Paragraphen in 2 StR 348/23
Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
8 | 244 | StPO |
1 | 29 | BtMG |
1 | 30 | BtMG |
1 | 337 | StPO |
Sortiert nach dem Alphabet
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
1 | 29 | BtMG |
1 | 30 | BtMG |
8 | 244 | StPO |
1 | 337 | StPO |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES StR 348/23 URTEIL vom 22. Mai 2024 in der Strafsache gegen wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ECLI:DE:BGH:2024:220524U2STR348.23.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 22. Mai 2024, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Zeng als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Meyberg, Schmidt, Dr. Zimmermann, die Richterin am Bundesgerichtshof Herold,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
– in der Verhandlung –
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 31. Januar 2023 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die zuungunsten des Angeklagten eingelegte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt und eine Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erstrebt, hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Auf die sachlich-rechtlichen Beanstandungen kommt es daher nicht an.
I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts bewahrte der Angeklagte in sei2 nem Nachttisch im Schlafzimmer der Wohnung seiner Lebensgefährtin ein Tütchen mit 23,21 g Kokain mit einem Kokainhydrochloridgehalt von 52,4 % bzw. 12,16 g sowie in einer Hosentasche seiner im Wohnzimmer liegenden Hose ein Tütchen mit 8,61 g Kokain mit einem Kokainhydrochloridgehalt von 18,8 % bzw. 1,61 g auf. Zur selben Zeit befand sich auf dem Kleiderschrank im Schlafzimmer, circa einen Meter von dem in der Nachttischschublade befindlichen Kokain entfernt, in einem unverschlossenen Waffenkoffer eine Schreckschuss-Reizgas-Signalpistole, Kaliber 9 mm, mit dem Zulassungszeichen PTB im Kreis mit eingeführtem, aber ungeladenem Magazin. In dem Waffenkoffer befanden sich zudem 109 Schuss dazu passende Kartuschenmunition.
2. Die Strafkammer hat ein (bewaffnetes) Handeltreiben mit Betäubungsmit3 teln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verneint. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, die Einlassung des Angeklagten, das sichergestellte Kokain habe dem Eigenkonsum gedient, sei nicht zu widerlegen.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. 4
1. Die Rüge der Staatsanwaltschaft, das Landgericht habe das Beweisan5 tragsrecht (§ 244 Abs. 3 StPO) verletzt, indem es den in der Hauptverhandlung angebrachten (Hilfs-)beweisantrag der Beschwerdeführerin auf Vernehmung des Zeugen I. im Urteil mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt habe, dringt durch.
a) Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: 6 In der Hauptverhandlung am 31. Januar 2023 stellte die Sitzungsvertreterin 7 der Staatsanwaltschaft hilfsweise den Antrag auf Vernehmung des Zeugen I. zum Beweis der Tatsache, dass der Zeuge am 1. Januar 2021 eine Tüte mit Kokain in der von dem mit ihm verwandten Angeklagten bewohnten Wohnung gesehen habe. Der Angeklagte habe ihm gegenüber angegeben, es handele sich um 100 g Kokain, und weiter mitgeteilt, er erhalte alle zwei bis drei Tage je eine Lieferung von 100 g Kokain. Seine Kunden zahlten teils mit Bargeld, teils mit Gegenständen. In der Wohnung hätten sich auch Gegenstände wie z.B. Rasierklingen befunden, die der Angeklagte von seinen Drogenkunden als Zahlung akzeptiert habe. Das Landgericht hat diesen Antrag in den Urteilsgründen wegen fehlender Konnexität zwischen der behaupteten Beweistatsache und dem angegebenen Beweismittel nicht als Beweisantrag im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO gewertet. Hierzu hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Zeuge I. könne allenfalls allgemeine Angaben dazu machen, dass der Angeklagte in der Vergangenheit mit Kokain Handel getrieben habe, nicht aber zu den vorgefundenen Betäubungsmitteln und damit nicht zu der konkret angeklagten Tat. Aus dem Antrag ergebe sich nicht, woher der Zeuge Kenntnisse zum Verwendungszweck der am 2. Januar 2021 vorgefundenen Betäubungsmittel haben solle. Dies sei indes zur Feststellung des Handeltreibens mit dem aufgefundenen Kokain erforderlich gewesen.
b) Mit zulässig erhobener Verfahrensrüge bestandet die Beschwerdeführerin zu Recht eine Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO. Die Zurückweisung des Hilfsbeweisantrags hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Landgerichts konnte dem Antrag nicht unter Hinweis auf fehlende Konnexität die Eigenschaft als Beweisantrag im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO abgesprochen werden. Der Antrag bezeichnet nicht nur hinreichend bestimmte, dem Zeugenbeweis zugängliche Beweistatsachen, sondern wahrt auch die Konnexität zwischen Beweistatsachen und Beweismittel und genügt damit den nach dem Gesetz an einen Beweisantrag zu stellenden Anforderungen.
aa) Ein solcher liegt nach § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO vor, wenn der Antragstel8 ler ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll.
bb) Diese Voraussetzungen sind gegeben. In dem Antrag der Staatsanwalt9 schaft wird sowohl eine für den Schuldspruch relevante konkrete Tatsache bestimmt behauptet als auch ein bestimmtes Beweismittel bezeichnet. Aus dem Beweisantrag ergibt sich auch ohne Weiteres, weshalb der Zeuge I. die behauptete Beweistatsache bekunden können soll. Die in das Wissen des Zeugen gestellte Behauptung soll auf dessen eigenen Wahrnehmungen beruhen, da er sich am genannten Tag in der Wohnung des Angeklagten aufgehalten und dieser ihm gegenüber die unter Beweis gestellten Angaben gemacht habe. Einer weiteren Konkretisierung der Beweisanträge unter dem Gesichtspunkt der Konnexität bedurfte es nicht.
cc) Damit lagen die Voraussetzungen für einen förmlichen Beweisantrag im 10 Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO vor (vgl. BGH, Urteil vom 29. August 1990 – 3 StR
184/90, BGHSt 37, 162, 164 f.), über den nicht nach Maßgabe der gerichtlichen Aufklärungspflicht zu entscheiden war, sondern der nur aus einem der in § 244 Abs. 3 Satz 3 StPO genannten Gründe abgelehnt werden durfte. Einen solchen Ablehnungsgrund hat das Landgericht in den Gründen des Urteils nicht dargetan.
c) Das Urteil beruht auch auf diesem Verfahrensfehler. Zwar kann es unschäd11 lich sein, dass ein im Urteil zu bescheidender Hilfsbeweisantrag übergangen worden ist, wenn er mit rechtsfehlerfreier Begründung hätte abgelehnt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 1996 – 3 StR 180/96, juris Rn. 11; Beschluss vom 19. Dezember 2023 – 3 StR 160/22, NJW 2024, 1122, 1126). Eine derartige Möglichkeit ist hier durch die Urteilsgründe nicht eröffnet. Insbesondere kann danach nicht ohne Weiteres von einer tatsächlichen Bedeutungslosigkeit der in das Wissen des Zeugen I. gestellten Tatsachen nach § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO ausgegangen werden (vgl. allgemein zu den Anforderungen zu diesem Ablehnungsgrund: BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2018 – 4 StR 484/18, NStZ 2019, 295, 296; KK-StPO/Krehl, 9. Aufl., § 244 Rn. 152 mwN). Nach den Urteilsgründen sind die unter Beweis gestellten Tatsachen, denen zufolge der Zeuge I. am 1. Januar 2021 – mithin jedenfalls kurz vor der Sicherstellung – in der Wohnung eine größere Tüte mit Kokain gesehen und der Angeklagte ihm gegenüber geäußert habe, dass in der Tüte 100 g Kokain seien, er alle 2 - 3 Tage eine Lieferung von 100 g Kokain bekomme und dass er beim Verkauf Bargeld sowie noch in der Wohnung befindliche Gegenstände, wie z.B. Rasierklingen, als Zahlungsmittel akzeptieren würde, für die Schuld- und Straffrage erkennbar von Belang. Nach alledem kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer bei rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung zumindest zu einer Verurteilung des Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gekommen wäre (§ 337 Abs. 1 StPO).
2. Der aufgezeigte Rechtsfehler zieht die Aufhebung des Schuldspruchs nach sich. Der Senat hebt die Feststellungen des angefochtenen Urteils insgesamt auf, um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen. Die Sache bedarf mithin insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, im Rahmen der Beweiswürdi13 gung sorgfältiger als bisher geschehen die Inhalte der Chatprotokolle vom Mobiltelefon des Angeklagten, die Sicherstellung von Feinwaagen und Bargeld und die Äußerungen des Angeklagten und seiner Freundin zu der aufgefundenen Waffe in den Blick zu nehmen.
Zeng Zimmermann Meyberg Herold Schmidt Vorinstanz: Landgericht Frankfurt am Main, 31.01.2023 - 5/31 KLs - 5820 Js 200167/21 (14/21)
Urheber dieses Dokuments ist der Bundesgerichtshof. Nach § 5 UrhG geniessen Entscheidungen und Gesetze keinen urheberrechtlichen Schutz. Auflagen des Gerichts können aber die kommerzielle Verwertung einschränken. In Anlehnung an Creative Commons Lizenzen ist die Nutzung mit einer CC BY-NC-SA 3.0 DE Lizenz vergleichbar. Bitte beachten Sie, dass diese Entscheidung urheberrechtlich geschützte Abbildungen enthalten kann. Vor einer Nutzung - über die reine Wiedergabe der Entscheidung hinaus - sind in solchen Fällen entsprechende Nutzungsrechte bei den jeweiligen Rechteinhabern einzuholen.
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
8 | 244 | StPO |
1 | 29 | BtMG |
1 | 30 | BtMG |
1 | 337 | StPO |
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
1 | 29 | BtMG |
1 | 30 | BtMG |
8 | 244 | StPO |
1 | 337 | StPO |
Der nachfolgende Link führt Sie zum originalen Dokument. Aufgrund der technischen Natur des Internets ist es möglich, dass der Link zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr gültig ist. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir nicht alle Links einer ständigen Prüfung unterziehen können.
Öffnen