II ZR 94/21
BUNDESGERICHTSHOF II ZR 94/21 BESCHLUSS vom 17. Mai 2022 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2022:170522BIIZR94.21.0 Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Mai 2022 durch den Richter Born, die Richterin B. Grüneberg, die Richter V. Sander und Dr. von Selle und die Richterin Dr. C. Fischer beschlossen:
Die als Anhörungsrüge auszulegende sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss vom 18. Januar 2022 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe: I.
Mit Beschluss vom 18. Januar 2022 hat der Senat den Antrag der Klägerin auf Beiordnung eines Notanwalts gemäß § 78b ZPO für das Verfahren über die von ihr eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde abgelehnt und ihre Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen. Dagegen hat die Klägerin mit am selben Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 21. März 2022 "sofortige Beschwerde gemäß § 78b Abs. 2 ZPO" erhoben und beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses ein unechtes Versäumnisurteil gegen den Beklagten gemäß ihren Berufungsanträgen zu erlassen, hilfsweise (erneut) die Revision gegen das Berufungsurteil zuzulassen und ihr einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Notanwalt beizuordnen.
II.
Die als Anhörungsrüge auszulegende "sofortige Beschwerde" der Klägerin ist unbegründet.
1. Die "sofortige Beschwerde" der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 18. Januar 2022 ist als solche nicht statthaft. Nach § 567 Abs. 1 ZPO findet die sofortige Beschwerde nur gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und der Landgerichte statt, nicht jedoch gegen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2019 - V ZR 179/18, juris Rn. 3 mwN).
2. Auch bei Auslegung als Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO hat der Rechtsbehelf der Klägerin keinen Erfolg.
a) Gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Beiordnung eines Notanwalts nach § 78b ZPO durch den Bundesgerichtshof ist die Anhörungsrüge nach § 321a ZPO zwar statthaft und auch im Übrigen zulässig eingelegt, aber nicht begründet.
aa) Die Beschwerdefrist des § 321a Abs. 2 ZPO ist gewahrt. Der Beschluss des Senats ist der Klägerin am 8. März 2022 zugestellt worden. Die zu Händen ihres früheren Prozessbevollmächtigten erfolgte Zustellung ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch nach dessen Mandatsniederlegung wirksam (§ 172 Abs. 1 Satz 1, § 87 Abs. 1, § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO; vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2007 - XII ZR 58/06, NJW 2007, 2124 Rn. 10 f.). Ihre "sofortige Beschwerde" vom 21. März 2022 ist damit vor Ablauf der zweiwöchigen Beschwerdefrist am 22. März 2022 bei Gericht eingegangen. Ein Anwaltszwang besteht für die Anhörungsrüge gegen die Abweisung eines Antrags auf Bestellung eines Notanwalts nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 12. September 2012 - XII ZB 18/12, FamRZ 2012, 1865 Rn. 2; Beschluss vom 30. Juni 2016 - IX ZR 49/16, juris Rn. 2).
bb) Die Anhörungsrüge ist jedoch unbegründet. Die Klägerin zeigt keine entscheidungserhebliche Verletzung ihres Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) bei der Entscheidung des Senats über ihren Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts auf (vgl. § 321a Abs. 2 Satz 5 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
(1) Die der Entscheidung zugrundeliegende Annahme des Senats, dass der zunächst zur Vertretung der Klägerin bereite Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof die Rechtsauffassung geäußert hat, dass er ihrer Nichtzulassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg beimesse, und aus diesem Grunde dem Senat die Niederlegung seines Mandats angezeigt hat, beruht auf dem eigenen ausdrücklichen Vorbringen der Klägerin in ihrem Beiordnungsantrag vom 26. Oktober 2021 (dort Seite 1 unten und Seite 2 Abs. 3 Mitte). Dieser Grund ergab sich zudem mittelbar aus einem der von der Klägerin vorgelegten Ablehnungsschreiben anderer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte. Dass der zunächst zur Vertretung bereite Rechtsanwalt seine Mandatsniederlegung gegenüber dem Senat nicht begründet hat, ist danach unerheblich. Gleiches gilt für den Umstand, dass die Mandatsniederlegung ohne "Schuldzuweisung" an die Klägerin erfolgt ist. Darauf kommt es nach der im Beschluss des Senats dargelegten Rechtsprechung zur Ablehnung der Beiordnung eines Notanwalts nach § 78b ZPO in Fällen, in denen ein zunächst zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof eine Begründung des Rechtsmittels wegen fehlender Erfolgsaussicht ablehnt, nicht an.
(2) Ohne Erfolg wendet die Klägerin sich mit der Anhörungsrüge im Weiteren dagegen, dass der Senat ihre Rechtsverfolgung außerdem für aussichtslos im Sinn von § 78b Abs. 1 ZPO erachtet hat. Der Senat hat das gesamte Vorbringen der Klägerin aus ihrem Beiordnungsantrag vom 26. Oktober 2021 nebst Anlagen, insbesondere die von der Klägerin selbst verfassten Bemerkungen, zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung erwogen. Dass er ihrer rechtlichen Beurteilung nicht gefolgt ist, begründet keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Einen Anspruch, mit der eigenen Meinung durchzudringen, gibt das Grundrecht auf rechtliches Gehör nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2012 - IX ZB 274/09, juris Rn. 2 mwN).
Überdies wäre selbst ein diesbezüglicher Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht entscheidungserheblich, weil die Ablehnung des Beiordnungsantrags unabhängig davon bereits auf der - selbständig tragenden - Begründung der Ablehnung der Rechtsmittelbegründung durch den zunächst zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof beruht.
(3) Kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ergibt sich schließlich aus der Rüge der Klägerin, das Berufungsgericht habe entgegen § 56 Abs. 1 ZPO nicht von Amts wegen berücksichtigt, dass der beklagte Verein in den Vorinstanzen keine wirksamen Prozesserklärungen abgegeben, insbesondere keine wirksame Berufungserwiderung eingereicht habe, weil der für ihn im Verfahren auftretende Landesgeschäftsführer nach § 14 Abs. 1 und Abs. 8 der Satzung nicht zur gerichtlichen Vertretung des Beklagten befugt gewesen sei; richtigerweise habe ihren Berufungsanträgen daher nach § 300 ZPO im Wege des Versäumnisurteils stattgegeben werden müssen. Damit ist bereits eine Gehörsverletzung durch das Berufungsgericht nicht dargetan. Die Klägerin macht selbst nicht geltend, auf die fehlende gerichtliche Vertretungsbefugnis des Landesgeschäftsführers bereits in den Instanzen hingewiesen zu haben.
Überdies können mit der Anhörungsrüge gegen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs nur neue und eigenständige Verletzungen des Art. 103 Abs. 1 GG durch den Bundesgerichtshof selbst gerügt werden (vgl. BVerfG, NJW 2007, 3418 Rn. 17 mwN; BGH, Beschluss vom 20. November 2007 - VI ZR 38/07, NJW 2008, 923 Rn. 5; Beschluss vom 13. Dezember 2007 - I ZR 47/06, NJW 2008, 2126 Rn. 2). Auch eine solche Verletzung ist nicht dargetan. Dass die Klägerin in ihrem Beiordnungsantrag vom 26. Oktober 2021 auch die fehlende gerichtliche Vertretungsbefugnis des Landesgeschäftsführers gerügt habe, wird von ihr mit der Anhörungsrüge nicht geltend gemacht und ist auch nicht der Fall. Ihre dortigen Einwände gegen die Vertretungsbefugnis des Landesgeschäftsführers bezogen sich nur auf den Abschluss und die Kündigung ihres Dienstvertrags und nicht auf seine Vertretungsbefugnis im vorliegenden Verfahren.
cc) Ob die "sofortige Beschwerde" der Klägerin gegen die Ablehnung ihres Beiordnungsantrags, soweit sie andere Verfahrensverstöße als eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG rügt, auch als Gegenvorstellung anzusehen und als solche statthaft wäre (so BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2013 - V ZR 1/13, juris Rn. 4; offengelassen jedoch in BGH, Beschluss vom 5. März 2019 - V ZR 179/18, BeckRS 2019, 3587 Rn. 5; dagegen BSG, Beschluss vom 17. August 2017 - B 1 KR 6/17 C, juris Rn. 4), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn eine solche Gegenvorstellung wäre jedenfalls unbegründet. Das Vorbringen der Klägerin gibt zu einer abweichenden Beurteilung ihres Beiordnungsantrags keine Veranlassung.
Wegen ihrer Einwände gegen die Begründung des Senatsbeschlusses vom 18. Januar 2022 wird insoweit auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Soweit die Klägerin erstmals die Wirksamkeit von Prozesserklärungen des Beklagten wegen fehlender gerichtlicher Vertretungsbefugnis seines Landesgeschäftsführers in Frage stellt, ändert dies nichts an der - die Entscheidung des Beiordnungsantrags selbständig tragenden - Begründung der Beiordnungsablehnung mit der Mandatsniederlegung durch den zunächst zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof.
Zudem kann eine unzureichende Vertretung des Beklagten von der Klägerin nicht als Zulassungsgrund geltend gemacht werden (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Dezember 2016 - IX ZR 259/15, WM 2017, 925 Rn. 5 ff.; Beschluss vom 22. November 2018 - IX ZR 13/18, juris Rn. 2). Im Übrigen ergibt sich die Vertretungsbefugnis des Landesgeschäftsführers aus § 15 Abs. 1 der Satzung des Beklagten.
b) Gegen die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde ist die "sofortige Beschwerde" der Klägerin, soweit sie (auch) diesbezüglich einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, zwar ebenfalls als Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO statthaft (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 2007 - VI ZR 38/07, NJW 2008, 923, 924; Beschluss vom 13. Dezember 2007 - I ZR 47/06, NJW 2008, 2126, 2127) und nach den obigen Ausführungen fristgerecht erhoben.
Sie ist aber jedenfalls unbegründet. Der Senat hat die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der zuletzt bis zum 2. November 2021 verlängerten Frist gemäß § 544 Abs. 4, § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt begründet worden ist. Dass die Klägerin innerhalb dieser Begründungsfrist mit ihrem Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts auch ihre Nichtzulassungsbeschwerde begründet hat und gegen die Ablehnung des Beiordnungsantrags ohne Vertretung eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts Anhörungsrüge einlegen kann, ändert nichts daran, dass die Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO dem Anwaltszwang unterliegt. Selbst im Fall der Beiordnung eines Notanwalts hätte es daher noch der Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist und der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den beigeordneten Rechtsanwalt bedurft.
Der Senat war auch nicht gehalten, der Klägerin nach der Ablehnung ihres Beiordnungsantrags zunächst Gelegenheit zu geben, doch noch einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof zu finden, da sie mit ihrem Beiordnungsantrag bereits selbst vorgetragen hat, dass ihr dies nicht möglich sei.
III. 20 Da das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, war über die weiteren Anträge der Klägerin nicht mehr zu entscheiden.
Born von Selle B. Grüneberg C. Fischer V. Sander Vorinstanzen: LG Lübeck, Entscheidung vom 28.08.2020 - 2 O 36/20 OLG Schleswig, Entscheidung vom 29.04.2021 - 11 U 123/20 -