2 StR 193/25
BUNDESGERICHTSHOF StR 193/25 BESCHLUSS vom 23. September 2025 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2025:230925B2STR193.25.0
-2Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 23. September 2025 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 23. Oktober 2024 aufgehoben a) in den Fällen II.1.12 und II.1.14 der Urteilsgründe mit den zugehörigen Feststellungen, wobei diejenigen zum äußeren Tatgeschehen bestehen bleiben,
b) in den Einzelstrafaussprüchen zu den Fällen II.1.1 bis II.1.4, II.1.13, II.1.15 bis II.1.20 der Urteilsgründe sowie c) im Gesamtstrafenausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in elf Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern, sowie wegen Vergewaltigung in sieben Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit versuchtem schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern im Fall II.1.12 der Urteilsgründe und wegen versuchter Vergewaltigung im Fall II.1.14 der Urteilsgründe hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts zu Fall II.1.12 der Urteilsgründe entkleidete der Angeklagte die damals 12 Jahre alte Tochter seiner Ehefrau und sich, veranlasste sie, sich nackt auf ihn zu setzen, und fasste sie dabei an der Hüfte. Er versuchte in dieser Stellung vergeblich, vaginal in sie einzudringen. Anschließend forderte er sie auf, sich umzudrehen, und versuchte, anal in sie einzudringen. Dabei empfand das Mädchen nicht unerhebliche Schmerzen. Als auch dieser Versuch nicht gelang, ließ der Angeklagte von ihr ab. Im Fall II.1.14 der Urteilsgründe veranlasste der Angeklagte das inzwischen 14 Jahre alte Mädchen, sich nackt auf ihn zu legen und ihn manuell zu befriedigen, während er den Oralverkehr bei ihr ausführte. Im Anschluss kniete er sich auf die Bettkante, drehte sie auf den Rücken, zog sie an sich heran, lehnte über ihr und versuchte, vaginal in sie einzudringen. Er forderte sie dabei auf, sich zu entspannen und locker zu machen. Dies gelang jedoch nicht, woraufhin der Angeklagte von ihr abließ.
b) Nach diesen Feststellungen bleibt offen, ob die jeweiligen versuchten Sexualdelikte des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern bzw. der Vergewaltigung fehlgeschlagen, unbeendet oder beendet waren. Dies durfte indes nicht dahinstehen, da im Fall eines unbeendeten Versuchs gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB bereits das freiwillige Abstandnehmen von weiteren Ausführungshandlungen als Rücktrittsleistung für eine Strafbefreiung ausreichend gewesen wäre. Auch liegt es nicht auf der Hand, dass jeweils ein fehlgeschlagener Versuch, der einen Rücktritt ausschließt, anzunehmen wäre, weil der Angeklagte davon ausgegangen ist, die Tat(en) nach dem Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder den ihm sonst zur Verfügung stehenden Mitteln objektiv nicht mehr vollenden zu können. Da es insoweit maßgeblich auf das Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (sog. Rücktrittshorizont) ankommt, hätte sich die Strafkammer dazu ausdrücklich verhalten müssen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227). Dies ist nicht geschehen.
c) Die Schuldsprüche in den Fällen II.1.12 und II.1.14 der Urteilsgründe sind daher aufzuheben, auch soweit in Fall II.1.12 der Urteilsgründe das tateinheitlich begangene Delikt des sexuellen Missbrauchs von Kindern rechtsfehlerfrei festgestellt ist. Einer Aufhebung der Feststellungen zum jeweiligen äußeren Tatgeschehen bedarf es nicht, da diese von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind. Ergänzende Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind möglich, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
2. Auch die für die Taten II.1.1 bis II.1.4, II.1.13, II.1.15 bis II.1.20 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen halten revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn das Landgericht hat in diesen Fällen zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass die Nebenklägerin durch die Taten „erhebliche psychische Beeinträchtigungen davongetragen hat“. Dabei hat es nicht beachtet, dass psychische Schäden, die keiner bestimmten einzelnen Tat zugeordnet werden können, sondern Folge mehrerer Taten einer Tatserie sind, dem Täter nur einmal bei der Bildung der Gesamtstrafe angelastet werden können (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Februar 2021 – 2 StR 7/21, Rn. 4, und vom 1. Februar 2022 – 4 StR 449/21, Rn. 4 mwN). Der Senat kann nicht ausschließen, dass die rechtlich bedenkliche strafschärfende Erwägung die Bemessung der Einzelstrafen zum Nachteil des Angeklagten beeinflusst hat.
Die genannten Einzelstrafaussprüche und die Gesamtstrafe können daher keinen Bestand haben. Die Feststellungen können aufrecht erhalten bleiben, da nur ein Wertungsfehler vorliegt (§ 353 Abs. 2 StPO).
3. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.
Das neue Tatgericht wird im Rahmen der Strafzumessung – bei erneuter Annahme einer Versuchsstrafbarkeit – zu Fall II.1.14 der Urteilsgründe sowie zu den Fällen II.1.15 bis II.1.20 der Urteilsgründe zu prüfen haben, ob die allgemeinen Strafmilderungsgründe allein bzw. in Fall II.1.14 zusammen mit dem vertypten Milderungsgrund des Versuchs gem. §§ 23, 49 StGB zum Entfall der Indizwirkung des Regelbeispiels der Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 6 StGB führen (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 7. Aufl., Rn. 1142 ff.).
Menges Schmidt Meyberg Grube Lutz Vorinstanz: Landgericht Aachen, 23.10.2024 - 65 KLs 17/24 (201 Js 1099/23)