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11 W (pat) 5/16

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 5/16 Verkündet am 9. Mai 2019

…

BESCHLUSS In der Beschwerdesache …

betreffend das Patent 10 2012 014 043 ECLI:DE:BPatG:2019:090519B11Wpat5.16.0 hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Mai 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr.-Ing. Höchst sowie der Richter Eisenrauch, Dr.-Ing. Schwenke und Dipl.-Ing. (Univ.) Gruber beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe I.

Auf die am 14. Juli 2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist die Erteilung des Patents mit der Bezeichnung

„Granate, insbesondere 40-mm-Granate“

am 13. Februar 2014 veröffentlicht worden.

Gegen das Patent ist Einspruch erhoben worden. Die Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamts hat das Patent durch Beschluss, verkündet in der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2015 in vollem Umfang aufrechterhalten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 12. Januar 2016 eingegangene Beschwerde der Einsprechenden.

Sie hat ihre Beschwerde mit Schriftsatz vom 3. April 2019 begründet und beantragt,

den Beschluss der Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. November 2015 aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Sie stützt ihr Vorbringen auf die bereits im Einspruchsverfahren angeführten Druckschriften D1 DE 197 38 937 C2 D2 DE 34 41 556 A1 D3 DE 39 18 005 A1 D4 DE 195 27 621 A1 D5 DE 22 62 981 OS D6 WO 2012/071011 A1 D7 WO 2013/010675 A1 D7a ZA 2011/05401 D8 US 3,368,489 D9 US 3,309,994 D10 DE 103 03 106 A1 D11 DE 10 2009 048 365 B3 D12 WO 2005/043072 A1 D13 WO 2008/099353 A1 D14 DE 35 07 643 A1 D15 US 3,788,224 und vertritt die Auffassung, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei nicht neu gegenüber dem Stand der Technik nach der Druckschrift D12 und sei dem Fachmann sowohl in der Zusammenschau der Druckschrift D1 mit der Druckschrift D10 als auch der Druckschrift D3 mit der Druckschrift D15 nahegelegt. In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin darüber hinaus vorgetragen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 dem Fachmann ausgehend vom Stand der Technik nach der Druckschrift D10 allein schon unter Hinzuziehung seines Fachwissens, ggf. belegt durch eine der Druckschriften D12 oder D1, ebenfalls nahegelegt sei.

Die Patentinhaberin tritt dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ihrerseits entgegen. Sie verteidigt ihr Patent in der erteilten Fassung und hat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung mit hinzugefügter Gliederungsnummerierung lautet:

M1 M2 M3 M4 M4.1 M4.2 M4.3 M4.4 Granate, insbesondere 40-mm-Granate, mit einer Kartusche, einem Geschoss und einem Hochdruck - Niederdruck - Zündsystem umfassend ein hohlzylindrisches Kammerbauteil mit einer eine Treibladung aufnehmenden Hochdruckkammer und einer außerhalb des Kammerbauteils liegenden Niederdruckkammer, die über einen oder mehrere über den beim Zünden der Treibladung entstehenden Druck öffenbare Kanäle im Kammerbauteil miteinander verbindbar sind, wobei die Hochdruckkammer (12) über eine Berstmembran (16) in einen die Treibladung (9) aufnehmenden ersten Kammerabschnitt (14) und einen zweiten Kammerabschnitt (15) unterteilt ist, und wobei die Berstmembran (16) in der Hochdruckkammer (12) verschiebbar und in der jeweiligen Position klemmend aufgenommen ist.

Daran schließen sich die abhängigen Patentansprüche 2 bis 7 an. Wegen deren Wortlaut und den weiteren Einzelheiten des gegenseitigen Vorbringens wird auf die Amts- und Gerichtsakten verwiesen.

II.

A.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

1. Die Erfindung betrifft eine Granate, insbesondere eine 40 - mm - Granate, mit einer Kartusche, einem Geschoss und einem Hochdruck-Niederdruck-Zündsystem umfassend ein hohlzylindrisches Kammerbauteil mit einer eine Treibladung aufnehmenden Hochdruckkammer und einer außerhalb des Kammerbauteils liegenden Niederdruckkammer, die über einen oder mehrere über beim Zünden der Treibladung entstehenden Druck öffenbare Kanäle im Kammerbauteil miteinander verbindbar sind (vgl. Streitpatentschrift Abs. 0001).

In der Streitpatentschrift ist angegeben, dass Granaten in unterschiedlicher Bauform und mit unterschiedlichem Kaliber bekannt seien. Neben sehr groß kalibrigen Granaten, die sehr große Reichweiten haben, seien auch vom Kaliber her kleinere Granaten, insbesondere 40-mm-Granaten, bekannt, die vornehmlich im Infanteriebereich eingesetzt werden und es ermöglichen, auch Ziele, die außerhalb der maximalen Wurfweite von Handgranaten liegen, zu bekämpfen, ohne hierbei auf die Unterstützung anderer Waffen oder Waffengattungen angewiesen zu sein. Bei einer 40-mm-Granate handele es sich um eine Patronenmunition, die über einen Granatwerfer verschossen werden könne. Granaten, insbesondere 40-mm-Granaten, arbeiteten mit einem Hochdruck-Niederdruck-Zündsystem. Dieses umfasse zwei Kammern, nämlich eine Hochdruckkammer und eine Niederdruckkammer. Die Hochdruckkammer sei mittels eines hohlzylindrischen Kammerbauteils realisiert. In der Hochdruckkammer befinde sich die über ein Anzündhütchen oder dergleichen zündbare Treibladung. Beim Abbrand der Treibladung bilde sich in der Hochdruckkammer ein Druck größer 1000 bar. Ab einem bestimmten Druck komme es zu einem Öffnen eines oder mehrerer am Kammerbauteil vorgesehener Kanäle, die in die das Kammerbauteil umgebende Niederdruckkammer führten.

Diese Niederdruckkammer stehe mit dem Geschossboden in Verbindung, respektive werde durch diesen begrenzt. Durch den nach Öffnen der Kanäle in der Niederdruckkammer anstehenden Gasdruck auf den Geschossboden werde sodann das Geschoss aus der Kartusche geschossen (vgl. Streitpatentschrift Abs. 0007).

Gemäß Streitpatentschrift sei es erforderlich, um das Geschoss mit einer einigermaßen definierten Geschwindigkeit verschießen zu können, ein bestimmtes Verhältnis von Hochdruckkammervolumen zu Niederdruckkammervolumen zu realisieren. So seien beispielsweise bei 40-mm-Granaten drei unterschiedliche Granattypen bekannt, nämlich eine low velocity Granate mit einer Abschussgeschwindigkeit des Geschosses von ca. 75 m/s, eine medium velocity Granate mit einer Abschussgeschwindigkeit von ca. 100 m/s sowie eine high velocity Granate mit einer Abschussgeschwindigkeit von ca. 240 m/s (vgl. Streitpatentschrift Abs. 0008).

In der Streitpatentschrift ist beschrieben, dass neben dem Verhältnis der Kammervolumina für die Erzielung einer gewünschten Abschussgeschwindigkeit natürlich auch die Treibladungsmenge eine Rolle spiele, wobei zumeist nur eine relativ geringe Menge im Gramm-Bereich erforderlich sei. Diese Treibladung befinde sich in der Hochdruckkammer, die vom hohlzylindrischen Kammerbauteil gebildet werde. Diese sei vom Volumen her jedoch deutlich größer als die Treibladung. Die Treibladung sei demzufolge in der Hochdruckkammer beweglich, d. h., dass keine definierte Position relativ zu dem Anzündhütchen oder dergleichen, über das die Treibladung gezündet werde, gegeben sei. Dies führe dazu, dass je nach Lage der Treibladung relativ zum Anzündhütchen undefinierte Zündverhältnisse gegeben seien, was von Schuss zu Schuss zu einem undefinierten Abbrand führe und folglich auch eine undefinierte Druckerzeugung gegeben sei, die wiederum in einer nicht reproduzierbaren Abschussgeschwindigkeit resultiere. D. h., dass je nach tatsächlich ablaufendem Zündvorgang die einzelnen Geschosse mit höherer oder niedriger Geschwindigkeit verschossen werden. Dies sei jedoch nicht gewünscht,

da unterschiedliche Abschussgeschwindigkeiten bei gleichbleibender Waffenposition zu einer entsprechenden Streuung führten (vgl. Streitpatentschrift Abs. 0009).

Aufgabe des Streitpatents ist es, eine Granate, insbesondere eine 40-mm-Granate, anzugeben, die in allen Abschussgeschwindigkeitsbereichen einen definierten Zündvorgang und damit das Verschießen einzelner Granaten mit gut reproduzierbarer Geschossgeschwindigkeit ermöglicht (vgl. Streitpatentschrift Abs. 0010).

Der mit der Lösung dieser Aufgabe befasste Fachmann ist ein Absolvent eines Ingenieurstudiengangs mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung und Konstruktion von Granaten.

Die gestellte Aufgabe soll durch eine Granate gemäß Patentanspruch 1 gelöst werden.

2. Einige Merkmale der vorgeschlagenen Lösung bedürfen der Erläuterung.

Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 stellt auf eine Granate 1 (Merkmal M1) mit einer Kartusche 2 (Merkmal M2), einem Geschoss 11 (Merkmal M3) und einem Hochdruck-Niederdruck-Zündsystem (Merkmal M4) ab, das ein hohlzylindrisches Kammerbauteil 3 mit einer eine Treibladung 9 aufnehmenden Hochdruckkammer 12 und eine außerhalb des Kammerbauteils 3 liegenden Niederdruckkammer 13 umfasst (Merkmal M4.1) (vgl. untenstehend wiedergegebene Figuren 1 und 2 des Streitpatents).

Die Kammern 12, 13 sind über einen oder mehrere über den beim Zünden der Treibladung 9 entstehenden Druck öffenbare Kanäle 19 im Kammerbauteil 3 miteinander verbindbar (Merkmal M4.2), wobei die Hochdruckkammer 12 über eine Berstmembran 16 in einen die Treibladung 9 aufnehmenden ersten Kammerabschnitt 14 und einen zweiten Kammerabschnitt 15 unterteilt ist (Merkmal M4.3).

Im Streitpatent ist hierzu ausgeführt (vgl. Abs. 0013, 0014), dass der erste Kammerabschnitt zunächst vom zweiten Kammerabschnitt über die Berstmembran getrennt sei, wobei aber der erste und der zweite Kammerabschnitt insgesamt die anspruchsgemäße Hochdruckkammer mit einem definierten bzw. bemessenen Gesamtvolumen ausbilden. Nach Zündung der Treibladung im ersten Kammerabschnitt komme es zu einer Druckerhöhung. Mit Erreichen eines Berstdrucks zerreiße die Berstmembran, so dass sich der erste und der zweite Kammerabschnitt zur gemeinsamen Hochdruckkammer mit dem definierten Gesamtvolumen vereinten. Infolge der fortschreitenden Druckerhöhung öffnen sich auch der oder die, die Hochdruckkammer mit der Niederdruckkammer verbindenden Kanäle. Unter der anspruchsgemäßen Niederdruck- bzw. Hochdruckkammer sind über den zumindest einen Kanal verbundene Räume zu verstehen, in denen sich ein gewisses Druckniveau einstellen kann. Zur Druckentfaltung müssen diese Räume ein freies Volumen besitzen, wobei sich im freien Volumen der Hochdruckkammer infolge der Zündung der Treibladung ein höheres Druckniveau einstellt als in dem freien Volumen der Niederdruckkammer nach dem Überströmen des Gases aus der Hochdruckkammer über den zumindest einen Kanal. Das freie Volumen der gesamten Hochdruckkammer setzt sich aus den freien Volumina der beiden Kammerabschnitte zusammen. Nur eine Kammer bzw. deren Kammerabschnitte, in der bzw. in denen sich in Folge der Zündung der Treibladung auch tatsächlich ein Hochdruck einstellt, ist bzw. sind unter der anspruchsgemäßen Hochdruckkammer und ihren beiden Kammerabschnitten zu verstehen. Der oder die Kanäle wirken in Form einer Drossel zwischen der Hochdruck- und der Niederdruckkammer.

Die Berstmembran ist körperlich derart ausgestaltetet, dass sie bei Erreichen eines definierten Drucks (Berstdruck) in dem die Treibladung enthaltenden Kammerabschnitt geplant zerbricht oder aufplatzt. Auch die Kanäle öffnen gezielt bei definiertem Druck in der Hochdruckkammer, wobei der Anspruchswortlaut auch ein Öffnen der Kanäle bereits beim Bersten der Berstmembran nicht ausschließt.

Die Berstmembran 16 soll in der Hochdruckkammer 12 verschiebbar und in der jeweiligen Position klemmend aufgenommen sein (Merkmal M4.4).

Die Berstmembran kann also innerhalb der Hochdruckkammer entlang deren Längsachse verschoben werden, wobei sie in der Position, die sie bei diesem Verschiebevorgang einnimmt, aktiv klemmt, also in der jeweiligen Position selber eine Klemmwirkung entfaltet und nicht etwa, im Sinne einer eingeklemmten Aufnahme der Berstmembran in der Hochdruckkammer, passiv eingeklemmt wird.

Im Streitpatent ist hierzu beschrieben, dass je nach Anordnung der Berstmembran das Volumen des ersten Kammerabschnitts und damit die Menge an Treibladung kleiner oder größer bemessen werden könne, worüber sich folglich die Ladedichte auf einfache Weise einstellen ließe (vgl. Abs. 0017). Bei der Montage der Granate kann die Berstmembran in der Hochdruckkammer verschoben und so abhängig von der verwendeten Treibladungsmenge in eine vorteilhafte Position gebracht werden.

Im Streitpatent sind diesbezüglich zwei Ausführungsformen angegeben. Zum einen kann die Berstmembran zusammen mit einem zylindrischen Abschnitt einteilig einen Napf ausbilden (vgl. Abs. 0019, 0021, 0031, 0034, Figuren 1, 2), wobei der Napf und somit auch die Berstmembran in der Hochdruckkammer verschoben werden kann und über den zylindrischen Abschnitt des Napfes in der Hochdruckkammer klemmend aufgenommen ist. Alternativ bildet die Berstmembran mit einem randseitigen Haltering ein in der Hochdruckkammer verschiebliches und über den Haltering in der Hochdruckkammer klemmendes Bauteil aus (vgl. Abs. 0020, 0035, Figur 3). Das Merkmal M4.4 des Gegenstandes nach Patentanspruchs 1, insbesondere die in der jeweiligen Position geforderte klemmende Aufnahme der Berstmembran in der Hochdruckkammer, ist demnach so auszulegen, dass die in der Hochdruckkammer verschiebliche Berstmembran zur Fixierung in der jeweiligen bzw. gewünschten Position, bspw. bei einem Einpressvorgang der Berstmembran in die Hochdruckkammer, selbst klemmend wirkt bzw. die einteilig mit ihr ausgebildeten Mittel, bspw. in Form des zylindrischen Napfabschnitts oder des randseitigen Halterings, klemmend wirken. Eine Ausgestaltung, bei der die Berstmembran selber keine klemmende Funktion in der Hochdruckkammer erfüllt, sondern vielmehr die Berstmembran lediglich in der Hochdruckkammer durch die klemmende Wirkung eines weiteren Bauteils positioniert wird bzw. die Berstmembran zwischen einem weiteren Bauteil und der Hochdruckkammer eingeklemmt wird, kann nicht auf die anspruchsgemäße klemmende Aufnahme der Berstmembran gelesen werden.

B.

1. Das geltende Patentbegehren ist zulässig.

Der erteilte Patentanspruch 1 geht auf die ursprünglichen Patentansprüche 1 und 3 zurück. Die Patentansprüche 2 bis 7 entsprechen den ursprünglichen Patentansprüchen 4 bis 9 unter Anpassung der Rückbezüge.

Die Beschreibung wurde gegenüber den am Anmeldetag eingereichten Unterlagen in üblicher Weise an das geltende Patentbegehren angepasst sowie der Stand der Technik angegeben.

2. Der gewerblich anwendbare Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung ist patentfähig.

a) Die Granate nach Patentanspruch 1 ist neu (§§ 1, 3 PatG).

Aus der Druckschrift D1 (vgl. Patentanspruch 1, Sp. 2, Z. 48 bis Sp. 3, Z. 43, Figuren) ist eine 40 - mm - Granate (patronierte Munition 1) mit einer Kartusche (Patronenhülse 2), einem Geschoss 3 und einem Hochdruck-Niederdruck-Zündsystem (Hochdruckraum 12, Niederdruckraum 14) bekannt (Merkmale M1 bis M4). Ein hohlzylindrisches Kammerbauteil ist in Form einer Kartusche 4 mit einer eine Treibladung 6 aufnehmenden Hochdruckkammer 12 und einer außerhalb des Kammerbauteils liegenden Niederdruckkammer 14 offenbart (Merkmal M4.1), wobei die Kammern 12, 14 über mehrere von dem beim Zünden der Treibladung entstehenden Druck öffenbare Kanäle (Überströmöffnungen 13) im Kammerbauteil miteinander verbindbar sind (Merkmal 4.2). Das Bodenteil 8 eines U-förmigen Kolbens 7 unterteilt die Hochdruckkammer in einen ersten Kammerabschnitt mit der Treibladung sowie einen zweiten Kammerabschnitt. Eine im Bodenteil vorgesehene Durchzündbohrung 18 (vgl. Figur 2) erfüllt nicht die geforderte Berstfunktion einer Berstmembran (Merkmal 4.3). Das Bodenteil ist zwischen einem Absatz des Kammerbauteils und einem eingepressten Deckel 10 zunächst eingeklemmt; nach Zündung der Treibladung wird der Kolben mit Bodenteil unter Wirkung des durch das Treibgas aufgebauten Drucks in der Hochdruckkammer verschoben und entlang der Wand einer Ringnut 11 des Deckels geführt. Das Bodenteil ist demnach nicht im Sinne des Streitpatents in der jeweiligen Position klemmend in der Hochdruckkammer aufgenommen (Merkmal M4.4).

In der Druckschrift D10 (vgl. Abs. 0011, 0012, 0026, 0028, Figur) ist eine Granate (Geschoss 20) mit einer Kartusche (Patronenhülse 10), einem Geschoss (Zylinder 4) und einem Hochdruck–Niederdruck-Zündsystem (Merkmale M1 bis M4) mit einer Hochdruckkammer (Antrieb 11 mit Treibladungspulver 11‘), öffenbaren Kanälen (Bohrungen 6) und Niederdruckkammer (größere Druckkammer 13) gemäß den Merkmalen M4.1 und M4.2 (vgl. Abs. 0026, Figur) des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 beschrieben. Eine Berstbüchse 5 umfasst eine bodenseitige Berstmembran, die die Hochdruckkammer in zwei Kammerabschnitte aufteilt (Merkmal M4.3). Die Berstmembran bzw. die Berstbüchse 5 ist in der Hochdruckkammer zwischen einem Absatz des Kammerbauteils 11 und einem Deckel geklemmt und nicht klemmend aufgenommen (Merkmal M4.4).

Die Druckschrift D2 (vgl. S. 7, dritter Absatz bis S. 8 unten, Figur, Sprengsplittergranate, Abschussrohr 18, Geschossmantel 1 bis 3, Hohlraum 22, Raum für Treibladung 20, Treibladungspatrone 19, Kanäle 23) offenbart eine Granate mit den Merkmalen M1 bis M4.2 des Gegenstandes gemäß Patentanspruch 1. Eine Treibladung 20 ist von einer Berstmembran in Form einer Bersthülse umgeben, die eine Hochdruckkammer in zwei anspruchsgemäße Kammerteile aufteilen könnte (Merkmal M4.3). Die Bersthülse mag durch Einschieben in die Hochdruckkammer einbringbar sein, ist aber durch eine Treibladungs-Zündpille 21 gegen den oberen Rand der Hochdruckkammer eingeklemmt und daher nicht im Sinne des Streitpatents in der jeweiligen Position klemmend in der Hochdruckkammer aufgenommen (Merkmal M4.4).

Aus der Druckschrift D3 (vgl. Sp. 2, Z. 14, 15, 40, 66, Sp. 3, Z. 12, 61, Figur 2, Granatengeschoss 10, Patronenhülse 30, Freiräume 46, 50, Treibladung 40, Treiber 40) ist eine Granate mit den Merkmalen M1 bis M4.1 des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 bekannt. Eine Berstscheibe 45 (vgl. Sp. 3, Z. 4, Figur 2) ist formschlüssig in der Hochdruckkammer positioniert (Merkmal M4.3). Hinweise auf das Merkmal M4.4 des Gegenstandes gemäß Patentanspruch 1 finden sich in dieser Druckschrift nicht, auch sind die hier offenbarten Kanäle (vgl. Sp. 3, Z. 23,

Bohrungen 54) stets unverschlossen und somit auch nicht öffenbar (Merkmal M4.2).

In der Druckschrift D6 (vgl. Abs. 0018, 0019, Figur 3, cartridged projectile 100, cartridge case 130, projectile 110, high and low pressure chambers 150, 120, containment ring 140, nozzle ring 160, propellant, discharge hole 164, flat pressure disc 170) ist eine Granate mit den Merkmalen M1 bis M4.3 des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 beschrieben. Eine Berstscheibe 170 ist passiv geklemmt zwischen den Ringelementen 140, 160 des Kammerbauteils fixiert, also nicht im Sinne des Streitpatents klemmend positionierbar in der Hochdruckkammer aufgenommen (Merkmal M4.4).

Der Druckschrift D7 kann wenn überhaupt nur für das in den Figuren 1 und 2 i. V. m. der diesbezüglichen Beschreibung offenbarte Ausführungsbeispiel das Anmeldedatum der als Prioritätsschrift genannten D7a zuerkannt werden. Lediglich zu diesem Ausführungsbeispiel ist in der Druckschrift D7a etwas beschrieben. Die Druckschrift D7 ist demnach nur bezüglich dieses Offenbarungsgehaltes aus der Prioritätsschrift und dann bedingt durch die Nachveröffentlichung gegenüber dem Streitpatent auch nur für die Neuheitsprüfung relevant. Übereinstimmend ist in den Druckschriften D7 (vgl. Patentansprüche 12, 13, S. 8, letzter Absatz, S. 12, zweiter Absatz, Figur 1) und D7a (vgl. Detailed Description Of The Invention) eine Granate (patronierte Munition, propulsion system) mit einer Kartusche (Patronenhülse, cartridge case), einem Geschoss (projectile) und einem Hochdruck-Niederdruck-Zündsystem sowie einem Kammerbauteil (housing) und öffenbaren Kanälen (Überströmkanäle, vent holes) angegeben (Merkmale M1 bis M4.2). Auch wenn eine Auskleidung (housing liner) über einen Presssitz in der Hochdruckkammer verschiebbar und in der jeweiligen Position klemmend ausgebildet ist (Merkmal M4.4), so ist sie doch ringartig zur Abdeckung der Kanäle ausgeführt und kann somit die Hochdruckkammer nicht in zwei Kammerteile unterteilen (Merkmal M4.3). Bedenken, ob die Anmelderidentität zwischen der Prioritätsdruckschrift D7a und der Druckschrift D7 überhaupt gegeben ist, können daher dahinstehen.

Aus der Druckschrift D12 (vgl. S. 1, zweiter Absatz, S. 4 erster und vierter vollständiger Absatz, S. 5 zweiter vollständiger und letzter Absatz, S. 6, mittlerer Absatz, Figur 2, weaponry, propellant cartridge 1, shell case 13 mit rear und front portion 14, 16, projectile P, powder charge 3, Hochdruckkammer in cartridge 1, Niederdruckkammer 6, insert 7, passage 8, membrane 12) ist eine Granate mit den Merkmalen M1 bis M4.1 des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 bekannt.

Eine Berstmembran 12 bzw. ein Dichtelement (stemming, sealing elements) unterteilt das zylindrische Kammerbauteil 1 in einen, die Treibladung 3 aufnehmenden ersten unteren Kammerabschnitt und in einen zweiten oberen Kammerabschnitt. Im zweiten oberen Kammerabschnitt ist ein Einsatz 7 angeordnet, in dem ein durch die Berstmembran verschlossener und über den beim Zünden der Treibladung entstehenden Druck öffenbarer Kanal 8 vorgesehen ist.

Entgegen dem diesbezüglichen Vortrag der Beschwerdeführerin wird eine anspruchsgemäße Hochdruckkammer lediglich durch den unterhalb der Berstmembran bzw. der Dichtung befindlichen unteren Kammerabschnitt des Kammerbauteils ausgebildet (Merkmal M4.1), denn nur in diesem Abschnitt des Kammerbauteils bildet sich auch tatsächlich ein Hochdruck aus. Im oberen Kammerabschnitt des Kammerbauteils ist der Einsatz mit dem als Drossel wirkenden Kanal aufgenommen. Dieser Abschnitt weist kein freies Volumen zur Aufnahme eines Hochdruckgases auf und ist demnach auch nicht als Kammerabschnitt der Hochdruckkammer zuzurechnen, so dass die Berstmembran bzw. die Dichtung auch nicht, wie im Anspruch beschrieben, die Hochdruckkammer in einen ersten und zweiten Kammerabschnitt unterteilen kann (Merkmal M4.3), sondern dies lediglich in Bezug auf das zylindrische Kammerbauteil zu leisten vermag. Auch die Anordnung der Berstmembran bzw. der Dichtung am oberen Ende des Einsatzes oder das Vorsehen einer weiteren Berstmembran oder Dichtung (vgl. S. 5, zweiter vollständiger Absatz) kann, im Gegensatz zur diesbezüglichen Meinung der Beschwerdeführerin, erkennbar nicht zu einer anspruchsgemäßen Unterteilung der Hochdruckkammer führen. Der Einsatz mit dem Kanal bildet vielmehr aus- schließlich das Merkmal M4.2 des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 ab, wonach im Kammerbauteil zumindest ein öffenbarer Kanal zur Verbindung der Hochdruck- mit der Niederdruckkammer vorgesehen ist.

Der austauschbare Einsatz wird in das Kammerbauteil eingepresst, wobei der Außendurchmesser eines zylindrischen Abschnitts 9 des Einsatzes derartig bemessen ist, dass der Abschnitt gegen die Innenwand der Hochdruckkammer dichtend anliegt (vgl. S. 3, dritter vollständiger Absatz, depressed, S. 4, letzter Absatz, portion 9 seals). Der Einsatz ist also verschiebbar und über seinen Abschnitt 9 klemmend in der Hochdruckkammer aufgenommen. Die Berstmembran oder ein entsprechendes Dichtelement (vgl. S. 3, vierter vollständiger Absatz, stemming, S. 5, zweiter vollständiger Absatz, sealing elements) sind als separate Bauteile zu dem Einsatz ausgeführt und mit der Unterseite des Einsatzes, bspw. stoffschlüssig verbunden (vgl. S. 5, letzter Absatz, membrane 12...to rest towards...). Somit sind auch die Berstmembran bzw. das Dichtelement mit dem Einsatz in der Hochdruckkammer verschiebbar (Teilmerkmal M4.4). Dass aber die Berstmembran oder das beschriebene Dichtelement im Sinne des Streitpatents selber in der jeweiligen Position klemmend in der Hochdruckkammer aufgenommen ist, ist in der Druckschrift D12 so explizit nicht offenbart. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Berstmembran oder das Dichtelement zumindest einen minimal geringeren Durchmesser als der zylindrische Abschnitt des Einsatzes aufweisen. Hierdurch bleibt die Berstmembran beim Einpressen des Einsatzes mechanisch unbelastet, wodurch Beschädigungen der Berstmembran oder gar ein Ablösen der Berstmembran von der Unterseite des Einsatzes beim Einpressen verhindert werden. Schließlich ist die dichtende Wirkung beim Einpressen des Einsatzes in die Hochdruckkammer in der Druckschrift D12 expressis verbis auch nur für den zylindrischen Abschnitt des Einsatzes und nicht für die Berstmembran bzw. das Dichtelement beschrieben, für die ihrerseits angegeben ist, dass sie den Kanal lediglich abdecken bzw. abdichten sollen (vgl. S. 5, vorletzter und letzter Absatz). Es ist in dieser Druckschrift also nicht explizit offenbart, dass Berstmembran bzw. Dichtelement denselben Außendurchmesser wie der zylindrische Abschnitt des Einsatzes aufweisen. Allein der Figur ist eine klemmende Wirkung der Berstmembran bzw. der Dichtung zu Positionierung so auch nicht zu entnehmen. Die anspruchsgemäß geforderte klemmende Funktion ist lediglich für den Einsatz erfüllt, nicht aber für die Berstmembran. Es fehlt demnach entgegen dem diesbezüglichen Vortrag der Beschwerdeführerin neben dem Merkmal M4.3 auch das vollständige Merkmal M4.4 des Gegenstandes gemäß Streitpatent.

In der Druckschrift D15 ist eine Schrotpatrone (vgl. Patentanspruch 2, shotgun shell) mit einer Kartusche (vgl. Sp. 7, Z. 16, tube 27, base wad 29) und mehreren Geschossen (vgl. Sp. 7, Z. 22, shot 32) beschrieben. Ein merkmalsgemäßes (Merkmale M4 bis M4.4) Hochdruck–Niederdruck-Zündsystem ist nicht vorgesehen. Zur Platz - Kompensation (vgl. Sp. 2, Z. 8 bis 18, …fill smaller space…) zwischen dem Schießpulver (vgl. Sp. 7, Z. 14 bis 33, power load 31) und der Kugelladung 32 sind zwei hohlzylindrische Bauteile (vgl. Sp. 7, Z. 7 bis 13, cups 15, 17) vorgesehen, wobei das obere Bauteil 15 in das untere Bauteil 17 einschiebbar ist und in der jeweiligen Position klemmend in dem unteren Bauteil 17 gehalten wird (vgl. Sp. 7, Z. 7 bis 33, Figuren 1 bis 6, …frictionally held…). Das untere Bauteil 17 umfasst einen horizontalen Steg 19, der dimensioniert ist, dem beim Abbrennen des Schießpulvers entstehenden Druck standzuhalten. Zu einer klemmenden Fixierung des unteren Bauteils 17 in der Kartusche 27, 28, 29 ist in der Druckschrift D15 nichts angegeben.

Die übrigen Druckschriften liegen weiter ab und können keine zusätzlichen Erkenntnisse im Hinblick auf die Neuheit der Granate nach Patentanspruch 1 liefern.

b) Die Granate nach Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (§§ 1, 4 PatG).

Als geeigneter Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit kann die Druckschrift D10 angesehen werden.

Die Druckschrift D10 lehrt, die Berstmembran bzw. die Berstbüchse 5 in der Hochdruckkammer zwischen einem Absatz des Kammerbauteils 11 und einem Deckel zu klemmen, also nicht im Sinne des Streitpatents verschiebbar und in der jeweiligen Position klemmend in der Hochdruckkammer aufzunehmen (Merkmal M4.4) (vgl. obige Ausführungen zur Neuheit).

In Anbetracht der Aufgabe, die aus der Druckschrift D10 bekannt gewordene Granate für alle Abschussgeschwindigkeitsbereiche mit definiertem Zündvorgang und reproduzierbarer Geschossgeschwindigkeit einzusetzen, ist es naheliegend, die Treibladungsmenge entsprechend der gewünschten Abschussgeschwindigkeit zu variieren. Das Volumen des die Treibladung aufnehmenden Kammerabschnitts der Hochdruckkammer passt der Fachmann dabei exakt an die jeweilige Treibladungsmenge an, wobei er auch die Position des zur Auflage der Berstbüchse notwendigen Absatzes des Kammerbauteils an die neue Füllhöhe der Treibladung angleicht und die Länge der Berstbüchse entsprechend verkürzt oder verlängert. Das Merkmal M4.4 des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 ist bei diesem fachmännischen Handeln so nicht nahegelegt.

Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, es sei für den Fachmann allein schon unter Zuhilfenahme seines Fachwissens eine zur oben beschriebenen Lösung (vgl. Anpassung der Position des Absatzes und der Länge der Berstbüchse) naheliegende Alternative, die Berstbüchse anspruchsgemäß verschiebbar und klemmend in der Hochdruckkammer vorzusehen. Als Beleg für das Naheliegen einer solchen Maßnahme könne nach Meinung der Beschwerdeführerin bereits angesehen werden, dass im ursprünglichen Patentanspruch 3 des Streitpatents die verschiebbar klemmende Aufnahme der Berstmembran in der Hochdruckkammer auch alternativ zu der in der Druckschrift D10 gelehrten formschlüssigen Fixierung an einem Absatz oder einem Anschlag beschrieben sei.

Diese Sichtweise teilt der Senat nicht, da es natürlich dem Anmelder überlassen ist, im Rahmen seiner Anmeldung neben einer aus seiner Sicht erfindungswesent- lichen Ausführungsform auch zunächst noch weitere alternative Ausgestaltungen zur Lösung der gestellten Aufgabe zu beschreiben und im Interesse eines möglichst breiten Schutzbereichs auch für alle diese verschiedenen Ausführungsformen anfänglich Schutz zu begehren. Demnach kann aber gerade anhand einer aus solchen Überlegungen resultierenden Anspruchsfassung nicht geschlossen werden, dass es sich bei allen im Rahmen eines Anspruchs definierten Alternativen auch um dem Fachmann hinlänglich bekannte und aus seiner Sicht auch gleichwertige und rein handwerkliche Lösungsvarianten handeln muss. Die ursprüngliche Anspruchsfassung des Streitpatents kann daher nicht ein etwaiges Naheliegen des Merkmals M4.4 des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 belegen.

Die Beschwerdeführerin hat darüber hinaus noch auf die Druckschriften D12 und D1 verwiesen, deren Lehre ausgehend von der Druckschrift D10 jeweils eine anspruchsgemäße (Merkmal M4.4) Aufnahme der Berstmembran in der Hochdruckkammer nahelegen würden.

Diese Sichtweise vermag nicht zu überzeugen. Zum einen lehrt die Druckschrift D12 (vgl. obige Ausführungen zur Neuheit), den Einsatz 7, nicht aber die Berstmembran selber, klemmend in einer Hochdruckkammer aufzunehmen. Zum anderen ist in dieser Druckschrift vorgesehen, bei sich verändernden Treibladungsmengen die Länge des Einsatzes anzupassen (vgl. S. 5, zweiter vollständiger Absatz), nicht aber hierzu die Berstmembran verschiebbar klemmend in der Hochdruckkammer aufzunehmen. Die Berücksichtigung der Lehre der Druckschrift D12 führt den Fachmann ausgehend von der Druckschrift D10 demnach zu einer anderen Lösung, als der im Streitpatent vorgeschlagenen.

Gemäß der Lehre der Druckschrift D1 ist ein gerade nicht als Berstmembran wirkender U-förmiger Kolben zwischen mehreren Bauteilen passiv eingeklemmt, also auch nicht selber klemmend im Sinne des Streitpatents in der Hochdruckkammer aufgenommen, wobei der Kolben auch erst unter Wirkung des Druckgases in der Hochdruckkammer verschiebbar ist. Wie der Fachmann ausgehend von der Druckschrift D10 angesichts dieser Lehre zu einer Granate mit sämtlichen Merkmalen und insbesondere mit dem Merkmal M4.4 der Granate nach Patentanspruch 1 gelangen soll, ist nicht ersichtlich.

Die Beschwerdeführerin hat u. a. in ihrer Beschwerdebegründung darüber hinaus argumentiert, der Fachmann würde bei variierenden Treibladungsmengen von Granaten ausgehend von der Druckschrift D10 die Lehre der Druckschrift D15 hinzuziehen, um ggf. die Position der Berstmembran bzw. der Berstbüchse entsprechend anzupassen. Der Fachmann erhielte in dieser Druckschrift den Hinweis, eine Berstmembran oder Berstbüchse verschiebbar und in der Hochdruckkammer klemmend, wie anspruchsgemäß gefordert, auszubilden.

Diesem Vortrag kann nicht gefolgt werden. Die Druckschrift D15 lehrt, ein oberes hohlzylindrisches Bauteil 15 in ein unteres hohlzylindrisches Bauteil 17 einschiebbar und in der jeweiligen Position in dem unteren Bauteil 17 klemmend auszugestalten (vgl. obige Ausführungen zur Neuheit). Somit kann auch bei unterschiedlichen Schießpulver- und Schrotkugelmengen stets dieselbe Patronenlänge sichergestellt werden, d. h. der sich zwischen dem Schießpulver und den Schrotkugeln ergebende Freiraum ist über das teleskopartig im unteren Bauteil verschiebbare obere Bauteil variable anpassbar. Warum der Fachmann überhaupt diese aus dem Bereich von Patronen stammende Lehre auf eine Granate, bspw. nach Druckschrift D10, übertragen sollte, ist nicht erkennbar, zumal sich bei einer Granate mit veränderlicher Treibladungsmenge das Problem der Platzkompensation zwischen Treibladung und Projektil, analog zur Schrotpatrone der Druckschrift D15, so überhaupt nicht stellt. Aber selbst bei Anwendung der Lehre der Druckschrift D15 auf die Granate der Druckschrift D10, wäre das Merkmal M4.4 des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 so nicht nahegelegt. Der Fachmann würde nämlich bei der Granate der Druckschrift D10, der Lehre der Druckschrift D15 folgend, zwei hohlzylindrische Bauteile in der Hochdruckkammer vorsehen, wobei das obere Bauteil teleskopartig in das unteren Bauteil einschiebbar und in diesem klemmend positionierbar wäre. Damit ist aber nicht eine verschiebbare und in der jeweiligen Position klemmende Aufnahme des unteren Bauteils in der Hochdruckkammer nahegelegt.

Eine anspruchsgemäße Granate wäre dem Fachmann demnach selbst in Zusammenschau der Druckschrift D10 und D15 nicht nahegelegt. Es fehlt nämlich immer noch das Merkmal M4.4 der Granate nach Patentanspruch 1.

Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Beschwerdebegründung auch noch dahingehend argumentiert (vgl. S. 8 bis 10), dass der Gegenstand nach Patentanspruch 1 dem Fachmann auch ausgehend von der Druckschrift D1 in einer Zusammenschau mit der Druckschrift D10 nahegelegt sei. In der Druckschrift D1 ist beschrieben, dass von einer Verdämmung zum Verschließen von Überströmöffnungen nach deren Sprengung Reste unerwünschter Weise in der Waffe verbleiben können (vgl. Sp. 1, Z. 50 bis 59). Zur Vermeidung dieser Nachteile lehrt diese Druckschrift, anstelle der Verdämmung, die mit einer Berstmembran vergleichbar ist, einen lediglich verschiebbaren U - förmigen Kolben in der Hochdruckkammer aufzunehmen. Warum der Fachmann ausgehend von diesem Stand der Technik und der hier explizit offenbarten ausdrücklichen Hinweise, nun trotzdem den eine solche nachteilige Berstmembran betreffenden Stand der Technik nach der Druckschrift D10 mit berücksichtigen sollte, ist nicht erkennbar. Aber entgegen dem Vortrag der Beschwerdeführerin würde selbst eine etwaige Zusammenschau der Druckschrift D1 mit der Druckschrift D10 den Fachmann nicht zur Granate des Streitpatents führen, da in der Zusammenschau dieser Druckschriften immer noch keine in der Hochdruckkammer aufgenommene klemmende Berstmembran nahegelegt wäre (Merkmal M4.4). Vielmehr lehrt die Druckschrift D1 diesbezüglich, die Berstmembran über ein drittes Bauteil, hier bspw. einen Sprengring passiv eingeklemmt in der Hochdruckkammer aufzunehmen (vgl. Druckschrift D1, Sp. 3, Z. 36 bis 43).

Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ist der Gegenstand des Streitpatents demnach weder ausgehend von der Druckschrift D10 unter Berücksichtigung des Wissen des Fachmanns oder in einer Zusammenschau mit einer der Druckschriften D12, D1 oder D15 noch ausgehend von der Druckschrift D1 in Zusammenschau mit der Druckschrift D10 nahegelegt.

Angesichts des Standes der Technik sind zur Lösung der im Streitpatent formulierten Aufgabe aber durchaus verschiedene Maßnahmen nahegelegt:

Die Druckschrift D2 lehrt, eine Treibladung in einer an die Treibladungsmenge angepassten Bersthülse unterzubringen, wobei die Bersthülse mittels eines Anschlags am Kammerbauteil 19 positioniert ist. Bei veränderlichen Treibladungsmengen ist es naheliegend, die Bersthülse an das Volumen der Treibladung anzupassen, diese weiterhin am Anschlag des Kammerbauteils anliegen zu lassen und die Länge des Kammerbauteils oder der das Kammerbauteil verschließenden Zündladungs-Zündpille 21 an die veränderte Länge der Treibladung anzugleichen.

In der Druckschrift D3 (vgl. Sp. 3, Z. 34 bis 41) ist bereits beschrieben, zur Anpassung an veränderliche Treibladungsmengen den Durchmesser des hohlzylindrischen Kammerbauteils im Bereich der Treibladung zu variieren. Die diesem eindeutigen Hinweis entgegenstehende Auffassung der Beschwerdeführerin, der Fachmann würde alternativ noch die Lehre der Druckschrift D15 berücksichtigen, und dabei zwei hohlzylindrische Polyethylen Bauteile als Alternative zur Berstscheibe 45 als Berstmembranen in der Hochdruckkammer vorsehen, vermag nicht zu überzeugen. Eine solche Maßnahme würde den Fachmann auch nicht zu einer Granate mit dem Merkmal M4.4 des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 führen (vgl. obige Ausführungen zur Zusammenschau der Druckschrift D10 mit der Druckschrift D15).

Bei der Granate gemäß der Druckschrift D6 lässt sich in naheliegender Weise die Treibladungsmenge durch Verlegen des Absatzes des Ringelements 140 und entsprechende Längenveränderung des Ringelements 160 verändern. Die Berstscheibe 170 bliebe dabei unverändert zwischen den beiden Ringelementen 140, 160 geklemmt fixiert.

Die Lehre der Druckschrift D12 umfasst bereits die Anpassung an veränderte Treibladungsmengen durch eine Längenänderung des zylindrischen Einsatzes 7 und eine daraus resultierende veränderte Einpresstiefe des Einsatzes in das Kammerbauteil (vgl. S. 5, zweiter vollständiger Absatz).

Auch unter Berücksichtigung dieser Druckschriften gelangt der Fachmann demnach nicht zur Granate gemäß Streitpatent.

Die Gesamtbetrachtung des Standes der Technik ergibt somit, dass die mit dem Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung vorgeschlagene Lösung die Behebung eines bekannten Problems auf eine weitere neue, nicht naheliegende Art und Weise darstellt.

c) Die nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 7 betreffen zweckmäßige und nicht selbstverständliche Weiterbildungen der Granate nach Patentanspruch 1. Sie sind mit diesen ebenfalls bestandsfähig.

III.

Rechtsmittelbelehrung Dieser Beschluss kann mit der Rechtsbeschwerde nur dann angefochten werden, wenn einer der in § 100 Absatz 3 PatG aufgeführten Mängel des Verfahrens gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.

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