• Suche
  • Impressum

caselaw.de²

  • caselaw.de²

  • Suche
  • Impressum

  • Suche
  • Filter
  • Ergebnis
  • Entscheidung
Entscheidung
Paragraphen
Original
Teilen

12 W (pat) 82/14

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 82/14 Verkündet am 12. Juli 2016

…

BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 199 02 437 …

BPatG 154 05.11 hat der 12. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Univ. Ganzenmüller, der Richterin Bayer sowie der Richter Dipl.-Ing. Schlenk und Dr.-Ing. Krüger beschlossen:

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 13 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. April 2014 aufgehoben und das Patent 199 02 437 widerrufen.

Gründe I.

Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des Patents 199 02 437 mit der Bezeichnung

„Verfahren und Vorrichtung zum schnellen Anfahren und zur schnellen Leistungssteigerung einer Gasturbinenanlage“, das am 22. Januar 1999 angemeldet wurde, und dessen Erteilung am 26. April 2012 veröffentlicht wurde.

Gegen das Patent hatte die jetzige Beschwerdeführerin Einspruch eingelegt.

Mit in der Anhörung vom 29. April 2014 verkündetem Beschluss hat die Patentabteilung 13 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent beschränkt aufrechterhalten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 24. Oktober 2014 eingelegte Beschwerde der Einsprechenden.

Die Beschwerdeführerin stellte den Antrag,

den Beschluss der Patentabteilung 13 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. April 2014 aufzuheben und das Patent 199 02 437 in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin stellte den Antrag,

den Beschluss der Patentabteilung 13 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. April 2014 aufzuheben und das Patent 199 02 437 mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 5 gemäß Hauptantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 12. Juli 2016,

Beschreibung Seiten 2/11 bis 8/11, gemäß der Eingabe vom 14. Januar 2014 mit Eingangsstempel vom 21. Januar 2014, Zeichnungen (Fig. 1 bis Fig. 6) gemäß Eingabe vom 14. Januar 2014 mit Eingangsstempel vom 21. Januar 2014.

Der Anspruch 1 in der verteidigten Fassung lautet:

Auf diesen Anspruch sind die Ansprüche 2 bis 5 direkt bzw. indirekt rückbezogen.

Von der Einsprechenden und Beschwerdeführerin waren im Einspruchsverfahren unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen genannt worden:

D1) DE 196 51 882 A1 D7) DE 689 03 746 T2 Bei der D7 handelt es sich um die Übersetzung einer europäischen Patentschrift. Die zugehörige Offenlegungsschrift wurde als D7e vom Senat in das Beschwerdeverfahren eingeführt:

D7e)

EP 0 372 472 A1 Wegen des Wortlauts der rückbezogenen Ansprüche und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Einsprechenden hat Erfolg, weil der mit dem zulässigen Einspruch unter anderem geltend gemachte Widerrufsgrund, der Gegenstand des Patents sei nicht patentfähig (§ 21 Abs. 1 Satz 1 PatG), sich als zutreffend erweist.

1) Das Patent betrifft ein Verfahren zum schnellen Anfahren und zur schnellen Leistungssteigerung einer Gasturbine.

In der Beschreibungseinleitung ist erläutert, siehe die Patentschrift (PS), Absätze 0002 bis 0004, dass bei Kraftwerken, die Leistung in ein elektrisches Netz einspeisen, eine Leistungssteigerung erforderlich werden kann, die mit einem möglichst großen Leistungsgradienten möglich sein sollte.

Im Falle eines Kraftwerks mit einer Gasturbinenanlage sei es bekannt, eine Leistungssteigerung bis zur Grenzdauerleistung, d. h. der dauerhaft maximal fahrbaren Leistung, durch eine Erhöhung des zugeführten Brennstoffmassenstroms zu verwirklichen. In einem zweiten Schritt werde eine weitere Leistungssteigerung bis zur Grenzleistung, d. h. der zeitlich begrenzt maximal fahrbaren Leistung, durch eine Einspritzung von Wasser oder Dampf bei gleichzeitiger weiterer Erhöhung des zugeführten Brennstoffmassenstroms erreicht, siehe die PS, Abs. 0005 bis 0007 und 0026.

Davon ausgehend ist als ein Ziel der Erfindung angegeben, ein Verfahren zum schnelleren Anfahren und zur schnelleren Leistungssteigerung einer Gasturbinenanlage zu schaffen, so dass ein größtmöglicher Leistungsgradient ohne ein Überschreiten eines maximal zulässigen positiven Temperaturgradienten fahrbar ist, siehe die PS, Abs. 0031.

Dieses Ziel soll erfindungsgemäß mit einem Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 erreicht werden. Dabei ist als wesentliche Idee herausgestellt, siehe die PS, Abs. 0033 bis 0035, die kombinierte Zufuhr von Wasser bzw. Dampf und Brennstoff nicht nur im Leistungsbereich oberhalb der Grenzdauerleistung, sondern beim Anfahren und im gesamten Leistungsbereich, d. h. unabhängig vom Lastzustand der Gasturbinenanlage einzusetzen.

2) Der geltende Anspruch 1 lässt sich wie folgt gliedern:

M1 Verfahren zum Anfahren und zur Leistungssteigerung einer Gasturbinenanlage (1)

M2 mit einer Druckluftquelle (2), einer Brennkammer (3) und einer Turbine (4), M3 wobei der der Gasturbinenanlage (1) zugeführte Brennstoffmassenstrom erhöht und gleichzeitig ein den die Turbine (4) durchströmenden Massenstrom erhöhendes, zusätzliches Arbeitsmittel zugeführt wird, dadurch gekennzeichnet, M4 dass das zusätzliche Arbeitsmittel Kaltwasser, Warmwasser, Heisswasser, Sattwasser, Nassdampf, Sattdampf oder überhitzter Dampf ist M5 und der Gasturbinenanlage (1) ein festgelegter, maximal zulässiger positiver Temperaturgradient zugeordnet ist, M6 wobei der zugeführte Massenstrom des zusätzlichen Arbeitsmittels und der zugeführte Brennstoffmassenstrom derart gesteuert werden, dass das Anfahren und die Leistungssteigerung der Gasturbinenanlage (1) unter Zugrundelegung des festgelegten, maximal zulässigen positiven Temperaturgradienten mit einem maximalen Leistungsgradienten erfolgen.

3) Als Fachmann ist vorliegend ein Diplomingenieur mit mehrjähriger Berufserfahrung im Bereich der Konzeption und des Betriebs von Gasturbinenanlagen angesprochen. Dieser versteht unter Berücksichtigung der weiteren Angaben der Patentschrift die Lehre des Anspruchs 1 wie folgt:

Im Merkmal M1 ist der Verwendungszweck des erfindungsgemäßen Verfahrens angegeben, nämlich „zum Anfahren und zur Leistungssteigerung einer Gasturbinenanlage“. Mit dem Begriff „Anfahren“ ist im Patent der Abschnitt des Anfahrvorgangs bezeichnet, in dem nach dem Zünden („Zeitpunkt T0“) die Drehzahl der Gasturbinenanlage bis auf die Nenndrehzahl gesteigert wird („Zeitpunkt T1“). Erst zu diesem Zeitpunkt erfolgt bei einer in einem Kraftwerk eingesetzten Gasturbinenanlage die Netzsynchronisation und die Leistungsabgabe beginnt, vergl. die PS, Abs. 0052. Der Begriff „Leistungssteigerung“ umfasst den gesamten Bereich der Leistungsabgabe zwischen 0 und der Grenzleistung, vergl. die PS, Abs. 0057, 0059 und 0065.

In der Figur 2 ist ein erfindungsgemäßer Anfahrvorgang dargestellt, der das Anfahren (vom Zeitpunkt T0 bis zum Zeitpunkt T1) und eine sich direkt daran anschließende Leistungssteigerung bis zur Grenzdauerleistung (vom Zeitpunkt T1 bis zum Zeitpunkt T2) umfasst. Eine weitere Leistungssteigerung bis zur Grenzleistung kann sich entweder direkt anschließen oder später erfolgen, siehe in der PS die entsprechenden Erläuterungen zur Figur 1, Abs. 0055 und 0057 bis 0059.

Im Abs. 0065 ist jedoch ausgeführt, dass die in Figur 2 beschriebene Fahrweise mit maximalem Leistungsgradienten aus jedem beliebigen Betriebszustand realisierbar sein muss und bei jeder beliebigen Leistung zwischen 0 und der Grenzleistung enden kann. Dem entnimmt der Fachmann, dass mit dem „und“ in der Angabe „zum Anfahren und zur Leistungssteigerung“ gemeint ist, dass das Verfahren sowohl zum Anfahren als auch zur Leistungssteigerung geeignet sein soll, und damit erfindungsgemäß auch für beliebige Teilabschnitte des Anfahrens und/oder der Leistungssteigerung eingesetzt werden kann.

Merkmal M2 gibt typische Bestandteile einer Gasturbinenanlage an, auf die nach Merkmal M1 das Verfahren angewendet werden soll.

Gemäß den Merkmalen M3 und M4 wird der Brennstoffmassenstrom erhöht und gleichzeitig Wasser bzw. Dampf als zusätzliches Arbeitsmittel zugeführt.

Im Merkmal M6 ist beschrieben, wie die Zufuhr des Wassers bzw. Dampfes und die des Brennstoffs gesteuert werden sollen, nämlich derart, dassdas Anfahren und die Leistungssteigerung der Gasturbinenanlage unter Zugrundelegung des festgelegten, maximal zulässigen positiven Temperaturgradienten mit einem maximalen Leistungsgradienten erfolgt.

Die Formulierung „mit einem maximalen Leistungsgradienten“ bezieht sich in den Betriebszuständen der Gasturbinenanlage, in denen eine Leistungsabgabe erfolgt, auf die abgegebene Leistung. Während des Anfahrens geht es dagegen darum, die Gasturbine möglichst schnell auf die Nenndrehzahl zu beschleunigen, bei deren Erreichen die Leistungsabgabe erst beginnen kann. Für das Anfahren bezieht der Fachmann die Formulierung „mit einem maximalen Leistungsgradienten“ daher auf die intern zur Beschleunigung der Gasturbinenanlage zur Verfügung stehende Leistung.

Dass diesem Vorgang, nämlich dem Anfahren und der Leistungssteigerung mit maximalem Leistungsgradienten, der festgelegte, maximal zulässige positive Temperaturgradient „zugrunde gelegt“ werden soll heißt, dass die Leistung (die intern zum Beschleunigen verfügbare Leistung bzw. die abgegebene Leistung) so schnell gesteigert werden soll, wie dies möglich ist, ohne den festgelegten, maximal zulässigen positiven Temperaturgradienten zu überschreiten.

Dazu muss nach dem Verständnis des Fachmanns eine Temperatur wiederholt gemessen, daraus ein Temperaturgradient ermittelt, und dieser mit dem festgelegten, maximal zulässigen positiven Temperaturgradienten verglichen werden.

Der festgelegte, gemäß der Formulierung des Merkmals M5 der Gasturbinenanlage zugeordnete, maximal zulässige positive Temperaturgradient soll berücksichtigen, dass zu schnelle Temperatursteigerungen aufgrund daraus resultierender Spannungen zu einer Überbeanspruchung von Bauteilen führen können, siehe die PS, Abs. 0039 und 0053. Die Patentschrift enthält jedoch keine Angaben dazu, wie dieser Wert zu ermitteln und festzulegen ist, also z. B. welche Bauteile einer konkreten Gasturbinenanlage zu berücksichtigen sind, oder welcher Sicherheitsabstand von einem Temperaturgradienten, der zum Ausfall des Bauteils führen könnte, einzuhalten ist. Diese Festlegung wird gemäß PS dem Wissen des Fachmanns zugerechnet.

Aus der Festlegung des maximal zulässigen positiven Temperaturgradienten durch den Fachmann ergibt sich im Betrieb der Gasturbinenanlage der maximale Leistungsgradient. Aus der Formulierung „maximaler Leistungsgradient“ des Merkmals M6 lässt sich daher keine Aussage darüber ableiten, ob das Anfahren und die Leistungssteigerung der Gasturbinenanlage im Ergebnis schnell oder langsam erfolgen.

Die zu messende Temperatur soll gemäß der Beschreibung des Ausführungsbeispiels nach Fig. 6, siehe Abs. 0076, für die Gasturbinenanlage repräsentativ sein. Die Patentschrift enthält jedoch weder Angaben dazu, wo gemessen werden soll, noch ob z. B. die Temperatur eines Bauteils oder des Verbrennungsgases gemessen werden soll. Diese Festlegungen werden den Kenntnissen des Fachmanns zugerechnet.

Auch zu der Frage, wie abhängig vom Ergebnis des Vergleichs des ermittelten Temperaturgradienten mit dem zuvor festgelegten, maximal zulässigen positiven Temperaturgradienten der zugeführte Massenstrom des zusätzlichen Arbeitsmittels und der zugeführte Brennstoffmassenstrom zu steuern sind, gibt die Patentschrift keine Lehre. Vorgegeben wird mit der Formulierung „derart, dass“, siehe das Merkmal M6 des Anspruchs 1 und die Absätze 0032, 0038, lediglich das zu erzielende Ergebnis, die praktische Umsetzung wird als im Können des Fachmanns liegend angesehen.

4) Der geltende Anspruch 1 ist zulässig, er wurde durch Streichung einer von zwei Alternativen a, b eingeschränkt. Sein Gegenstand beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Entgegenhaltung D7e offenbart, siehe den Titel, die Figur 1 und Spalte 4, Zeilen 19 bis 25, ein Verfahren zum Anfahren einer Gasturbinenanlage (gas turbine system G) mit einer Druckluftquelle (compressor 3), einer Brennkammer (combustor 5) und einer Turbine (gas turbine 4). Das entspricht hinsichtlich des Anfahrens den Merkmalen M1 und M2 des Anspruchs 1. In D7e wird jedoch nur das Anfahren bis zum Erreichen der Nenndrehzahl betrachtet, nicht dagegen eine darauf folgende Leistungssteigerung.

In Spalte 1 der D7e ist erläutert, siehe insbesondere Zeilen 11 bis 35, dass es beim Anfahren einer Gasturbinenanlage zum Zeitpunkt des Zündens (Zeile 14) und bei der Erhöhung des zugeführten Brennstoffmassenstroms (Zeile 16) zu einem steilen Anstieg der Temperatur, d. h. zu einem sehr hohen positiven Temperaturgradienten des Verbrennungsgases am Turbineneintritt und folglich der Turbinenschaufeln kommt (Zeilen 18 bis 21).

Der Temperaturverlauf ist in Figur 2 genauer dargestellt und in Spalte 3, Zeilen 18 bis 37, beschrieben: Zu einem Zeitpunkt A beginnt die Brennstoffzufuhr und es wird gezündet, dies führt zu einem ersten steilen Anstieg der Temperatur TG des Verbrennungsgases und der Temperatur TM der Turbinenschaufeln (Zeilen 18 bis 26 und Figur 2 ab Punkt A). Kurz darauf, zu einem Zeitpunkt B, beginnt eine allmähliche Erhöhung des zugeführten Brennstoffmassenstroms (Zeilen 27 bis 31). Dies führt zu einem zweiten steilen Anstieg der Temperatur TG des Verbrennungsgases und der Temperatur TM der Turbinenschaufeln (Figur 2 ab Punkt B). Beide Temperaturen erreichen ein Maximum und beginnen dann trotz weiterer Erhöhung des zugeführten Brennstoffmassenstroms zu fallen, weil zugleich die Drehzahl der Turbine und des von der Turbine angetriebenen Verdichters steigen, was zu einem Anstieg des Luftmassenstroms führt (Figur 2, Punkt B bis D, und Zeilen 30 bis 37).

D7e erläutert in Spalte 1 weiter, siehe Zeilen 22 bis 35, dass der steile Anstieg, d. h. der hohe Gradient der Temperatur der Turbinenschaufeln zu hohen thermischen Spannungen (Zeilen 22 bis 29) und im Ergebnis zu einer Verkürzung der Lebensdauer der Turbine führe (Zeilen 33 bis 35).

Es sei zwar ein Verfahren bekannt, siehe Spalte 1, Zeilen 36 bis 42, bei dem die Temperatur des Verbrennungsgases gemessen und der zugeführte Brennstoffmassenstrom derart gesteuert werde, dass der Temperaturgradient innerhalb eines erlaubten Bereichs bleibe, dass also in den Worten des Streitpatents ein festgelegter, maximal zulässiger positiver Temperaturgradient nicht überschritten werde. Nachteilig an diesem bekannten Verfahren sei jedoch, siehe Zeilen 43 bis 45, dass damit die Zeit bis zum Erreichen der Nenndrehzahl verlängert werde.

In D7e wird deshalb vorgeschlagen, siehe Spalte 1, Zeile 53, bis Spalte 2, Zeile 2, während des Anfahrens, also auch gleichzeitig während der der Gasturbinenanlage zugeführte Brennstoffmassenstrom erhöht wird (vergl. Figur 2 ab Punkt B), ein zusätzliches Arbeitsmittel zuzuführen, und zwar in die Brennkammer. Das bewirkt eine Erhöhung des die Turbine durchströmenden Massenstroms und entspricht somit dem Merkmal M3 des Anspruchs 1.

Das zusätzliche Arbeitsmittel kann laut Spalte 2, Zeilen 13, 14, Dampf oder Wasser sein. Das entspricht dem Merkmal M4 des Anspruchs 1.

Mit der Zufuhr des zusätzlichen Arbeitsmittels Dampf oder Wasser wird laut D7e wie bei dem als bekannt bezeichneten Verfahren ein Anfahren mit einem reduzierten, näherungsweise konstanten Temperaturgradienten und folglich mit verringerten thermischen Spannungen der Bauteile ermöglicht, siehe Spalte 1, Zeilen 46 bis 52, und Spalte 2, insbesondere Zeilen 4 bis 8, 16 bis 19 und 28 bis 34. Zugleich wird jedoch der Nachteil des bekannten Verfahrens, die Verlängerung der Zeit bis zum Erreichen der Nenndrehzahl, vermieden, siehe Spalte 1, Zeilen 51, 52. Im Vergleich zu dem bekannten Verfahren wird also eine Verkürzung der Zeit bis zum Erreichen der Nenndrehzahl, d. h. eine Erhöhung des Leistungsgradienten der zum Beschleunigen der Gasturbine intern zur Verfügung stehenden Leistung erzielt.

In Spalte 6 der D7e ist mit Bezugnahme auf die Figur 4b das in D7e vorgeschlagene Verfahren näher erläutert:

Während des im Streitpatent als „Anfahren“ bezeichneten Zeitabschnitts vom Zünden (Punkt A in Fig. 2, Ziffer 45 in Fig. 4b der D7e, entspricht dem Zeitpunkt T0 im Streitpatent) bis zum Erreichen der Nenndrehzahl (Punkt D in Fig. 2, Ziffer 50 in Fig. 4b der D7e, entspricht dem Zeitpunkt T1 im Streitpatent) werden laufend neben der Turbinendrehzahl u. a. eine Verbrennungsgastemperatur und eine Bauteiltemperatur gemessen (siehe Ziffer 46 in Fig. 4b i. V. m. Spalte 6, Zeilen 11 bis 18, gas temperature Tg, metal temperature Tm) und daraus die entsprechenden Temperaturgradienten (∆Tg/∆t, ∆Tm/∆t) errechnet (siehe Ziffer 47 in Fig. 4b i. V. m. Spalte 6, Zeilen 18 bis 21).

In einem darauffolgenden Schritt 48 werden die errechneten Werte mit zuvor festgelegten Werten zur Reduzierung thermischer Spannungen verglichen (siehe Ziffer 48 in Fig. 4b i. V. m. Spalte 6, Zeilen 21 bis 23). Wie der Fachmann schon der Beschreibungseinleitung der D7e entnommen hat, soll zur Reduzierung thermischer Spannungen ein steiler Temperaturanstieg, d. h. ein hoher positiver Temperaturgradient vermieden werden. Daraus ergibt sich, dass es sich bei den zuvor festgelegten Werten, mit denen die aus den Messwerten errechneten Temperaturgradienten verglichen werden, um Obergrenzen für die Temperaturgradienten handelt, d. h. um maximal zulässige positive Temperaturgradienten. Von diesen entspricht jeder für sich, d. h. sowohl der maximal zulässige positive Gradient der Verbrennungsgastemperatur Tg als auch der maximal zulässige positive Gradient der Bauteiltemperatur Tm dem festgelegten, maximal zulässigen positiven Temperaturgradienten nach Merkmal M5 des Anspruchs 1.

Abhängig vom Ergebnis des Vergleichs, d.h. in den Worten des Streitpatents unter Zugrundelegung des festgelegten, maximal zulässigen positiven Temperaturgradienten, werden dann der zugeführte Brennstoffmassenstrom und der zugeführte Massenstrom des zusätzlichen Arbeitsmittels (Dampf) gesteuert (siehe Ziffer 49 in Fig. 4b i. V. m. Spalte 6, Zeilen 23 bis 34).

Dabei können zwei Fälle eintreten:

In dem einen Fall, der in Spalte 6 in Zeile 28, beginnend mit dem Wort „when“, bis Zeile 34, endend mit „step 49“, beschrieben ist, sind die aus den Messwerten errechneten Temperaturgradienten (∆Tg/∆t, ∆Tm/∆t) kleiner als die entsprechenden festgelegten, maximal zulässigen positiven Temperaturgradienten. In diesem Fall werden der zugeführte Brennstoffmassenstrom und der zugeführte Massenstrom des zusätzlichen Arbeitsmittels (Dampf) derart gesteuert, dass das Anfahren mit einer vorgegebenen ausreichenden Beschleunigung erfolgt, siehe Zeilen 31 bis 34. Dieser Fall entspricht somit zwar insoweit dem Merkmal M6, als der zugeführte Massenstrom des zusätzlichen Arbeitsmittels und der zugeführte Brennstoffmassenstrom derart gesteuert werden, dass das Anfahren der Gasturbinenanlage unter Zugrundelegung eines festgelegten, maximal zulässigen positiven Temperaturgradienten erfolgt. Das Anfahren erfolgt jedoch in diesem Fall entgegen dem Merkmal M6 nicht mit einem maximalen Leistungsgradienten, sondern mit einem festgelegten Leistungsgradienten für die intern zur Beschleunigung zur Verfügung stehenden Leistung, der sich aus der Vorgabe einer ausreichenden Beschleunigung ergibt.

In dem anderen Fall, der in Spalte 6 in Zeile 23, beginnend mit dem Wort „when“, bis Zeile 28, endend mit „step 49“, beschrieben ist, ist einer der aus den Messwerten errechneten Temperaturgradienten (∆Tg/∆t oder ∆Tm/∆t) größer als der entsprechende festgelegte, maximal zulässige positive Temperaturgradient. Daraufhin werden der zugeführte Brennstoffmassenstrom reduziert (Zeile 26) und der Massenstrom des zusätzlichen Arbeitsmittels (Dampf) erhöht (Zeile 27, 28). Aus der Reduzierung des Brennstoffmassenstroms folgt eine Reduzierung der intern zum Beschleunigen verfügbaren Leistung. In diesem Fall kann also die intern zum Beschleunigen verfügbare Leistung nur so schnell gesteigert werden, wie dies möglich ist, ohne den festgelegten, maximal zulässigen positiven Temperaturgradienten zu überschreiten, d. h. in den Worten des Anspruchs 1 des Streitpatents mit einem „maximalen Leistungsgradienten“. Dieser Fall entspricht somit für das Anfahren dem Merkmal M6, da der zugeführte Massenstrom des zusätzlichen Arbeitsmittels (Dampf) und der zugeführte Brennstoffmassenstrom derart gesteuert werden, dass das Anfahren der Gasturbinenanlage unter Zugrundelegung eines festgelegten, maximal zulässigen positiven Temperaturgradienten mit einem maximalen Leistungsgradienten erfolgt.

Das von D7e vorgeschlagene Verfahren zum Anfahren einer Gasturbinenanlage entspricht somit nicht durchgehend, aber abschnittsweise dem im Anspruch 1 beschriebenen Verfahren, nämlich immer dann, wenn der Gradient der Verbrennungsgastemperatur Tg oder der Bauteiltemperatur Tm den entsprechenden festgelegten, maximal zulässigen positiven Temperaturgradienten übersteigt. Da jedoch auch das Streitpatent zulässt, dass das im Anspruch 1 angegebene Verfahren lediglich für Teilabschnitte des Anfahrens eingesetzt wird, siehe Abs. 0065, entnimmt der Fachmann der D7e im Ergebnis ein Verfahren, das hinsichtlich des Anfahrens der Gasturbinenanlage sämtlichen Merkmalen M1 bis M6 des Anspruchs 1 entspricht.

Davon unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 dadurch, dass das Verfahren nicht nur zum Anfahren sondern auch zur Leistungssteigerung verwendet werden soll, wohingegen in D7e ausschließlich das Anfahren betrachtet wird.

Die Entgegenhaltung D1 offenbart, siehe den Anspruch 1 und die Figur 1 mit zugehöriger Beschreibung ab Spalte 2, Zeile 18, ein Verfahren zur Leistungssteigerung einer Gasturbinenanlage (Gasturbogruppe) mit einer Druckluftquelle (Verdichter 1), einer Brennkammer (2) und einer Turbine (3). Das entspricht hinsichtlich der Leistungssteigerung den Merkmalen M1 und M2 des Anspruchs 1. In D1 wird vorgeschlagen, siehe Spalte 1, Zeilen 43 bis 67, zum Ermöglichen eines spontanen Leistungssprungs der Gasturbinenanlage ein den die Turbine durchströmenden Massenstrom erhöhendes, zusätzliches Arbeitsmittel (in D1: Basismedium) zuzuführen, und gleichzeitig den zugeführten Brennstoffmassenstrom zu erhöhen (Zeilen 48 bis 53). Das zusätzliche Arbeitsmittel kann u. a. Dampf oder Wasser sein (Zeilen 63 bis 67). Das entspricht den Merkmalen M3 und M4 des Anspruchs 1.

Das in D1 zur Leistungssteigerung vorgeschlagene Verfahren stimmt insoweit mit dem in D7e zum Anfahren vorgeschlagenen Verfahren überein. Die Leistungssteigerung gemäß D1 soll außerdem als spontaner Leistungssprung, d. h. schnell, ausgeführt werden. Daraus ergibt sich für den Fachmann, dass es dabei, wie beim Anfahren gemäß D7e, zu einem hohen positiven Gradienten der Temperatur der Turbinenschaufeln kommen kann und somit zu hohen thermischen Spannungen und im Ergebnis zu einer Verkürzung der Lebensdauer der Turbine.

Für den von D7e ausgehenden Fachmann ist es daher naheliegend, nicht nur beim Anfahren, sondern auch im Fall einer Leistungssteigerung den zugeführten Massenstrom des zusätzlichen Arbeitsmittels (Wasser oder Dampf) und den zugeführten Brennstoffmassenstrom derart zu steuern, dass ein festgelegter,

maximal zulässiger positiver Temperaturgradient nicht überschritten wird, d. h. entsprechend den Merkmalen M5 und M6 des Anspruchs 1.

Der Fachmann gelangt so ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1.

Soweit in der mündlichen Verhandlung der Vertreter der Beschwerdegegnerin eine Reihe von Unklarheiten und Widersprüchen angeführt hat, die sich seiner Auffassung nach aus den Figuren 2, 4a und 4b der D7e ergeben, und daraus den Schluss gezogen hat, der Fachmann könne der D7e keine Lehre zum Anfahren einer Gasturbinenanlage entnehmen, kann dem nicht gefolgt werden. Denn der Fachmann berücksichtigt die gesamte Lehre der D7e und betrachtet daher die Figuren im Zusammenhang mit der zugehörigen Beschreibung und entnimmt so der D7e die oben erläuterte Lehre zum Anfahren einer Gasturbinenanlage.

Der Vertreter der Beschwerdegegnerin hat weiter ausgeführt, der Fachmann könne ausgehend von der D7e nicht zu einem Verfahren entsprechend dem Anspruch 1 gelangen, da das Anfahren gemäß D7e, Spalte 4, Zeilen 7 bis 15, nicht entsprechend dem Merkmal M6 mit einem maximalen Leistungsgradienten, d. h. so schnell wie möglich erfolge, sondern so materialschonend wie möglich, wobei die Startzeit lediglich nicht verlängert werden solle. Wie bereits ausgeführt, führt jedoch das in D7e vorgeschlagene materialschonende Anfahren dazu, dass immer dann, wenn die Brennstoffzufuhr reduziert werden muss, um den festgelegten, maximal zulässigen positiven Temperaturgradienten nicht zu überschreiten (Spalte 6, Zeilen 23 bis 28), das Anfahren nur noch so schnell erfolgt, wie dies möglich ist, ohne den festgelegten, maximal zulässigen positiven Temperaturgradienten zu überschreiten - d. h. in den Worten des Merkmals M6: Mit dem maximalen Leistungsgradienten, der unter Zugrundelegung des festgelegten, maximal zulässigen positiven Temperaturgradienten möglich ist.

Soweit zur Frage einer Kombination der Lehren der D7e und der D1 der Vertreter der Beschwerdegegnerin der Meinung ist, der Fachmann könne die Lehren dieser Druckschriften nicht in naheliegender Weise kombinieren, da diese verschiedene Gasturbinenanlagen beträfen, weil im Falle der D1 nicht Dampf, sondern eine Emulsion aus Brennstoff und Wasser als zusätzliches Arbeitsmittel eingespritzt werde, kann der Senat dem nicht folgen. Denn dieser Unterschied betrifft jeweils nur die Ausführungsbeispiele. Sowohl D7e als auch D1 lehren übereinstimmend, als zusätzliches Arbeitsmittel wahlweise Dampf oder Wasser zu verwenden, siehe D1, Spalte 1, Zeilen 63 bis 67, und D7e, Spalte 2, Zeilen 12 bis 15. Als Unterschied verbleibt, dass im Fall der D1 vorgesehen ist, das zusätzliche Arbeitsmittel und den Brennstoff vor dem Einspritzen zu mischen, in D7e dagegen nicht. Die Entscheidung, auch bei einer Leistungssteigerung - so wie von D7e für die Drehzahlsteigerung beim Anfahren vorgeschlagen - darauf zu achten, dass ein festgelegter, maximal zulässiger positiver Temperaturgradient nicht überschritten wird, kann jedoch vom Fachmann ohne erfinderisches Zutun unabhängig von diesem Unterschied sowohl für eine Gasturbinenanlage nach D7e als auch für eine nach D1 getroffen werden.

5) Die Ansprüche 2 bis 5 fallen mit dem Anspruch 1, da über das Patent nur als Ganzes entschieden werden kann.

III.

Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.

Ganzenmüller Bayer Schlenk Krüger Me

Wir stellen das Dokument etwas schmaler dar, um die Lesbarkeit zu erhöhen.

Bitte nutzen Sie nur das Original für den Druck des Dokuments.

Werbung

Urheber dieses Dokuments ist das Bundespatentgericht. Nach § 5 UrhG geniessen Entscheidungen und Gesetze keinen urheberrechtlichen Schutz. Auflagen des Gerichts können aber die kommerzielle Verwertung einschränken. In Anlehnung an Creative Commons Lizenzen ist die Nutzung mit einer CC BY-NC-SA 3.0 DE Lizenz vergleichbar. Bitte beachten Sie, dass diese Entscheidung urheberrechtlich geschützte Abbildungen enthalten kann. Vor einer Nutzung - über die reine Wiedergabe der Entscheidung hinaus - sind in solchen Fällen entsprechende Nutzungsrechte bei den jeweiligen Rechteinhabern einzuholen.

▲ Anfang

Paragraphen in 12 W (pat) 82/14

Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit Paragraph
1 21 PatG

Die aufgeführten Paragraphen wurden durch eine ausgeklügelte Software ermittelt.

Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass dabei auch falsche Kombinationen aus Paragraph und Gesetz ermittelt werden können.

Sollte ein Gesetz in Gänze übersehen worden sein, dann teilen Sie uns diesen Umstand bitte mit.

Sortiert nach dem Alphabet
Häufigkeit Paragraph
1 21 PatG

Original von 12 W (pat) 82/14

Der nachfolgende Link führt Sie zum originalen Dokument. Aufgrund der technischen Natur des Internets ist es möglich, dass der Link zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr gültig ist. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir nicht alle Links einer ständigen Prüfung unterziehen können.

Öffnen

Bitte nutzen Sie möglichst das Original für den Druck des Dokuments.

Teilen von 12 W (pat) 82/14

Wenn Sie in einer E-Mail auf diese Entscheidung hinweisen möchten, dann können Sie diese komfortabel erstellen lassen, wenn Ihr Mail-Programm diese Option unterstützt. Alternativ können Sie den nachfolgenden Link in Ihre E-Mails und Webseiten einbauen:

Bitte nutzen Sie den Link in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Google+.

Das ist ein wirksames Mittel um mehr Menschen auf unsere Dienste aufmerksam zu machen.

Eine Dienstleistung von caselaw.de | Diese Datensammlung unterliegt der Creative Commons Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 DE | Impressum