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V ZB 171/12

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 171/12 vom 12. September 2013 in der Zurückschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. September 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Czub, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und den Richter Dr. Kazele beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Neumünster vom 31. August 2012 und der Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 7. September 2012 ihn in seinen Rechten verletzt haben.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Kreis Pinneberg auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I. 1 Der Betroffene, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste erstmals am

11. Dezember 2010 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 17. März 2011 abgelehnt wurde. Die Durchführung der in diesem Bescheid angedrohten Abschiebung des Betroffenen nach Italien scheiterte, da dieser in seiner Unterkunft nicht angetroffen und sein Aufenthalt nicht ermittelt werden konnte.

Nachdem sich der Betroffene am 31. August 2012 in die Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Neumünster begeben hatte, wurde er festgenommen. Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom gleichen Tage Haft zur Sicherung der Zurückschiebung des Betroffenen nach Italien bis zum 1. Oktober 2012 angeordnet. Die Beschwerde gegen die Haftanordnung hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 12. September 2012 hat der Senat die Vollziehung der Sicherungshaft einstweilen ausgesetzt. Der Betroffene beantragt nunmehr festzustellen, durch die Beschlüsse des Amts- und des Landgerichts in seinen Rechten verletzt worden zu sein.

II.

Das Beschwerdegericht meint, das Amtsgericht habe zu Recht festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anordnung von Zurückschiebehaft vorlägen. Der Betroffene sei nach rechtskräftiger Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung im Jahr 2011 untergetaucht. Nach Lage der Dinge stehe zu befürchten, dass er auch jetzt nicht freiwillig nach Italien zurückkehren werde. Zur Sicherung der Zurückschiebung sei deshalb die Inhaftnahme erforderlich und verhältnismäßig. Der Zurückschiebungstermin sei auf den 13. September 2012 festgesetzt.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist nach Erledigung der Hauptsache mit dem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG ohne Zulassung nach § 70 Abs. 3 Nr. 3 FamFG statthaft (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 – V ZB 218/09,

InfAuslR 2010, 359, 360). Im Übrigen ist sie form- und fristgerecht gemäß § 71 FamFG eingelegt. Sie hat auch in der Sache Erfolg, weil es an einem zulässigen Haftantrag nach § 417 FamFG fehlte.

1. Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 28/12, juris Rn. 8 mwN). In einem Verfahren der Zurückschiebungshaft - wie hier - gilt nichts anderes, § 417 Abs. 2 Nr. 5 FamFG (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 28/12, aaO Rn. 9).

2. Den genannten Anforderungen genügt der Haftantrag der beteiligten Behörde nicht, weil darin nicht alle in § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG genannten Punkte behandelt wurden (siehe eingehend Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2011, 317 Rn. 9).

a) Hinsichtlich der Durchführbarkeit der Abschiebung sind auf das Land bezogene Ausführungen erforderlich, in das der Betroffene zurückgeschoben werden soll. Anzugeben ist, ob und innerhalb welchen Zeitraums Zurückschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind. Erforderlich sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung, in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können (vgl. Senat, Beschluss vom 16. Mai 2013 - V ZB 44/12, InfAuslR 2013, 349 Rn. 12). Auch bei den Haftanträgen zur Sicherung einer Zurückschiebung in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union auf der Grundlage eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmeersuchens nach Art. 16 ff. der Dublin-II-Verordnung bedarf es konkreter Angaben dazu, in welchem Verfahren die Zurückschiebung erfolgt und innerhalb welchen Zeitraums Überstellungen in den betreffenden Mitgliedstaat üblicherweise möglich sind. Pauschale Angaben zu den Fristen für die Beantwortung des Ersuchens und für die Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat reichen nicht aus (vgl. näher Senat, Beschluss vom 31. Januar 2013 - V ZB 20/12, FGPrax 2013, 130 f. Rn. 19 mwN).

In dem Haftantrag ist dazu lediglich ausgeführt, dass „die Vorbereitung der Rückführung, die Beschaffung von Heimreisedokumenten, Buchung der Flugkarte, Bereitstellung von Begleitpersonal usw. erfahrungsgemäß entsprechende Zeit beanspruchen kann“. Diese Ausführungen sind ohne Bezug zu dem konkreten Fall. Bei ihnen handelt es sich um universell einsetzbare Leerformeln, die über die Durchführbarkeit der Zurückschiebung und deren Dauer im konkreten Fall nichts aussagen. Soweit in dem Haftantrag ausgeführt wird, eine Rücksprache mit dem Landesamt für Ausländerangelegenheiten Schleswig-Holstein habe ergeben, dass die Rückführung des Betroffenen in dem beantragten Zeitraum „realisierbar“ sei, besagt dies nur, dass die beantragte Haftdauer ausreichend, nicht aber auch, dass sie notwendig war, um die Zurückschiebung durchzuführen.

b) Die entsprechenden Angaben waren hier nicht deshalb entbehrlich, weil bei Rückübernahmen nach der Dublin II-Verordnung (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003, ABl. L 50/1 vom 25. Februar 2003) grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Abschiebung in einen Mitgliedstaat innerhalb von drei Monaten seit der Haftanordnung wird erfolgen können. Nach § 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ist die Inhaftnahme des Ausländers auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Daher darf die Haft von vorneherein nur für den Zeitraum angeordnet werden, der für die Durchführung der zur Zurück- oder Abschiebung notwendigen Maßnahmen unverzichtbar ist. Einer dies darlegenden Begründung bedarf es mithin auch dann, wenn die Behörde - wie hier - eine Haftdauer von weniger als drei Monaten beantragt (Senat, Beschluss vom 31. Januar 2013 - V ZB 20/12, FGPrax 2013, 130 f. Rn. 15 mwN).

c) Der Begründungsmangel ist auch nicht durch eine Nachholung für die Zukunft geheilt worden (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2011, 317 f. Rn. 15). Zwar hat das Beschwerdegericht feststellt, dass der Zurückschiebungstermin auf den 13. September 2012 festgesetzt worden ist. Hierauf durfte das Beschwerdegericht seine Entscheidung aber nur nach erneuter Anhörung des Betroffenen stützen (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Mai 2012 - V ZB 244/11, FGPrax 2012, 223 Rn. 13 mwN). Von einer erneuten Anhörung des Betroffenen hat das Beschwerdegericht jedoch - wie dieser zu Recht rügt - abgesehen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 EMRK analog, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO, die Festsetzung des Beschwerdewerts aus § 128c Abs. 2 KostO, § 30 Abs. 2 KostO.

Stresemann Czub Brückner Weinland Kazele Vorinstanzen: AG Neumünster, Entscheidung vom 31.08.2012 - 5 XIV 159 B LG Kiel, Entscheidung vom 07.09.2012 - 19 T 13/12 -

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