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II ZR 156/23

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES II ZR 156/23 URTEIL in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2025:030625UIIZR156.23.0 Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Born, die Richter Wöstmann, Dr. Bernau, Prof. Sander und die Richterin Adams im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis zum 2. Mai 2025 eingereicht werden konnten,

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 8. November 2023 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen Tatbestand:

Der Kläger beteiligte sich im März 2005 an der D.

GmbH (D. ) als atypisch stiller Gesellschafter mit einer Einlage von

18.000 € und erwarb im Januar 2005 Namens-Genussrechte im Wert von

10.000 € an der T.

AG, die in die T.

GmbH (T. ) umgewandelt wurde. Die D. und die T. sind zum

31. Dezember 2018 mit der Beklagten verschmolzen.

Der Zeichnung des Genussrechtskapitals lagen Genussrechtsbedingungen zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauteten:

"§ 5 Verlustteilnahme

1. Die Genussrechte nehmen bis zum Laufzeitende (§ 6 Abs. 1) ... an einem etwaigen zum Ende des jeweiligen Geschäftsjahres auszuweisenden Jahresfehlbetrag der Gesellschaft teil, soweit der Verlust nur durch gebundenes Eigenkapital … gedeckt werden könnte und/oder kraft vertraglicher Regelungen nicht anderes freies (Eigen-)Kapital vorrangig herabzusetzen ist. Maßgeblich für die Berechnung des Verlustanteils pro Genussrecht ... ist der in der nach den Rechnungslegungsvorschriften IFRS erstellten Gewinn- und Verlustrechnung für das jeweilige Geschäftsjahr auszuweisende Jahresfehlbetrag. An einem etwaigen Verlustvortrag nehmen die Genussrechte nicht teil.

§ 6 Laufzeit, Rückzahlung, Kündigung

1. Die Laufzeit der Genussrechte ist unbegrenzt. Eine Kündigung ist frühestens zum Ablauf von einem Geschäftsjahr seit der Begebung der Genussrechte (§ 3 Abs. 2) (Mindestvertragsdauer) zum Ende eines Geschäftsjahres möglich (Laufzeitende), nachfolgend jeweils zum Ablauf des folgenden Geschäftsjahres.

[...]

4. Die Rückzahlung der Genussrechte erfolgt zu 100 % des Nennbetrages abzüglich eines etwaigen Verlustanteils gemäß § 5 dieser Bedingungen (Rückzahlungsbetrag). Der Rückzahlungsanspruch ist drei Monate nach dem Laufzeitende fällig. Im Übrigen gilt § 4 Abs. 5 S. 2 dieser Bedingungen sinngemäß.

[...]".

Zusätzlich war in den Bedingungen bei der Anlage bestimmt, dass der Bestand der Beteiligung im Falle der Beteiligung der Gesellschaft an einem Umwandlungsvorgang oder einer Bestandsübertragung der Gesellschaft nicht berührt werde. Für die Genussrechtsbeteiligung war für den Fall einer solchen Maßnahme bestimmt, dass gleichwertige Rechte an einem neuen/übernehmenden Rechtsträger einzuräumen seien.

Der Vertrag über die Errichtung der atypisch stillen Gesellschaft enthielt auszugsweise folgende Regelungen:

"§ 5 Geschäftsführung, Mitwirkungsrechte

1. …

2. Maßnahmen, die nicht im Gesellschaftsvertrag der D. GmbH geregelt sind, bedürfen der vorherigen Zustimmung des atypisch stillen Gesellschafters. In Einzelfällen, in denen die vorherige Zustimmung nicht eingeholt werden kann, darf die Unternehmensträgerin auch ohne die Zustimmung handeln. Sie hat den atypisch stillen Gesellschafter in einem derartigen Fall unverzüglich über die vorgenommenen Maßnahmen und den Grund der Eilbedürftigkeit zu unterrichten sowie dessen Genehmigung nachträglich einzuholen.

…

4. Beabsichtigt die Unternehmensträgerin die Vornahme einer der in Absatz 2 … genannten Maßnahmen, so hat sie dies dem atypisch stillen Gesellschafter mitzuteilen und diesem zur Erteilung seiner Zustimmung aufzufordern. … Konnte die Zustimmung des atypisch stillen Gesellschafters für Maßnahmen gemäß Absatz 2 und 3 wegen der Eilbedürftigkeit der Maßnahmen nicht eingeholt werden, so kann der atypisch stille Gesellschafter innerhalb von sechs Wochen nach der Unterrichtung über die vorgenommene Maßnahme erklären, dass er die Maßnahmen nicht billige. In einem solchen Fall ist das Ergebnis dieser Maßnahme bei der Gewinn- und Verlustverteilung im Verhältnis zwischen der Unternehmensträgerin und dem atypisch stillen Gesellschafter und bei der Ermittlung seines Abfindungsguthabens nicht zu berücksichtigen.

§ 6 Konten des Gesellschafters

1. Für den stillen Gesellschafter werden bei der Unternehmensträgerin ein Kapitalkonto und als Unterkonto ein Einlagekonto, ein Gewinn- und Verlustkonto sowie ein Privatkonto geführt. …

2. Auf dem Einlagekonto werden die Einlagen (= Nominaleinlage) des stillen Gesellschafters gebucht.

3. Auf dem Gewinn- und Verlustkonto werden die Gewinnanteile und Verlustbeteiligungen gebucht.

4. Auf dem Privatkonto werden die Entnahmen gebucht.

…

§ 9 Gewinn- und Verlustbeteiligung, Gewinnvorzug, Rangrücktritt

1. Der atypisch stille Gesellschafter ist grundsätzlich … in voller Höhe am Verlust des Unternehmens beteiligt. …

§ 15 Auseinandersetzung bei vertragsgemäßer Beendigung der atypisch stillen Gesellschaft, Abfindungsguthaben, Auseinandersetzungswert

1. Bei Beendigung der atypisch stillen Gesellschaft steht dem stillen Gesellschafter ein Abfindungsguthaben, bestehend aus dem Auseinandersetzungswert und dem Stand des Kapitalkontos zu, …

2. Grundlage der Bestimmungen des Abfindungsguthabens ist der Auseinandersetzungswert für das gesamte Unternehmen der D. GmbH. …

3. …

4. Ergänzend zu dem anteiligen Auseinandersetzungswert erhält der atypisch stille Gesellschafter als Teil seines Abfindungsguthabens die Summe bzw. den Saldo aus dem Stand seines Einlage-, Gewinn- und Verlust- sowie seines Privatkontos vor Berücksichtigung des anteiligen Auseinandersetzungswerts … zum Auseinandersetzungsstichtag. …" Im Februar 2019 erhielt der Kläger zwei von der Beklagten veranlasste Schreiben der T.

Anlegerverwaltung. In diesen wurde ausgeführt,

dass sich aufgrund der Verschmelzung die atypisch stille Beteiligung bzw. die Genussrechtsbeteiligungen des Klägers automatisch in Aktien der Beklagten umgewandelt hätten. Der rechnerische Wert der stillen Beteiligung wurde in Höhe von 12.600 € und der rechnerische Wert der Genussrechte mit einem Wert in Höhe von 4.597,80 € jeweils zum 31. Dezember 2018 angegeben.

Mit Schreiben vom 19. August 2020 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten die außerordentliche fristlose Kündigung und verlangte die Auszahlung des von ihm eingebrachten Kapitals in Höhe von 28.000 €.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 28.000 € nebst Zinsen verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers, mit der er die Verurteilung des Beklagten zu Zahlung weiterer Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen beantragt hat, ist zurückgewiesen worden. Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge auf Zurückweisung der Berufung der Beklagten und der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Rechtsanwaltskosten weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Zur Begründung hat das Berufungsgericht (OLG Brandenburg, Urteil vom 8. November 2023 - 7 U 102/22, BeckRS 2023, 31752), soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens nach außerordentlicher Kündigung, da ihm kein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 314 BGB zugestanden habe. Es sei jedenfalls nicht innerhalb der nach § 314 Abs. 3 BGB vorgesehenen angemessenen Frist ausgeübt worden. Unter Berücksichtigung aller Umstände sei davon auszugehen, dass eine nach ungefähr 1 1/2 Jahren erklärte Kündigung nicht mehr innerhalb angemessener Frist vorgenommen worden sei. Dass der Kläger sich vor seiner Kündigung zunächst bei der Beklagten nach der Bedeutung der Umwandlung der Beteiligungen in B-Aktien erkundigt und rechtlichen Rat eingeholt habe, rechtfertige eine derartig lange Frist nicht. Vielmehr sei er binnen eines Zeitraums von bis zu sechs Monaten in der Lage gewesen, Informationen einzuholen, um sich Klarheit zu verschaffen, ob er infolge der Verschmelzung die Kündigung erklären wolle.

Auf eine ordentliche Kündigung habe der Kläger seine Klage nicht gestützt.

Ein Schadensersatzanspruch aus § 23 UmwG sei nicht begründet. Danach seien den Inhabern von stimmrechtslosen Sonderrechten an dem übertragenden Rechtsträger bei der Verschmelzung gleichwertige Rechte in dem übernehmenden Rechtsträger zu gewähren. Sowohl Genussrechte als auch stille Beteiligungen seien solche Sonderrechte, da sie keine Stimmrechte gewährten, aber eine Gewinnbeteiligung vorsähen, die durch die Verschmelzung an dem dann größeren Unternehmen und wegen des veränderten Verhältnisses des Anteils am Gesamtvermögen der Gefahr einer Entwertung unterlägen.

Ob die von der Beklagten gewährten Rechte, die sog. B-Aktien, gleichwertig seien, hänge von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ab. Maßgeblich sei die inhaltliche Ausgestaltung und Anpassung auf die durch die Verschmelzung herbeigeführte Situation. Soweit der Anspruch auf Gewährung gleichwertiger Rechte nicht erfüllt werde, könne der Inhaber des Sonderrechts die Rechte geltend machen, die sich ergäben, wenn ihm die Rechte, die ihm zustünden, gewährt worden wären. Es könne im Ergebnis dahinstehen, ob die gewährten B-Aktien gegenüber den Genussrechten und der atypisch stillen Beteiligung gleichwertig seien. Denn der Kläger vermöge nicht darzulegen, dass der Anspruch auf "Anpassung" hier zu einem Zahlungsanspruch zum Umwandlungsstichtag geführt habe.

Die Gleichwertigkeit im Einzelnen könne hier dahinstehen, da dem Kläger als Folge einer nicht gleichwertig gewährten Anlage kein Anspruch auf Auszahlung der ursprünglichen Anlagesumme oder in Höhe der im Februar 2019 geteilten rechnerischen Bewertung zustehen könne. Auch wenn dem Kläger wirtschaftlich gleichwertige, nämlich kündbare Rechte, gewährt worden wären, hätte er die Anlage in Form der Genussrechte kündigen und - allein - deren Wert zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung verlangen können. Ausgehend vom Vortrag der Parteien habe hier aber die Auszahlung der Genussrechte nicht zu einem Zahlungsanspruch geführt. Vielmehr sei wegen einer vollen Verlusttragung der Genussrechte bereits zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Umwandlung ohne Darlegung weiterer Umstände nicht davon auszugehen, dass bei Wirksamwerden der Kündigung von nach der Umwandlung gebildeten Anteilen ein Guthaben bestanden hätte, was auszuzahlen gewesen wäre.

Die Beklagte habe vorgetragen, dass die Genussrechte in der Bilanz für Verluste aus dem laufenden Geschäft aufgekommen und mit den Verlusten zu verrechnen gewesen seien. Sie habe mitgeteilt, dass aus der Veräußerung anderer von ihrer Rechtsvorgängerin gehaltenen Anlagen ein negativer Saldo entstanden sei, der mit dem Genussrechtskapital ausgeglichen worden sei. Solche bilanziellen Verrechnungen seien nach den Genussrechtsbedingungen zulässig gewesen. Die hier anwendbaren Genussrechtsbedingungen hätten eine Verlustbeteiligung bis zur Höhe der Anlage vorgesehen, da die Genussrechte vorrangig gegenüber anderen besonders geschützten Kapitalanteilen der Genussrechtsgeberin zu vermindern gewesen seien.

Diese bilanzielle Entwicklung der Beklagten bzw. der T. GmbH habe der Kläger im hier geführten Verfahren nicht konkret angegriffen. Er trage mit der Berufung vor, dass die erheblichen Defizite nicht nach- vollziehbar seien. Die Beklagte sei aber nicht gehalten, auf diesen allgemein gehaltenen Einwand hin im Rechtsstreit die wirtschaftliche Entwicklung der T. GmbH im Einzelnen darzustellen, da es der Kläger als Genussrechtsinhaber in der Hand habe, sich durch Auskunftsverlangen nähere Erkenntnisse über einzelne Bilanzpositionen zu verschaffen und diese im Einzelnen zu bestreiten.

Die Beklagte habe erläutert, dass der "rechnerische Wert" der umgewandelten Beteiligung in der Mitteilung über die Beteiligung vom Februar 2019 nicht den Auseinandersetzungswert im Falle einer Beendigung der Genussrechtsbeteiligungen darstelle, sondern den Wert, der sich für die in B-Aktien umgewandelten Genussrechte rechnerisch ergebe. Der Unterschied in der Bewertung der Genussrechte im Vergleich zu den B-Aktien bestehe darin, dass die Genussrechte ein Einzahlungskonto darstellten, dass sich durch Gewinnausschüttung erhöhen und durch Verluste vermindern könne. Es müsse bei einer Verminderung später durch Gewinne in den folgenden Jahren aufgefüllt werden. Der rechnerische Wert der B-Aktien stelle den Wert des Anteils am Vermögen der Beklagten dar, der unter Einbeziehung des Unternehmenswerts und der stillen Reserven ermittelt worden sei. Er solle einen zukünftig erzielbaren Wert der neuen Beteiligung darstellen.

Der Text der an den Kläger übermittelten Informationen begründe keine weitere Darlegungsanforderung für die Beklagte. Nach deren Inhalt trete für die in Zukunft und infolge der Umwandlung der Genussrechte in B-Aktien eine Beteiligung am Vermögen der Beklagten unter Einbeziehung des Unternehmenswertes und der stillen Reserven ein. Die Beklagte habe mitgeteilt, dass diese Werte kein Anerkenntnis darstellten und keine Zahlungspflichten begründeten.

Zu der zum Umwandlungsstichtag, dem 31. Dezember 2017, geltenden Bewertungen der Genussrechte habe die Beklagte vorgetragen, dass das Genussrechtskapital von ca. 74 Mio. DM mit einer Verlustzuweisung von 56.658.238,08 € verbucht worden sei, um kein negatives Jahresergebnis auszuweisen. Es handelte sich um Veräußerungsverluste aus dem Jahre 2017, nicht um eine Beteiligung am Verlustvortrag. Der Jahresverlust sei dadurch auf null reduziert worden. Bei einer Bilanzierung nach den IFRS-Richtlinien ergebe sich trotz der Verrechnungen mit den Genussrechten ein Jahresverlust.

Der für die Begründung seines Anspruchs darlegungs- und beweispflichtige Kläger habe nicht dargelegt, inwieweit die Bilanzierung der Beklagten unrichtig sei oder die Verrechnung mit Verlusten den Genussrechtsbedingungen nicht entsprochen habe. Zwar treffe es zu, dass das Schreiben zur Umwandlung der Genussrechtsbeteiligungen von Februar 2019 insoweit nicht klar verständlich gewesen sei, als sich der auf null reduzierte Wert der Genussrechtsbeteiligungen zum Umwandlungsstichtag daraus nicht habe ersehen lassen. Vielmehr seien dem Kläger - nach der Umwandlung - sog. "rechnerischen Werte" mitgeteilt worden, die einen positiven Eindruck von dem wirtschaftlichen Potential der Beklagten hätten vermitteln sollen, die aber, wie es sich aus dem Schreiben weiter ergäbe, keine Verbindlichkeit habe und weder Zahlungspflichten - noch - Ansprüche hätten begründen sollen.

Auch hinsichtlich der Umwandlung der stillen Beteiligungen in B-Aktien lege der Kläger eine ohne die Umwandlung potentiell eingetretene positive Entwicklung nicht dar. Die Beklagte habe sich insoweit auf ihre Bilanzen vom 31. Dezember 2017 und 31. März 2018 berufen, die das Kapital der stillen Gesellschafter mit null ausgewiesen hätten. Die vom Kläger vorgelegte Information vom Februar 2019 führe hier bereits die zum 31. März 2018 unter Berücksichtigung eingetretener Zuweisung von steuerlich nutzbaren Verlusten in Höhe von bis zu 100 % des bis dahin investierten Kapitals auf. Auch insoweit habe die Beklagte dargelegt, dass die stille Beteiligung durch Verluste im Zeitpunkt der Umwandlung auf null reduziert sei. Die stille Beteiligung hafte - wie die Genussrechte - auch für Verluste bis zur vollen Höhe.

II.

Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Abfindung und daraus folgend weiterer Rechtsanwaltskosten gegen die Beklagte kann derzeit nicht verneint werden.

1. Ansprüche des Klägers aus § 6 Nr. 4 der Genussrechtsbedingungen und aus § 15 Nr. 1 und 4 der Bedingungen über die Errichtung der atypisch stillen Gesellschaft infolge der fristlosen Kündigung vom 19. August 2020 können im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts nicht deshalb verneint werden,

weil ein außerordentliches Kündigungsrecht nicht rechtzeitig ausgeübt wurde und die Kündigungsfrist abgelaufen ist. Die Kündigung des Klägers vom 19. August war nicht verfristet. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht für den Beginn der Frist zur Ausübung des Kündigungsrechts aus wichtigem Grund nach § 314 Abs. 3 BGB auf den Erhalt des Schreibens der T.

Anlegerverwaltung von Februar 2019 abgestellt.

Das Berufungsgericht hat bei seiner Würdigung einen wesentlichen Umstand nicht berücksichtigt. Nach den Anlagebedingungen hatten die Genussrechte gegenüber einem Umwandlungsvorgang Bestandsschutz und im Falle der stillen Beteiligungen durfte die Umwandlung nicht ohne Zustimmung des Klägers vorgenommen werden. Entgegen diesen Bestimmungen hat die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin ohne Zustimmung des Klägers dessen Beteiligungen in B-Aktien der Beklagten umgewandelt. Sie negiert damit den Bestand der Beteiligungen des Klägers in der bisherigen Form und zugleich seine nach den Bedingungen ihm zustehenden Rechte für die Zukunft. Damit hat sie hinsichtlich der Beziehungen zum Kläger einen dauerhaft rechtswidrigen Zustand geschaffen, der sich nicht in einer einzelnen pflichtwidrigen Handlung erschöpft.

Es ist anerkannt, dass bei einem pflichtwidrigen Dauerverhalten die Kündigungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht vor Beendigung des geschaffenen Zustands zu laufen beginnt (BGH, Urteil vom 26. Juni 1995 - II ZR 109/94, ZIP 1995, 1334, 1336; Urteil vom 20. Juni 2005 - II ZR 18/03, NJW 2005, 3069, 3070; Urteil vom 23. April 2010 - LwZR 20/09, NJW-RR 2010, 1500 Rn. 16; Urteil vom 29. Juni 2011 - VIII ZR 212/08, NJW 2011, 3361 Rn. 22 mwN). Für § 314 Abs. 3 BGB gilt nichts anderes (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2010 - LwZR 20/09, NJW-RR 2010, 1500 Rn. 13 ff.). Ausgehend hiervon ist die Kündigung des Klägers vom 19. August 2020 aus wichtigem Grund nach § 314 Abs. 1, 2 BGB nicht verfristet. Die Beklagte negiert dauerhaft die Anlagen des Klägers in Genussrechte und der atypisch stillen Gesellschaft und meint, diese seien in B-Akten umgewandelt worden. In einem solchen Fall kann ein Anleger nicht auf eine ordentliche Kündigung verwiesen werden.

2. Auf diesem Rechtsfehler beruht die angegriffene Entscheidung. Der vom Kläger behauptete Abfindungsanspruch kann jedenfalls nicht mit der in anderem Zusammenhang gegebenen Begründung des Berufungsgerichts verneint werden, die Genussrechte und die Beteiligung seien durch Verluste aufgezehrt worden.

Die Höhe des eingezahlten Kapitals des Klägers ist zwischen den Parteien unstreitig. Entnahmen des Klägers sind zwischen den Parteien nicht im Streit. Das eingezahlte Kapital stellt nach § 6 Nr. 4 der Genussrechtsbedingungen und nach § 15 Nr. 4 der Bedingungen über die atypisch stille Gesellschaft die Mindesthöhe des Abfindungsanspruchs des Klägers dar, soweit nicht Verluste eingetreten sind, die darauf angerechnet werden müssen.

Deshalb stellt sich die Frage, inwieweit dieses Kapital nach den Anlagebedingungen durch Verluste aufgezehrt worden ist. Dies hat die Beklagte substantiiert darzulegen. Sie hat unter Vorlage einer Bilanz zum 31. Dezember 2017 und zum 31. März 2018 geltend gemacht, dass das Kapital der Genussrechte bzw. der stillen Gesellschaft wegen eingetretener Verluste auf null reduziert worden sei. Ihre Darstellung widerspricht aber den Schreiben der T. Anlegerverwaltung von Februar 2019 an den Kläger. Darin hat die T. Anlegerverwaltung dem Kläger mitgeteilt, dass der Wert seiner stillen Beteiligung einen aktuellen Gesamtbetrag als Buchwert von 12.600 € aufweise. Nach den Anmerkungen lagen der Berechnung die Werte der Rechnungslegung mit Stand 31. Dezember 2018 zugrunde, wobei eine steuerlich nutzbare Verlustzuweisung berücksichtigt worden sei. Weiter ist dem Kläger, ebenfalls auf der Basis der Rechnungslegung Stand 31. Dezember 2018 ein rechnerischer Wert der Genussrechte bzw. -scheine in Höhe von 4.597,80 € mitgeteilt worden.

Auch wenn mit diesen Schreiben keine Ansprüche begründet werden sollten, ergibt deren Inhalt jedoch, dass mit ihnen nicht Fantasiewerte oder nur potentiell zukünftig mögliche Werte der Anlagen angegeben werden sollten, sondern die Werte der Beteiligungen zum 31. Dezember 2018, die sich nach den bilanziellen Vorschriften auf die konkreten Höhen der Beteiligungen beziehen mussten. Diesen Widerspruch hat das Berufungsgericht nicht aufgelöst, sondern allein wegen des Umstands, dass aus den Schreiben keine Ansprüche hergeleitet werden sollten, keine Rechtsfolgen abgeleitet. Für die Frage der hinreichen- den Darlegung ist jedoch von Bedeutung, wenn die Einlassung der darlegungspflichtigen Partei ihrem vorprozessualen Verhalten und Erklärungen widerspricht und dieser Widerspruch nicht aufgeklärt wird.

Soweit das Berufungsgericht die Auffassung vertritt, dem Kläger sei zuzumuten, vor Geltendmachung seines Abfindungsanspruchs durch eine Auskunftsklage gegen die Beklagte zusätzliche Informationen einzuholen, überspannt es die Darlegungsanforderungen an den Kläger. Vielmehr ist sein Vortrag aufgrund der vorgelegten Information der T.

Anlegerverwaltung von Februar hinreichend substantiiert und der Vortrag der Beklagten hinsichtlich eingetretener Verluste angesichts dessen Widersprüchlichkeit unbeachtlich.

3. Ein Anspruch des Klägers kann sich auch nach § 280 BGB als Schadensersatzanspruch ergeben, weil die Beklagte bzw. die Rechtsvorgängerinnen durch die vertragswidrige Verschmelzung ihre Pflichten entsprechend den Anlagebedingungen gegenüber dem Kläger verletzt und ihm insoweit einen Schaden zugefügt haben kann. Hinsichtlich der Schadenshöhe ist auch insoweit in den Blick zu nehmen, in welcher Höhe das Anlagekapital tatsächlich von Verlusten aufgezehrt worden ist, wozu die Beklagte nicht hinreichend Stellung bezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 2024 - II ZR 86/23, DStR 2024, 2281 Rn. 20 ff.; Urteil vom 24. Oktober 2023 - II ZR 211/21, NZG 2024, 482 Rn. 21 ff.). Mit einem solchen Schadensersatzanspruch befasst sich das Berufungsgericht nicht.

III. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Born Wöstmann Born für den an der Unterschrift verhinderten RiBGH Prof. Sander Adams Bernau Vorinstanzen: LG Neuruppin, Entscheidung vom 31.05.2022 - 5 O 259/20 OLG Brandenburg, Entscheidung vom 08.11.2023 - 7 U 102/22 - Verkündet am:

3. Juni 2025 Stoll, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

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Paragraphen in II ZR 156/23

Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit Paragraph
4 314 BGB
1 2 BGB
1 280 BGB
1 626 BGB
1 23 UmwG
1 562 ZPO
1 563 ZPO

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