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3 StR 167/25

BUNDESGERICHTSHOF StR 167/25 BESCHLUSS vom 19. August 2025 in der Strafsache gegen

1. 2. 3.

wegen zu 1.: gefährlicher Körperverletzung zu 2.: gefährlicher Körperverletzung u.a. zu 3.: Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung ECLI:DE:BGH:2025:190825B3STR167.25.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 19. August 2025 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO beschlossen:

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil der Auswärtigen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 6. Dezember 2024 dahin geändert, dass a) der Angeklagte S. wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten,

b) der Angeklagte C. wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen, Führens verbotener Gegenstände (Schlagring, Pfefferspray) und Beleidigung zu einer Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren sowie c) der Angeklagte T. wegen Beihilfe zu zwei tateinheitlichen Fällen der gefährlichen Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt wird.

2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagten S. und C. der gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen, den Angeklagten T. der Beihilfe hierzu sowie den Angeklagten C. darüber hinaus der Beleidigung und „des vorsätzlichen Führens von nach dem WaffG verbotenen Gegenständen (Schlagring und Pfefferspray)“ schuldig gesprochen. Es hat sie jeweils zu Einheitsjugendstrafen verurteilt, und zwar den Angeklagten S. zu einer solchen von drei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten C. von fünf Jahren sowie den Angeklagten T. von zwei Jahren und sechs Monaten. Die Angeklagten beanstanden mit ihren Revisionen die Verletzung materiellen Rechts. Die Rechtsmittel haben hinsichtlich der konkurrenzrechtlichen Bewertung den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.

1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen entschlossen sich die drei zwischen 15 und 17 Jahre alten Angeklagten spontan, zwei sich an einer Methadonausgabestelle aufhaltende, ihnen körperlich unterlegene Personen mit Pfefferspray anzugehen sowie heftig zu treten und zu schlagen. Der Angeklagte T. sollte das Geschehen mittels Videoaufnahme dokumentieren, um diese über das Internet „viral“ zu verbreiten und mit den Taten zu prahlen. Der Angeklagte C. sprühte den beiden Geschädigten unvermittelt aus nächster Nähe Pfefferspray ins Gesicht. Anschließend trat und schlug er letztlich auf beide Geschädigte in unterschiedlichen Abfolgen ein. Der Angeklagte S. übte ebenfalls im Rahmen des gemeinsamen Angriffs körperliche Gewalt aus, so rannte beziehungsweise stieß er im Laufe des Geschehens jeweils einen der Geschädigten um. Der Angeklagte C. trat beiden zeitweilig am Boden liegenden Geschädigten gegen den Kopf, einmal „wie ein Fußballspieler bei einem Elfmeterschuss“, ein andermal aus dem Lauf. Obschon einer der Geschädigten die Hände in einer flehenden Geste hob, trat der Angeklagte C. diesem mehrfach gegen den Kopf. Schließlich kippte er den Inhalt einer Bierflasche über beide Geschädigte, um sie möglichst videowirksam zu schädigen. Der Angeklagte T. filmte sämtliche Einzelheiten und zeigte am Folgetag zwei anderen stolz das Video. Einer der Geschädigten starb acht Tage nach dem Geschehen. Ob die Angeklagten die den Tod mit verursachenden Rippenfrakturen beibrachten oder diese gegebenenfalls auf einem vorangegangenen Fahrradunfall beruhten, hat die Jugendkammer nicht sicher festgestellt.

Der Angeklagte C. bezeichnete zwölf Tage nach dem Geschehen bei einer Wohnungsdurchsuchung eingesetzte Polizeibeamte unter anderem als „Hundesöhne“, „Hurensöhne“ und „Bastarde“. Am Folgetag führte er auf dem Weg zu einer Polizeiwache ein Reizstoffsprühgerät ohne Prüfzeichen und einen Schlagring mit sich und versteckte die Gegenstände in einem Gebüsch.

2. Der Schuldspruch ist entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts hinsichtlich der von den Angeklagten gemeinsam begangenen Tat dahin zu ändern, dass die Angeklagten S. und C. insoweit der gefährlichen Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen sowie der Angeklagte T. der Beihilfe dazu schuldig sind.

a) Die Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Personen ist einer additiven Betrachtungsweise, wie sie etwa der natürlichen Handlungseinheit zugrunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich. Greift der Täter einzelne Menschen nacheinander an, um jeden von ihnen in seiner Individualität zu beeinträchtigen, so besteht sowohl bei natürlicher als auch bei rechtsethisch wertender Betrachtungsweise selbst bei einheitlichem Tatentschluss sowie engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge rechtlich als eine Tat zusammenzufassen. Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs, etwa bei Messerstichen innerhalb weniger Sekunden oder bei einem gegen eine aus der Sicht des Täters nicht individualisierte Personenmehrheit gerichteten Angriff, willkürlich und gekünstelt erschiene (BGH, Beschluss vom 16. April 2019 – 3 StR 48/19, NStZ-RR 2019, 211 mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2023 – 6 StR 464/23, NStZ 2024, 348 Rn. 8 f.).

Im Übrigen ist bei Beteiligung mehrerer Personen als Mittäter oder Gehilfen die Frage, ob einzelne Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, grundsätzlich für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Im Fall der Beihilfe werden wegen ihrer Akzessorietät mehrere an sich selbstständige Beihilfehandlungen zu einer Handlungseinheit und damit zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst, wenn sie lediglich eine Haupttat fördern (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteil vom 17. Februar 2011 – 3 StR 419/10, BGHSt 56, 170 Rn. 15; Beschluss vom 6. Oktober 2020 – 4 StR 251/20, NStZ-RR 2020, 375).

b) Hieran gemessen sind die Handlungen der Angeklagten C. und S. ausnahmsweise im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit zusammenzufassen. Obschon sie sich gegen höchstpersönliche Rechtsgüter der beiden Geschädigten richteten, ist nach den konkreten Umständen und Abläufen eine einheitliche Betrachtung veranlasst. Die auf einem einheitlichen Vorsatz beruhenden Angriffe gegen die verschiedenen Personen gingen unmittelbar ineinander über und waren durch ständigen Wechsel zwischen ihnen in besonderer Weise verknüpft. Dies betrifft nicht allein den die meisten Gewalthandlungen ausführenden Angeklagten C., sondern auch den Angeklagten S., der sich je nach aktueller Lage an den Angriffen auf beide Geschädigte beteiligte. Die Beiträge des Angeklagten T., der das Geschehen fortlaufend filmte, bezogen sich generell nicht individuell auf lediglich einen der Geschädigten, sondern durchgängig auf den Gesamtablauf.

c) Die weitere Nachprüfung der Schuldsprüche aufgrund der Revisionsrechtfertigungen hat keinen sonstigen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts tragen die Feststellungen die Einordnung des Pfeffersprays auch als Gift im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 27. November 2024 – AK 90/24, juris Rn. 30).

Gegen die Beurteilung der Beiträge des Angeklagten T. jedenfalls als Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) bestehen ebenso wenig Bedenken. Als Hilfeleistung ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolgs durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert. Dass sie für den Eintritt des Erfolgs in seinem individuellen Gepräge in irgendeiner Form kausal wird, ist nicht notwendig. Da die Angriffe auf die Geschädigten nach dem gemeinsamen Plan aller drei Angeklagter filmisch festgehalten und die Aufnahmen weiterverbreitet werden sollten, bestärkte das abgesprochene Filmen zumindest die anderen beiden in ihrem Tun (vgl. BGH, Beschluss vom 21. September 2020 – StB 28/20, juris Rn. 29 ff.).

3. Die Änderung des Schuldspruchs führt dazu, dass die gegen die Angeklagten S. und T. ausgesprochenen Einheitsjugendstrafen nunmehr – mangels Tatmehrheit – als Jugendstrafen festzusetzen sind. Die konkurrenzrechtlich abweichende Bewertung wirkt sich hier nicht auf den Unrechts- und Schuldgehalt aus. Gerade mit Blick auf die maßgeblich am Erziehungszweck ausgerichteten Strafbemessungen ist auszuschließen, dass das Landgericht bei zutreffender Würdigung des Konkurrenzverhältnisses auf geringere Jugendstrafen erkannt hätte. Entsprechendes gilt in Bezug auf die gegen den Angeklagten C. verhängte Einheitsjugendstrafe, bei der es angesichts der weiteren tatmehrheitlich begangenen Taten verbleibt.

Im Übrigen ist die Bestimmung der Jugendstrafen, wie vom Generalbundesanwalt näher dargelegt, ohne durchgreifenden Rechtsfehler. Dabei kommt es im Ergebnis nicht darauf an, dass das Landgericht beim Angeklagten C. im Rahmen der Prüfung schädlicher Neigungen frühere „strafrechtlich relevante Verhaltensweisen“ herangezogen hat, obschon insoweit die Staatsanwaltschaft von einer Verfolgung nach § 45 Abs. 2 JGG abgesehen und das Landgericht dazu keine weiteren Feststellungen getroffen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2018 – 3 StR 386/18, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 35 Rn. 6 f.); denn die Ausführungen zur Schwere der Schuld sowie zu den anderweitig belegten Erziehungs- und Anlagedefiziten sind davon nicht betroffen.

4. Weder der geringe Teilerfolg der Revisionen noch das Alter der Angeklagten lassen es unbillig erscheinen, sie mit den gesamten Kosten ihrer Rechtsmittel zu belasten (s. § 473 Abs. 4 StPO, § 74 JGG).

Schäfer Anstötz RinBGH Dr. Erbguth befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben.

Schäfer RiBGH Dr. Kreicker befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben.

Schäfer RinBGH Munk befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben.

Schäfer Vorinstanz: Landgericht Kleve- Auswärtige Strafkammer in Moers, 06.12.2024 - 220 KLs 5/24 (507 Js 167/24)

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1 45 JGG
1 74 JGG
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