XI ZB 27/21
BUNDESGERICHTSHOF XI ZB 27/21 BESCHLUSS vom 26. April 2022 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2022:260422BXIZB27.21.1 Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. April 2022 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Matthias und Dr. Schild von Spannenberg sowie die Richterinnen Ettl und Dr. Allgayer beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin zu 2 gegen den Beschluss des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 27. September 2021 wird als unzulässig verworfen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Kläger. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 21.450 €.
Gründe: I.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen der Kläger.
Zur Teilfinanzierung des Erwerbs eines PKWs vom Typ Honda Civic schlossen die Parteien am 3. Juni 2009 einen Vertrag über ein Annuitätendarlehen in Höhe von 18.950 € netto. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2014 widerriefen die Kläger ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen.
Ihre auf die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung II des PKWs, auf die Feststellung, dass der Beklagten keine Ansprüche aus dem Darlehensvertrag mehr zustehen sowie auf die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichtete Klage hat das Landgericht mit Urteil vom 8. Juli 2020 abgewiesen. Gegen dieses, den Klägervertretern am 10. Juli 2020 zugestellte Urteil haben diese mit einem beim Berufungsgericht am 7. August 2020 eingegangenen Schriftsatz wie folgt Berufung eingelegt:
"In dem Rechtsstreit Der Frau V. Z. ,
- Klägerin und Berufungsklägerin Prozessbevollmächtigte: ... gegen ... [die Beklagte] Prozessbevollmächtigte: ... ... legen wir namens und in Vollmacht der Klägerin hiermit gegen das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 08.07.2020, zugestellt an die Klägerin am 09. Juli 2020,
Berufung ein." Mit am 19. August 2020 beim Berufungsgericht eingegangenem Schriftsatz haben die Klägervertreter klargestellt, dass die Berufung für beide Kläger habe eingelegt werden sollen. Mit am 8. Oktober 2020 beim Berufungsgericht eingegangenem Schriftsatz wurde die Berufung begründet. Mit Schreiben vom 27. Juli 2021 hat das Berufungsgericht den Kläger zu 1 darauf hingewiesen, dass seine Berufung unzulässig sei, weil es angesichts des eindeutigen Wortlautes der Berufungsschrift, in der allein die Klägerin als Rechtsmittelführerin bezeichnet worden sei, an jedwedem Anhaltspunkt für eine Auslegung dahin fehle, dass das Rechtsmittel für beide Kläger habe eingelegt werden sollen. Eine diesbezügliche Klarstellung sei innerhalb der Berufungsfrist nicht erfolgt. Demgegenüber sei die Berufung der Klägerin zu 2 zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Hierzu hat die Beklagte unter dem 20. August 2020 dahin Stellung genommen, dass die Berufung insgesamt unzulässig sei, denn die Berufungsschrift lasse nicht zweifelsfrei erkennen, dass die Berufung für die Klägerin zu 2 eingelegt worden sei. Deren Vorname sei im Unterschied zu dem des Klägers zu 1 nicht angegeben worden. Bis zum Ablauf der Berufungsfrist sei daher nicht zweifelsfrei erkennbar gewesen, wer Rechtsmittelführer sei.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht die Berufung der Kläger als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Berufungsschrift sei nicht eindeutig zu entnehmen, für wen das Rechtsmittel eingelegt worden sei. Da "V. Z. " der Name des Klägers zu 1, nicht der der Klägerin zu 2 sei, in der Berufungsschrift als "Klägerin und Berufungsklägerin" jedoch eine "Frau V. Z. " bezeichnet worden sei, lasse sich der Berufungsschrift nicht zweifelsfrei entnehmen, ob die Klägerin zu 2 Berufungsführerin habe sein sollen, wofür die wiederholte Verwendung des Begriffes "Klägerin" spreche, oder ob Berufungsführer der namentlich benannte Kläger zu 1 habe sein sollen, der nur versehentlich als "Klägerin und Berufungsklägerin" bezeichnet worden sei. Schließlich sei auch denkbar gewesen, dass die Berufung für beide Kläger habe eingelegt werden sollen, wofür die nach Ablauf der Berufungsfrist eingegangene Klarstellung der Klägervertreter spreche. Auch dem sonstigen Akteninhalt sei nicht zu entnehmen, ob die Berufung für die Klägerin zu 2, für den Kläger zu 1 oder für beide Kläger habe eingelegt werden sollen, da durch das angefochtene Urteil beide Kläger in gleicher Weise beschwert würden. Eine Auslegungsregel, wonach ein Rechtsmittel im Zweifel für alle unterlegenen Streitgenossen eingelegt werden solle, existiere nicht.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin zu 2. Der Kläger zu 1 hat seine Rechtsbeschwerde zurückgenommen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (Senatsbeschluss vom 9. November 2004 - XI ZB 6/04, BGHZ 161, 86, 87 mwN), sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) nicht erforderlich. Das Berufungsgericht ist vielmehr, ohne den Anspruch der Klägerin zu 2 auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) zu verletzen, im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, die Berufung der Klägerin zu 2 sei unzulässig, da die Kläger bis zum Ablauf der Berufungsfrist nicht klargestellt hätten, wer Berufung einlegt hat.
1. Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon ausgegangen, dass zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift gemäß § 519 Abs. 2 ZPO auch die Angabe gehört, für und gegen welche Partei das Rechtsmittel eingelegt wird.
a) Aus der Berufungsschrift muss entweder für sich allein oder mit Hilfe weiterer Unterlagen wie etwa des angefochtenen Urteils bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig zu erkennen sein, wer Berufungskläger und wer Berufungsbeklagter sein soll. Dabei sind vor allem an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers strenge Anforderungen zu stellen. Bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung muss jeder Zweifel an der Person des Rechtsmittelklägers ausgeschlossen sein. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die erforderliche Klarheit über die Person des Berufungsklägers ausschließlich durch dessen ausdrückliche Bezeichnung zu erzielen wäre; sie kann auch im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der etwa sonst vorliegenden Unterlagen gewonnen werden. Dabei sind, wie auch sonst bei der Ausdeutung von Prozesserklärungen, alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen. Die Anforderungen an die zur Kennzeichnung der Rechtsmittelparteien nötigen Angaben richten sich nach dem prozessualen Zweck dieses Erfordernisses, also danach, dass im Falle einer Berufung, die einen neuen Verfahrensabschnitt vor einem anderen als dem bis dahin mit der Sache befassten Gericht eröffnet, zur Erzielung eines auch weiterhin geordneten Verfahrensablaufs aus Gründen der Rechtssicherheit die Parteien des Rechtsmittelverfahrens, insbesondere die Person des Rechtsmittelführers, zweifelsfrei erkennbar sein müssen (BGH, Beschlüsse vom 9. April 2008 - VIII ZB 58/06, NJW-RR 2008, 1161 Rn. 5, vom 8. August 2017 - X ZB 9/15, MDR 2017, 1318 Rn. 14 und vom 24. Februar 2021 - VII ZB 8/21, BauR 2021, 1008, 1009 f., jeweils mwN). Klagen mehrere Streitgenossen, ist unabdingbar, dass alle Streitgenossen genannt werden, die Rechtsmittelführer sein sollen. Ist bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist unklar, für welche Streitgenossen Berufung eingelegt werden soll, ist das Rechtmittel insgesamt unzulässig (BFH, BFHE 153, 1 und BGH, Beschluss vom 12. November 2020 - V ZB 32/20, NJW-RR 2021, 506 Rn. 5, jeweils mwN).
b) Gemessen an diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass innerhalb der Berufungsfrist nicht erkennbar war, für wen mit dem Schriftsatz vom 7. August 2020 Berufung eingelegt werden sollte.
aa) Die Berufungsschrift enthält einerseits den Vornamen des Klägers zu 1, bezeichnet diesen aber andererseits durchgängig als "Klägerin" bzw. "Berufungsklägerin", ohne dass auch der Name der Klägerin zu 2 genannt oder in irgendeiner Weise kenntlich gemacht wird, dass die Berufung durch mehr als eine "Klägerin" eingelegt werden soll. Das Berufungsgericht hat angesichts dessen ohne Rechtsfehler angenommen, dass diese Formulierung der Berufungsschrift sowohl den Schluss zulässt, dass die Klägerin zu 2 die Berufung einlegen wollte, als auch den Schluss, dass der Kläger zu 1 Berufungskläger sein sollte, da in gleicher Weise sowohl ein Irrtum der Klägervertreter hinsichtlich des Vornamens der Klägerin zu 2 als auch ein Irrtum hinsichtlich des Geschlechts in Betracht kommt, im Hinblick auf das Klarstellungsschreiben der Klägervertreter vom 18. August 2020 aber auch die Auslegung der Berufungsschrift in Betracht kommt, dass beide Kläger Berufung einlegen wollten.
bb) Ebenfalls rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich auch aus den sonstigen, bis zum Ablauf der Berufungsfrist vorgelegten Unterlagen nicht sicher entnehmen ließ, ob die Berufung durch die Klägerin zu 2, durch den Kläger zu 1 oder durch beide Kläger eingelegt worden war, da durch das landgerichtliche Urteil beide Kläger als Darlehensnehmer in gleicher Weise beschwert worden waren und sich weder aus diesem Urteil noch aus sonstigen Umständen ein Anhaltspunkt dafür ergab, dass nur die Klägerin zu 2, nur der Kläger zu 1 oder beide Kläger als Berufungskläger in Betracht kommen.
2. Die danach vom Berufungsgericht zu Recht gehegten Zweifel daran, ob die Berufung vorliegend durch die Klägerin zu 2, durch den Kläger zu 1 oder durch beide Kläger eingelegt worden war, haben die Klägervertreter nicht innerhalb der spätestens am 11. August 2020 endenden Berufungsfrist (§ 517 ZPO) beseitigt, denn ihr Schriftsatz vom 18. August 2020 ist erst nach dem Ablauf der Berufungsfrist, mithin verspätet beim Berufungsgericht eingegangen. Die Berufung ist damit insgesamt unzulässig.
III. 14 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 516 Abs. 3 ZPO analog.
Ellenberger Ettl Matthias Schild von Spannenberg Allgayer Vorinstanzen: LG Mönchengladbach, Entscheidung vom 08.07.2020 - 6 O 317/19 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 27.09.2021 - I-14 U 258/20 -