12 W (pat) 308/11
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 308/11 Verkündet am 16. Januar 2014
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BESCHLUSS In der Einspruchssache betreffend das Patent 103 01 713 …
BPatG 154 08.05
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hat der 12. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. Januar 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Schneider, der Richterin Bayer sowie der Richter Dipl.-Ing. Sandkämper und Dipl.-Ing. Schlenk beschlossen:
Das Patent 103 01 713 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
Patentansprüche 1 bis 7 sowie Beschreibung Seiten 2/5 bis 4/5, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung am 16. Januar 2014, und Zeichnungen (Fig. 1 bis Fig. 3) gemäß Patentschrift.
Gründe I.
Gegen das am 13. Januar 2003 angemeldete und am 16. Februar 2006 veröffentlichte Patent 103 01 713 mit der Bezeichnung „Zylinderkopfdichtung “ hat die Einsprechende am 16. Mai 2006 fristgerecht Einspruch eingelegt.
Die Einsprechende macht geltend, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei insbesondere mangels Neuheit und erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig.
Die Einsprechende verweist dazu auf folgende Druckschriften:
DE 102 48 395 A1 (D1) DE 197 13 053 A1 (D2).
Die Einsprechende beantragt,
das Patent 103 01 713 zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt,
das Patent mit den im Tenor genannten Unterlagen aufrechtzuerhalten.
Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 7 vorgelegt und vertritt die Ansicht, dass der Patentgegenstand in der geltenden Fassung gegenüber dem insgesamt aufgezeigten Stand der Technik neu und erfinderisch sei.
Aus dem Prüfungsverfahren sind noch folgende, auf dem Deckblatt der Streitpatentschrift aufgeführte Schriften bekannt:
FR 2 737 255 A1 (D3) DE 38 29 935 A1 (D5) DE 39 02 966 A1 (D6) DE 37 20 838 A1 (D7) DE 37 11 664 A1 (D8) JP 2001-1 65 321 A (D9).
Der geltende Anspruch 1 hat nach Merkmalen gegliedert folgenden Wortlaut:
a) Zylinderkopfdichtung für einen Verbrennungsmotor b) mit mindestens zwei übereinander liegenden, eine gemeinsame Brennraum- Durchgangsöffnung bildenden Dichtungsblechen (3, 4, 5), c) von denen mindestens eines mit einer die Brennraum-Durchgangsöffnung umgebenden Sicke versehen ist,
dadurch gekennzeichnet,
d) dass eines der Dichtungsbleche (4) am Außenumfang über das mindestens eine andere Dichtungsblech (3, 5) vorsteht und e) am Außenrand eine umlaufende Dichtung (6) trägt, f) die im eingebauten Zustand der Zylinderkopfdichtung den Spalt zwischen Zylinderkopf (1) und Zylinderblock (2) abdichtet, g) wobei die Dichtung (6) im eingebauten Zustand der Zylinderkopfdichtung über die Außenfläche des Zylinderblocks (2) vorsteht, und h) wobei die Dichtung (6) im eingebauten Zustand der Zylinderkopfdichtung an den äußeren Stirnflächen des mindestens einen anderen Dichtungsbleches (3, 5) anliegt.
Wegen der Fassung der Unteransprüche 2 bis 7 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Der Erfindung liegt nach der Patentschrift (Abs. 0008) sinngemäß die Aufgabe zugrunde,
eine Dichtung gemäß dem Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1 zu schaffen, welche Kontaktkorrosion an den abzudichtenden Bauteilen verringert oder ganz vermeidet.
II.
1. Der Senat ist für die Entscheidung im vorliegenden Einspruchsverfahren auch nach der – mit Wirkung vom 1. Juli 2006 erfolgten – Aufhebung der Übergangsvorschriften des § 147 Abs. 3 PatG noch aufgrund des Grundsatzes der „perpetuatio fori“ gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO analog i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG analog zuständig (BGH GRUR 2009, 184, Ventilsteuerung).
2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Er hat nur teilweise Erfolg.
3. Fachmann ist hier ein Maschinenbauingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit beruflicher Erfahrung in der Konstruktion und Entwicklung von Zylinderkopfdichtungen.
4. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig. Ihre Merkmale sind hinreichend klar und auch in den ursprünglichen Unterlagen sowie der Patentschrift offenbart. Der Anspruch 1 des Streitpatents ist auch nicht unzulässig erweitert:
Das neu aufgenommene Merkmal h), dass die Dichtung (6) im eingebauten Zustand der Zylinderkopfdichtung an den äußeren Stirnflächen des mindestens einen anderen Dichtungsbleches (3, 5) anliegt, ist in Abs. 0011 der Streitpatentschrift und in der ursprünglichen Beschreibung S. 3, Z. 16 bis 22 offenbart.
5. Mit dem geltenden Anspruch 1 wird eine Zylinderkopfdichtung für einen Verbrennungsmotor beschrieben, die aus mindestens 2 Dichtungsblechen bzw. Metalllagen bzw. Stahllagen besteht (Abs. 0002). Derartige (Metall-) Lagendichtungen sind, abhängig von ihrem Schichtaufbau und ihrem Anwendungsgebiet ca. 0,5 bis 5 mm, vor allem zwischen ca. 0,6 bis 2 mm dick und flächig ausgebildet, wie dem Fachmann aus seinem technischen Grundwissen über Dichtungen bekannt ist.
Durch unterschiedliche Werkstoffe von Zylinderkopf, Zylinderblock und Dichtung mit unterschiedlichen elektrochemischen Potentialen kann Korrosion entstehen, die durch eine elektrische Isolation dieser Elemente sowie eine Abdichtung gegen Feuchtigkeit, die eine derartige elektrochemische Korrosion ermöglicht bzw. fördert verhindert bzw. vermindert werden soll (Abs. 0003).
Da die geschnittenen bzw. gestanzten Stirnseiten im Gegensatz zu den Flachseiten (Dichtflächen) herstellungsbedingt keinen elektrisch isolierenden Überzug besitzen, müssen insbesondere diese vor Korrosion und Spritzwasser geschützt werden (Abs. 0004, 0008). Dies soll dadurch erreicht werden, dass eines der Dichtungsbleche am Außenumfang über das oder die anderen vorsteht und am Außenrand eine umlaufende Dichtung trägt, die im eingebauten Zustand der Zylinderkopfdichtung den Spalt zwischen Zylinderkopf und Zylinderblock abdichtet und somit das Eindringen von Feuchtigkeit und das Entstehen eines Lokalelements und damit von Korrosion verhindert.
Weiterhin soll dadurch, dass gemäß Merkmal h) die Dichtung (6) im eingebauten Zustand der Zylinderkopfdichtung an den äußeren Stirnflächen des mindestens einen anderen Dichtungsbleches (3, 5) anliegt, verhindert werden, dass sich vor dem anderen Dichtungsblech (3, 5) ein Hohlraum bilden kann, in dem durch eingedrungene bzw. eingeschlossene Feuchtigkeit Korrosion entstehen kann (Abs. 0024).
6. Der Gegenstand des angefochtenen Patents in der geltenden Fassung stellt eine patentfähige Erfindung i. S. d. §§ 1 bis 5 PatG dar.
6a. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist unstreitig neu, da aus keiner der genannten Druckschriften alle Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 hervorgehen.
Aus der nur bezüglich der Neuheit relevanten Schrift DE 102 48 395 A1 (D1) sind zwar die Merkmale a bis g des geltenden Anspruchs 1 bekannt. Das im geltenden Anspruch 1 gegenüber dem erteilten Anspruch 1 hinzugekommene Merkmal h), dass nämlich „die Dichtung im eingebauten Zustand der Zylinderkopfdichtug an den äußeren Stirnflächen des mindestens einen anderen Dichtungsbleches anliegt“, ist jedoch weder aus dieser Schrift noch aus den weiteren im Verfahren befindlichen Schriften bekannt.
Auch ist dieser konstruktive "Kniff" zum Verringern oder Vermeiden von Kontaktkorrosion an den abzudichtenden Bauteilen dem Fachmann von seinem Grundwissen her nicht bekannt oder geläufig, so dass er dieses Merkmal auch nicht mitliest.
Das Merkmal h) begründet daher die Neuheit des Streitgegenstands nach Anspruch 1 sowohl gegenüber der D1 als auch gegenüber den weiter ab liegenden weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften.
6b Der offensichtlich gewerblich anwendbare Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da die im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen dem Durchschnittsfachmann keine Hinweise oder Anregungen zum Auffinden des Gegenstandes nach dem geltenden Patentanspruch 1 geben können.
Die vorveröffentlichte Schrift FR 2 737 255 (D3) kann als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden.
Aus dieser Schrift, siehe insbes. Fig. 3 und 5, ist dem Fachmann eine Zylinderkopfdichtung mit den Merkmalen a, c und e bekannt. Dass dort nur in der Nähe der Brennraumöffnung 13 drei Blechschichten übereinander gelegt sind und nicht über die gesamte Dichtung (Merkmal b) ist hier eine Maßnahme, die im Ermessen des Fachmanns liegen kann, der entsprechend den jeweiligen Anforderungen an die Dichtung zwei oder mehr Schichten partiell oder ganzflächig vorsieht. Die Merkmale g) und h) sind dieser Schrift jedoch nicht entnehmbar.
Das Merkmal g), dass die Dichtung (6) im eingebauten Zustand der Zylinderkopfdichtung über die Außenfläche des Zylinderblocks (2) vorsteht, mag ebenso wie das Merkmal d) bspw. aus der Schrift DE 38 29 935 A1 (D5), Sp. 1, Z. 50 - 60 und Fig. 2, 4 bekannt sein. Jedoch geht es dort nicht darum, eine Kontaktkorrosion im Sinn des Streitpatents an den abzudichtenden Bauteilen zu verringern oder zu vermeiden. Die D5 beschreibt vielmehr den Abbrand, also die Zerstörung des Graphit-Dichtungsmaterials durch Sauerstoffzutritt bei einer Hochtemperaturdichtung und nicht eine unter wässrigem Medium erfolgende Kontaktkorrosion zwischen Dichtung und "unedleren" Motorenteilen wie das Streitpatent.
Die D3 wiederum offenbart lediglich die Abdichtung von Flüssigkeitsdurchführungen sowie das Verhindern des Eindringens von Feuchtigkeit zwischen Dichtung und Motorblock bzw. Zylinderkopf als Motorenteile.
Beiden Dokumenten sind deshalb auch in Kombination keine Hinweise oder Anregungen für den Fachmann entnehmbar, gemäß Merkmal h) im eingebauten Zustand der Zylinderkopfdichtung durch einen stirnseitigen dichten Abschluss ein spaltfreies Anliegen der am einen Dichtungsblech angebrachten Dichtung an den äußeren Stirnflächen des mindestens einen anderen Dichtungsbleches zum Verringern oder Vermeiden von Kontaktkorrosion an den abzudichtenden Bauteilen vorzunehmen, wie dies beim Streitpatent gelehrt wird.
Auch die weiter ab liegenden und gegenüber dem geltenden Anspruch 1 in der mündlichen Verhandlung nicht wieder aufgegriffenen Schriften D2 und D4 bis D9 können ebenfalls keinen Beitrag zur erfindungsgemäßen Lösung leisten, da sie dem Fachmann weder Hinweise noch Anregungen zum Vorsehen einer Stirnflächendichtung im Kraftnebenschluß gemäß Merkmal h) geben können.
Ohne Hinweise oder Anregungen aus dem bekannten Stand der Technik bedurfte es für den Fachmann vielmehr erfinderischer Überlegungen, um zum Gegenstand gemäß dem geltenden Anspruch 1 zu kommen.
7. Zu den abhängigen Ansprüchen 2 bis 7 Die Patentansprüche 2 bis 7 sind auf den Patentanspruch 1 direkt oder indirekt rückbezogen.
Mit Rechtsbeständigkeit des Anspruchs 1 haben daher auch diese Ansprüche Bestand.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu unterzeichnen und beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzureichen. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.“
Schneider Bayer Sandkämper Schlenk Bb