfahren nicht nachgeholt werden, und es geht zu Lasten dessen, der sich auf eine Erstattungspflicht beruft. Im Streitfall ist das der Beteiligte zu 2, der Antragsteller im Kostenfestsetzungsverfahren.
c) Keinen Erfolg hat die Rechtsbeschwerde allerdings, soweit sie sich auch gegen die Festsetzung der zweitinstanzlichen Kosten des Beteiligten zu 2 wendet. Wenn das Rechtsmittelgericht - hier im Nachlassverfahren - unter Anwendung von § 84 FamFG die Kosten eines erfolglosen Rechtsmittels insgesamt dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat, erfasst die Kostengrundentscheidung regelmäßig die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen weiterer Beteiligter im Sinne des § 80 Satz 1 FamFG (vgl. Senatsbeschluss vom 27. November 2024 - IV ZB 12/24, ZEV 2025, 118 Rn. 10 f., 14 ff.). Um derartige notwendige Aufwendungen handelt es sich hier bei den zweitinstanzlichen Anwaltskosten des Beteiligten zu 2.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 Satz 1, § 84 FamFG. Der Senat hat keinen Anlass gesehen, dem Beteiligten zu 2 die zur Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens, soweit es erfolgreich war, notwendigen Aufwendungen des Beteiligten zu 1 aufzuerlegen (§ 81 Abs. 1 FamFG; vgl. OLG Düsseldorf ZEV 2024, 316 Rn. 25).
Prof. Dr. Karczewski Dr. Brockmöller Dr. Bußmann Dr. Götz Piontek Vorinstanzen: AG Cloppenburg, Entscheidung vom 28.03.2024 - 8 VI 359/20 (2020) OLG Oldenburg, Entscheidung vom 07.05.2024 - 3 W 39/24 -