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V ZB 193/12

BUNDESGERICHTSHOF V ZB 193/12 BESCHLUSS vom 17. Januar 2013 in der Abschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Januar 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland beschlossen:

Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Wassermann bewilligt.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 8. Oktober 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe: I.

Der Betroffene reiste im Sommer 2011 unerlaubt nach Deutschland ein, tauchte dort zunächst unter und wurde am 26. Juni 2012 festgenommen. Mit Beschluss vom gleichen Tag ordnete das Amtsgericht gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung nach Ungarn bis längstens zum 25. August 2012 an. Mit Beschluss vom 24. August 2012 verlängerte das Amtsgericht auf Antrag der beteiligten Behörde die Haft bis zum 21. September 2012. In dem Protokoll über die Anhörung des Betroffenen am 24. August 2012 ist ein vorgedruckter Vermerk über einen Rechtsmittelverzicht des Betroffenen angekreuzt.

Gegen diesen Beschluss hat der Betroffene Beschwerde eingelegt, nach Aufhebung der Haftanordnung wegen der Weigerung Ungarns, ihn aufzunehmen, mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung festzustellen. Das Landgericht hat das Rechtsmittel als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Das Beschwerdegericht meint, der Betroffene habe in der Anhörung auf das Rechtsmittel verzichtet. Dieser Rechtsmittelverzicht sei weder widerruflich noch anfechtbar. Bedenken gegen seine Wirksamkeit bestünden nicht. Dass der Betroffene sich vorbehalten habe, mit seinem Rechtsanwalt zu sprechen, sei aus dem Protokoll nicht ersichtlich.

III.

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Beschwerde des Betroffenen ist mit dem gestellten Feststellungsantrag zulässig.

1. Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht der in der Anhörung vor dem Amtsgericht erklärte Verzicht des Betroffenen auf das Rechtsmittel der Beschwerde nicht entgegen.

a) Zwar ist die Beschwerde gemäß § 67 Abs. 1 FamFG unzulässig, wenn der Beschwerdeführer nach Bekanntgabe des Beschlusses auf das Rechtsmittel durch Erklärung gegenüber dem Gericht verzichtet hat. In dem Verfahren der Abschiebungshaft sind an einen Rechtsmittelverzicht aber strenge Anforderungen zu stellen. Der Betroffene muss klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, sich mit der Entscheidung ohne Vorbehalt abfinden und das prozessuale Recht, die Entscheidung in der übergeordneten Instanz überprüfen zu lassen, endgültig aufgeben zu wollen. Das Gericht darf einen Verzicht nicht von sich aus nahe legen, weil er dem Interesse des Betroffenen regelmäßig nicht entspricht und weil das Verfahren der Freiheitsentziehung wegen des schwerwiegenden Eingriffs in das Grundrecht auf Freiheit der Person gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG besondere Sorgfalt und Fairness verlangt. Schließlich muss das Gericht einem anwaltlich nicht vertretenen Betroffenen im Interesse einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung eine von der Rechtsmittelbelehrung unabhängige Belehrung über die Folgen des Verzichts erteilen und diese auch für das Rechtsbeschwerdegericht nachprüfbar dokumentieren, wenn der Betroffene von sich aus einen Rechtsmittelverzicht abgeben will (Senat, Beschluss vom 1. Dezember 2011 - V ZB 73/11, FGPrax 2012, 83 f. Rn. 6 f.).

b) Daran gemessen fehlt es an einem wirksamen Verzicht. Der Betroffene war in der Anhörung nicht anwaltlich vertreten. Das Anhörungsprotokoll weist in der Art eines Multiple-Choice-Bogens ein Kreuz vor der Erklärung "D. Betroffene verzichtet auf das Rechtsmittel der Beschwerde." aus. Dieser Bestandteil des Anhörungsbogens ist schon für sich genommen ein Hinweis darauf, dass der Anstoß zu dem Rechtsmittelverzicht nicht von dem anwaltlich nicht vertretenen Betroffenen, sondern von dem Gericht ausgegangen ist. Dass der Betroffene unabhängig von der - erfolgten - Belehrung über das Rechtsmittel der Beschwerde auch über die Folgen eines Verzichts auf das Rechtsmittel belehrt worden ist, ist im Protokoll nicht, jedenfalls nicht nachprüfbar dokumentiert. Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass der Betroffene die Folgen seiner Erklärung richtig einschätzen konnte.

2. Das Rechtsmittel des Betroffenen ist, anders als das Beschwerdegericht offenbar meint, auch nicht dadurch unstatthaft geworden, dass die Haftanordnung während des Beschwerdeverfahrens aufgehoben worden ist.

Mit der Aufhebung der Haft allein kann dem Betroffenen effektiver Rechtsschutz nicht gewährt werden. Der Betroffene muss vielmehr auch sein Rehabilitierungsinteresse umfassend geltend machen können (vgl. BVerfGE 104, 202, 235). Dem dient der Antrag auf Feststellung nach § 62 FamFG (Senat, Beschluss vom 6. Oktober 2011 - V ZB 314/10, FGPrax 2012, 44, 45 Rn. 14), der deshalb auch dann statthaft ist, wenn die Haftanordnung zwischenzeitlich aufgehoben worden ist (Senat, Beschluss vom 11. Oktober 2012 - V ZB 238/11, juris Rn. 6 f.).

IV.

Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif, da sich das Beschwerdegericht mit ihr noch nicht inhaltlich befasst und die notwendigen tatsächlichen Feststellungen nicht getroffen hat. Das Beschwerdegericht wird auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Stresemann Schmidt-Räntsch Roth Brückner Weinland Vorinstanzen: AG Bingen am Rhein, Entscheidung vom 24.08.2012 - 110 XIV 17/12 LG Mainz, Entscheidung vom 08.10.2012 - 8 T 170/12 -

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