III ZR 135/22
BUNDESGERICHTSHOF III ZR 135/22 BESCHLUSS vom 11. September 2024 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2024:110924BIIIZR135.22.0 Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. September 2024 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann und die Richter Reiter, Dr. Kessen, Dr. Herr und Liepin beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Klägerin (Schriftsätze vom 7. und 28. Juni 2024 sowie vom 1. Juli 2024) gegen den Senatsbeschluss vom 16. Mai 2024 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Gründe:
Die gemäß § 321a Abs. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet. Der Senat hat den durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleisteten grundrechtsgleichen Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Die Rüge erschöpft sich im Wesentlichen darin, dass die Klägerin an ihrer in den Vorinstanzen und im dritten Rechtszug erfolglos gebliebenen Rechtsauffassung festhält, ohne entscheidungserhebliches Vorbringen als übergangen aufzeigen zu können.
Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht nur dazu, den Vortrag einer Prozesspartei zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Er begründet aber keine Pflicht des Gerichts, bei der Würdigung des Sachverhalts und der Rechtslage der Auffassung eines Beteiligten zu folgen. Ebenso wenig ergibt sich aus Art. 103 Abs. 1 GG die Pflicht des Gerichts, namentlich bei letztinstanzlichen Entscheidungen, zu ausdrücklicher Befassung mit jedem Vorbringen (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 12. Januar 2017 - III ZR 140/15, juris Rn. 2 und vom 26. November 2020 - III ZR 136/18, juris Rn. 2).
Da der Senat das Vorbringen der Klägerin vollumfänglich berücksichtigt hat und lediglich deren Rechtsansicht zur Entschädigungspflicht nicht gefolgt ist, scheidet eine Verletzung des rechtlichen Gehörs aus. Auf den Senatsbeschluss vom heutigen Tag in dem Parallelverfahren III ZR 134/22 wird ergänzend verwiesen.
Soweit die Klägerin darüber hinaus geltend macht, der Senat habe ihren Vortrag zur materiellen Rechtswidrigkeit der SARS-CoV-2-Umgangsverordnung und der 1. bis 5. Änderungsverordnung übergangen, trifft dies aus folgenden, dem Senatsbeschluss vom 16. Mai 2024 zugrundeliegenden Erwägungen nicht zu:
Mit zwei gleichlautenden Beschlüssen vom 16. Oktober 2020 setzte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg § 7 Abs. 2 der Verordnung über den Umgang mit dem SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 in Brandenburg (SARSCoV-2-Umgangsverordnung) vom 12. Juni 2020 (GVBI. II Nr. 49), zuletzt geändert durch Art. 1 Nr. 6 der Vierten Änderungsverordnung vom 8. Oktober 2020 (GVBI. II Nr. 94), im Rahmen einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO vorläufig außer Vollzug, da das Gericht diese Regelung nach der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung als voraussichtlich unverhältnismäßig ansah (11 S 87/20, juris und 11 S 88/20, BeckRS 2020, 27820). § 7 Abs. 2 SARS-CoV-2-Umgangsverordnung bestimmte, dass Reisende aus Landkreisen oder kreisfreien Städten, in denen die Sieben-Tage-Inzidenz den Schwellenwert von 50 Infektionen pro 100.000 Einwohner überschreitet, in Hotels nur beherbergt werden dürfen, wenn sie durch einen aktuellen negativen CoronaTest, der nicht älter als 48 Stunden ist, belegen können, dass von ihnen keine Ansteckungsgefahr ausgeht.
Der Zulassung der Revision unter dem im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren geltend gemachten Gesichtspunkt der Gehörsverletzung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) stand bereits der allgemeine Grundsatz der Subsidiarität entgegen. In ihrer Gegenerklärung vom 8. Juni 2022 im Rahmen des Verfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO hatte die Klägerin sich lediglich zu den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Februar 2022 (NJW 2022, 1366) und des Senats vom 17. März 2022 (III ZR 79/21, BGHZ 233, 107) sowie zu ihrer durch die Infektionsschutzmaßnahmen der Beklagten hervorgerufenen Existenzbedrohung und der gleichheitswidrigen Ausgestaltung der staatlichen Hilfsmaßnahmen geäußert (GA IV 1000 ff).
Ebenso wenig liegt eine Divergenz im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO vor, weil das Berufungsgericht abschließend über die Rechtmäßigkeit von § 7 Abs. 2 SARS-CoV-2-Umgangsverordnung entschieden hat, während durch das Oberverwaltungsgericht nur eine summarische Prüfung erfolgt ist.
Angesichts des dem beklagten Land zustehenden weiten Beurteilungsspielraums, den das Oberverwaltungsgericht im Rahmen der Angemessenheitsprüfung nicht genügend berücksichtigt hat, bestehen keine Bedenken gegen die materielle Rechtmäßigkeit der Verordnung (siehe auch Senatsbeschlüsse vom heutigen Tage in den Parallelverfahren III ZR 210/22 und III ZR 69/23).
Herrmann Herr Vorinstanzen: LG Potsdam, Entscheidung vom 08.10.2021 - 4 O 249/20 OLG Brandenburg, Entscheidung vom 21.06.2022 - 2 U 72/21 -