23 W (pat) 18/12
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 18/12 Verkündet am 20. Januar 2015
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend die Patentanmeldung 10 2006 013 732.9-35 hat der 23. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Strößner, des Richters Dipl.-Phys. Dr. Friedrich, der Richterin Dr. Hoppe und des Richters Dipl.-Phys. Dr. Zebisch BPatG 154 05.11 beschlossen:
Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G08C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Februar 2012 wird aufgehoben und das Verfahren wird zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patentund Markenamt zurückverwiesen.
Gründe I.
Die vorliegende Anmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2006 013 732.9-35 und der Bezeichnung „Autarkes miniaturisiertes Kommunikationsmodul“ wurde am 24. März 2006 beim Deutschen Patent- und Markenamt unter Inanspruchnahme der inneren Priorität 10 2005 056 330.9 vom 25. November 2005 eingereicht. Gleichzeitig mit der Anmeldung wurde Prüfungsantrag gestellt. Die Anmeldung wurde am 19. Juli 2007 mit der DE 10 2006 013 732 A1 offengelegt.
Die Prüfungsstelle für Klasse G08C hat im Prüfungsverfahren auf den Stand der Technik gemäß den folgenden Druckschriften verwiesen:
D1 DE 103 38 620 A1; D2 WO 03/090 411 A1.
Sie hat in einem Bescheid und in einer Anhörung am 12. Januar 2009 ausgeführt, dass die jeweils beanspruchten Gegenstände der zum jeweiligen Zeitpunkt geltenden Ansprüche 1 nicht patentfähig seien, da sie gegenüber dem ermittelten Stand der Technik auf keiner erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns beruhten (§ 4 PatG). Auch wurde zu einer Reihe von weiteren Ansprüchen des Anspruchssatzes ausgeführt, dass auch sie auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhten.
Die Anmelderin hat den Ausführungen der Prüfungsstelle in einer Eingabe und in der Anhörung in Bezug auf das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit widersprochen. Als Ergebnis der Anhörung wurde auf Wunsch der Anmelderin ins schriftliche Verfahren zurückgekehrt. Dieses führte nach dem Einreichen eines neuen Anspruchssatzes zur Zurückweisung der Anmeldung mit Beschluss vom 16. Februar 2012, da der mit Patentanspruch 1 beanspruchte Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns beruhe (§ 4 PatG). Er ergäbe sich ausgehend von der Druckschrift D1 auf Grund des Fachwissens des Fachmanns, das teilweise durch Druckschrift D2 nachgewiesen werde, für den Fachmann in naheliegender Weise. Anspruch 1 gehe entgegen der Ankündigung der Anmelderin in der Anhörung nicht über das hinaus, was dort bereits besprochen worden war und zu dem die Prüfungsstelle bereits dargelegt habe, dass und weshalb dies nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns beruhe. Eine von der Anmelderin vorgeschlagene nochmalige Diskussion erscheine nicht sachdienlich.
In der elektronischen Akte des DPMA findet sich eine PDF-Datei mit der Bezeichnung „Zurückweisungsbeschluss - Signiert“ und eine Signaturdatei „SIG-1“.
Gegen diesen am 27. Februar 2012 zugestellten Beschluss hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 20. März 2012, am selben Tag beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen, Beschwerde eingelegt, für die sie mit Schriftsatz vom 16. August 2013 hilfsweise eine mündliche Verhandlung beantragt und eine Beschwerdebegründung angekündigt hat.
Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung hat der Senat noch auf den mit der Druckschrift D3 DE 101 38 278 C1 offenbarten Stand der Technik hingewiesen.
In der mündlichen Verhandlung am 20. Januar 2015 hat der Senat als weiteren Stand der Technik auf die Internetseite D4 http://www.tecchannel.de/test_technik/news/431740/ifa_fraunhofer _zeigt_computer_in_wuerfelzuckergroesse, Tecchannel, IT im Mittelstand, „IFA: Fraunhofer zeigt Computer in Würfelzuckergröße“, 24.8.2005.
verwiesen. Die Anmelderin hat daraufhin einen neuen Satz Patentansprüche eingereicht und ausgeführt, dass nunmehr der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem im Verfahren nachgewiesenen Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns beruhe. In der Folge hat sie beantragt:
1. den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G08C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Februar 2012 aufzuheben;
2. ein Patent zu erteilen mit der Bezeichnung „Autarkes miniaturisiertes Kommunikationsmodul“, dem Anmeldetag 24. März 2006 unter Inanspruchnahme der inneren Priorität DE 10 2005 056 330.9 vom 25. November 2005 auf der Grundlage folgender Unterlagen:
- Patentansprüche 1 - 43 vom 20. Januar 2015 sowie
- ursprüngliche Beschreibungsseiten 1 - 19, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am Anmeldetag und
- 5 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1a - 1e, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 6. Februar 2007.
Der nunmehr geltende Anspruch 1 lautet (Gliederung bei unverändertem Wortlaut eingefügt):
„1. Sensormodulsystem mit 1.1 zwei oder mehr autarken Sensormodulen in miniaturisierter Gestalt, 1.2 die mittels Mikrosystemtechnologie und Mikroelektroniktechnologie verwirklicht sind und 1.3 deren Abmessungen 1 cm3 nicht übersteigen, 1.4 jeweils mit den folgenden Bestandteilen: (a) - einem Sensorelement, das zur Ausgabe eines elektrischen Signals in Abhängigkeit einer spezifizierten Messgröße ausgebildet ist, (b) - einer mit dem Sensorelement verbundenen Signalverarbeitungseinheit, (c) - einer mit der Signalverarbeitungseinheit verbundenen Sende- und Empfangseinheit, die in der Lage ist, aus der Signalverarbeitungseinheit empfangene Daten drahtlos an eine Datenempfangseinheit und an andere autarke Sensormodule zu übermitteln sowie Daten von einer Datensendeeinheit und von anderen autarken Sensormodulen zu empfangen, und (d) - einem Datenspeicher; (e) - einer Energiequelle zum zumindest zeitweiligen autarken Betrieb des Sensormoduls, (f) - einer Antenneneinrichtung, 1.5 worin die genannten Elemente auf mehrere Ebenen aufgeteilt sind, die stapelförmig übereinander liegen, wobei
1.5.1 in einer ersten Ebene (102) die Signalverarbeitungseinheit angeordnet ist und
1.5.2 das Sensorelement entweder in derselben Ebene angeordnet oder über ein Verbindungskabel mit ihr verbunden ist und
1.5.3 in einer zweiten Ebene (105) die Sende- und Empfangseinheit angeordnet ist und
1.5.4 in einer dritten Ebene die Energiequelle angeordnet ist, 1.6 wobei alle genannten Bestandteile an einem Träger angebracht sind, der zur mechanisch stabilen Anbringung an oder in einem bewegbaren Messobjekt ausgebildet ist, 1.7 wobei jedes autarke Sensormodul ferner ausgebildet ist, mit den weiteren Sensormodulen des Sensormodulsystems ein selbstorganisierendes Netzwerk zu bilden, 1.8 wobei die Sende- und Empfangseinheiten der einzelnen autarken Sensormodule zur Signalübertragung über elektromagnetische Signalübertragungskanäle ausgebildet und 1.9 mindestens zwei unterschiedliche Frequenzbereiche vorgesehen sind, von denen einer zur externen Initialisierung der Sensormodule vorgesehen ist.“
Hinsichtlich der weiteren selbständigen Ansprüche, welche ein Datenerfassungssystem (Patentanspruch 16) und ein Verfahren zur Datenübertragung und Datenerfassung (Patentanspruch 26) betreffen und genau wie auch die Unteransprüche 2 bis 15, 17 bis 25 und 27 bis 43 auf den Anspruch 1 direkt oder indirekt rückbezogen sind, wird wie auch zu den genannten Unteransprüchen sowie hinsichtlich der weiteren Einzelheiten auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und erweist sich hinsichtlich des in der mündlichen Verhandlung am 20. Januar 2015 eingereichten Anspruchs 1 insoweit als begründet, als der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G08C aufzuheben ist, denn der Anspruch 1 ist zulässig, und das Sensormodulsystem nach dem geltenden Anspruch 1 ist durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen (§§ 1 – 5 PatG). Da aber seitens der Prüfungsstelle für den Gegenstand des derzeit geltenden Anspruchs 1 noch keine ausreichende Recherche stattgefunden hat und insbesondere nach dem neu in den Anspruch aufgenommenen Merkmal 1.9 noch nicht recherchiert wurde, wie der Bescheid der Prüfungsstelle und das Anhörungsprotokoll zeigen, so dass möglicherweise weiterer Stand der Technik zu berücksichtigen ist, wird die Anmeldung zur weiteren Recherche und Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen (§ 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PatG).
1. Die in der elektronischen Akte des DPMA als „Zurückweisungsbeschluss – Signiert“ bezeichnete PDF-Datei enthält, ebenso wie die Dokumentanzeige in der Signaturdatei, mehrere Beschlusstexte, so dass eine präzise Bestimmung der Urschrift ebenso wie die Zuordnung der Signatur problematisch ist. Da der Tenor und die Gründe der mehrfach vorhandenen Beschlusstexte jedoch übereinstimmen, ist der Inhalt der Entscheidung, die mit einer qualifizierten Signatur versehen werden sollte, zumindest bestimmbar (Vgl. BPatG BlPMZ 2014, 355, 356 – „Anordnung zur Erfassung von Berührungen auf einer Trägerplatte“), weshalb der Senat keine Veranlassung sieht, das Verfahren aus diesem Grund nach § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 PatG an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
Die Zurückweisung an das Deutsche Patent- und Markenamt ist indes nach § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PatG geboten.
2. Die Erfindung bezieht sich auf ein Sensormodulsystem mit zwei oder mehr autarken Sensormodulen, ein Datenerfassungssystem mit zwei oder mehreren autarken Sensormodulen und einer Datenempfangseinheit sowie ein Verfahren zur Datenübertragung und -erfassung, bei dem zwei oder mehr autarke Sensormodule verwendet werden.
In vielen Bereichen werden Sensoren zur Erfassung von Daten eines Messobjekts verwendet, wobei die gewonnenen Daten anschließend in geeigneter Weise aufbereitet und ausgewertet werden. Dazu wird in der Regel das Sensorsignal einer geeigneten Signalverarbeitung unterzogen, um damit die gewünschte Messgröße in der geforderten Genauigkeit quantitativ zu bestimmen. Bei vielen Anwendungen ist eine direkte mechanische Anbindung eines Sensorelements an eine externe Signalverarbeitungseinrichtung, etwa einen Mikroprozessor, einen digitalen Signalprozessor oder eine analoge Verarbeitungsschaltung mit Verstärker etc. nicht möglich oder nicht wünschenswert, wenn damit eine Beeinflussung des Messobjekts verbunden ist, oder dies einen hohen Installationsaufwand bedeuten würde. Beispielsweise ist bei bewegten Messobjekten eine kabelgebundene Herausführung von Sensorsignalen oft nicht möglich oder mit hohem Aufwand verbunden. Auch in stationären Anwendungen kann eine kabelgestützte Sensorsignalerfassung einen hohen Aufwand entstehen lassen und zudem eine reduzierte Flexibilität mit sich bringen, wenn beispielsweise die Lage eines oder mehrerer Sensoren verändert werden soll (Vgl. S. 1, 1. Abs. der geltenden Beschreibung).
Aus diesem Grund werden häufig Sensorsysteme mit weitergehender Funktionalität versehen, um beispielsweise eine Anbindung der Sensoren an periphere Auswertekomponenten zu erleichtern. Insbesondere bei einer kabellosen Anbindung von Sensorelementen an entsprechende Auswertekomponenten ergibt sich jedoch bei bekannten Systemen ein hoher Aufwand, um die Sensordaten zielgenau und zuverlässig zur peripheren Komponente zu übertragen, indem beispielsweise große Sende-/Empfangseinheiten oder Peilstationen zur Kommunikation mit dem Sensorelement erforderlich sind. Dadurch wird der mögliche Einsatz drahtlos kommunizierender Sensorelemente stark eingeschränkt, oder der Einfluss auf die eigentliche Mess- oder Überwachungsaufgabe ist nicht mehr zu vernachlässigen (Vgl. S. 1, 2. Abs. der geltenden Beschreibung).
Hiervon ausgehend liegt der Anmeldung als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, eine flexiblere Verwendung von Sensoren unter Berücksichtigung einer größeren Bandbreite an Rahmenbedingungen der Mess- und/oder Überwachungssituationen zu ermöglichen (Vgl. S. 1 letzter Abs. der geltenden Beschreibung).
Diese Aufgabe wird durch die Gegenstände und Verfahren der selbständigen Ansprüche gelöst.
Wesentlich für das in Anspruch 1 beanspruchte Sensormodulsystem ist somit, dass es zwei oder mehr autarke Sensormodule in miniaturisierter Gestalt aufweist. Präzisiert wird der Begriff „miniaturisierte Gestalt“ durch die Merkmale, dass die Sensormodule durch Mikrosystemtechnologie und Mikroelektroniktechnologie hergestellt werden und jeweils ein Volumen von 1 cm3 oder weniger einnehmen. Sie weisen jeweils in diesem Volumen ein Sensorelement, eine Signalverarbeitungseinheit, eine Sende- und Empfangseinheit, einen Datenspeicher, eine Energiequelle und eine Antenneneinrichtung auf. Wesentlich ist nun, dass diese Elemente auf mehrere übereinander liegende Ebenen aufgeteilt sind. Dabei befindet sich die Signalverarbeitungseinheit in einer ersten, die Sende- und Empfangseinheit in einer zweiten und die Energiequelle in einer dritten Ebene. Die Nummerierung der Ebenen gibt dabei nicht notwendigerweise eine Reihenfolge vor, sondern sagt nur aus, dass es sich um verschiedene Ebenen handelt. In welcher Ebene sich der Datenspeicher befindet, oder ob er sich in einer eigenen Ebene befindet, bleibt dabei offen. Das Sensorelement ist ebenfalls in der ersten Ebene angeordnet oder über ein Verbindungskabel mit ihr verbunden. Dies stellt keinerlei Einschränkung dar, denn damit ist die Anordnung des Sensorelements ausgehend von den übrigen Merkmalen im Grunde beliebig. Alle Bestandteile sind zudem an einem Träger angebracht der zur mechanisch stabilen Anbringung an oder in einem bewegbaren Messobjekt ausgebildet ist. Zudem ist jedes der autarken Sensormodule dazu ausgebildet, mit dem oder den weiteren Sensormodulen des Sensormodulsystems ein selbstorganisierendes Netzwerk zu bilden. Die Sende- und Empfangseinheiten der einzelnen autarken Sensormodule sind dabei in der Lage, Signale über elektromagnetische Signalübertragungskanäle zu übertragen. Dazu werden zwei unterschiedliche Frequenzbereiche genutzt, von denen einer zur externen Initialisierung der Sensormodule vorgesehen ist. Letzteres bedeutet nicht, dass dieser zur Initialisierung vorgesehene Frequenzbereich nicht auch zur Übertragung weiterer Signale, welche beispielsweise der Messdatenübertragung dienen, genutzt wird.
3. Der geltende Anspruch 1 ist zulässig und geht aus dem ursprünglichen Anspruch 20 hervor, in den die Merkmale von Ansprüchen, auf die sich der ursprüngliche Anspruch 20 zurückbezieht, explizit eingefügt wurden. Zusätzlich wurden auch Merkmale aus den Ansprüchen 22 und 23 sowie aus der Beschreibung in ihn aufgenommen. Im Einzelnen sind die verschiedenen Merkmale an folgenden Stellen der ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbart: 1. Anspruch 20 1.1 Anspruch 20 und Ansprüche 1 und 8 1.2 Anspruch 8 1.3 Anspruch 19 1.4(a) Anspruch 1 1.4(b) Anspruch 1 1.4(c) Anspruch 1 sowie die Ansprüche und die Beschreibung, welche sich mit dem selbstorganisierenden Netzwerk befassen, insbesondere Patentansprüche 48 bis 51, sowie S. 8, 2. Abs. bis S. 11, 1. Abs. der ursprünglichen Beschreibung. 1.4(d) S. 13, Z. 5 der ursprünglichen Beschreibung 1.4(e) Anspruch 1 1.4(f) S. 16, Z. 7 bis 10 der ursprünglichen Beschreibung 1.5 S. 15, letzter Abs. der ursprünglichen Beschreibung
1.5.1 S. 15, letzter Abs. der ursprünglichen Beschreibung 1.5.2 S. 16, Z. 1 bis 7 der ursprünglichen Beschreibung 1.5.3 S. 16, Z. 7 bis 10 der ursprünglichen Beschreibung 1.5.4 S. 16, Z. 12 bis 14 der ursprünglichen Beschreibung 1.6 S. 6, letzter Abs. der ursprünglichen Beschreibung 1.7 Anspruch 20 1.8 Anspruch 22 1.9 Ansprüche 22 und 23 Da sich die Patentansprüche möglicherweise im Laufe des Verfahrens vor dem Deutschen Patent- und Markenamt nochmals ändern werden, wurde aus verfahrensökonomischen Gründen auf eine Überprüfung der Zulässigkeit der weiteren Ansprüche seitens des Senates verzichtet.
4. Als zuständiger Fachmann zur Beurteilung der Erfindung ist hier ein berufserfahrener Ingenieur der Elektrotechnik mit Schwerpunkt Nachrichtentechnik oder ein Informatiker mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluss zu definieren, der mit der Konzipierung von Messsystemen mit drahtloser Datenübertragung betraut ist.
5. Der gewerblich anwendbare Gegenstand (§ 5 PatG) des geltenden Anspruchs 1 ist gegenüber dem bislang ermittelten Stand der Technik neu (§ 3 PatG) und beruht ihm gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns (§ 4 PatG), so dass er ausgehend vom bisher ermittelten Stand der Technik patentfähig ist.
So ist aus dem Dokument D4, dessen Inhalt auf Informationen der Anmelderin zum Anmeldungsgegenstand zurückgeht, ein
1. Sensormodulsystem (Vgl. 1. Seite, 4. Abs.: „Sie haben es geschafft, das Gesamtsystem aus Sensor, Prozessor, Speicher, Funkbaustein, Antenne und eigener Energieversorgung auf einen Kubikzentimeter zu konzentrieren, also etwa auf die Größe eines Stücks Würfelzucker.“) bekannt mit
1.1 zwei oder mehr autarken Sensormodulen in miniaturisierter Gestalt (Vgl. 2. Seite, 1. Abs.: „Wir wollen Sensornetzwerke aufbauen, die aus einzelnen, autarken und stark miniaturisierten Mikrosystemen bestehen“, sagt Jürgen Wolf vom IZM.“),
1.2 die mittels Mikrosystemtechnologie und Mikroelektroniktechnologie verwirklicht sind (Vgl. 2. Seite, 1. Abs.: „…Mikrosystemen…“. Bei der Größe des Gesamtsystems handelt es sich zwangsweise um Mikrosystemtechnologie und Mikroelektroniktechnologie) und
1.3 deren Abmessungen 1 cm3 nicht übersteigen (Vgl. 1. Seite, 4. Abs.: „auf einen Kubikzentimeter zu konzentrieren…“),
1.4 jeweils mit den folgenden Bestandteilen:
(a) - einem Sensorelement, das zur Ausgabe eines elektrischen Signals in Abhängigkeit einer spezifizierten Messgröße ausgebildet ist (Vgl. 2. Seite, 1. Abs.: „Jedes einzelne eGrain verfügt über einen Sensor, eigene Rechenleistung, Energieversorgung und Kommunikationsmöglichkeiten.“),
(b) - einer mit dem Sensorelement verbundenen Signalverarbeitungseinheit (Vgl. 2. Seite, 2. Abs.: „Um Platz zu sparen, gehen die IZM-Forscher ungewöhnliche Wege: Statt alle Komponenten nebeneinander auf einem Träger, dem Substrat, zu platzieren, stapeln sie die einzelnen Bestandteile – Batterie, Speicher, Prozessor, Funkbaustein – in Etagen, den funktionellen Lagen.“),
(c) - einer mit der Signalverarbeitungseinheit verbundenen Sende- und Empfangseinheit (Vgl. 2. Seite, 2. Abs.: „…Funkbaustein…“), die in der Lage ist,
aus der Signalverarbeitungseinheit empfangene Daten drahtlos an eine Datenempfangseinheit und an andere autarke Sensormodule zu übermitteln sowie Daten von einer Datensendeeinheit und von anderen autarken Sensormodulen zu empfangen (Vgl. 1. Seite, 2. Abs.: „,Mehr noch: Ohne unser Zutun nehmen die intelligenten Winzlinge per Funk Kontakt miteinander auf, verbinden sich zu einem unsichtbaren Netzwerk. Sie tauschen Daten aus, melden etwa Hitze oder Vibrationen.“) und
(d) - einem Datenspeicher (Vgl. 2. Seite, 2. Abs.: „…Speicher…“);
(e) - einer Energiequelle (Vgl. 2. Seite, 2. Abs.: „…Batterie…“) zum zumindest zeitweiligen autarken Betrieb des Sensormoduls (Vgl. 2. Seite, 1. Abs.: „…aus einzelnen, autarken […] Mikrosystemen…“),
(f) - einer Antenneneinrichtung (Vgl. 1. Seite, 4. Abs.: „… Antenne…“)
1.5 worin die genannten Elemente auf mehrere Ebenen aufgeteilt sind, die stapelförmig übereinander liegen (Siehe 2. Seite untere Figur und 2. Seite, 2. Abs.: „Um Platz zu sparen, gehen die IZM-Forscher ungewöhnliche Wege: Statt alle Komponenten nebeneinander auf einem Träger, dem Substrat, zu platzieren, stapeln sie die einzelnen Bestandteile – Batterie, Speicher, Prozessor, Funkbaustein – in Etagen, den funktionellen Lagen.“), wobei
1.5.1 in einer ersten Ebene die Signalverarbeitungseinheit angeordnet ist (Vgl. den bereits zitierten 2. Abs. auf der 2. Seite. Hier wird lediglich die erste Ebene definiert) und
1.5.2 das Sensorelement entweder in derselben Ebene angeordnet oder über ein Verbindungskabel mit ihr verbunden ist (Dies muss bei einem funktionierenden Sensormodul so sein, da das Sensorelement mit der in der ersten Ebene angeordneten Signalverarbeitungseinheit elektrisch verbunden sein muss.) und
1.5.3 in einer zweiten Ebene die Sende- und Empfangseinheit angeordnet ist und 1.5.4 in einer dritten Ebene die Energiequelle angeordnet ist (Siehe die untere Fig. auf der 2. Seite und den bereits zitierten 2. Abs. auf der 2. Seite),
1.6 wobei alle genannten Bestandteile an einem Träger angebracht sind, der zur mechanisch stabilen Anbringung an oder in einem bewegbaren Messobjekt ausgebildet ist (Siehe die Figuren auf der 1. Seite),
1.7 wobei jedes autarke Sensormodul ferner ausgebildet ist, mit den weiteren Sensormodulen des Sensormodulsystems ein selbstorganisierendes Netzwerk zu bilden (Vgl. 1. Seite, 2. Abs.: „Mehr noch: Ohne unser Zutun nehmen die intelligenten Winzlinge per Funk Kontakt miteinander auf, verbinden sich zu einem unsichtbaren Netzwerk.“),
1.8 wobei die Sende- und Empfangseinheiten der einzelnen autarken Sensormodule zur Signalübertragung über elektromagnetische Signalübertragungskanäle ausgebildet sind (Vgl. die bereits zitierte Stelle 2. Seite, 2. Abs. sowie 3. Seite, 2. Abs.: „Die Kollegen von der TU etwa entwickeln die Netzwerk-Software und entwerfen neue miniaturisierte Antennen. Gemeinsam mit dem FBH entstehen neue leistungsarme Hochfrequenzschaltungen aus dem Halbleitermaterial Gallium-Arsenid sowie neue Systemintegrationskonzepte.“).
Es verbleibt somit das Merkmal 1.9, wonach mindestens zwei unterschiedliche Frequenzbereiche vorgesehen sind, von denen einer zur externen Initialisierung der Sensormodule vorgesehen ist, welches dem Dokument D4 nicht zu entnehmen ist.
Aus der Druckschrift D2, welche sich mit selbstorganisierenden Sensornetzwerken beschäftigt (Vgl. S. 1, Z. 11 bis 14: „The present invention relates to an architecture and protocols for a network of sensors. More specifically, the present invention provides a network of sensors with network protocols that produce a self- organizing and self-healing network.”), ist es zwar bekannt, das Sensormodul extern zu initialisieren (Vgl. S. 6, Z. 1 bis 6: „In one embodiment, the present sensor network 100 will primarily be an asynchronous event driven sensor network. That is, sensors 122 will be activated by external events that will occur in an asynchronous manner. Thus, the sensors will typically transmit data asynchronously. However, control nodes 5 may send probe or control data at periodic intervals to set sensor parameters and to assess the state of the network and to establish routing information.” und S. 12, Z. 18 bis S. 13, Z. 6: „In one embodiment, the sensor node can be in seven states. These are the topology establishment state, route establishment state, credentials establishment state, wait state, data state, probe state and route state. In the topology establishment state of step 610, the sensor (or relay) node sets up the mechanism to participate in a piconet. It attempts to participate in a piconet using the Inquiry Scan (and Page Scan) processes. […] In the route establishment state of step 620, the sensor (or relay) node establishes route(s) to the control node(s) and passes routing information in a route reply message to its immediate neighbors upon receiving route request messages….”), wozu auch ein Frequenzbereich genutzt werden muss, da die Kommunikation über Funk erfolgt. Doch ist in dieser Druckschrift kein zweiter Frequenzbereich offenbart, so dass es für diesen Teil des Merkmals 1.9 keinen Hinweis in Druckschrift D2 gibt.
Auch in Druckschrift D1, die ein autarkes Sensormodul beschreibt (Vgl. die Zusammenfassung „…Dadurch wird ein System zur Messung der Kräfte geschaffen, die auf ein solches Objekt (10) wirken, wobei die aufgenommenen Messsignale online oder offline in ausgewerteter Form zur Analyse vorliegen. Mittels des Aktivierungsverfahrens wird das aktive Sensorsystem zur Aufnahme und Transmission von Messsignalen angeregt.“) werden zwar Messsignale drahtlos übertragen, doch gibt es auch hier keinen Hinweis auf die Verwendung zweier Frequenzbereiche.
Die Druckschrift D3 offenbart lediglich die dreidimensionale Anordnung von Bauelementen in Stapeln, beschreibt aber keinerlei drahtlose Kommunikation, so dass sie keinerlei Hinweis auf das Merkmal 1.9 des Anspruchs 1 geben kann.
Damit ist das Sensormodulsystem des Anspruchs 1 gegenüber den Dokumenten D1 bis D4 neu und beruht auf dieser Grundlage auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.
Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, dass die Anmelderin das in der Druckschrift D4 gezeigte Sensormodul, wie dort angegeben und von der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung bestätigt, auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) vom 2. bis 9. September 2005 ausgestellt hat, also vor dem Prioritätsdatum und mehr als eine halbes Jahr vor dem Anmeldetag, weshalb eine für diese Messe mögliche Neuheitsschonfrist von einem halben Jahr nach § 3 Abs. 5 Nr. 2 nicht in Anspruch genommen werden kann (Vgl. Schulte, Patentgesetz, 9. Auflage, § 3 Rdn. 185, BGH GRUR 1996, 349 – „Corioliskraft“, II 1.) und dementsprechend auch nicht beantragt wurde. Denn ob ein Sensormodul einen oder zwei Frequenzbereiche zur Kommunikation nutzt, ist diesem weder im ausgeschalteten Zustand noch im Betrieb anzusehen. Es hätte hierzu der Auskunft des Ausstellers über dieses Merkmal bedurft. Seitens des Senats konnte hierüber kein Nachweis erbracht werden.
6. Dennoch war kein Patent zu erteilen und die Anmeldung nach § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PatG an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen. So hat die Prüfungsstelle mangels einer während des Prüfungsverfahrens vor dem Deutschen Patent- und Markenamt vorliegenden Notwendigkeit keine vollständige Recherche außerhalb der Patentliteratur durchgeführt, wie das Nichtauffinden des Dokuments D4 oder eines gleichwertigen, auf die Anmelderin zurückgehenden Dokuments zeigt. Eine solche Vervollständigung der Recherche ist demnach durchzuführen, um festzustellen, ob die Anmelderin das in der Druckschrift D4 noch fehlende Merkmal 1.9 an anderer Stelle vor dem Prioritätstag bereits offenbart hat. Soweit möglich, ist auch festzustellen, ob die Anmelderin bzw. Ausstellerin die Verwendung zweier unterschiedlicher Frequenzbereiche auf der IFA 2005 interessierten Besuchern offenbart hat.
Ferner hat die Prüfungsstelle weder in ihrem Prüfungsbescheid vom 1. August 2006 noch in der Anhörung am 12. Januar 2009 zu den Merkmalen der ursprünglichen Ansprüche 22 und 23, aus denen das Merkmal 1.9 hervorgeht, Stellung genommen, so dass davon auszugehen ist, dass zu den in diesen Ansprüchen angegebenen Merkmalen auch noch keine Recherche stattgefunden hat. Diese ist nunmehr nachzuholen.
7. Bei dieser Sachlage war der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G08C vom 16. Februar 2012 aufzuheben und die Anmeldung zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen (Vgl. Schulte, Patentgesetz, 9. Auflage, § 79 Rdn. 27, 30 und 31).
III. Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht der Anmelderin das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel gerügt wird, nämlich
1. dass das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. dass bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. dass, einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. dass ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. dass der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. dass der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses schriftlich durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, einzureichen oder durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten in elektronischer Form bei der elektronischen Poststelle des BGH, www.bundesgerichtshof.de/erv.html. Das elektronische Dokument ist mit einer prüfbaren qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz oder mit einer prüfbaren fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen. Die Eignungsvoraussetzungen für eine Prüfung und für die Formate des elektronischen Dokuments werden auf der Internetseite des Bundesgerichtshofs www.bundesgerichtshof.de/erv.html bekannt gegeben.
Dr. Strößner Dr. Friedrich Dr. Hoppe Dr. Zebisch Me