4 ZA (pat) 31/12
BUNDESPATENTGERICHT ZA (pat) 31/12 zu 4 Ni 18/09
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Patentnichtigkeitssache …
BPatG 152ni_adler 07.12
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betreffend das deutsche Patent … (hier: Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 8. Mai 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Engels, der Richterin Dr. Mittenberger-Huber und des Richters Dipl.-Phys. Dr. Müller beschlossen.
I. Die Erinnerung der Klägerin und die Anschlusserinnerung der Beklagten werden zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Erinnerungsverfahrens hat die Klägerin 1/3 und die Beklagten samtverbindlich 2/3 zu tragen.
III. Der Gegenstandswert des Erinnerungsverfahrens beträgt 20.393,28 €.
Gründe I.
Im Patentnichtigkeitsverfahren 4 Ni 18/09 wurde durch Urteil des 4. Senats des Bundespatentgerichts vom 15. März 2011 die Klage teilweise abgewiesen, der Klägerin wurden 4/10 und den Beklagten 6/10 der Verfahrenskosten auferlegt. Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wurde auf 500.000,- € (Bl. 95 d. A.) festgesetzt. Der Bundesgerichtshof hat durch Beschluss vom 10. Oktober 2011 die von der Klägerin eingelegte Berufung verworfen, weil sie nicht in der gesetzlichen Frist begründet worden ist. Damit hat auch die durch die Beklagten eingelegte Anschlussberufung ihre Wirkung verloren. Den Streitwert für das Berufungsverfahren hat der Bundesgerichtshof am 22. November 2011 auf 500.000,- € festgesetzt.
Die Bevollmächtigten der Beklagten haben mit Schriftsatz vom 30. Januar 2012 (Bl. 200 d. A.), diejenigen der Klägerin mit Schriftsatz vom 7. März 2012 (Bl. 216 d. A.) Kostenfestsetzung beantragt. Die von der Klägerin beantragten Kosten in Höhe von 7.510,- € wurden antragsgemäß festgesetzt und sind nicht streitig.
Die Beklagten haben mit weiterem Schriftsatz vom 23. März 2012 (Bl. 222 f. d. A.) für das erstinstanzliche Verfahren vor dem Bundespatentgericht 10.006,47 € in Ansatz gebracht. Für das Berufungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof beantragen sie die Festsetzung von Kosten für einen Patentanwalt in Höhe von 6.797,76 € und in ebensolcher Höhe für einen Rechtsanwalt. Ferner machen sie zusätzlich geltend, dass weitere Patent- und Rechtsanwaltskosten von je 6.797,76 €, mithin 13.595,52 €, für die Anschlussberufung erstattungsfähig seien.
Die Rechtspflegerin hat mit Beschluss vom 23. Mai 2012 (Bl. 241/247 d. A.) die Kosten der Beklagten für die erste Instanz antragsgemäß festgesetzt. Von den Kosten zweiter Instanz hat sie für das Berufungsverfahren insgesamt einen Betrag in Höhe von 13.595,52 € festgesetzt. Den Ansatz von weiteren Kosten in derselben Höhe für die Anschlussberufung hat sie mit der Begründung abgelehnt, dass ein Anwalt Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern könne. Berufung und Anschlussberufung stellten wegen des inneren Zusammenhangs nur eine Angelegenheit dar.
Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin fristgemäß mit Schriftsatz vom 15. Juni 2012 (Bl. 259 d. A.) Erinnerung eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass Kosten ausschließlich für einen Patent-, nicht jedoch für einen Rechtsanwalt abgerechnet werden könnten. Aus der Anschlussberufung vom 25. August 2011 sei eindeutig entnehmbar, dass die Beklagten nur durch die Partnerschaftsgesellschaft der Patentanwälte F… P… K… S… vertreten sei, zu der offensichtlich kein Rechtsanwalt gehöre. Es befinde sich zwar die Unterschrift eines Rechtsanwalts auf diesem Schriftsatz; die Mitunterzeichnung sei aber nur formal erfolgt. Die Beklagten müssten deshalb darlegen, dass der Rechtsanwalt ausdrücklich beauftragt worden sei und welchen substanziellen Beitrag er geleistet habe. Die Mitwirkung eines Rechtsanwalts sei darüber hinaus - mangels eines anhängigen Verletzungsprozesses - schon gar nicht erforderlich gewesen. Mit Schriftsatz vom 22. Juni 2012 (Bl. 268 d. A.) haben die Beklagtenvertreter Anschlusserinnerung eingelegt. Sie tragen vor, der vorzitierte Schriftsatz vom 25. August 2011, mit dem auf die Berufung der Klägerin reagiert und zugleich Anschlussberufung eingelegt worden sei, sei in enger Abstimmung zwischen dem jeweils unterzeichnenden Patent- und Rechtsanwalt gefertigt worden. Die Kosten für den Rechtsanwalt seien daher erstattungsfähig. Zugleich sind sie der Ansicht, es stünden ihnen weitere - nicht festgesetzte - Kosten für die Anschlussberufung zu, da im Falle der Berufungsrücknahme - ebenso wie bei Verwerfung der Berufung durch das Gericht - die Kosten der Anschlussberufung durch die Klägerin zu tragen seien.
Mit Beschluss vom 10. August 2012 hat die Rechtspflegerin der Erinnerung nicht abgeholfen, sondern die Akten zur Entscheidung dem Senat vorgelegt.
II.
Die Erinnerung und die Anschlusserinnerung sind zulässig, insbesondere formund fristgerecht eingelegt (§ 23 Abs. 2 RPflG), aber unbegründet.
1. Die Erinnerung der Klägerin ist unbegründet, weil die Kosten des Rechtsanwalts vorliegend erstattungsfähig sind.
1.1. Nach § 92 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 84 Abs. 2 PatG hat die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits jeweils im Umfange ihres Unterliegens zu tragen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Die Kosten für einen im Nichtigkeitsberufungsverfahren neben dem verfahrensbevollmächtigten Patentanwalt beauftragten Rechtsanwalt sind grundsätzlich notwendig und daher erstattungsfähig.
Das hat seinen Grund zum einen darin, dass der Bundesgerichtshof als gemeinsame oberste Instanz in allen Patenterteilungs-, Nichtigkeits- und Verletzungsverfahren zur einheitlichen Auslegung und Fortbildung des Patentrechts im Rahmen der Gesamtrechtsordnung berufen ist und hierzu auch der kundigen und auf allen Rechtsgebieten erfahrenen Mitwirkung von umfassend juristisch geschulten Rechtsanwälten in besonderem Maße bedarf. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass der Bundesgerichtshof letztinstanzlich entscheidet, weshalb es in dieser Instanz in besonderer Weise auf einen formal richtigen und inhaltlich vollständigen Vortrag ankommt (vgl. BPatG, Beschluss vom 30.3.2011 - 4 ZA (pat) 58/10, Beschluss vom 15.6.2010 - 3 ZA (pat) 17/09, GRUR-Int. 2010, 401; Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 7. Auflage (2013), § 121 Rn. 17 m. w. N.). Auf die Frage der Anhängigkeit eines parallelen Verletzungsverfahrens vor den Landbzw. Oberlandesgerichten kommt es dabei - entgegen der Frage der Erstattungsfähigkeit von Doppelvertretungskosten in erster Instanz (BGH Beschlüsse vom 18.12.2012 - X ZB 6/12 und X ZB 11/12, GRUR 2013, 430 bzw. GRUR 2013, 427) - nicht an.
1.2. Zutreffend hat die Rechtspflegerin im Übrigen festgestellt, dass der Rechtsanwalt ordnungsgemäß beauftragt war. Er hat den Berufungsschriftsatz - unstreitig - mitunterzeichnet.
Die Mitwirkung erfordert eine konkrete, die Rechtsverfolgung oder -verteidigung fördernde Handlung (entspricht den Voraussetzungen, die für § 143 Abs. 3 PatG gelten; Busse/Kaess, a. a. O., § 143 Rn. 136; OLG Nürnberg, Beschluss v. 8.7.2002, GRUR-RR 2003, 29). Die bloße - eine Gebühr auslösende - Mitwirkungshandlung reicht danach aus (Mes, PatentG, GebrauchsmusterG, 3. Auflage (2011), § 143 Rn. 54). Sie kann in der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung bestehen, ohne dass der - im Falle des § 143 Abs. 3 PatG bzw. 140 Abs. 3 MarkenG - Patentanwalt das Wort ergreift (BPatG, Beschluss vom 16.11.1999 - 27 ZA (pat) 2/98, GRUR 2000, 331). Dasselbe muss umgekehrt für einen mitwirkenden Rechtsanwalt gelten. Die Mitwirkung kann daher auch in der Unterzeichnung eines bestimmenden Schriftsatzes oder einer in Richtung der Förderung des Rechtsstreits gehenden Tätigkeit bestehen. Sie muss nur einen ausreichend konkreten Bezug zum Rechtsstreit haben, der Kosten verursacht (OLG Stuttgart, Beschluss vom 23.1.2006 - 8 W 20/06, NJOZ 2007, 494 für ein Markenstreitverfahren). Durch die Unterzeichnung eines Rechtsmittelschriftsatzes wird ein ausreichend konkreter Bezug zum Verfahren, der eine Kostenpflicht begründet (§ 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 RVG), hergestellt. Die Rechtspflegerin hat insoweit ferner zutreffend darauf hingewiesen, dass der Rechtsanwalt mit der Unterzeichnung des Berufungsschriftsatzes bereits aufgrund seiner Berufspflichten dafür einsteht, dass er den unterzeichneten Schriftsatz inhaltlich sorgfältig geprüft hat und entstehende Folgen aus dessen Abfassung übernimmt. Die Vertreter der Beklagten haben zudem vorgetragen, dass die Fertigung des Schriftsatzes in enger Abstimmung zwischen den beiden Unterzeichnern erfolgt ist.
2. Die Anschlusserinnerung der Beklagten ist unbegründet, da die Kosten der Anschlussberufung zwar von der Klägerin, die die Berufung zurückgenommen hat, zu tragen sind, diese Kosten aber bereits in dem für das Berufungsverfahren festgesetzten Betrag in Höhe von 13.595,52 € mit enthalten sind.
2.1. Die Beklagten haben zutreffend darauf hingewiesen, dass im Falle der Rechtsmittelrücknahme durch den Rechtsmittelkläger diesem auch die Kosten für das Anschlussrechtsmittel aufzuerlegen sind. Dies gilt auch dann, wenn - wie vorliegend - das Rechtsmittel als unzulässig verworfen wird. Nach § 97 Abs. 1 ZPO fallen die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels der Partei zur Last, die es eingelegt hat. Diese Rechtsfolge wird in den §§ 516 Abs. 3 S. 1 und 565 ZPO ausdrücklich auf die Rücknahme eines Rechtsmittels erstreckt. Die Anschließung an ein gegnerisches Rechtsmittel ist dagegen kein eigenes Rechtsmittel, sondern nur ein Antrag innerhalb des vom Prozessgegners eingelegten Rechtsmittels mit dem es steht und fällt (BGH, Beschluss vom 26.1.2005 - XII ZB 163/04, NJW-RR 2005, 727, 728). Damit steht grundsätzlich fest, wenn im vorliegenden Fall die Kostenerstattungspflicht trifft, nämlich die Klägerin.
2.2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, d. h. des Berufungsverfahrens zu tragen. Der Rechtsanwalt kann nach § 15 Abs. 2 S. 1 und 2 RVG in gerichtlichen Verfahren die Gebühren in jedem Rechtszug fordern, aber in derselben Angelegenheit nur einmal. Bei der Einlegung von Berufung und Anschlussberufung handelt es sich um Rechtsmittel bei dem Gericht desselben Rechtszugs (Hartmann, Kostengesetze, 38. Auflage (2008), § 15 Rn. 64). Den Begriff der "Angelegenheit" bestimmt das RVG dabei nicht ausdrücklich, er kommt nur in unterschiedlichen Tatbeständen vor. Das Rechtsmittelverfahren wird dabei gem. § 16 Ziff. 13 RVG als "dieselbe Angelegenheit" gesehen. Es handelt sich bei der "Angelegenheit" jedenfalls um einen gebührenrechtlichen Begriff. Das ist bei der Ermittlung seines Umfangs und Inhalts zu berücksichtigen. Der Begriff "Angelegenheit" dient zur Abgrenzung desjenigen anwaltlichen zusammengehörigen Tätigkeitsbereichs, den eine Pauschgebühr abgelten soll (Hartmann, a. a. O., § 15 Rn. 10). Mehrere Rechte oder Rechtsverhältnisse, auf die sich die jeweilige anwaltliche Tätigkeit bezieht, können dabei dieselbe Angelegenheit bilden. In derselben Angelegenheit kann der Anwalt in demselben prozessualen Rechtszug die Verfahrens, Termins- und Einigungsgebühr sowie die Auslagenpauschale nur einmal fordern (a. a. O., Rn. 20). Damit besteht eine "innerer Zusammenhang" zwischen Berufung und Anschlussberufung. Die Beklagten können daher die Gebühren für einen Rechts- und einen Patentanwalt von der Klägerin fordern. Dies aber nur ein einziges Mal aus dem vom Bundesgerichtshof für das Berufungsverfahren festgesetzten Streitwert von 500.000,- €. Diesen Betrag hat die Rechtspflegerin bereits im Beschluss vom 23. Mai 2012 in Ansatz gebracht.
3. Die Kosten des Erinnerungsverfahrens waren den Parteien gem. §§ 84 Abs. 2, 99 Abs. 1 PatG i. V. m. §§ 104 Abs. 3, 92 Abs. 1 ZPO aufzuerlegen.
4. Der Wert des Erinnerungsverfahrens ergibt sich aus dem mit der Erinnerung und der Anschlusserinnerung zur Überprüfung gestellten Betrag.
Engels Dr. Mittenberger-Huber Dr. Müller Cl