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XII ZB 266/25

BUNDESGERICHTSHOF XII ZB 266/25 BESCHLUSS vom 29. Oktober 2025 in der Betreuungssache ECLI:DE:BGH:2025:291025BXIIZB266.25.0 Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Oktober 2025 durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer und Dr. Botur und die Richterinnen Dr. Krüger und Dr. Recknagel beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 14. Mai 2025 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei. Eine Festsetzung des Beschwerdewerts (§ 36 Abs. 3 GNotKG) ist nicht veranlasst.

Gründe: I.

Das Amtsgericht ordnete für die im Jahre 1956 geborene Betroffene erstmals mit Beschluss vom 16. Mai 2024 im Wege der einstweiligen Anordnung eine vorläufige Betreuung mit umfassendem Aufgabenkreis an, nachdem diese am Vortag durch die Polizeibehörde in ein psychiatrisches Krankenhaus eingeliefert worden war.

Im anschließenden Hauptsacheverfahren hat das Amtsgericht nach Einholung eines am 15. Oktober 2024 erstatteten Sachverständigengutachtens und nach persönlicher Anhörung der Betroffenen mit Beschluss vom 27. Februar 2025 eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Behörden-, Renten- und andere Sozialleistungsangelegenheiten sowie Versicherungsangelegenheiten eingerichtet, die bereits als vorläufige Betreuerin tätige Beteiligte zu 2 zur Vereinsbetreuerin für die Betroffene bestellt und die Überprüfungsfrist auf den 26. Februar 2027 bestimmt. Hiergegen hat sich die Betroffene mit der Beschwerde gewendet. Das Landgericht hat der Betroffenen einen Verfahrenspfleger bestellt und ihre Beschwerde zurückgewiesen.

Mit ihrer Rechtsbeschwerde wendet sich die Betroffene weiterhin gegen die Einrichtung einer Betreuung.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. Die angefochtene Entscheidung hält den Verfahrensrügen der Rechtsbeschwerde in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

1. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass das Beschwerdegericht nicht von einer persönlichen Anhörung der Betroffenen hätte absehen dürfen.

a) Nach § 278 Abs. 1 FamFG hat das Gericht den Betroffenen vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen. Die Pflichten aus § 278 Abs. 1 FamFG bestehen nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Zwar räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Beschwerdegericht auch in einem Betreuungsverfahren die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen. Dies setzt jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Senats voraus, dass die Anhörung bereits im ersten Rechtszug ohne Verletzung zwingender Verfahrensvorschriften vorgenommen worden ist und von einer erneuten Anhörung im Beschwerdeverfahren keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Mai 2023 - XII ZB 442/22 - FamRZ 2023, 1310 Rn. 9 mwN).

b) Die Voraussetzungen, unter denen das Beschwerdegericht danach von einer erneuten persönlichen Anhörung der Betroffenen hätte absehen dürfen, sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.

aa) Allerdings beanstandet die Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang zu Unrecht, dass die Anhörung in erster Instanz verfahrensfehlerhaft erfolgt sei. Zwar hat das Amtsgericht die Betroffene in Abwesenheit eines - erst nachträglich vom Landgericht bestellten - Verfahrenspflegers angehört. Dies begründet indessen keinen Verfahrensfehler.

Das Amtsgericht hatte der Betroffenen das eingeholte Sachverständigengutachten übersandt, einen Anhörungstermin auf den 25. Februar 2025 bestimmt und hierzu die Betroffene und die vorläufige Betreuerin geladen. Nachdem die Betroffene diesen Anhörungstermin mit der Begründung abgesagt hatte, sie müsse zu einem Gerichtstermin in einer Zivilsache anreisen, der am Folgetag bei einer Zweigstelle des Amtsgerichts anberaumt sei, war der Betreuungsrichter am 26. Februar 2025 als Zuschauer in der mündlichen Verhandlung vor der Zivilabteilung des Amtsgerichts erschienen und hatte nach deren Beendigung mit der Betroffenen gesprochen. Dabei hatte sich die Betroffene ausweislich des Anhörungsprotokolls „kategorisch“ nur gegen eine Betreuung in den Aufgabenbereichen Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung ausgesprochen. Im Übrigen hatte der Betreuungsrichter eine „Einigung“ mit der Betroffenen darüber erzielen können, ihr für die Dauer von zwei Jahren die bisherige vorläufige Betreuerin mit einem Aufgabenkreis zur Seite zu stellen, der auf die aktuellen wirtschaftlichen und auf die Wohnung bezogenen Probleme der Betroffenen zugeschnitten sein sollte. Unter diesen Umständen durfte das Amtsgericht davon ausgehen, dass die Bestellung der Vereinsbetreuerin in den von der Betreuungsanordnung erfassten Aufgabenbereichen nicht gegen den Willen der Betroffenen erfolgte und sich damit jedenfalls nicht das Bedürfnis nach der obligatorischen Bestellung eines Verfahrenspflegers gemäß § 276 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FamFG und nach einer Wiederholung der amtsgerichtlichen Anhörung in dessen Gegenwart ergab.

bb) Allerdings konnte das Beschwerdegericht deshalb nicht von einer Wiederholung der Anhörung absehen, weil von der erneuten Anhörung der Betroffenen wegen geänderter Tatsachengrundlage im Beschwerdeverfahren neue Erkenntnisse zu erwarten waren.

(1) Eine geänderte Tatsachengrundlage, die eine erneute Anhörung erforderlich werden lässt, ist insbesondere gegeben, wenn der Betroffene durch die Einlegung der Beschwerde zu erkennen gibt, dass er an seinem in der amtsgerichtlichen Anhörung erklärten Einverständnis mit einer betreuungsrechtlichen Maßnahme nicht mehr festhält. Denn die Frage, ob der Betroffene mit der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts einverstanden ist, stellt für die Entscheidung regelmäßig einen wesentlichen Gesichtspunkt dar, da gegen den freien Willen des Betroffenen gemäß § 1814 Abs. 2 BGB ein Betreuer nicht bestellt werden darf. Das Beschwerdegericht muss sich dann (erstmals) im Rechtsmittelverfahren mit der Frage befassen, ob der Betroffene zur Bildung eines freien Willens in der Lage ist. In diesem Fall sind durch eine erneute persönliche Anhörung regelmäßig zusätzliche Erkenntnisse im Sinne des § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG zu erwarten (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 2024 - XII ZB 251/24 - FamRZ 2025, 625 Rn. 7 mwN).

(2) Diesen Anforderungen ist das Verfahren des Beschwerdegerichts nicht gerecht geworden. Zwar hat es - wie es rechtlich auch geboten war - der Betroffenen den Beteiligten zu 1 als Verfahrenspfleger für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Die gebotene persönliche Anhörung der Betroffenen in Gegenwart des bestellten Verfahrenspflegers hat das Beschwerdegericht aber nicht durchgeführt.

Von dieser Verpflichtung ist das Beschwerdegericht auch durch den gescheiterten Anhörungsversuch zum anberaumten Termin am 13. Mai 2025 nicht entbunden worden. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Einzelrichterin gemeinsam mit dem Verfahrenspfleger die Wohnanschrift der Betroffenen am Vormittag dieses Tages aufgesucht hatte, ohne diese dort anzutreffen und einen persönlichen Eindruck von ihr gewinnen zu können, und die Betroffene ihre Ortsabwesenheit mit einem vom 4. Mai 2025 datierenden und mit einem Poststempel vom 8. Mai 2025 versehenen Schreiben angekündigt hatte, welches bei Gericht erst mit der Nachmittagspost des 13. Mai 2025 eingetroffen war. Denn selbst bei einer nicht entschuldigten Abwesenheit der Betroffenen hätte das Beschwerdegericht zunächst alle zwanglosen Möglichkeiten zur Anhörung der Betroffenen ausschöpfen und gegebenenfalls auch die dem Gericht zu Gebote stehenden Möglichkeiten einer Vorführung nach § 278 Abs. 5 bis 7 FamFG in Betracht ziehen müssen, bevor es davon absehen durfte, die Betroffene persönlich anzuhören und sich von ihr einen persönlichen Eindruck zu verschaffen.

2. Die angegriffene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Sie ist gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben. Die Sache ist gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Guhling Klinkhammer RinBGH Dr. Krüger ist wegen Urlaubs an der Signatur gehindert. Guhling Recknagel Botur Vorinstanzen: AG Aue-Bad Schlema, Entscheidung vom 27.02.2025 - H 3 XVII 156/24 LG Chemnitz, Entscheidung vom 14.05.2025 - 7 T 94/25 -

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