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XII ZB 114/21

BUNDESGERICHTSHOF XII ZB 114/21 BESCHLUSS vom 27. Oktober 2021 in der Betreuungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ:

nein BGHR:

ja FamFG §§ 278 Abs. 1, 280 Abs. 3 Nr. 5, 295; BGB § 1896 Abs. 1a Die nach § 278 Abs. 1 Satz 1 FamFG erforderliche Anhörung des Betroffenen ist grundsätzlich durchzuführen, nachdem ihm das nach § 280 Abs. 1 Satz 1 FamFG einzuholende Sachverständigengutachten rechtzeitig bekannt gegeben worden ist. Entsprechendes gilt für ein nach § 295 Abs. 1 Satz 2 FamFG einzuholendes ärztliches Zeugnis (Fortführung von Senatsbeschluss vom 6. Mai 2020 - XII ZB 6/20 - FamRZ 2020, 1303).

BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2021 - XII ZB 114/21 - LG Bamberg AG Forchheim ECLI:DE:BGH:2021:271021BXIIZB114.21.0 Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Oktober 2021 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. NeddenBoeger und Guhling beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bamberg vom 9. Februar 2021 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Wert: 5.000 €

Gründe:

I.

Der Betroffene wendet sich gegen die Verlängerung der für ihn eingerichteten Betreuung.

Für den Betroffenen besteht seit Juni 2006 eine Betreuung. Das Amtsgericht hat diese nach Einholung eines ärztlichen Zeugnisses mit folgendem Aufgabenkreis verlängert: Gesundheitssorge einschließlich hiermit verbundener Aufenthaltsbestimmung, Vertretung in Nachlassangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Gerichten, Vermögenssorge und Entgegennahme und Öffnen sowie Anhalten der Post in dem übertragenen Aufgabenkreis. Das Landgericht hat die Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen. Hiergegen wendet er sich mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Entsprechend den Vorgaben des Bundesgerichtshofs in dem früheren Verfahren (Senatsbeschluss vom 11. Dezember 2019 - XII ZB 249/19 - FamRZ 2020, 538) habe die Kammer eine erneute Begutachtung „angestoßen“, die indes wegen der Verweigerungshaltung des Betroffenen bisher nicht abgeschlossen sei. Das Amtsgericht habe inzwischen ein ärztliches Zeugnis eingeholt und nach Bestellung eines Verfahrenspflegers sowie nach Anhörung des Betroffenen die Betreuung bis auf den Aufgabenbereich Wohnungsangelegenheiten verlängert. Die neue Überprüfungsfrist sei auf den 20. August 2027 festgesetzt worden.

Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass das Landgericht nicht von einer erneuten Anhörung des Betroffenen absehen durfte.

Nach § 295 Abs. 1 Satz 1 FamFG gelten für die Verlängerung der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts die Vorschriften über die erstmalige Anordnung dieser Maßnahmen entsprechend, mithin auch die nach § 278 Abs. 1 FamFG verpflichtende Anhörung des Betroffenen (Senatsbeschluss vom 20. Juni 2018 - XII ZB 99/18 - FamRZ 2018, 1360 Rn. 6).

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Beschwerdegericht zwar die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen. Im Beschwerdeverfahren kann aber nicht von einer Wiederholung solcher Verfahrenshandlungen abgesehen werden, bei denen das Gericht des ersten Rechtszugs zwingende Verfahrensvorschriften verletzt hat. In diesem Fall muss das Beschwerdegericht, vorbehaltlich der Möglichkeiten nach § 69 Abs. 1 Satz 2 und 3 FamFG, den betreffenden Teil des Verfahrens nachholen (Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2020 - XII ZB 349/20 FamRZ 2021, 225 Rn. 7).

bb) Das Landgericht hätte die Anhörung deshalb wiederholen müssen, weil das Amtsgericht – wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt – die Verfahrenspflegerin erst nach der Anhörung des Betroffenen bestellt hat und sich den Akten nicht entnehmen lässt, dass dem Betroffenen das ärztliche Attest vor seiner Anhörung übersandt worden ist. Zur erneuten Anhörung ist der Betroffene nicht erschienen. Deshalb hätte das Amtsgericht einen weiteren Termin anberaumen und die Vorführung des Betroffenen hierzu gemäß § 278 Abs. 5 FamFG erwägen müssen.

b) Hinzu kommt, dass das Landgericht die Überprüfungsfrist entgegen der Empfehlung des ärztlichen Zeugnisses von einem Jahr auf rund sieben Jahre festgesetzt hat (vgl. dazu § 295 Abs. 1 Satz 2 FamFG).

aa) Nach § 280 Abs. 3 FamFG hat sich das Gutachten unter anderem auf die voraussichtliche Dauer der Maßnahme zu erstrecken (Senatsbeschluss vom 6. Mai 2020 - XII ZB 6/20 - FamRZ 2020, 1303 Rn. 11 mwN). Diese Anforderungen gelten ebenso – wenn auch in verkürzter Form – für das ärztliche Zeugnis (Senatsbeschluss vom 23. August 2017 - XII ZB 187/17 - FamRZ 2017, 1866 Rn. 9; vgl. auch BT-Drucks. 11/4528, 174; Keidel/Giers FamFG 20. Aufl. § 281 Rn. 7).

Die Aufgabe des Tatrichters, Gutachten sorgfältig und kritisch zu überprüfen, berechtigt ihn jedoch nicht, die sachverständigen Äußerungen ohne ausreichende Begründung beiseite zu schieben. Vielmehr muss das Gericht, wenn es einem Gutachten nicht folgen will, seine abweichende Überzeugung begründen. Die Begründung muss erkennen lassen, dass die Beurteilung nicht von einem Mangel an Sachkunde beeinflusst ist. Sie ist im Rechtsbeschwerdeverfahren darauf zu überprüfen, ob das Gericht sich mit der Aussage des Gutachters hinreichend auseinandergesetzt und seine dazu erforderliche Sachkunde ausreichend dargetan hat. Weil der Sachverständige gerade zu dem Zweck hinzugezogen wird, dem Gericht die ihm auf dem medizinischen Spezialgebiet fehlenden Kenntnisse zu vermitteln, muss das Gericht sorgfältig prüfen, ob es seine Zweifel an dem Gutachten ohne weitere sachkundige Hilfe zur Grundlage seiner Entscheidung machen kann, etwa weil es bereits durch die ihm vom Sachverständigen vermittelte sachliche Information dazu befähigt worden ist. Fehlt es hieran und verschließt sich das Gericht der Notwendigkeit, zur Klärung seiner Bedenken den Sachverständigen zu einer Ergänzung oder mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu veranlassen oder einen weiteren Sachverständigen zu beauftragen, so bewegt es sich bei seiner Überzeugungsbildung außerhalb des der tatrichterlichen Beweiswürdigung eingeräumten Bereichs (Senatsbeschluss vom 27. April 2016 - XII ZB 557/15 - FamRZ 2016, 1352 Rn. 11 mwN).

bb) Nach dem ärztlichen Zeugnis soll die Betreuung nur um ein Jahr verlängert werden. Gleichwohl hat das Landgericht, ohne seine eigene Sachkunde darzulegen, die Überprüfungsfrist auf sieben Jahre festgelegt.

Weil die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen, § 74 Abs. 5 und 6 Satz 2 FamFG.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Dose Nedden-Boeger Schilling Guhling Günter Vorinstanzen: AG Forchheim, Entscheidung vom 29.10.2020 - 1 XVII 110/06 LG Bamberg, Entscheidung vom 09.02.2021 - 43 T 95/20 -

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