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20 W (pat) 36/13

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 36/13 Verkündet am 6. Mai 2015

…

BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2004 001 198.2-53 …

hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. Mayer, die Richterin Dorn sowie die Richter Dipl.-Ing. Albertshofer und Dipl.-Geophys. Dr. Wollny BPatG 154 05.11 beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe I.

Die Prüfungsstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes, zuständig für die Klasse G 07 C, hat mit Beschluss vom 6. Dezember 2011 die Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2004 001 198.2 und der Bezeichnung

„Verfahren zur Überwachung des Lagerzustandes mittels einem sehenden autonomen Transportfahrzeug“,

zurückgewiesen.

Der Zurückweisung lagen die mit der Eingabe vom 9. November 2011 eingereichten Ansprüche 1 bis 9 zu Grunde.

Die Prüfungsstelle hat in ihrem Zurückweisungsbeschluss insbesondere ausgeführt, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 in naheliegender Weise aus einer Zusammenschau der Druckschriften DE 102 20 936 A1 (D1) und DE 200 08 372 U1 (D4) ergebe. Der Anspruch 1 sei sonach mangels erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Beschluss der Prüfungsstelle verwiesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 12. Dezember 2011 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Beschwerde.

Der Bevollmächtigte der Anmelderin beantragt in der mündlichen Verhandlung vom 6. Mai 2015,

den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 07 C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. Dezember 2011 aufzuheben und das nachgesuchte Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche:

Patentansprüche 1 bis 9 vom 9. November 2011, beim DPMA per Fax eingegangen am selben Tag Beschreibung:

Beschreibungsseiten 1, 2 und 4 bis 12 vom Anmeldetag (7. Januar 2004) Beschreibungsseiten 3, 3a vom 5. November 2008, beim DPMA eingegangen am 7. November 2008 Zeichnungen:

(einzige) Figur vom Anmeldetag (7. Januar 2004).

Hilfsweise,

den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 07 C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. Dezember 2011 aufzuheben und das Verfahren zur weiteren Behandlung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.

Ferner regt er die Rückzahlung der Beschwerdegebühr an.

Der Anspruch 1 gemäß Antrag lautet:

„Verfahren zum Betrieb eines sehenden autonomen Transportfahrzeugs, wobei mittels wenigstens einem am Transportfahrzeug angebrachten optischen Bildsensor Umgebungsinformationen in einem Lagerbereich aufgezeichnet werden, die aufgezeichneten Umgebungsinformationen mittels einer Rechnereinheit weiterverarbeitet werden, wobei die Umgebungsinformationen den Zustand des Lagerbereichs beschreiben, zur Beschreibung des Lagerzustands anhand der Umgebungsinformationen eine Objekterkennung durchgeführt wird, womit die im Lager befindlichen Objekte erkannt werden und deren Position bestimmt wird, und ein Kommunikationsmittel den erfassten Lagerzustand an ein übergeordnetes System weiterleitet.“

Der Bevollmächtigte der Anmelderin trägt vor, der Gegenstand von Anspruch 1 sei in den ursprünglichen Unterlagen offenbart und sei im Hinblick auf den vorliegenden Stand der Technik patentfähig.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 mangels Neuheit nicht patentfähig ist (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 3 PatG):

1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 betrifft laut Ursprungsunterlagen (S. 1, Abs. 1) ein Verfahren zur Überwachung des Lagerzustandes mittels einem sehenden autonomen Transportfahrzeug.

Im Produktionsumfeld würden vermehrt autonome Transportfahrzeuge eingesetzt, jedoch seien diese relativ unflexibel. Sie könnten sich meist nur auf vorgegebenen Fahrspuren fortbewegen und nicht selbständig einen Weg finden. Ebenso wie bei stationären Industrierobotern müsse die Arbeitsumgebung den Transportfahrzeugen angepasst werden. Daher könnten diese bisher nur genutzt werden, wenn sich die Arbeitsumgebung nicht verändere. Autonome, frei navigierende und universell einsetzbare Transportfahrzeuge sollten künftig zusammen mit dem Menschen und anderen Transportfahrzeugen in einer sich dynamisch ändernden Umgebung eingesetzt werden. Moderne autonome Transportfahrzeuge verfügten daher über umgebungserfassende Sensoren. Dabei ermöglichten Entfernungs- und Bildsensoren die exakte Bestimmung der Fahrzeug- und Lastposition sowie das Erkennen von Hindernissen (Ursprungsunterlagen, S. 1, Abs. 2).

In der WO 01 / 06401 A1 werde ein mobiles Lesegerät für elektronische Marken sowie eine Methode zur Teileverfolgung gezeigt. Die ortsfesten oder beweglichen Teile würden hierzu mit elektronischen Marken (RFID) versehen, wobei zwischen den elektronischen Marken und dem mobilen Lesegerät eine Kommunikationsverbindung aufgebaut werde. Mittels der Kommunikationsverbindung würden Teile identifiziert, deren Position bestimmt und der Status der elektronischen Marken sowie der Teile abgefragt. Die Position von mit Marken versehenen Teilen werde entweder durch das mobile Lesegerät oder eine zentrale Steuereinheit ausgewertet. Die Position des mobilen Lesegeräts werde mittels bekannter, ortsfester elektronischer Marken bestimmt (Ursprungsunterlagen, S. 2, Abs. 1).

US 6,550,674 B1 zeige eine Steuer- und Verwaltungsmethode für Inventar mittels einer mobilen Einheit. Diese umfasse ein Kommunikationsmittel und ein System zum Lesen von Marken, wobei es sich bei dem Lesesystem um ein optisches oder anderes System zum Lesen von elektronischen Marken, Barcodes und anderen gedruckten Marken handeln könne. Die ermittelten Informationen würden unter Verwendung des Kommunikationsmittels zur Auswertung an eine Rechnereinheit übertragen (Ursprungsunterlagen, S. 2, Abs. 2).

In der nachveröffentlichten Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen DE 103 23 642.2 sei ein Verfahren zum Betrieb eines Bildsensors an einem autonomen Transportfahrzeug sowie ein Bildsensor für ein autonomes Transportfahrzeug beschrieben. Der Bildsensor sei am Transportfahrzeug oder an einem seiner Lastmittel in unterschiedlichen Positionen / Orientierungen verfahrbar angebracht und diene der Erfassung von Umgebungsinformationen, die mittels einer Rechnereinheit für Navigationszwecke sowie zur Erkennung und zur Vermessung von Objekten ausgewertet würden. Dabei könnte durch Schwenken und Neigen des Bildsensors eine Bildübersicht generiert und aufgrund dieser Information eine bestimmte Position angefahren werden (Ursprungsunterlagen, S. 2, Abs. 3).

Der Erfindung liege die Aufgabe zu Grunde, eine weitere Einsatzmöglichkeit eines sehenden autonomen Transportfahrzeugs anzugeben, insbesondere ein Verfahren zum Betrieb eines sehenden autonomen Transportfahrzeugs bereitzustellen, womit es möglich werde, den Zustand eines Lagerbereichs auf zuverlässige Weise zu überwachen (Ursprungsunterlagen, S. 2, Abs. 4).

2. Die Anmeldung richtet sich ihrem technischen Sachgehalt nach an einen Diplom-Physiker mit Hochschulabschluss und mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der optischen Bildaufnahme von Objekten sowie der digitalen Verarbeitung und Auswertung der Bildaufnahmen.

3. Zum Patentanspruch 1 Der Patentanspruch 1 kann wie folgt gegliedert werden (Änderungen im Vergleich zum ursprünglichen Patentanspruch 1 fett bzw. durchgestrichen):

M1 Verfahren zum Betrieb eines sehenden autonomen Transportfahrzeugs,

M2 wobei mittels wenigstens einem am Transportfahrzeug angebrachten optischen Bildsensor Umgebungsinformationen in einem Lagerbereich aufgezeichnet werden,

M2.1 und wobei die aufgezeichneten Umgebungsinformationen mittels einer Rechnereinheit weiterverarbeitet werden,

dadurch gekennzeichnet, dass M2.2 die Umgebungsinformationen in einem Lagerbereich aufgezeichnet werden, wobei die Umgebungsinformationen den Zustand des Lagerbereichs beschreiben, M2.3 zur Beschreibung des Lagerzustands anhand der Umgebungsinformationen eine Objekterkennung durchgeführt wird, M2.4 womit die im Lager befindlichen Objekte erkannt werden und deren Position bestimmt wird, und M3 wobei ein Kommunikationsmittel den erfassten Lagerzustand an ein übergeordnetes System weiterleitet.

a) Zulässigkeit Die mit den Merkmalen M2, M.2.2, M2.3 und M2.4 verbundenen Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Patentanspruch 1 sind ursprünglich offenbart (vgl. M2 und M2.2: S. 6, Abs. 1, Z. 4-8 i. V. m. S. 3, Abs. 4, Z. 6-9; M2.3 und M2.4: S. 8, Abs. 2, Z. 1-4) und der geltende Anspruch 1 ist somit als zulässig anzusehen.

b) Verständnis durch den Fachmann Der Fachmann versteht den Wortlaut des Anspruchs 1 dergestalt, dass mit diesem ein Verfahren beansprucht wird, das zwar prinzipiell beim Betrieb eines so genannten „sehenden autonomen Transportfahrzeugs“ einsetzbar ist, jedoch ohne dass hierbei das Fahrzeug in seiner Funktionalität des Fahrens – insbesondere des Fahrens ohne aktiven menschlichen Eingriff – merkmalstechnisch ausgestaltet wird (ein sich in irgendeiner Weise tatsächlich bewegendes Fahrzeug wird im Verfahrensablauf nicht thematisiert). Dem Fachmann wird durch den Merkmalswortlaut lediglich gelehrt, dass zur Durchführung des Verfahrens an einem Fahrzeug ein optischer Bildsensor angebracht ist, der Umgebungsinformationen in einem Lagerbereich aufzeichnet; hierbei wird aber weder der Sensor noch der Ort der Aufzeichnung (und somit der Ort der Durchführung des Verfahrens) mittels Merkmalen weiter bestimmt. Daher sieht der Fachmann den Sensor allgemein als flächigen Opto-Sensor, der z. B. ähnlich einer Digitalkamera Pixelbilder eines Blickwinkelbereiches aufzunehmen vermag, auf den er (durch eine Vorsatzoptik) ausgerichtet ist, ohne dass es im weiteren technisch konkret darauf ankommt, aus welchem Bereich oder von welchem Ort dieselben stammen (Merkmale M1 und M2).

Der Merkmalskomplex M2.1 und M2.2 führt zur rechnergestützten Verarbeitung der gewonnenen Umgebungsinformationen aus, dass deren Resultat eine Aussage über den so genannten „Zustand“ im aufgenommenen Blickwinkelbereich liefert; die Merkmale M2.2 bzw. M2.3 bis M2.4 konkretisieren hierbei den Grad der rechnergestützten Objekterkennung: Lagerzustand  Umgebungsinformationen  Objekterkennung  Bestimmung Position. Jedoch wird weder konkret festgelegt, um welche Objekte mit welchen Eigenschaften es sich handelt (gegenständlich / Personen, mobil / stationär, in einem Bereich erlaubt / unerlaubt, etc.), noch wie die Objekterkennung durchgeführt wird. Der Fachmann wird daher jede Methode der Objekterkennung mit Positionsbestimmung beliebiger Objekte in Betracht ziehen.

Dieser so erfasste Lagerzustand wird letztlich mittels eines ebenfalls nicht weiter spezifizierten „Kommunikationsmittels“ an eine hierarchisch über der Sensorebene – in der die Umgebungsinformation aufgezeichnet wurde – angesiedelte Ebene (sog. „übergeordnetes System“) weitergeleitet. Im gegebenen technischen Kontext für den Fachmann sinnvolle und praktikable übergeordnete Ebenen (Systeme) reichen hierbei von einem Steuerungssystem für das Fahrzeug, über ein lagerhallenspezifisches Multi-Fahrzeug-Steuerungssystem bis hin zu Logistik-Systemen, die mehrere Lagerhallen oder auch Standorte betreuen können (Merkmal M3).

c) Fehlende Neuheit Der Gegenstand von Anspruch 1 gilt als nicht neu und ist somit nicht patentfähig.

Von diesem Verständnis des Anspruchswortlauts ausgehend ist dem Fachmann in Übereinstimmung mit dem anspruchsgemäßen Verfahren aus der Druckschrift DE 102 20 936 A1 (D1) ein Verfahren zum Betrieb eines sehenden autonomen Transportfahrzeugs bekannt, in dem mittels wenigstens einem optischen Bildsensor Umgebungsinformationen in Form von Bildern aufgezeichnet werden (Absatz [0001], insb. „autonomes mobiles System“ i. V. m. Absatz [0023], insb.: „Die … in einer definierten Umgebung vorhandenen Vorrichtungen 1, beispielsweise fahrerlose Transportfahrzeuge, können mittels ihrer Informationsdaten … jederzeit ein aktuelles Abbild ihrer Umgebung liefern [worin der Fachmann im gegebenen Kontext in natürlicher Weise eine optische Aufnahme mitliest, wenngleich diese hier nicht explizit erwähnt wird], und die Abbilder können an die Basisstation 8 gesendet werden. … . In einem Getränkelager können dadurch z. B. mehrere fahrerlose Transportfahrzeuge jederzeit mit einem aktuellen „Bild“ ihrer Umgebung versorgt werden. Außerdem können die Informationsdaten auf der Basisstation in eine Karte eingetragen werden,…“ (Kursivdruck hinzugefügt); Merkmale M1, M2).

In weiterer Übereinstimmung ist bekannt, die aufgezeichneten Umgebungsinformationen mittels eines Rechners weiterzuverarbeiten (z. B. Absatz [0019]: „Mittel zur Erkennung / zur Eintragung von Veränderungen / zur Erzeugung neuer Informationsdaten“ [die für den Fachmann im Kontext eines (autonomen) Fahrzeugs funktionsnotwendig selbst eine Rechnereinheit darstellen oder zumindest beinhalten]; vgl. auch Absatz [0001]: „autonomes mobiles System“ und Anspruch 1: „Navigationssystem“; Unterstreichungen und Kursivdruck hinzugefügt). Diese beschreiben auch einen „Zustand“ (des Lagers), da der Fachmann in logischer Konsequenz der in der Druckschrift D1 gelehrten Fakten das dortige „Lagerverwaltungssystem“ samt „Karte“ zugrunde legt und entsprechend als Momentaufnahme (Abbild) des Lagers nutzt (Absatz [0023] (s. o.) i. V. m. Absatz [0013]: „[die] Darstellung der Informationsdaten erleichtert einem Bediener eines Lagerverwaltungssystems die Übersicht“).

In weiterer Übereinstimmung mit dem Anspruchsgegenstand wird in der Druckschrift D1 eine Objekterkennung in Form einer Ortung (die Feststellung der Existenz eines Objekts in Verbindung mit seiner Positionsbestimmung) von Marken gelehrt und zwar in Form von „veränderlichen Landmarken 5“ (am Ort / im Lager bewegliche Marken: Figur 1 i. V. m. Absatz [0021]: „Palette mit Getränkekisten“) und „unveränderlichen Landmarken 6“ (vgl. Figur 1, ortsfeste Position bspw. eines Regalpfostens im Getränkelager), wie sie in analoger Weise auch die Anmeldung selbst zugrunde legt (vgl. Ursprungsunterlagen, S. 10, Z. 15 – 24, insb.: „Für den Fall, dass die Objekte optische Marken tragen, wird ... zur Beschreibung des Lagerzustands anhand der Umgebungsinformationen eine Objektidentifikation durchgeführt, wobei Marken und/oder Schriftzeichen identifiziert werden. Bei den Marken kann es sich hierbei ... um Barcode ... handeln.“; Unterstreichungen hinzugefügt). Zwar wird in der Druckschrift D1 nicht wörtlich die optische Erkennung der (Land-) Marken beschrieben (s. o.), doch liest diese der Fachmann gerade im Rahmen des dortigen Beispiels des Getränkekistenlagers unmittelbar mit, ist doch die Bestückung von Getränkekisten mit einer für einen Menschen lesbaren Beschriftung, Etikettierung und/oder Barcodes zu deren Identifizierung üblich, kostengünstig sowie durch Augenschein überprüfbar (Merkmale M2.1 bis M2.4).

Dass die mittels des Sensors über den Zustand des Lagers gewonnenen Informationen letztlich über ein Kommunikationsmittel („Sendevorrichtung 9“) an ein übergeordnetes System („Basiseinheit 8“) weitergeleitet werden, ist der Druckschrift D1 ebenfalls zu entnehmen (Anspruch 6: „ … dass die Vorrichtung (1) eine Sendevorrichtung (9) zur Übertragung von aktualisierten Positionen veränderlicher Landmarken (5) an die Basiseinheit (8) aufweist.“; Merkmal M3).

Somit sind dem Fachmann alle Merkmale des Anspruchs 1 aus der Druckschrift D1 bekannt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 weist folglich nicht die erforderliche Neuheit auf und ist daher auch nicht patentfähig.

4. Mit dem Patentanspruch 1 sind auch die übrigen abhängigen Patentansprüche 2 bis 9 nicht gewährbar, da ein Patent nur so erteilt werden kann, wie es beantragt ist (BGH, Beschluss vom 26. September 1996 - X ZB 18/95, GRUR 1997, 120 - elektrisches Speicherheizgerät, mit weiteren Nachweisen).

5. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage war die Sache entscheidungsreif und eine Zurückverweisung an die Prüfungsstelle gemäß § 79 Abs. 3 PatG – wie durch die Anmelderin hilfsweise beantragt - kam nicht mehr in Betracht; zudem kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob der elektronisch erstellte und signierte Beschluss des DPMA möglicherweise an Wirksamkeitsmängeln leidet (vgl. 20 W (pat) 28/12 vom 12. Mai 2014 u. a. im Hinblick auf das Erfordernis einer signierten Urschrift in der elektronischen Akte).

6. Im Ergebnis konnte somit weder dem Haupt- noch dem Hilfsantrag der Anmelderin stattgegeben werden.

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

7. Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr gem. § 80 Abs. 3 PatG war nicht angezeigt, weil keine Billigkeitsgründe erkennbar sind, die für eine solche Anordnung sprechen würden. Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr kommt u. a. dann in Betracht, wenn ein schwerwiegender Verfahrensverstoß durch das Deutsche Patent- und Markenamt vorliegt oder wenn ein Verfahrensfehler für die Erhebung der Beschwerde ursächlich war (vgl. Schulte, Patentgesetz, 9. Aufl., § 80 Rdn. 113 i. V. m. § 73 Rdn. 139). Dass eine dieser Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben wäre, ist nicht ersichtlich.

Allein der Umstand, dass die Prüfungsstelle entgegen dem entsprechenden Antrag der Anmelderin (vgl. ihr Schreiben vom 9. November 2011, S. 1) die Anmeldung ohne nochmalige – zweite - Anhörung zurückgewiesen hat, stellt sich nicht von vornherein und ohne weitere Prüfung des Einzelfalls als Verletzung des rechtlichen Gehörs und damit als schwerwiegender Verfahrensfehler dar.

Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 PatG (in der bis 31. März 2014 geltenden) a. F. ist der Anmelder auf seinen Antrag nur dann zu hören, wenn es sachdienlich ist. Die Prüfungsstelle hat am 14. März 2011 – nach vier vorangegangenen Prüfungsbescheiden vom 22. Juni 2004, 12. November 2007, 21. November 2008 und 20. Januar 2011 – bereits eine Anhörung durchgeführt. Hierbei hat sie eine neue Druckschrift D4 in das Verfahren eingeführt, aber aus diesem Grunde auch am Ende der Anhörung keinen Beschluss gefasst, sondern der Anmelderin Gelegenheit zur Äußerung zu diesem neuen Stand der Technik gegeben, den die Prüfungsstelle gegenüber dem in der Anhörung erarbeiteten Anspruch 1 gemäß dem damals geltenden Hilfsantrag zusammen mit der Druckschrift D1 für entscheidungserheblich hielt (vgl. Beiblatt zur Anhörung, Amtsakte S. 143). Die patentanwaltlich vertretene Anmelderin ist auf diesen Einwand mit ihrer o. g. Eingabe (Schriftsatz vom 9. November 2011, insbesondere Seiten 3 bis 7, oben, in der u. a. der in der Anhörung gestellte Hilfsantrag schließlich mit wenigen, lediglich redaktionellen Änderungen zum Hauptantrag erklärt wurde) auch umfangreich und substantiiert eingegangen und hat sich somit auch auf die Ausführungen der Prüfungsstelle in der Anhörung eingelassen. Sie hatte damit ausreichend Zeit und Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme auf den im Anhörungstermin erörterten Stand der Technik, insbesondere die neu eingeführte Druckschrift D4.

Ein Antrag auf Anhörung kann zurückgewiesen werden, wenn dafür triftige Gründe vorliegen. Dazu gehört insbesondere auch dieser Fall, bei dem die Prüfungsstelle bereits eine Anhörung durchgeführt hat und im Zuge des anschließenden schriftlichen Verfahrens den Eindruck gewinnt, dass sich der Anmelder auf die Einwände der Prüfungsstelle, die aus deren Sicht entscheidungserheblich sind, nicht einlassen will (vgl. Schulte, a. a. O. § 46 Rdn. 12 mit weiteren Nachweisen), wie es gerade durch die letztmalige Eingabe der Anmelderin vor dem Zurückweisungsbeschluss (vgl. Schriftsatz vom 9. November 2011) belegt ist. Mit dieser Eingabe ist knapp 8 Monate nach Durchführung der Anhörung vom 14. März 2011 nämlich ein im Vergleich zum Anspruchssatz aus der Anhörung lediglich redaktionell geänderter Anspruchssatz als Hauptantrag eingereicht worden, und dies, obwohl die Prü- fungsstelle insbesondere in der Anhörung bereits klar zum Ausdruck gebracht hatte, dass sie den Anspruch 1 in der jeweils gültigen Antragsfassung durchweg aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht für patentfähig halte und dieser Umstand zur Zurückweisung der Anmeldung führen müsse (vgl. z. B. Beiblatt zur Anhörung, Amtsakte S. 143).

In welcher Weise bei dieser Sachlage die Durchführung einer erneuten Anhörung für die anstehende abschließende Entscheidung der Prüfungsstelle hätte sachdienlich sein können, ist nicht ersichtlich. Die Anmelderin hat dazu in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass sie der Prüfungsstelle ihre Sichtweise, die erfinderische Tätigkeit betreffend, auch mündlich habe vortragen wollen und dass sie die unterlassene zweite Anhörung in Anlehnung an die Entscheidung des Bundespatentgerichts 17 W (pat) 104/07 als ursächlich für die Beschwerdeerhebung betrachte.

Der Verweis auf diese Entscheidung, die zu einer Rückerstattung der Beschwerdegebühr führte, greift hier jedoch nicht durch, da derselben gänzlich andere Voraussetzungen zugrunde lagen. Weder liegt hier im Verfahren eine seitens der Prüfungsstelle prinzipiell in Aussicht gestellte Patentfähigkeit des Patentbegehrens vor (BPatG, Beschluss in der Sache 17 W (pat) 104/07, S. 14, Absatz 1 unten), noch wurden seitens derselben neue (überraschende) Ablehnungsgründe neben der mangelnden erfinderischen Tätigkeit vorgebracht (BPatG, Beschluss in der Sache 17 W (pat) 104/07, S. 14, Absatz 2), oder gar lediglich ein Teilbeschluss über den Hauptantrag (ohne Entscheidung über den Hilfsantrag) gefasst, was in der genannten Entscheidung als weiterer Verfahrensverstoß gewertet wurde, der gemeinsam mit der Verweigerung einer zweiten Anhörung zur Rückzahlung der Beschwerdegebühr führte (BPatG, Beschluss in der Sache 17 W (pat) 104/07, S. 15, Absatz 2 und 3). Der Verweis der Anmelderin auf die Entscheidung des Bundespatentgerichts 17 W (pat) 104/07 zur Stützung und Begründung ihrer Argumentation muss daher fehlgehen.

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist daher vorliegend nicht anzunehmen, so dass eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen nicht in Betracht kam.

Rechtsbehelfsbelehrung Gegen diesen Beschluss des Beschwerdesenats steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten die Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Absatz 2, § 100 Absatz 1, § 101 Absatz 1 des Patentgesetzes). Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist

(§ 100 Absatz 3 des Patentgesetzes).

Die Rechtsbeschwerde ist beim Bundesgerichtshof einzulegen (§ 100 Absatz 1 des Patentgesetzes). Sitz des Bundesgerichtshofes ist Karlsruhe (§ 123 GVG).

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof schriftlich einzulegen (§ 102 Absatz 1 des Patentgesetzes). Die Postanschrift lautet: Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe.

Sie kann auch als elektronisches Dokument eingereicht werden (§ 125a Absatz 2 des Patentgesetzes in Verbindung mit der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV) vom 24. August 2007 (BGBl. I S. 2130)). In diesem Fall muss die Einreichung durch die Übertragung des elektronischen Dokuments in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes erfolgen (§ 2 Absatz 2 BGH/BPatGERVV).

Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass der Beschluss auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 101 Absatz 2 des Patentgesetzes). Die Rechtsbeschwerde ist zu begründen. Die Frist für die Begründung beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden (§ 102 Absatz 3 des Patentgesetzes). Die Begründung muss enthalten:

1. die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und seine Abänderung oder Aufhebung beantragt wird;

2. die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm; 3. insoweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben

(§ 102 Absatz 4 des Patentgesetzes).

Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen (§ 102 Absatz 5 des Patentgesetzes).

Dr. Mayer Dorn Albertshofer Dr. Wollny Pü

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