35 W (pat) 27/13
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 27/13
_______________________
(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Kostenbeschwerdesache …
BPatG 152 08.05
-2…
betreffend das Gebrauchsmuster 20 2007 019 214 (hier: Kosten)
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 18. Juni 2014 durch die Vorsitzende Richterin Werner sowie die Richterin Bayer und den Richter Eisenrauch beschlossen:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 31. Juli 2013 aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzenzügen werden der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin auferlegt.
Gründe I.
Die Antragsgegnerin war Inhaberin des Gebrauchsmusters 20 2007 019 214, das aus dem am 21. September 2007 angemeldeten und am 10. Juni 2010 veröffentlichtem Patent 10 2007 045 400 abgezweigt wurde.
Die Antragsgegnerin, der der Löschungsantrag vom 1. November 2012, welcher sich gegen den Schutzanspruch 1 richtete, am 3. Dezember 2012 zugestellt wurde, hat mit Schreiben vom 2. Januar 2013, per Fax beim Deutschen Patentund Markenamt am gleichen Tag eingegangen, erklärt, dass sie dem Löschungsantrag nicht widerspricht und beantragt, die Kosten des Löschungsverfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen. Mit einem Schreiben vom gleichen Tag hat sie auf das Gebrauchsmuster verzichtet und erklärt, dass sie auch für die Vergangenheit aus dem Gebrauchsmuster keine Rechte herleiten wird.
Die Antragstellerin hat beantragt, der Antragsgegnerin die Verfahrenskosten aufzuerlegen. Sie habe mit Schreiben vom 21. August 2012 und 30. Oktober 2012 jeweils ernsthaft die Antragsgegnerin zum Verzicht auf das Gebrauchsmuster aufgefordert. Es sei eindeutig gewesen, dass sie bei Erfolglosigkeit dieser Aufforderung die Löschung beantragen werde. In Reaktion auf die Aufforderung vom 21. August 2012 habe die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 4. September 2012 einen Verzicht auf das Gebrauchsmuster ausgeschlossen. Nachdem bei einer Besprechung vom 30. Oktober 2013 keine gütliche Einigung erzielt werden konnte, hat die Antragstellerin mit Schreiben vom gleichen Tag die Antragsgegnerin aufgefordert, bis zum 31. Oktober 2013 u. a. eine unwiderrufliche kostenlose weltweite Lizenz für die Vergangenheit und Zukunft zu erteilen oder den Verzicht auf das Gebrauchsmuster zu erklären.
Nachdem mit Schreiben vom 30. Juli 2013 den Beteiligten mitgeteilt worden war, dass das Streitgebrauchsmuster mangels Widerspruch im beantragten Umfang teilgelöscht sei, hat mit Beschluss vom 31. Juli 2013 die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auferlegt. In der Sache führt die Gebrauchsmusterabteilung aus, dass die Ausnahmeregelung des § 93 ZPO trotz Vorliegens eines sofortigen Anerkenntnisses nicht zugunsten der Antragsgegnerin zur Anwendung kämen, da die Antragsgegnerin durch ihr Verhalten Veranlassung zur Stellung des Löschungsantrags gegeben habe. Eine hinreichend befristete Löschungsaufforderung sei mit Schreiben vom 21. August 2012 zum Ausdruck gebracht worden. Die Aufnahme von Vergleichsverhandlungen hebe die Wirkungen der Löschungsaufforderung nicht auf, sondern unterbreche lediglich deren Folgen bis zum Abschluss der Verhandlungen. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Antragstellerin im Schreiben vom 30. Oktober 2012 unter dem Eindruck des gescheiterten Vergleichsgesprächs lediglich eine eintägige Frist gesetzt habe. Die Antragsgegnerin habe zu diesem Zeitpunkt genügend Gelegenheit gehabt, sich eine Meinung zur Schutzfähigkeit auch des Gebrauchsmusters zu bilden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 26. August 2013, eingegangen am 27. August 2013.
Sie macht geltend, dass sie nach Erhalt des Löschungsantrags innerhalb der Widerspruchsfrist auf das Gebrauchsmuster verzichtet habe, was einem sofortigen Anerkenntnis gleichkomme. Sie habe auch keinen Anlass zur Stellung des Löschungsantrags gegeben. Das Gebrauchsmuster sei aus dem Patent abgezweigt worden, aus dem sie Ansprüche gegen die Antragstellerin geltend gemacht habe. Das abgezweigte Gebrauchsmuster sei zu keinem Zeitpunkt Gegenstand dieser Auseinandersetzung gewesen, auch nicht des Gesprächs vom 30. Oktober 2012. Voraussetzung für eine Kostenauferlegung sei eine ordnungsgemäße Löschungsaufforderung mit angemessener Fristsetzung. Da sie in die Aufnahme von Vergleichsverhandlungen eingewilligt habe, könne ihr Schreiben vom 4. September 2012, in dem sie einen Verzicht auf das Patent und das abgezweigte Gebrauchsmuster abgelehnt habe, keine Rechtfertigung sein, ihr nach Scheitern der Vergleichsgespräche lediglich einen Tag Frist zu gewähren. Zum Zeitpunkt der Vergleichsverhandlungen bestand kein Anlass für einen Verzicht. Es hätte daher einer erneuten ordnungsgemäßen Löschungsaufforderung mit einer angemessenen Frist bedurft. Da die Verzichtsaufforderung am 30. Oktober 2012 erst nach Büroschluss einging, habe sie weniger als einen Tag zu einer Stellungnahme zur Verfügung gehabt. Auch die tatsächlich zur Verfügung stehende Frist bis zur Einreichung des Löschungsantrags am 1. November 2012 sei nicht angemessen gewesen. Es seien keine Gründe für eine Eilbedürftigkeit ersichtlich.
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
den angegriffenen Beschluss aufzuheben und der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens vor der Gebrauchsmusterabteilung und des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.
Sie habe mit Schreiben vom 21. August 2012 der Beschwerdeführerin einen Entwurf für eine Nichtigkeitsklage gegen das parallele Patent übersandt, verbunden u. a. mit der Aufforderung, eine kostenlose Lizenz für das Streitgebrauchsmuster zu erteilen oder darauf zu verzichten oder Verhandlungen aufzunehmen. Mit Schreiben vom 4. September 2012 habe die Beschwerdeführerin mit Ausnahme der Aufnahme von Vergleichsverhandlungen diese Vorschläge abgelehnt. Nachdem die Vergleichsverhandlungen am 30. Oktober gescheitert seien, habe sie unter Verweis auf das Schreiben vom 21. August 2012 erneut unter Fristsetzung zur Löschung des Gebrauchsmusters aufgefordert. Es sei offensichtlich, dass das Gebrauchsmuster Gegenstand der Verhandlungen am 30. Oktober 2014 gewesen sei, da eine ausschließliche Vereinbarung über die Nutzungsrechte am Patent nicht zielführend gewesen sei. Sollte die Beschwerdeführerin dies anders sehen, so wäre die vier Wochenfrist seit der ersten Löschungsaufforderung erst recht gewahrt, da dann keine Hemmung durch die Vergleichsverhandlungen eingetreten sei. Darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin die Löschung des Gebrauchsmusters abgelehnt gehabt. Nach dem endgültigen Scheitern der Verhandlungen hätte daher sogar ohne erneute Fristsetzung Anlass für eine Erhebung des Löschungsantrags bestanden.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig.
2. Die Beschwerde ist auch begründet.
Gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG und § 91 ZPO sind zwar grundsätzlich dem Unterliegenden die Verfahrenskosten aufzuerlegen, wenn er sich durch Absehen von der Einlegung eines Widerspruchs und daran anknüpfender Teillöschung in die Rolle des Unterliegenden begeben hat.
Im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren gelten aber für die Kostenentscheidung der Rechtsgedanke und die Wertung des § 93 ZPO, wonach bei sofortigem Anerkenntnis in der Regel die Kosten der Löschungsantragstellerin aufzuerlegen sind, sofern die Inhaberin des Gebrauchsmusters durch ihr Verhalten keine Veranlassung zur Stellung des Löschungsantrags gegeben hat.
Die Beschwerdeführerin hat nach Erhalt des Löschungsantrags innerhalb der Widerspruchsfrist erklärt, dass sie gegen die Löschung keinen Widerspruch einlegt und zudem auf das Schutzrecht verzichtet. Dies ist bei sinngemäßer Anwendung von § 307 ZPO ein sofortiges Anerkenntnis (vgl. Bühring/Schmid, Gebrauchsmustergesetz, 8. Aufl., § 17 Rn. 78).
Die Beschwerdeführerin hat durch ihr Verhalten auch keinen Anlass zur Stellung des Löschungsantrags gegeben.
Nach der Rechtsprechung ist es erforderlich, dass der Gebrauchsmusterinhaber vor Stellung des Löschungsantrags ernstlich, klar und bestimmt unter Nennung der Gründe, die einen Löschungsanspruch rechtfertigen könnten, und mit ausreichender Fristsetzung schriftlich zur freiwilligen Aufgabe des Gebrauchsmusters aufgefordert wird (vgl. Bühring/Schmid, Gebrauchsmustergesetz, 8. Aufl., § 17 Rn. 83 ff.). Unerheblich ist dabei in der Regel, ob der Umfang der Aufforderung über den späteren Löschungsantrag hinausgeht (vgl. Bühring/Schmid, Gebrauchsmustergesetz, 8. Aufl., § 17 Rn. 83 ).
Das Schreiben vom 21. August 2012 stellt keine solche Löschungsaufforderung hinsichtlich des Gebrauchsmusters 20 2007 019 214 dar. Das Schreiben betrifft das Patent, von dem das Gebrauchsmuster abgezweigt wurde. In diesem Schreiben erklärte die Beschwerdegegnerin, sie würde zur „Herstellung beiderseitiger Rechtssicherheit“ von der Erhebung der Nichtigkeitsklage absehen, wenn u. a. auch für die abgezweigten Anmeldungen eine unwiderrufliche Lizenz für die Vergangenheit und Zukunft gewährt werde, oder der Verzicht u. a. auf die abgezweigten Anmeldungen erklärt werde, oder ernsthafte Verhandlungen aufgenommen werden und die Beschwerdeführerin sich verpflichtet, während der Verhandlungen keine Verletzungsklagen zu erheben. Sollte eine Verletzungsklage bereits erhoben worden sein, behalte sie sich vor, die Schutzrechte unmittelbar anzugreifen.
Da das Gebrauchsmuster in diesem Schreiben nicht speziell erwähnt wurde, sondern nur pauschal im Zusammenhang mit weiteren eventuellen Schutzrechten und zudem aus dem Schreiben nicht eindeutig hervorgeht, dass nach Ansicht der Antragstellerin das Gebrauchsmuster genauso zu sehen wäre wie das Patent, stellt das Schreiben keine eindeutige Löschungsaufforderung hinsichtlich des Gebrauchsmusters dar, sondern ist als Vergleichsanbahnung zu werten, wobei sämtliche Rechte bedacht werden sollten.
In dem die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 4. September 2012 auf das Schreiben vom 21. August 2012 hin lediglich der Aufnahme von Vergleichsverhandlungen zugestimmt und den Verzicht auf Löschung ihrer sämtlichen Rechte abgelehnt hat, so hat sie damit Verhandlungsbereitschaft erklärt, nicht aber speziell die Löschung des Gebrauchsmusters abgelehnt, falls die Verhandlungen nicht zum Erfolg führen würden. Ein Absehen von einer „erneuten“ Löschungsaufforderung durch die Antragstellerin kann mit dem Schreiben vom 4. September 2012 nicht gerechtfertigt werden.
Die „erneute“ Löschungsaufforderung der Antragstellerin vom 30. Oktober 2012 enthält eine unangemessene Fristsetzung. Auch die tatsächlich zur Verfügung stehende Frist vom 30. Oktober 2012 bis zum 1. November 2012 ist unangemessen kurz. Ein Verstreichen lassen dieser zu kurzen Frist, ist kein Verhalten, das einen Anlass für den Löschungsantrag darstellt. Eine solche kurze Frist könnte nur bei einer besonderen Eilbedürftigkeit gerechtfertigt sein, für die es vorliegend keine Anhaltspunkte gibt. Soweit die Beschwerdegegnerin in den gescheiterten Vergleichsgesprächen den Eindruck erhalten haben könnte, dass eine Löschungsaufforderung hinsichtlich des Gebrauchsmusters entbehrlich sei bzw. eine Eilbedürftigkeit vorliege, ist dazu nichts vorgetragen worden. Der Vortrag der Antragstellerin, bei dem Vergleichsgespräch am 30. Oktober 2012 sei auch das Gebrauchsmuster Gegenstand der Verhandlungen gewesen, reicht hierfür nicht, da sich daraus nicht einmal ergibt, welchen Standpunkt die Beschwerdeführerin im Vergleichsgespräch dazu vertreten hat.
Die Aufforderung zur freiwilligen Aufgabe kann zwar entbehrlich sein, wenn sie mit Sicherheit ohne Erfolg geblieben wäre. Dies ist hier aber nicht ersichtlich, denn selbst das Schreiben vom 4. September 2012 lässt nicht erkennen, wie die Antragsgegnerin bei Scheitern der Vergleichsverhandlungen hinsichtlich des Gebrauchsmusters vorgehen würde.
4. Als Unterlegene des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin auch die Kosten dieses Instanzenzuges zu tragen (§ 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG, § 84 Abs. 2 PatG, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Werner Eisenrauch Bayer Cl