Paragraphen in 5 StR 72/25
Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit | Paragraph | |
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3 | 345 | StPO |
2 | 143 | StPO |
1 | 140 | StPO |
1 | 147 | StPO |
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BUNDESGERICHTSHOF StR 72/25 BESCHLUSS vom 7. Mai 2025 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2025:070525B5STR72.25.0 Die Vorsitzende des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs hat am 7. Mai 2025 beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten vom 17. Dezember 2024, die Bestellung von Rechtsanwalt R.
als Pflichtverteidiger aufzuheben, wird abgelehnt.
2. Die Anträge des Angeklagten auf Gewährung von Akteneinsicht werden abgelehnt.
Gründe:
1. Das Landgericht Berlin I hat den Angeklagten mit Urteil vom 22. Juli 2024 unter anderem wegen versuchten Mordes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt. Hiergegen haben die dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordneten Rechtsanwälte R. , M. und J.
fristgerecht Revision eingelegt. Mit Beschluss vom 12. September 2024 hat das Landgericht die Bestellung der Pflichtverteidiger M. und J.
aufgehoben. Nach Zustellung des Urteils am 28. Oktober 2024 hat der verbliebene Pflichtverteidiger Rechtsanwalt R. die Revision am 28. November 2024 mit der Sachrüge sowie mit Verfahrensrügen begründet.
Am 10. Dezember 2024 hat der Angeklagte unter anderem Akteneinsicht beantragt, damit er die Revision „ordnungsgemäß … begründen bzw. … ergänzen“ könne. Dieses Begehren hat er in der Folgezeit wiederholt.
Mit Schreiben vom 16. Dezember 2024 kündigte der Angeklagte gegenüber Rechtsanwalt R. das Mandat „fristlos“ und widerrief die ihm erteilte Vollmacht „mit sofortiger Wirkung“. Am 17. Dezember 2024 hat er gegenüber der Rechtsantragstelle der JVA M. erklärt, er wolle, dass Rechtsanwalt R. entpflichtet werde und beantrage, dass dieser ihm sämtliche Unterlagen zu seinem Verfahren aushändige. Zur Begründung führte er an, es sei ihm seit der Urteilsverkündung nicht mehr in „angemessener Weise“ möglich gewesen, mit Rechtsanwalt R. in Kontakt zu treten. Er habe die Revisionsbegründungsabschrift erst am 6. Dezember 2024 – und damit nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist – erhalten und habe diese somit nicht ergänzen können. Dadurch sei ein Vertrauensbruch entstanden. In einem weiteren Schreiben vom 13. Februar 2025 teilte der Angeklagte mit, dass er „unter keinen Umständen“ mehr von Rechtsanwalt R. vertreten werden möchte.
2. Da es sich um einen Fall der notwendigen Verteidigung gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StPO handelt, kommt eine ersatzlose Aufhebung der Pflichtverteidigung nicht in Betracht. Der Widerruf einer Vollmacht durch den Angeklagten wirkt sich auf die durch das Gericht vorgenommene Bestellung als Pflichtverteidiger nicht aus.
Aber auch für eine Auswechslung des Pflichtverteidigers liegen die Voraussetzungen nicht vor.
a) Nach § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO ist die Bestellung des Pflichtverteidigers aufzuheben und ein neuer Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Angeklagtem endgültig zerstört oder aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Angeklagten gewährleistet ist. Maßstab für die Störung des Vertrauensverhältnisses ist die Sicht eines verständigen Angeklagten. Eine solche ist von diesem oder seinem Verteidiger substantiiert darzulegen (BGH, Beschluss vom 26. Juni 2024 – StB 35/24 Rn. 14).
b) Gemessen daran lassen die Ausführungen des Angeklagten den von ihm angenommenen „Vertrauensbruch“ nicht erkennen. Eine grobe oder sich wiederholende Pflichtverletzung, die für eine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses sprechen könnte, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
aa) Ein pflichtwidriges Kontaktverhalten von Rechtsanwalt R. zwischen Urteilsverkündung und Ablauf der Revisionsbegründungsfrist liegt selbst bei Unterstellung der Ausführungen des Angeklagten als zutreffend nicht vor. Der Angeklagte hat nicht substantiiert dargelegt, dass es ihm im Rahmen des jedenfalls zweimaligen Kontakts nicht möglich war, seine Anliegen in Bezug auf das eingelegte Rechtsmittel hinreichend zu besprechen.
bb) Eine Pflichtverletzung des Verteidigers bei der Erstellung und Einreichung der Revisionsbegründung ist auch nicht ersichtlich. Ausweislich der Stellungnahme von Rechtsanwalt R. vom 7. Januar 2025 ist das Rechtsmittel und dessen Begründung mit dem Angeklagten besprochen worden, wobei dieser in einem persönlichen Gespräch von circa zwei Stunden, durch zwei ausführliche Telefonate sowie nach Übersendung des Entwurfs der Revisionsbegründungsschrift schriftlich die Möglichkeit hatte, auf deren Erstellung Einfluss zu nehmen und seine „Ansatzpunkte“ und „Anmerkungen“ vorzubringen. Die Begründung des gegenständlichen Antrags lässt nicht erkennen, dass eine weitergehende Abstimmung zwischen Verteidiger und Angeklagtem erforderlich gewesen wäre, die Rechtsanwalt R. vereitelt haben könnte. Allein das Entfallen des von Rechtsanwalt R. angekündigten weiteren Gesprächs stellt vor dem Hintergrund der drei vorherigen ausführlichen Rücksprachen jedenfalls keine solch gravierende Pflichtverletzung dar, die für einen verständigen Angeklagten eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses bedeutete.
cc) Dass unter Umständen nicht sämtliche Anregungen des Angeklagten Eingang in die Begründung des Rechtsmittels durch Rechtsanwalt R. gefunden haben, führt nicht zur Pflichtwidrigkeit von dessen Verhalten. Denn nach § 345 Abs. 2 Alt. 1 StPO ist es für die Zulässigkeit einer Revisionsbegründung erforderlich, dass der Verteidiger an ihr gestaltend mitwirkt und für ihren gesamten Inhalt die Verantwortung übernimmt (BGH, Urteil vom 2. August 1984 – 4 StR 120/83, NStZ 1984, 563). Das schließt aus, dass sich der Verteidiger von dem rechtsunkundigen Angeklagten offensichtlich aussichtslose Rügen vorschreiben lässt oder lediglich auf dessen Wunsch erhebt (vgl. LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 345 Rn. 17, KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 345 Rn. 10 mwN).
Daran gemessen war die vom Pflichtverteidiger ausweislich seiner Stellungnahme vorgenommene Prüfung der Anmerkungen des Angeklagten zum Entwurf der Revisionsbegründung auf Relevanz – mit der Konsequenz, dass gewisse Angriffspunkte möglicherweise nicht übernommen wurden – erforderlich, um die Zulässigkeit nach § 345 Abs. 2 Alt. 1 StPO nicht zu gefährden. Ein prozessual gebotenes Verhalten des Pflichtverteidigers ist aber nicht geeignet, das Vertrauensverhältnis zu einem verständigen Angeklagten zu stören.
dd) Dass Rechtsanwalt R. dem Angeklagten die endgültige Revisionsbegründungsschrift erst nach Ablauf der Frist des § 345 Abs. 1 StPO zukommen ließ, stellt ebenfalls kein Verhalten dar, was eine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses belegt. Denn es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass eine Ergänzung der Revisionsbegründung durch den Angeklagten mit dem Pflichtverteidiger abgesprochen war. Rechtsanwalt R. musste einen entsprechenden Wunsch des Angeklagten angesichts der gemeinsamen Vorbereitung nicht antizipieren. Der Angeklagte war hierdurch auch nicht gehindert, weitere sachlichrechtliche Beanstandungen vorzubringen, wie seine zahlreichen Eingaben, darunter auch solche zu Protokoll der Geschäftsstelle, belegen.
c) Andere Gründe für eine Entpflichtung sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Insbesondere scheidet ein Pflichtverteidigerwechsel für die Revisionsinstanz nach § 143a Abs. 3 Satz 1 StPO aus, da der Angeklagte keinen anderen Verteidiger bezeichnet und er zudem die Wochenfrist nicht eingehalten hat.
3. Die Anträge des Angeklagten auf Gewährung von Akteneinsicht waren als unbegründet abzulehnen. Dem verteidigten Angeklagten selbst steht nach § 147 Abs. 4 StPO kein Akteneinsichtsrecht zu (vgl. KK-StPO/Willnow, 9. Aufl., § 147 Rn. 14).
Cirener Vorinstanz: Landgericht Berlin I, 22.07.2024 - (522 Ks) 176 Js 4/22 (5/23)
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