XIII ZB 17/22
BUNDESGERICHTSHOF XIII ZB 17/22 BESCHLUSS vom 13. Mai 2025 in der Überstellungshaftsache ECLI:DE:BGH:2025:130525BXIIIZB17.22.0 Der XIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Mai 2025 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Roloff, die Richterinnen Dr. Picker, Dr. Vogt-Beheim und Dr. Holzinger sowie den Richter Dr. Kochendörfer beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Beschluss der 5. Zivilkammer - Beschwerdekammer - des Landgerichts Darmstadt vom 26. Januar 2022 im Kostenpunkt, soweit dieser das Beschwerdeverfahren 5 T 15/22 betrifft, und insoweit aufgehoben, als der Antrag des Betroffenen auf Feststellung, dass der Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 23. Dezember 2021 ihn in seinen Rechten verletzt hat, für den Zeitraum vom 21. Januar 2022 bis zum 25. Januar 2022 zurückgewiesen worden ist.
Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 23. Dezember 2021 den Betroffenen auch im Zeitraum vom 21. Januar 2022 bis zum 25. Januar 2022 in seinen Rechten verletzt hat.
Von den gerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene 30 %. Weitere gerichtliche Kosten werden nicht erhoben. Das Land Hessen trägt 90 % der außergerichtlichen Kosten des Betroffenen im erstinstanzlichen und im Beschwerdeverfahren 5 T 15/22 sowie 70 % der außergerichtlichen Kosten des Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren; im Übrigen trägt sie dieser selbst.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
Gründe:
I. Der Betroffene, ein guineischer Staatsangehöriger, reiste am 21. Juli 2020 nach Deutschland ein. Seinen Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als unzulässig ab und ordnete seine Überstellung nach Spanien an. Mit Beschluss vom 8. Dezember 2021 ordnete das Amtsgericht Haft zur Sicherung der Überstellung bis zum 26. Dezember 2021 an.
Auf Antrag der beteiligten Behörde vom 22. Dezember 2021 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 23. Dezember 2021 die Überstellungshaft bis zum 30. Januar 2021 verlängert. Den Anhörungstermin vor der Verlängerung hat es trotz Terminsverlegungsantrags des Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen wie anberaumt durchgeführt. Auf die gegen die Haftverlängerung gerichtete Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht, nachdem es den Betroffenen unter Beteiligung seines Verfahrensbevollmächtigten am 21. Januar 2021 angehört hat, am 26. Januar 2022 festgestellt, dass die Verlängerung der Haft im Zeitraum vom 23. Dezember 2021 bis zum 21. Januar 2022 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat. Im Übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er nach weiterer Haftverlängerung am 28. Januar 2022 die Feststellung beantragt, die Haftverlängerung habe ihn auch über den 21. Januar 2022 hinaus in seinen Rechten verletzt.
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Haftverlängerung sei für den Zeitraum vom 23. Dezember 2021 bis zum 21. Januar 2021 rechtswidrig gewesen. Das Amtsgericht habe das Recht des Betroffenen auf ein faires Verfahren verletzt, indem es den vom Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen gestellten Terminsverlegungsantrag missachtet und so dessen Teilnahme an der Anhörung vereitelt habe. Dieser Mangel des Verfahrens sei aber durch die vom Landgericht im Beschwerdeverfahren durchgeführte Anhörung am 21. Januar 2022 mit Wirkung für die Zukunft geheilt worden. Im Übrigen sei die Haftverlängerung nicht zu beanstanden.
2. Das hält rechtlicher Überprüfung nur zum Teil stand.
a) Die vom Beschwerdegericht zutreffend angenommene Heilung des Verfahrensfehlers ist entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts erst mit seiner Entscheidung am 26. Januar 2022 eingetreten, nicht bereits mit der Durchführung der Anhörung am 21. Januar 2022. Wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, tritt die Heilung des Verstoßes gegen das Recht auf ein faires Verfahren nicht bereits zum Zeitpunkt der Nachholung der verfahrensfehlerhaft durchgeführten Anhörung ein, sondern mit Wirkung für die Zukunft erst von der Entscheidung des Beschwerdegerichts an (BGH, Beschlüsse vom 6. Oktober 2020 - XIII ZB 24/19, juris Rn. 9 mwN; vom 15. Dezember 2020 - XIII ZB 16/20, juris Rn. 8). Der Vollzug der Haft ist rechtmäßig ab dem Tag, an dem der Beschluss ergeht (BGH, Beschluss vom 5. März 2024 - XIII ZB 20/22, juris Rn. 11). Danach hat die Verlängerung der Haft den Betroffenen auch im Zeitraum vom 21. Januar 2022 bis zum 25. Januar 2022 in seinen Rechten verletzt.
b) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde hingegen, die Haft sei auch am 26. und 27. Januar 2022 rechtswidrig gewesen, weil eine Heilung des Verstoßes gegen das Recht auf ein faires Verfahren grundsätzlich ausscheide. Die Haft sei bei erkanntem Verstoß sofort zu beenden.
aa) Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass der Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens mit Wirkung für die Zukunft geheilt werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Dezember 2020 - XIII ZB 123/19, InfAuslR 2021, 242 Rn. 14 mwN; vom 31. August 2021 - XIII ZB 58/20, juris Rn. 9; vom 22. Februar 2022 - XIII ZB 74/20, InfAuslR 2022, 331 Rn. 18). Die Heilung setzt eine Nachholung der Anhörung voraus, bei der der Zugang des Betroffenen zu seinem Anwalt gewährleistet wird (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2020 - XIII ZB 84/19, juris Rn. 13; InfAuslR 2022, 331 Rn. 18). Dem steht nicht entgegen, dass die rechtswidrig angeordnete Haft bis zur Terminierung des weiteren Anhörungstermins durch das Beschwerdegericht vorübergehend andauert. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde war der Betroffene nicht spätestens am Tag der mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2021 erhobenen Rüge der Verletzung des fairen Verfahrens zu entlassen. Sie lässt dabei außer Betracht, dass die Gerichte die erhobene Rüge zunächst zu prüfen haben. Erst wenn das Beschwerdegericht sich mit der in Haftsachen generell gebotenen Verfahrensbeschleunigung unter Gewährung des erforderlichen rechtlichen Gehörs die Überzeugung von dem behaupteten Verfahrensverstoß verschafft hat, kann es die unterbliebene oder mit grundlegenden Mängeln behaftete Anhörung nachholen. Auch die Nachholung der Anhörung ist mit der in Haftsachen erforderlichen Verfahrensbeschleunigung zu betreiben und kann nur für die Zukunft "heilende Wirkung" entfalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. August 2020 - 2 BvR 1692/19, FGPrax 2020, 274 Rn. 38 mwN). Sieht das Beschwerdegericht, was in seinem pflichtgemäßen Ermessen steht, in solchen Fällen von einer Aussetzung der Vollziehung gemäß § 64 Abs. 3 FamFG ab, ist das nicht zu beanstanden. Die Aussetzung der Vollziehung einer Freiheitsentziehung kommt regelmäßig nur in Betracht, wenn das Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat oder die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist (st. Rspr., siehe nur BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2024 - XIII ZB 76/24, NVwZ 2025, 278 Rn. 5). Ist eine Heilung möglich, liegen diese Voraussetzungen nicht vor; das Rechtsmittel gegen die Haftanordnung hat keine Erfolgsaussicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. November 2013 - V ZB 181/13, juris Rn. 1; vom 16. Dezember 2019 - XIII ZB 136/19, InfAuslR 2020, 167 Rn. 11).
bb) Dass das Beschwerdegericht das Verfahren nicht mit der erforderlichen Beschleunigung betrieben hätte, wird nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Das Amtsgericht hat der am 28. Dezember 2021 eingelegten Beschwerde gegen die Haftanordnung am gleichen Tag nicht abgeholfen und den gestellten Verfahrenskostenhilfeantrag zurückgewiesen. Nachdem auch dagegen Beschwerde eingelegt worden war, hat es auch dieser mit Beschluss vom 29. Dezember 2021 nicht abgeholfen. Das Landgericht hat mit Verfügungen vom 3. und 6. Januar 2022 Gelegenheit gegeben, die Verfahrenskostenhilfeunterlagen einzureichen, und bei der Posteingangsstelle des Amtsgerichts um Informationen zum Eingang des behaupteten Telefaxes mit dem Verlegungsantrag gebeten. Am 10. Januar 2022 hat es Akteneinsicht gewährt, eine Frist zur Stellungnahme bis 17. Januar 2022 gesetzt und den Verfahrensbevollmächtigten um die Mitteilung freier Termine für die nachzuholende Anhörung gebeten, die dann - nach entsprechenden Vorbereitungsmaßnahmen zur Vorführung des Betroffenen und Dolmetscherbestellung - am 21. Januar 2022 stattgefunden hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1, § 83 Abs. 2 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.
Roloff Picker Vogt-Beheim Holzinger Kochendörfer Vorinstanzen: AG Darmstadt, Entscheidung vom 23.12.2021 - 274 XIV 546/21 LG Darmstadt, Entscheidung vom 26.01.2022 - 5 T 15/22 -